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Marshallplan

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Offizielles Logo, das bei Hilfsprojekten des Marshallplans verwendet wurde
ERP - Marshallplan

Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz ERP) genannt, war ein großes Konjunkturprogramm der Vereinigten Staaten von Amerika, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem an den Folgen des Krieges leidenden Westeuropa und den USA zugutekam. Es bestand teils aus Krediten, vor allem jedoch aus Rohstoffen, Lebensmitteln und Waren.

Das 12,4-Milliarden-Dollar-Programm wurde am 3. April 1948 vom Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am selben Tag von US-Präsident Harry S. Truman in Kraft gesetzt. Es dauerte vier Jahre, bis zum Juni 1952. Im gesamten Zeitraum (1948–1952) leisteten die USA bedürftigen Staaten der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD, Gründungsname OEEC) Hilfen im Wert von insgesamt 13,12 Milliarden Dollar (entspricht heute rund Vorlage:ZahlAlsWort Dollar).

Programmentwicklung

Das Programm wurde nach dem US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1953 George C. Marshall (Amtszeit 1947–1949) benannt, auf dessen Initiative es zurückgeht. Ausgearbeitet wurde es im Außenministerium der Vereinigten Staaten, vor allem von Staatssekretär William L. Clayton und George F. Kennan, dem Leiter des Planungsstabes. Für das Programm gab es drei Gründe:

Der Plan wurde ab Mai 1947 entwickelt, um die Konferenzteilnehmer im April 1948 einzuberufen und eine „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa“ (OEEC) zu gründen. Die Sowjetunion und die mittel- und osteuropäischen Staaten wurden ebenfalls zu den Beratungen über die Hilfe der USA eingeladen. Die Sowjetunion zog sich jedoch bald daraus zurück und verbot auch den unter ihrem Einfluss stehenden europäischen Staaten jede Teilnahme.

Plakatwand in West-Berlin Marshallplan, nach 1948
Atlas mit Weltkugel und Schriftzug ERP, Briefmarke zur Deutschen Industrie-Ausstellung in West-Berlin, 1950

Bedeutung

Plakat, mit dem die US-Regierung in Europa für den Marshallplan warb. Die Flagge von Triest (rechts unter Deutschland) wurde hier irrtümlich blau statt rot gefärbt

Historiker haben die Gründe und Wirtschaftswissenschaftler die Effektivität sowie die Effizienz des Marshallplans hinterfragt; bei vielen gilt er als erfolgreich.

Als das Programm auslief, war die Wirtschaft aller Teilnehmerstaaten, ausgenommen Deutschland, stärker als vor dem Krieg. Während der nächsten zwei Jahrzehnte kam es in ganz Westeuropa zu einem nie da gewesenen Wohlstand, der als Nachkriegsboom bezeichnet wurde. Zum Anschub dieses Aufschwungs trug der Marshallplan in nicht unbedeutendem, aber auch nicht besonders starkem Maße bei. Rein nominell berechnete der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes durch die ERP-Mittel um durchschnittlich 0,5 Prozent p. a. in den Jahren von 1948 bis 1951 [2] durch die Hilfsgelder, welche weniger als drei Prozent des Nationaleinkommens der 16 unterstützten Länder ausmachten.

Der Marshallplan gilt aber auch als der erste Schritt zur europäischen Integration. Die Gründung einer gemeinsamen Institution (der OEEC) war eine Voraussetzung dafür, dass Zollbarrieren abgebaut wurden. Eine beabsichtigte Konsequenz war die systematische Übernahme des amerikanischen Führungsstiles in Unternehmen. Viele Forscher schreiben das schnelle Wachstum der westeuropäischen Länder nach dem Krieg vor allem dieser Liberalisierungspolitik zu, die dafür sorgte, dass zwischenstaatliche Handelsbeschränkungen reduziert oder abgeschafft wurden.[3]

Geschichte

Zweiter Weltkrieg

21 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatte Deutschland 1939 den Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen ausgelöst. Am Ende kämpften das Deutsche Reich und die anderen Achsenmächte gegen die in der Anti-Hitler-Koalition vereinigten Alliierten. Es war ein Zweckbündnis zwischen der kommunistischen Sowjetunion und den Westmächten mit ihrer marktwirtschaftlichen Ausrichtung, die im deutlichen Gegensatz zur Planwirtschaft der Sowjetunion stand. In dem sechs Jahre dauernden Krieg wurden große Teile Europas verwüstet, insgesamt etwa 50 Millionen Menschen starben in der weltweiten Auseinandersetzung. Bombenangriffe und Kampfhandlungen zerstörten vor allem die großen Industriestädte, Millionen Menschen wurden obdachlos. Durch die Vernichtung der Landwirtschaft kam es in mehreren Teilen Europas zu einem Nahrungsmittelmangel, besonders in den harten Wintern 1946 und 1947. Die kleineren Städte und Ortschaften in Westeuropa hatten weniger Schaden erlitten, waren aber durch die massive Zerstörung der Infrastruktur isoliert. In ihren Kriegskonferenzen hatten die Alliierten versucht, sich über eine gemeinsame Behandlung Deutschlands nach dem Krieg zu einigen, was letztlich wegen des einsetzenden Kalten Krieges erfolglos blieb.

