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Merkspanne

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Die Artikel Merkspanne und Gedächtnisspanne überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach vollständiger Abarbeitung der Redundanz. Derschueler 10:35, 4. Jan. 2013 (CET)

Die Merkspanne (Bezeichnungen mit ähnlicher Bedeutung: Gedächtnisspanne oder unmittelbares Behalten, Gegenwartsdauer, Fluoreszenzgedächtnis, Working Memory) ist eine nicht weiter zerlegbare menschliche Grundgröße, die einer Obergrenze zur Verarbeitung bewusster Information entspricht. Je größer sie ist, desto kompliziertere Denkvorgänge werden möglich. Ihre Ausprägung hängt mit dem Erfolg in Schule, Beruf und Alltag sowie mit der Lebensqualität, mentalen Gesundheit und Lebensdauer in einer Informations- und Wissensgesellschaft zusammen. Dies macht ihre praktische Bedeutung aus.

Durch körperliche Einflüsse wie bestimmte Ernährung einschließlich Pharmaka sowie durch Bewegung oder Schlaf und durch geistige Trainings lässt sich die Merkspanne ändern.

Vorgeschichte

In der Geschichte der Intelligenzpsychologie nahm die Merkspanne, anfänglich als „Gedächtnisspanne“ bezeichnet, von Beginn an einen wichtigen Platz ein: Ein Test für die Merkspanne war bereits als einer unter mehreren Untertests in den nach heutigen Maßstäben ersten Intelligenztest (Binet und Simon, 1904) aufgenommen worden. Als Untertest gehörte die Merkspanne auch zu den weltweit wahrscheinlich verbreitetsten Intelligenztests, die von Wechsler (1939) entwickelt worden waren.

Aufgrund der Analyse der menschlichen Informationsverarbeitung nach nachrichtentechnischen Modellen forderte (Frank, 1960) für die Verarbeitung bewusster Information zwei nicht weiter zerlegbare Größen 1) die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und die 2) Gegenwartsdauer, die dem zeitlichen Aspekt der Merkspanne entspricht. Das Produkt dieser beiden Basisgrößen bildet die Kurzspeicherkapazität, die heute auch als „Arbeitsspeicher­kapazität“ bezeichnet wird. Diese entspricht nicht dem englischen Working Memory, weil es üblicherweise nicht die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit einschließt. Working Memory deckt sich in der Bedeutung oft mit der Merkspanne. Ob letzteres zutrifft, ist daran zu erkennen, dass als Tests oder Übungen für das Working Memory nur solche aus dem Repertoire der Merkspanne genommen werden wie z. B. Ziffern-Nachsprechen oder Buchstaben unmittelbar reproduzieren. Forschungsarbeiten der Erlanger Schule der Informationspsychologie wiesen die Zusammenhänge der beiden Komponenten der Arbeitsspeicherkapazität mit Intelligenz, aber auch mit biologischen und soziologischen sowie gesellschaftlichen Variablen nach. Dabei sind die Beziehungen der beiden Komponenten zur Intelligenz je unterschiedlich. Mit bildgebenden Verfahren konnte inzwischen auch nachgewiesen werden, dass der Merkspanne im Gehirn ein anderes Netzwerk zugrunde liegt als der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Takeuchi u. a., 2011).

Die Messung

Die Messung der Kapazität der Merkspanne erfolgt durch die Aufgabe, eine möglichst lange Serie von Zeichen, die je im Abstand von einer Sekunde dargeboten werden, unmittelbar nach der Präsentation zu wiederholen. Als besonders günstig hat sich die Darbietung von Buchstabenreihen erwiesen. Beispiel: Anweisung: „Lesen Sie die folgenden Buchstaben einer Zeile, nur je etwa eine Sekunde pro Buchstabe. Decken Sie dann die Zeile ab und wiederholen Sie sofort die Buchstabenzeile“:

  • W L E
  • U G N R
  • B Z K T O
  • W T K H F M
  • E D J S R V I
  • G K N A P R W D

Man prüft, wo jemand nicht mehr weiterkommt. Die Kapazität der Merkspanne liegt bei der längsten noch unmittelbar wiederholbaren Zeile. Folgen von Ziffern und in weniger als einer Sekunde aussprechbaren einsilbigen Wörtern wie TOR, FASS oder LICHT erbringen die gleichen Ergebnisse. Allerdings ziehen bei Ziffernfolgen Personen, die Reihen von fünf und mehr schaffen, die ersten beiden Ziffern zu einer zweistelligen Zahl zusammen (Chunking). Deshalb wird eine Korrektur eingesetzt, um die Messergebnisse mittels Ziffern – von Messfehlern abgesehen – auf den gleichen Wert wie bei Buchstaben und einsilbigen Wörtern zu bringen (Lehrl u. a., 1992).

