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Memento mori

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Memento Mori (Begriffsklärung) aufgeführt.
Das Letzte Gericht. Aus der Bamberger Apokalypse, um 1000. Auftraggeber der Handschrift war entweder Otto III. oder Heinrich II.

Der Ausdruck Memento mori entstammt dem mittelalterlichen Mönchslatein, wo er vermutlich verballhornt wurde aus Memento moriendum esse, also: „Bedenke, dass du sterben musst“. Er ist ein Symbol der Vanitas, der Vergänglichkeit und war wesentlicher Bestandteil der cluniazenischen Liturgie.

Memento mori darf nicht mit einem Totenkult, Ahnenkult oder gar Todeskult und der vor allem für die Romantik typische Ewigkeitssehnsucht verwechselt werden. Auch der alte römische Brauch, dass hinter einem siegreichen Feldherrn, dem ein Triumphzug gewährt worden war, ein Sklave oder Priester stand, der ihm einen Lorbeerkranz oder die Jupiter-Tempel-Krone über den Kopf hielt und ihn dabei ununterbrochen mahnte: „Memento moriendum esse!“ (deutsch: „Bedenke, dass du sterben musst/sterblich bist!“), gehört als Warnung vor der Hybris, sich für göttlich zu halten, nicht in diesen geistigen Zusammenhang.

Historischer und geistesgeschichtlicher Hintergrund

Ausschnitt aus dem Holzstich „Totentanz“ (Hans Holbein der Jüngere, 1538). Holbein zeigt hier, dass die Pest weder Stand noch Klasse kannte.
Mors certa hora incerta (Neues Rathaus (Leipzig)).

Nachdem gegen Ende des Karolingerreiches während des sogenannten „Dunklen Jahrhunderts“ 882 – 962 das kirchliche Leben moralisch auf einen Tiefpunkt gesunken war und sich schwere Missstände entwickelt hatten,[1] führte in einer Gegenbewegung zu Beginn des Hochmittelalters vor allem die Cluniazensische Reform zu einer gesteigerten Askese und Reinigung von allem Weltlichen innerhalb der Kirche, insbesondere in den Klöstern, mit einer zunehmenden Mystik (am bekanntesten ist die Benediktinerin Hildegard von Bingen).[2] Um die 150 Reformklöster wurden damals allein in Deutschland gegründet (europaweit waren es um die 2000), darunter vor allem im süddeutschen und österreichischen Raum St. Blasien, Hirsau als Zentrum der Hirsauer Reform, Melk und Zwiefalten. Zentral war dabei vor allem der Gedanke der Vanitas, aus dem zwangsläufig gefolgert wurde, es sei im Leben am wichtigsten, sich auf den Tod vorzubereiten und auf das darauf folgende Letzte Gericht, um so das eigene Seelenheil zu gewährleisten. Ähnliche Ideen hat es auch später und in anderen Religionen immer wieder gegeben, doch selten in dieser absoluten Konsequenz.

Eine weitere Folge der Cluniazensischen Reform, als diese an Kraft verlor und Cluny zu einer sehr reichen Abtei geworden war mit den damit einhergehenden Dekadenzerscheinungen, war die Gründung des kontemplativ orientierten Zisterzienserordens ab 1112 mit dem Ziel, wieder streng nach der Ordensregel des Benedikt von Nursia (Regula Benedicti) in Armut und nach dem allerdings erst im späten Mittelalter formulierten Grundsatz Ora et labora zu leben. Entscheidend für das Aufblühen und die Expansion der Zisterzienser war Bernhard von Clairvaux. Mehrere Päpste unterstützten die Reform, vor allem Leo IX., Gregor VII., Urban II. und Paschalis II., indes der Investiturstreit mit dem deutschen König und späteren römischen Kaiser Heinrich IV. tobte und politische Wirren mit mehreren Gegenpäpsten den Heiligen Stuhl erschütterten. Die drei letzten Päpste waren zuvor Mönche in der Abtei Cluny gewesen.[3]

