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Mikwe (Worms)

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Moderner Zugang zum Vorraum
Fenster zwischen Vorraum und Badeschacht, rechts: südwestliche Säule des Vorraums. Fenster und Säule wurden im Zuge der Wiederherstellung 1958 bis 1961 eingebracht.
Zugang zur unteren Treppe aus dem Vorraum. Die rechte Säule ist ein bauzeitliches Original, die linke eine Ergänzung aus Museumsbeständen.
Tauchbecken, rechts das Ende der unteren Treppe

Die Mikwe in Worms stammt aus dem Hochmittelalter.

Geografische Lage

Die Mikwe liegt inmitten des ehemaligen Wohnbereichs der jüdischen Gemeinde, wo die Synagoge Worms den Mittelpunkt eines Ensembles jüdischer Kultbauten bildet. Südlich der Synagoge erstreckt sich der Synagogengarten, in dem sich heute der Eingang zur Mikwe befindet.[1]

Geschichte

Die Mikwe war eine Stiftung aus privater Hand. 1185/86 wurde sie fertiggestellt. Die Stifterinschrift ist erhalten, wenn auch nicht an der ursprünglichen Stelle.[2] Die Inschrift besteht aus zwei Tafeln, die vermutlich an der Tür des Badehauses angebracht waren, von dem der Abstieg ins Bad erfolgte. Dieses Badehaus bestand Mitte des 19. Jahrhunderts noch als Ruine.[3] Heute befinden sich die Inschriften-Tafeln im Museum der Stadt Worms. Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Mikwe von Männern und Frauen benutzt, als eine zweite – heute nicht mehr vorhandene – Anlage nur für Männer errichtet wurde. Bis ins 19. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Anlage von den Frauen weiter genutzt[4] und nach 750 Jahren von der jüdischen Gemeinde als Kultbad aufgegeben. Sie drohte zu verfallen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie als Sehenswürdigkeit in Stand gesetzt und stand Besuchern seit 1895 offen. Bei dem Novemberpogrom 1938 wurde die Fensterwand zwischen Vorraum und Badeschacht zerschlagen und in den Schacht gestürzt.[Anm. 1] In den späten 1950er Jahren wurde die Anlage wieder hergestellt.[5]

Bauwerkbeschreibung

Die unterirdische Anlage reicht knapp neun Meter tief bis auf das dort anstehende Grundwasser. Baumaterial ist überwiegend roter Buntsandstein, einige wenige Partien, die wohl am Ende der Bauarbeiten gemauert wurden, bestehen aus Kalksinter. Die Bauformen der Anlage sind romanisch.

Obere Treppe und Eingangssituation

Der heutige Einstieg aus dem Synagogengarten führt über eine Treppe in den Vorraum. Diese Eingangssituation entspricht nicht der mittelalterlichen. Die heutige Treppe wurde erst nach den Zerstörungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingebaut, als das Bauwerk anschließend wieder hergerichtet wurde. Dabei wurden auch die baulichen Reste eines kleinen oberen Vorraums beseitigt, der zum historischen Zugang gehörte. Die „neue“ Treppe mündet direkt in den Vorraum.

Vorraum

Der Vorraum hat einen trapezoiden Grundriss und ist mit einem Tonnengewölbe gedeckt. Ursprünglich wurden alle vier Ecken des Raumes durch eine Säulenstellung betont.[6] Dies existiert aber nur noch an der Westwand. An den entsprechenden Stellen der Ostwand wurden später Pfeiler hochgemauert. Von den beiden Säulen der Ostwand ist nur die rechte mit doppeltem Halsring ein Original, die andere wurde nach den Zerstörungen bei der Restaurierung in den 1950er Jahren aus Beständen des Museums der Stadt Worms ersetzt.[7] Die Säulen tragen Würfelkapitelle. In der Ostwand befindet sich der Durchgang zur unteren Treppe.

Die Südwand wird durch ein zweiteiliges Fenster mit Oberlicht dominiert. Diese Fensteraufteilung ist eine Rekonstruktion der 1950er Jahre, nachdem bei den Zerstörungen 1938 die damals bestehende Wand in den Badeschacht gestoßen wurde. Die zerstörte Wand wies sehr viel kleinere Fenster auf, war aber ein nachträglicher Einbau. Wie dieser Durchbruch zur Bauzeit gestaltet war, ist nicht bekannt.

An der östlichen Schmalseite des Raumes befindet sich eine eingewölbte Nische unbekannter Funktion. Häufig als „Kleiderablage“[8] oder „Umkleideraum“ bezeichnet, gibt es aber keinen Beleg für diese Funktion.