Die Unterschiede zur Gedächtnisspanne

Durch das Vorgehen bei der Messung unterscheidet sich die Merkspanne von der Erfassung der Gedächtnisspanne wie sie durch Tests von Wechsler (1945) weltweit bekannt wurde. Bei diesen Tests sind die Ziffernreihen nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts zu wiederholen. Bei letzterem Verfahren liegen die Ergebnisse immer unterhalb der Obergrenze der Merkspanne. Deshalb erreichen die Messungen der Gedächtnisspanne nur das Niveau einer Rangskala und nicht einer Absolutskala, wie es für die Merkspanne zutrifft. Eine der Folgen ist, dass sich durch die Gedächtnisspanne in der Bestimmung nach Wechsler die Kapazität des Arbeitsspeichers grundsätzlich nicht wiedergeben lässt. Begrifflich impliziert das Wort „Gedächtnis“ zudem, dass die unmittelbar – im Bewusstsein – gespeicherten Inhalte nicht direkt wiedergegeben werden, sondern indirekt von einem nichtbewussten Speicher abgerufen werden.

Die akute und zeitliche Ausprägung

Die Merkspanne hat zwei Aspekte. Sie entspricht

  1. der Anzahl der Einheiten (Items), die im Bewusstsein festgehalten werden können; andere Ausdrücke dafür sind „Gedächtnisspanne“ oder „unmittelbares Behalten“;
  2. der Zeit in Sekunden, in der Informationen bewusst sicher gemanagt werden können; diese Seite der Merkspanne wird auch als „Gegenwartsdauer“ bezeichnet.

Die unter 1) angeführten Einheiten können Buchstaben, Ziffern, Einsilber und ähnliche Items sein, die einen geringen Informationsgehalt haben und von denen man nicht auf die anderen zu schließen vermag (stochastische Unabhängigkeit) - z. B. „u p r z e“ - wie bei aufeinanderfolgenden Buchstaben, die ein Wort ergeben - beispielsweise „u n t e n“.

Die Anzahl der maximal bewusst festhaltbaren Items deckt sich überraschend genau mit der Zeit in Sekunden, während der Informationen bei voller Auslastung des Bewusstseins unmittelbar präsent sind.

Die Unterschiede innerhalb und zwischen den Menschen

Von der Geburt bis zum 15./16. Lebensjahr nimmt die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit zu, bleibt bis zu etwa 25 Jahren auf diesem Niveau und sinkt dann wieder. Dies sind Durchschnittsergebnisse der Bevölkerung. Der statistische Mittelwert beträgt bei Erwachsenen 5,4 Items, entsprechend 5,4 s (Lehrl & Fischer, 1988). Zwischen den Menschen, die sich in der Testsituation um individuell hohe Leistungen bemühen, ist die Streuung der Merkspannen groß. Bei leichter geistiger Behinderung liegt sie bei 4,0 und bei geistiger Hochbegabung bei 7,0 (Lehrl u. a., 1992). Bei allgemeinen Funktionsstörungen des Gehirns wie beispielsweise einer akuten Alkohol- oder Medikamentenvergiftung oder dem Narkotikum Ketamin (Pfenninger u. a., 2002) sowie bei Altersdemenzen fällt die Merkspanne ab (Lehrl u. a., 1988). Bei nichtoptimalen Aktivationszuständen, z. B. im entspannten Zustand beim Fernsehen oder im Schulunterricht unterschreitet die Merkspanne ebenfalls das individuell mögliche Maximum, das einen vollen Wachheitszustand voraussetzt.

Die Zusammenhänge mit anderen Größen

Je größer die Merkspanne ist, desto kompliziertere Denkvorgänge werden möglich (Süllwold, 1964). Dies dient als Erklärung für die monotonen Beziehungen mit dem Intelligenzniveau, speziell dem Niveau der fluiden Intelligenz (Engle u. a., 1999) Colom u. a.,2004). Ihre Ausprägung hängt mit dem Erfolg in Schule (Brooks & Shell, 2006; Colom u. a., 2007), Beruf (Kuncel u. a., 2004) und Alltag sowie mit der Lebensqualität (Gottfredson & Deary 2004, mentalen Gesundheit (Cederblad & Dahlin, 1995) und Lebensdauer (Maier & Smith, 1999; Gottfredson & Deary, 2004) in einer Informations- und Wissensgesellschaft zusammen. Dies macht ihre praktische Bedeutung aus.

Die Veränderbarkeit

Bereits im Jahr 1986 berichteten Weidenhammer u. a. über mehrere Studien, in denen das Training des Arbeitsspeichers einschließlich der Merkspanne die Leistungen der fluiden Intelligenz und die psychische Stabilität Erwachsener bereits nach zwei Wochen erheblich ansteigen ließ. Eine Überblicksstudie von Takeuchi u. a. (2010), in der die soeben erörterte Arbeit von Weidenhammer u. a. nicht berücksichtigt wurde, bestätigte, dass Übungen der Merkspanne auch andere Größen fördern (so genannter „Transfer“), speziell sich auf Wichtiges zu konzentrieren, komplex zu denken und kreativ zu sein. Außerdem haben sie nachhaltige Wirkungen, die über Monate später nach einem etwa dreiwöchigen Training noch nachweisbar sind. Erhebliche Wirkungen haben zudem körperliche Einflussgrößen, beispielsweise eine geeignete Getränkezufuhr (Rogers u. a., 2001) und Ernährung wie Schulverpflegung (Genz, 2007; Wagner, 2009). Zur Verringerung der Merkspanne tragen geistige Fehlforderungen, ungünstige Ernährung, mangelnde Bewegung, Schlafstörungen und Minderungen der Sinnestüchtigkeit bei.