Entwicklung in Europa

Nach 1918 war die europäische und vor allem deutsche Wirtschaft mehrfach in Krisen gestürzt. Die Politik der Siegermächte des Ersten Weltkrieges, Deutschland durch die Forderung hoher Reparationen von einem erneuten Krieg abzuhalten, hatte die Machtübernahme der NSDAP unter Adolf Hitler und damit den erneuten Weltkrieg mitverursacht. Die USA waren nach dem Ersten Weltkrieg zum Isolationismus übergegangen, auch wenn sie versuchten, das Wachstum in Europa zu unterstützen und sich teilweise in der Reparationsfrage für Deutschland einsetzten.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sich die politische Elite in Washington, D.C. einig, dass sich eine derartige Krise nicht wiederholen dürfe. Das Außenministerium setzte sich unter Präsident Harry S. Truman für eine aktive Außenpolitik ein, traf damit beim Kongress aber eher auf Ablehnung. Anfangs hoffte man, dass für den Wiederaufbau Europas nicht viel getan werden müsse und dass Großbritannien und Frankreich mit Hilfe ihrer Kolonien ein schneller Wiederaufbau ihrer Volkswirtschaften gelingen würde. Bis 1947 gab es nur geringe Fortschritte; die kalten Winter hatten die Situation verschärft. Die europäischen Volkswirtschaften lagen 1947 noch unter ihrer Leistungsfähigkeit vor Kriegsbeginn. Sie zeigten nur wenig Zeichen eines Wachstums; hohe Arbeitslosenquoten und Nahrungsmittelmangel führten in mehreren Staaten zu Streiks und Unruhen. Die landwirtschaftliche Produktion erreichte 83 %, die industrielle Produktion 88 %, die Exporte 59 % des Vorkriegsstandes.

Einer der ersten Mehlsäcke aus Kansas, der Süddeutschland erreichte, MILLED MARCH 1945, Kansas

Das dringendste Problem war der Nahrungsmittelmangel. Vor dem Krieg hatte Westeuropa Nahrungsmittel aus Ost- und Mitteleuropa importiert; diese Quelle war jetzt durch den entstehenden Eisernen Vorhang abgeschnitten. Besonders schlecht war die Situation in Deutschland, wo jeder Bürger 1946/1947 im Durchschnitt nur unzureichende 1800 Kilokalorien pro Tag zu sich nehmen konnte.[5] William Clayton berichtete nach Washington, dass „Millionen von Menschen langsam verhungern“.[6] Ähnlich wichtig für den Niedergang der Wirtschaft war der Mangel an Kohle, der durch den schweren Winter 1946/1947 (in dem hunderte Deutsche erfroren) noch einmal verschärft worden war. Das humanitäre Ziel, diese Notlage zu beenden, war ein Grund für den Marshallplan.

Die einzige Großmacht, deren Infrastruktur den Krieg fast unbeschadet überstanden hatte, waren die Vereinigten Staaten. Sie beteiligten sich später mehr als die meisten europäischen Staaten am Krieg (ausgenommen die Sowjetunion) und hatten auf eigenem Territorium nur wenig Schaden erlitten. Die amerikanischen Goldreserven waren noch vorhanden, ebenso die große landwirtschaftliche und industrielle Produktionsbasis. Während der Kriegsjahre hatte das Land, da es für das eigene Militär, für die Verbündeten und auch für den Kriegsgegner produzierte, das schnellste Wirtschaftswachstum seiner Geschichte. Nach dem Krieg stellten die Fabriken die Produktion schnell auf Konsumgüter um, der Mangel der Kriegsjahre wurde durch einen Boom bei den Konsumgüterausgaben abgelöst. Trotzdem hing die Langzeitentwicklung der Wirtschaft am Handel, um durch den Export dauerhaften Wohlstand zu sichern. Mit den Geldern des Marshallplans konnten die Europäer Waren und Rohstoffe aus den Vereinigten Staaten kaufen.

Entwicklung der Beziehungen zwischen USA und Sowjetunion

Auf der Potsdamer Konferenz, nach dem Ende des Krieges in Europa, wurden die gegensätzlichen Ansichten und Ziele sichtbar. Zu dieser Zeit bestand noch ein Konsens über die Forderung von Reparationen von Deutschland, deren Höhe aber umstritten war. Das Nachkriegsdeutschland war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, der Alliierte Kontrollrat sollte Entscheidungen für Deutschland als Ganzes treffen. Der Nahrungsmangel im harten Winter 1946/1947 führte zu einem Umdenken der Amerikaner und Briten, da er der „Umerziehung“ (Reeducation) der Deutschen abträglich war und vor allem Großbritannien durch die Besatzungskosten belastet war; in den USA kam es deshalb vor allem von Seiten der Republikaner zu Forderungen nach einer Rückkehr zum Isolationismus. Der demokratische Präsident Truman war hingegen der Ansicht, die USA müssten ihre weltpolitische Verantwortung wahrnehmen. Ein Grund für das amerikanische Interesse am Wiederaufbau Deutschlands war dessen wirtschaftliche Bedeutung für die USA.