Das katastrophale epidemische Auftreten der Pest in Europa ab Mitte des 14. Jahrhunderts führte erneut zu einer Verstärkung des Memento-mori-Gedankens (dazu Geschichte der Pest). Hermann Hesse hat diese Thematik in seinem 1930 erschienenen Roman Narziss und Goldmund literarisch verarbeitet. Auch in der bildenden Kunst findet sich vor allem an und in Kirchen- und Klosterbauten jener Zeit eine auffallend häufige Darstellung des Memento mori in diesem Zusammenhang. Typisch sind hier Totentanz-Darstellungen und später Pestsäulen.

Schon die Bibel vermittelt aber das Bewusstsein des Vergänglichen an verschiedenen Stellen. Das ursprüngliche Memento mori könnte aus Psalm 90, Vers 12 stammen: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“. Gebräuchlich ist auch Memento mortis („Gedenke des Todes“). Mit dem Motiv in Zusammenhang stehen Sinnsprüche wie Media vita in morte sumus (Mitten im Leben sind wir im Tode) oder Mors certa hora incerta (Der Tod ist gewiss, seine Stunde ungewiss), beispielsweise auf der Rathausuhr in Leipzig (um 1900). Allerdings zeigt sich hier wie auch in anderen Formen etwa in der Kunst bereits eine nachcluniazensische Verflachung des ursprünglich tiefen philosophisch-theologischen Konzeptes der Clunianzensischen Reform und seine bis in unsere Zeit nur noch dekorative Funktion.

Mittelalterliche Literatur

Bereits in der Zeit der Karolinger hatte es hier und da Dichtungen mit vergleichbarer Thematik gegeben, die sich mitunter auch schon des Endreimes statt des alten Stabreimes bedienten.[4] Doch erst im beginnenden Hochmittelalter wurde Memento mori mit der Cluniazenischen Reformbewegung für etwa 100 Jahre zur bestimmenden Grundidee. Zentral war innerhalb der Cluniazensischen Reform, dass die Kirche nun auch in der Sprache der Laien zu reden begann, also in Deutsch, nicht mehr in Latein. Entsprechend setzte nun eine frühmittelhochdeutsche Literatur ein, in deren Zentrum religiöse Texte standen und die von 1060 bis 1170 dauerte. De Boor schreibt: „Die asketischen Ideale des Mönchstums werden auch dem Laien als erstrebenswerte Lebensform gepredigt, und vor dem drohenden memento mori und den ewigen Entscheidungen des Letzten Gerichtes wird ihm die Nichtigkeit alles Irdischen klar gemacht und wird er zu einem Leben der Weltabkehr und Diesseitsverneinung aufgerufen.“ Die entsprechende Literatur wird daher auch „cluniazensisch“ genannt und eine ihrer wesentlichen Formen war die Reimpredigt.[5] Insgesamt sechs dieser großen, teils auch in Beichtform verfassten Reimpredigten sind uns erhalten: das Ezzolied, das zusammen mit dem Memento mori in derselben Ochsenhausener Handschrift überliefert ist, Himmel und Hölle (es enthält die berühmte Klage: „In der hello da ist tôt anô tôt“), die Wiener Genesis, das Annolied, dem Stil nach eine Heiligenvita, und zuletzt das Merigarto, Rest eines Schöpfungsberichts mit der frühesten Darstellung Irlands.[6]

Die Reimpredigt „Memento mori“

Die Qualen des 8. Höllenkreises im 18. Gesang der Göttlichen Komödie durch Sandro Botticelli. Die dargestellten Strafen wie verbrennen, zerhacken wurden im Mittelalter durchaus wörtlich verstanden, und man versuchte dem durch Frömmigkeit möglichst zu entgehen.