Literatur

  • A. Binet, T. Simon: Methodes nouvelles pour le diagnostiqc du niveau intellectuel des anormaux. In: L'Année Psychologique. 11, 1904, S. 191–244.
  • D. W. Brooks, D. F. J. Shell: Working Memory, Motivation, and Teacher-Initiated Learning. In: Sci Educ Technol. 15, 2006, S. 17–30.
  • M. Cederblad, L. Dahlin: Intelligence and temperament as protective factors for mental health: a cross-sectional and prospective epidemiology study. In: Eur Arch Psychiat Clin Neurosci. 245, 1995, S. 11–19.
  • R. Colom, I. Rebollo, A. Palacios, M. Juan-Espinosa, P. C. Kyllonen: Working memory is (almost) perfectly predicted by g. In: Intelligence. 32 (3), 2004, S. 277–296.
  • R. Colom, S. Escorial, P. C. Shih, J. Privado: Fluid Intelligence, Memory Span, and Temperament Difficulties Predict Academic Performance of Young Adolescents. In: Person Individ Diff. 42 (8), 2007, S. 1503–1514.
  • R. W. Engle, M. J. Kane, S. W. Tuholski: Individual differences in working memory capacity and what they tell us about controlled attention, general fluid intelligence, and functions of the prefrontal cortex. In: A. Miyake, P. Shah (Hrsg.): Models of working memory. Cambridge University Press, Cambridge 1999.
  • H. G. Frank: Über grundlegende Sätze der Informationspsychologie. In: Grundlagenstdn Kybern Geisteswiss. 1, 1960, S. 25–32.
  • U. Genz: Steigerung der mentalen Leistung durch richtiges Frühstück. In: Geistig fit. 6, 2007, S. 3–5.
  • L. S. Gottfredson: Intelligence: Is it the epidemiologists' elusive “fundamental cause” of social class inequalities in health? In: J Person Soc Psychol. 86, 2004, S. 174–199.
  • L. S. Gottfredson, I. J. Deary: Intelligence Predicts Health and Longevity, but Why? In: Curr Dir Psychol Sci. 13 (1), 2004, S. 1–4.
  • N. R. Kuncel, S. A. Hezlett, D. S. Ones: Academic performance, career potential, creativity, and job performance: Can one construct predict them all? In: J Person Soc Psychol [Special Section, Cognitive Abilities: 100 Years after Spearman. (1904)] 86, 2004, S. 148–161.
  • S. Lehrl, B. Fischer: The basic parameters of human information processing: their role in the determination of intelligence. In: Person Individ Diff. 9, 1988, S. 883–896.
  • S. Lehrl, A. Gallwitz, L. Blaha, B. Fischer: Geistige Leistungsfähigkeit. Theorie und Messung der biologischen Intelligenz mit dem Kurztest KAI. 3. Auflage. Vless, Ebersberg 1992, ISBN 3-88562-041-3.
  • H. Maier, J. Smith: Psychological Predictors of Mortality in Old Age. In: J Gerontol: PSYCHOLOGICAL SCIENCE. 54B, 1999, S. S44–S54.
  • E. G. Pfenninger, M. E. Durieux, S. Himmelseher: Cognitive impairment after small-dose ketamine isomers in comparison to equianalgesic racemic ketamine in human volunteers. In: Anesthesiology. 96(2), 2002, S. 357–366.
  • P. J. Rogers, A. Kainth, H. J. Smit: A drink of water can improve or impair mental performance depending on small differences in thirst. In: Appetite. 36, 2001, S. 57–58.
  • F. Süllwold: Das unmittelbare Behalten und seine denkpsychologische Bedeutung. Hogrefe, Göttingen 1964.
  • H. Takeuchi, Y. Taki, R. Kawashima: Effects of working memory training on cognitive functions and neural systems. In: Rev Neurosci. 21 (6), 2010, S. 427–449.
  • H. Takeuchi, Y. Taki, Y. Sassa, H. Hashizume, A. Sekiguchi, A. Fukushima, R. Kawashima: Verbal working memory performance correlates with regional white matter structures in the frontoparietal regions. In: Neuropsychologia. 49(12), 2011, S. 3466–3473.
  • G. Wagner: Schulverpflegung und mentale Leistungsfähigkeit. In: Ernährung und Medizin. 24, 2009, S. 197–199.
  • D. Wechsler: The Measurement of Adult Intelligence. Williams & Witkins, Baltimore (MD) 1939.
  • W. Weidenhammer, H. Glowacki, E. Gräßel: Wie führt man zerebrales Training in der Praxis durch und was hat sich bewährt. In: Pregeriatrics-Geriatrics-Rehabilitation. 2, 1986, S. 66–76.
  • H. Weiss, V. Weiss: The golden mean as clock cycle of brain waves. Chaos, Solitons and Fractals. 18, 2003, S. 643–652. (Volltext)
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