Untere Treppe

Vorraum und Kultbad sind durch eine weitere Treppe verbunden, die sich halbkreisförmig nach unten schwingt.[Anm. 2] Sie ist ebenfalls mit einem Tonnengewölbe gedeckt. Die Treppe führt übergangslos ins Tauchbad.

Badeschacht

Das Tauchbad, am Boden des Badeschachts, ist an drei Seiten von Stufen umgeben. Der Badeschacht misst im Querschnitt 2,85 × 2,85 cm.[Anm. 3] Die unteren Lagen des Badeschachts sind – wie bei einem Schachtbrunnen – aus großen Quadern gemauert, Trockenmauerwerk (also ohne Mörtel), auch wenn die Anlage hier im Wasser steht und alles andere als trocken ist. Das dient zum einen dazu, den Durchfluss des rituell erforderlichen Grundwassers zu verbessern und verhindert auch, dass Mörtel ausgeschwemmt wird. Die Mauerlagen oberhalb des Grundwasserbereichs sind dagegen mit kleinteiligeren Hausteinen im Mörtelverband verlegt. Der etwa acht Meter hohe Schacht wird von einem Tonnengewölbe gedeckt, das nur knapp unter der Erdoberfläche liegt. Hier gibt es einen an die Oberfläche führenden Schacht, mit dem zusätzlich Regenwasser in die Mikwe geleitet wurde.[9]

Aktuelle Lage

Die Mikwe in Worms ist neben der Mikwe in Speyer die bedeutendste aus romanischer Zeit im deutschen Sprachraum[10] und wird auch als eines der kulturhistorisch bedeutendsten Bauwerke des Rheinlandes eingestuft.[11] Während die Mikwe in Speyer etwas älter ist – und der Wormser wohl auch baulich als Vorbild diente – sind die bauzeitlichen Befunde in der Wormser Synagoge besser erhalten. So gibt es hier – was sehr selten ist – sogar noch romanische Putzreste.[12] Die Wormser Synagoge ist ein Kulturdenkmal aufgrund des Rheinland-Pfälzischen Denkmalschutzgesetzes.[13][14] Sie ist zentraler Bestandteil des Vorhabens, die historischen Denkmäler der jüdischen Kultur in den SCHUM-Städten durch die UNESCO als Welterbe anerkennen zu lassen.[15]

Seit der Restaurierung in den 1950er Jahren war die Mikwe – neben der Synagoge und dem mittelalterlichen, jüdischen Friedhof Heiliger Sand – eine der herausragenden Sehenswürdigkeiten in Worms. Orthodoxe Juden nutzen vereinzelt die Mikwe für rituelles Untertauchen. Seit 2004 gilt der bauliche Zustand der Anlage als bedenklich.[16] Derzeit (2017) ist sie für den Besucherverkehr gesperrt, da die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet ist.

Literatur

nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet

Anmerkungen

  1. Caspary behauptet, die Mikwe sei 1938 unbeschädigt geblieben, was nicht zutrifft.
  2. Ältere Reproduktionen des Grundrisses stellen die Treppe tatsächlich als Halbkreis dar (vgl. Böcher: Die Alte Synagoge, Abb. 26). Tatsächlich ist sie gegenüber einem geometrisch exakten Halbkreis in ihrer oberen Hälfte jedoch in die Länge gezogen. Ebenso ist der Grundriss des Vorraums – im Gegensatz zu diesen Reproduktionen – nicht rechteckig, sondern trapezoid verzogen.
  3. Dies weist auf ein Maß von 10 × 10 Fuß hin.

Einzelnachweise

  1. Spille: Denkmaltopographie, S. 68.
  2. Wiedergegeben und ins Deutsche übersetzt in: Böcher: Die Alte Synagoge, S. 103f.
  3. Otto Böcher: Wohnflügel und romanisches Badehaus. Zwei verschwundene Gebäude des Wormser Synagogenbezirks. In: Der Wormsgau 6 (1963/64), S. 80f (81).
  4. Bormann: Möglichkeiten, S, 61.
  5. Spille: Denkmaltopographie, S. 68.
  6. Böcher: Die Alte Synagoge, S. 49.
  7. Caspary.
  8. Spille: Denkmaltopographie, S. 68.
  9. Spille: Denkmaltopographie, S. 68.
  10. Spille: Denkmaltopographie, S. 68.
  11. Bormann: Möglichkeiten, S, 61.
  12. Bormann: Möglichkeiten, S, 64ff.
  13. Spille: Denkmaltopographie, S. 68f.
  14. Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz: Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler. Kreisfreie Stadt Worms. (PDF; 1,4 MB), S. 3. Aufgerufen am 29. Oktober 2009.
  15. Eintrag der SchUM-Städte in der Tentativliste der UNESCO.
  16. Bormann: Möglichkeiten, S, 63.
49.6336298.366336
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Mikwe (Worms) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.