Die Reimpredigt „Memento mori“ ist wie die Fassung S des Ezzoliedes in der Ochsenhausener Handschrift überliefert und wurde um 1070 im Reformkloster Hirsau im frühmittelhochdeutschen alemannischen Dialekt verfasst[7], der mitunter, etwa von Braune, aber auch noch dem Althochdeutschen zugerechnet wird, da er eine Übergangsform darstellt. Das Gedicht ist fortlaufend geschrieben, jedoch in Strophen mit Reimpaaren gegliedert.[8] Es endet ganz ungewöhnlich mit der Zeile: daz machot all ein Noker, die zu allerlei Spekulationen hinsichtlich des Verfassers Anlass gab. Ton und Inhalt sind jedoch cluniazensisch. Erst der Hinweis auf den Schweizer Mönch Notker, der an der Neubesetzung der Hirsauer Einsiedelei beteiligt war (1065) und später als Abt „Noggerus“ in Zwiefalten wirkte, löste das Problem.[9]

Thema ist der ewige Gegensatz von Diesseits und Jenseits, Gott und Welt. Die Welt ist schlecht und voller Übel, sie ist vergänglich und durch den Tod bestimmt. Das gilt auch für alle Arten von weltlicher Ordnung mit arm und reich, edel oder niedrig. Der Mensch hat jedoch einen freien Willen, die selbwala, der ihm von Gott gegeben wurde. Damit muss er sich im irdischen Leben bewähren mit Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Verschenken des Reichtumes. Das bedeutet aber keine Erziehung zum christlichen Gemeinschaftsleben wie das in Memento-mori-Predigten der cluniazensischen Spätzeit üblich wurde, sondern eine Form der Weltentsagung und Vorbereitung auf das Jüngste Gericht. Von Heilsgewissheit ist keine Rede mehr, was bleibt ist nur die bange Furcht vor dem Schicksal nach dem Tod und der Endgültigkeit und Strenge des göttlichen Urteils, dem man sich zu unterwerfen hat.[9]

Mit ursächlich für diese Haltung ist die theologische Inkonsequenz des Neuen Testamentes: Hier Sündenvergebung durch Christi Tod am Kreuz etwa in den Römer-, Galater- und Korintherbriefen des Paulus, dort eschatologische Androhung schrecklichster Höllenstrafen etwa in der Offenbarung des Johannes,[10] wie sie vor allem von Dante Alighieri in der 1307 begonnenen Göttlichen Komödie vor dem formalen Hintergrund der Scholastik so drastisch geschildert werden, in deren Zentrum, wie von Dante selbst bestätigt, der lange mühevolle Weg einer Seele zum himmlischen Heil steht. Dante lässt sich sogar von Bernhard von Clairvaux persönlich, den er offensichtlich tief verehrte, ab dem 31. Gesang vor Gottes Thron führen.[11]

Der Memento-mori-Gedanke legt dabei die Betonung auf die nur durch enorme Anstrengungen des Menschen abzumildernden Strafcharakter und lässt den Erlösungsgedanken weitgehend unbeachtet. Während der Kirchengeschichte hat sich der Schwerpunkt zwischen diesen beiden Polen immer wieder einmal hin und her verschoben, doch selten so unerbittlich extrem wie hier. In der Reformation war etwa die bereits von Augustinus entworfene Rechtfertigungslehre das Zentrum der lutherischen Gnadenlehre, und damit stand der Erlösungsgedanke im Mittelpunkt.[12]

Nachwirkungen

In der spätcluniazensischen Periode sind asketische Memento-mori-Bußpredigten vor allem neben einigen unbedeutenderen Dichtern vom Armen Hartmann und insbesondere in vollkommenerer Form von Heinrich von Melk überliefert. Dabei entwickelt sich die Reimpredigt endgültig zu einer eigenen Gattung. Besonders Heinrich gibt dabei dem Gefühl einer Zeitenwende Ausdruck, in deren Verlauf die rein religiös bestimmte Lebenshaltung dem Aufziehen einer Kultur Platz macht, in der das Diesseits grundsätzlich bejaht wird: die höfische Kultur des Hochmittelalters, in deren Zentrum dann der sehr diesseitige, lebensbejahende Minnesang stand, der allerdings der Dichtung der cluniazenischen Periode formal viel verdankt (z.B. die Strophe und den Endreim). Heinrich führte das letzte Rückzugsgefecht der cluniazenischen Lebensrichtung gegen diesen von ihm als schlechte Sitte empfundenen neuen Lebensstil und die damit einhergehende positive weltliche Sichtweise und wehrte sich vor allem gegen den erneuten Einbruch der drei Hauptlaster bei der Geistlichkeit: Habsucht, Simonie und üppigen Lebenswandel, ein Kampf, der ihn schließlich sogar zum Satiriker werden ließ, der die rein aufs Jenseits zielende Memento-mori-Thematik nun immer mehr durch Sozialkritik ersetzte, die bisher nur ein Seitenthema bei der Tadelung alles Weltlichen und dem Primat von Demut und Nächstenliebe gewesen war.[13]

Der von Verdi und anderen kongenial vertonte hochmittelalterliche Hymnus Dies irae in lateinischer Sprache ist eine der bedeutendsten künstlerischen Bearbeitungen des Memento mori der Folgezeit überhaupt und war bis 1970 liturgischer Teil der katholischen Totenmesse (Requiem). Als Autor gilt Thomas von Celano (* um 1190; † um 1260), Freund und Biograph von Franz von Assisi. Das vermutlich von Thomas von Kempen verfasste spätmittelalterliche Sic transit gloria mundi, das bis heute Teil der Liturgie während einer Papstkrönung ist, entstammt wohl ebenfalls noch dieser nachwirkenden Geisteshaltung und zeigt Verwandtschaft mit dem Fortuna-Motiv.
Nach der Wiederbelebung während der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Pestzüge degenerierte der Memento-mori-Gedanke nach und nach dann endgültig zum rein äußerlichen Motiv des Ablasshandels, wie ihn zu Beginn des 16. Jahrhundert besonders spektakulär derm Dominikanermönch Johann Tetzel mit dem Slogan „Sobald der Gülden im Becken klingt / im huy die Seel im Himmel springt“ betrieben hat und derart mit ein Auslöser der Reformation Martin Luthers wurde. Kurzzeitig flackerte der Vanitas- und Memento-mori-Gedanke nochmals im frühen Barock während der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges auf; ein bekanntes und eindrückliches Beispiel ist Andreas Gryphius' Gedicht „Vanitas! Vanitatum! Vanitas!“. Der Vanitas-Begriff geriet in der Moderne weitgehend in Vergessenheit; heute kennt auch das Bildungsbürgertum ihn kaum noch (bzw. rezipiert nur den Bedeutungsteil 'Eitelkeit', wohl beeinflusst durch das englische Wort 'vanity').

Heute werden die Themen Sterben und Tod öffentlich eher selten thematisiert. Als zum Beispiel am 12. Juni 2005 Apple-Gründer Steve Jobs vor Absolventen der Stanford-Universität in Kalifornien eine 'Memento-mori-Rede' hielt (in der er seine ein Jahr zuvor entdeckte Krebserkrankung thematisierte) wurde diese Rede als denkwürdig rezipiert;[14] sein Satz Death is very likely the single best invention of Life (etwa: "der Tod ist die beste Erfindung des Lebens")[[15] wurde allgemein bekannt.

Memento mori in nichtchristlichen und historischen Religionen

Voraussetzung war und ist dafür stets die Vorstellung eines wie immer gearteten Totengerichtes, wie es vor allem in den abrahamitischen Religionen Christentum und Islam existiert, aber auch in der Religion des alten Ägypten und dem Zoroastrismus in Erscheinung tritt. Totengericht ist hier eine Instanz, die nach gutem und bösem Verhalten im Leben, also moralisch urteilt, wobei gut und böse moralische relative und kulturspezifische Größen darstellen. Insgesamt fehlt zudem in allen unten aufgeführten Beispielen der grundlegende Vanitas-Gedanke weitgehend.

Was die Religion des alten Ägypten angeht, so existiert dort zwar ein strenges Totengericht, dessen moralisches Konzept auch christliche Vorstellungen beeinflusst hat;[16] magische Formeln und Amulette, wie sie vor allem ab dem Neuen Reich im Totenbuch beschrieben sind, ermöglichen es den Verstorbenen jedoch, dieses Gericht quasi auszutricksen, eine für die abrahamitischen Religionen geradezu perverse Vorstellung. Zudem finden ethische Verfehlungen nur relativ geringe Berücksichtigung, im Zentrum des Verfahrens vor dem Thron von Osiris stehen vielmehr Vergehen in juristischem Sinn, Verletzung von Anstandsregeln, Übertretung von kultischen Vorschriften usw., also ein sog. negatives Sündenbekenntnis.[17]

Der Tartaros der griechischen Mythologie wiederum ist ein spezieller Strafort für Feinde (die Titanen, Tantalos) und Konkurrenten der Götter selbst. Der Hades hingegen wurde als einheitlicher und ewiger Aufenthaltsort aller Toten verstanden. Eine irgend geartete Memento-mori-Ideologie erübrigte sich damit. Hingegen begann die griechische Philosophie schon seit Pindar, Heraklit und Hesiod, vor allem aber bei Platon in Buch 10 der Politeia, zahlreiche Gedanken dazu zu entwickeln, die später teilweise auch im Christentum Eingang fanden.[18]

Das Konzept der Seelenwanderung, wie es vor allem im Hinduismus und Buddhismus zu finden ist (aber auch in der griechischen Philosophie), enthält zwar ähnliche Vorstellungen, die aber auf einem hierarchischen Weg zum Endziel des Nirwana führen sollen (Dharma und Karma) und denen daher trotz des verbreiteten Askese-Gedankens die Endgültigkeit des göttlichen Urteils in den westlichen Religionen fehlt, der alleine Motivation für den Memento-mori-Gedanken war, welcher diesen Religionen daher fremd blieb, zumal ihrer Vorstellung vom Bösen vor allem in der Verletzung der kosmischen, religiösen, rituellen, sozialen oder natürlichen Ordnung und Harmonie besteht. (So ähnlich auch im chinesischen Taoismus.) Das Böse als Begriff hat sich in diesen Religionen daher auch nicht als ethische Kategorie herausgebildet. Der Tod wird außerdem lediglich als Schlaf vor der Wiedergeburt betrachtet.[19]

Der Zoroastrismus, in dessen Zentrum erstmals der freie Wille des Menschen steht, kennt ein striktes Totengericht. Dessen Urteile führen zwar zur Bestrafung, die jedoch nicht endgültig ist, sondern durch den Endsieg Ahura Mazdas über das Böse Ahrimans egalisiert wird. Memento mori impliziert jedoch die unwiderrufliche Endgültigkeit einer Strafe, die es daher unbedingt zu vermeiden gilt.[20]

Dem Judentum ist trotz der Kabbala der Memento-mori-Gedanke ebenfalls recht fremd geblieben[21]

Im Islam beruht die erste Prüfung durch den Todesengel nur in der Feststellung, ob der Verstorbene ein Muslim ist. Beim Jüngsten Gericht wird hingegen moralisch gewertet. Askese war hierbei jedoch weitgehend fremd, und ein Mönchtum wie im Christentum ist hier trotz der islamischen Mystik kaum entwickelt. Entscheidend dabei ist allerdings die strikte islamische Prädestinationslehre. Sie gab „keinen Raum für die Ausgestaltung eines autonomen Bösen, da das Böse nicht mit dem Seinsgrund des Menschen verknüpft wurde. Die christliche Tradition, die sehr eng mit dem Problem des in Sünde geborenen, von der Erbsünde belasteten Menschen verknüpft ist, ist kein islamisches Thema.“[22] Die Todessehnsucht islamischer Selbstmordattentäter ist sogar das Gegenteil des Memento-mori-Gedankens, denn sie glauben, durch ihre Tat sei für sie als Märtyrer (Schahid) das Paradies mit seinen Freuden auf direktem Wege und ohne Letztes Gericht sicher.[23]

Spätere Rezeption in Dichtung und Bildender Kunst

Das Memento-mori-Motiv verblich mit der Zeit zum rein formalen Motto auf Grabsteinen, zum Sinnspruch in Todesanzeigen und erscheint schließlich nur noch als rein künstlerisches Motiv von Stillleben. Als Stilmotiv findet es sich in allen Epochen der Kunst. Typische Motive im Vanitas-Stillleben sind faulende Früchte, mit Fliegen besetzte Granatäpfel, umgekippte Weingläser, Totenschädel und ähnliche, die Vergänglichkeit symbolisierende Objekte. Motivisch verwandt ist auch die Darstellung des Totentanzes , etwa von Hans Holbein dem Jüngeren.[24].

Die Idee des Memento mori zieht sich aber, wenn auch abgeschwächt und areligiös, bis in die Neuzeit durch und findet sich hier z. B. bei Salvador Dalí, dem Fotografen Man Ray oder dem Pop-Art-Künstler Warhol. Filmisch wurde das Thema unter anderem von Ingmar Bergman 1957 in Das siebente Siegel und 1998 von Martin Brest in Rendezvous mit Joe Black behandelt.

Siehe auch

Literatur

  • Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden. 19. Aufl. F.A. Brockhaus, Mannheim 1994, ISBN 3-7653-1200-2.
  • Helmut De Boor: Die deutsche Literatur von Karl dem Großen bis zum Beginn der höfischen Dichtung. Bd. 1. 4. Aufl. C.H. Beck, München 1949.
  • Wilhelm Braune: Althochdeutsches Lesebuch. 13. Aufl. bearb. v. Karl Helm. Max Niemeyer Verl., Tübingen 1958.
  • Richard Cavendish, Trevor O. Ling: Mythologie. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens. Christian Verlag, München 1981, ISBN 3-88472-061-9.
  • Rudolf Fischer-Wolpert: Lexikon der Päpste. Marix Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-68-1.
  • Herbert A. u. Elisabeth Frenzen: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriss der deutschen Literaturgeschichte. Bd. I. 4. Aufl. dtv, München 1967.
  • Wolfgang Helck, Eberhard Otto: Kleines Lexikon der Ägyptologie. 4. Aufl. Harrassowith Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04027-0.
  • Kurt Hennig (Hrsg.): Jerusalemer Bibellexikon. 3. Aufl. Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1990, ISBN 3-7751-2367-9.
  • Gottfried Hierzenberger: Der Glaube in den alten Hochkulturen: Ägypten, Mesopotamien, Indoeuropäer, Altamerikaner. Lahn Verlag, Limburg 2003, ISBN 3-7867-8473-6.
  • Thomas Patrick Hughes: Lexikon des Islam. Fourier Verlag, Wiesbaden 1995. ISBN 3-925037-61-6
  • Andrea von Hülsen-Esch, Hiltrud Westermann-Angerhausen (Hrsg.): Zum sterben schön. Alter, Totentanz und Sterbekunst von 1500 bis heute. Schnell & Steiner, 2006.
  • Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literaturlexikon. Kindler Verlag, München; Komet Verlag, Frechen 1988/1998, ISBN 3-89836-214-0.
  • Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann, Peter Heine: Islam-Lexikon. 3 Bde. Herder-Verlag, Freiburg 1991, ISBN 3-451-04036-0.
  • Johannes Laube: (Hrsg.): Das Böse in den Weltreligionen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-14985-8.
  • Tom Lowenstein: Buddhismus. Taschen-Verlag, Köln 2001, ISBN 3-8228-1343-5.
  • Heiner Meininghaus: Memento mori. In: Weltkunst. 71. Jahrgang Nr. 12. 2001. S. 1856–1859.
  • Monika u. Udo Tworuschka: Religionen der Welt. In Geschichte und Gegenwart. Bassermann Verlag, München 1992/2000, ISBN 3-8094-5005-7.
  • Richard Waterstone: Indien. Götter und Kosmos, Karma und Erleuchtung, Meditation und Yoga. Taschen-Verlag, Köln 2001, ISBN 3-8228-1335-4.
  • The New Encyclopedia Britannica. 15. Aufl. Encyclopedia Britannica Inc., Chicago 1993, ISBN 0-85229-571-5.

Weblinks

 Commons: Memento mori – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rudolf Fischer-Wolpert: Lexikon der Päpste. Marix Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-68-1, S. 175.
  2. Herbert A. Frenzen, Elisabeth Frenzen: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriss der deutschen Literaturgeschichte. Bd. I. 4. Aufl. dtv, München 1967, S. 17.
  3. Fischer-Wollpert, S. 65–71, 175f, 204ff.
  4. Helmut De Boor: Die deutsche Literatur von Karl dem Großen bis zum Beginn der höfischen Dichtung. Bd. 1. 4. Aufl. C.H. Beck, München 1949, S. 74ff.
  5. De Boor, S. 136ff.
  6. De Boor, S. 143-154.
  7. Memento mori. - Text mit Übersetzung
  8. Wilhelm Braune: Althochdeutsches Lesebuch. 13. Aufl. bearb. v. Karl Helm. Max Niemeyer Verl., Tübingen 1958, S. 174.
  9. 9,0 9,1 De Boor, S. 148.
  10. Kurt Hennig (Hrsg.): Jerusalemer Bibellexikon. 3. Aufl. Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1990, ISBN 3-7751-2367-9, S. 224f.
  11. Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literaturlexikon. Kindler Verlag, München; Komet Verlag, Frechen 1988/1998, ISBN 3-89836-214-0, Bd. 1 S. 316.
  12. The New Encyclopedia Britannica. 15. Aufl. Encyclopedia Britannica Inc., Chicago 1993, ISBN 0-85229-571-5, Bd. 6. S. 662.
  13. De Boor, S. 179 - 187.
  14. Redetext (Übersetzung)
  15. stanford.edu
  16. Britannica, Bd. 24, S.111.
  17. Wolfgang Helck, Eberhard Otto: Kleines Lexikon der Ägyptologie. 4. Aufl. Harrassowith Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04027-0, S. 134f.
  18. Richard Cavendish, Trevor O. Ling: Mythologie. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens. Christian Verlag, München 1981, ISBN 3-88472-061-9, S. 134f.
  19. Britannica, Bd. 7, S. 175f; Johannes Laube: (Hrsg.): Das Böse in den Weltreligionen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-14985-8, S. 201; Richard Waterstone: Indien. Götter und Kosmos, Karma und Erleuchtung, Meditation und Yoga. Taschen-Verlag, Köln 2001, ISBN 3-8228-1335-4, S. 126f; Tom Lowenstein: Buddhismus. Taschen-Verlag, Köln 2001, ISBN 3-8228-1343-5, S. 16f.
  20. Monika Tworuschka, Udo Tworuschka: Religionen der Welt. In Geschichte und Gegenwart. Bassermann Verlag, München 1992/2000, ISBN 3-8094-5005-7, S. 251f; Gottfried Hierzenberger: Der Glaube in den alten Hochkulturen: Ägypten, Mesopotamien, Indoeuropäer, Altamerikaner. Lahn Verlag, Limburg 2003, ISBN 3-7867-8473-6, S. 91–98.
  21. Hennig, S. 224f.
  22. Laube, S. 131.
  23. Hughes, S. 463f.
  24. Hans Georg Wehrens: Der Totentanz im alemannischen Sprachraum. "Muos ich doch dran - und weis nit wan". Schnell & Steiner, Regensburg 2012, S. 14, 49ff. und 145ff. ISBN 978-3-7954-2563-0.
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