Zu diesem Zeitpunkt waren kommunistische Parteien in einigen Staaten Westeuropas enorm populär. In Frankreich und Italien brachte die Armut der Nachkriegsära den kommunistischen Parteien, die auch eine wichtige Rolle in den Widerstandsbewegungen während des Krieges gespielt hatten, neuen Zulauf; in Frankreich wurde die Parti communiste français stärkste Kraft. Obwohl die Möglichkeit, dass Frankreich und Italien kommunistisch hätten werden können, heute von Historikern als gering angesehen wird,[7] sahen einige Politiker der Westmächte darin eine reale Bedrohung und den Marshallplan als mögliche Abhilfe. Der weitergehende Versuch, durch den Marshallplan einige mittel- und osteuropäische Staaten dem kommunistischen Einfluss zu entziehen, gelang nicht.

US-Hilfslieferungen für Griechenland im Rahmen der Truman-Doktrin des Marshallplans

Schon vor Beginn des Marshallplanes investierten die Vereinigten Staaten viel, 1945–1947 geschätzte neun Milliarden Dollar, für den Wiederaufbau Europas. Ein Großteil der Hilfe kam indirekt, noch als Teil des Leih- und Pachtgesetzes für die Kriegsalliierten oder durch den Versuch der amerikanischen Truppen, die Infrastruktur wieder aufzubauen oder Flüchtlingen zu helfen. Außerdem wurden einige bilaterale Verträge geschlossen, von denen der wichtigste der Vertrag zur militärischen Unterstützung Griechenlands und der Türkei im Rahmen der Truman-Doktrin war. Die gerade erst gegründeten Vereinten Nationen begannen ebenfalls mit humanitären Maßnahmen, die fast vollständig von den Vereinigten Staaten bezahlt wurden. Diesen Anstrengungen fehlte eine zentrale Organisation und Planung; zudem entsprachen sie nicht den eigentlichen Bedürfnissen in Europa, nämlich dem Wiederaufbau der Infrastruktur und der Entwicklung der Wirtschaft.[8]

Entwicklung des Plans

Schon vor der Bekanntgabe des Marshallplanes gab es Pläne zum Wiederaufbau Europas. US-Außenminister James F. Byrnes präsentierte in der sogenannten Hoffnungsrede in Stuttgart am 6. September 1946 eine frühe Version des Planes. 1947 bat General Lucius D. Clay den Industriellen Lewis H. Brown um einen Bericht über den Zustand und die Probleme Deutschlands nach dem Krieg und um Lösungsvorschläge.

Eine lange Zeit bevorzugte Alternative zum Aufbau Europas durch amerikanische Mittel war, die dafür notwendigen Mittel als Kriegsreparationen von Deutschland zu fordern. 1944 wurde der vom US-Finanzminister und nach ihm benannte Morgenthau-Plan entwickelt. Der Plan sah eine Teilung Deutschlands und den Abbau von Industrieanlagen vor, um für Deutschland einen erneuten Krieg unmöglich zu machen und mit den demontierten Anlagen die angegriffenen Staaten wieder aufzubauen. Einen ähnlichen Weg verfolgte der erste Plan des Franzosen Jean Monnet, nach dem Frankreich die Kontrolle über die deutschen Steinkohlenvorkommen im Ruhrgebiet und Saarland bekommen sollte. Die Besatzungsmächte einigten sich 1946 auf einen strengen Zeitplan für Demontagen in Deutschland; der Abbau von Industrieanlagen endete erst 1950. Es stellte sich heraus, dass die Armut in Deutschland sich negativ auf die Entwicklung Europas auswirkte, die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit ausreichenden Nahrungsmitteln stellte die Besatzungsmächte vor Probleme.

Aus diesen Gründen und wegen des öffentlichen Widerstandes, auf den die beiden Pläne stießen, nachdem sie von der Presse veröffentlicht worden waren, wurden sie aufgegeben. Einige Ideen wurden aber in die Direktive JCS 1067 aufgenommen, die die Grundlage für die US-Besatzungspolitik bis Juli 1947 bildete. Das Saarland und Oberschlesien, an Bodenschätzen reiche Gebiete, waren von Deutschland abgetrennt, zivile Industrieanlagen wurden zerstört, um die Produktion zu beschränken, und auch das Ruhrgebiet war bis 1947 von Abtrennung bedroht. Ende April 1947 waren schließlich Präsident Truman und sein Außenminister George C. Marshall überzeugt, dass die USA erheblich Hilfe leisten müssen.

Konfrontation, Truman-Doktrin und Marshallplan

Der Auslöser für die Entscheidung, die europäischen Länder einschließlich Deutschland zu unterstützen, war der beginnende Kalte Krieg. Als Reaktion auf die Situation in Griechenland verkündete Truman am 12. März 1947 die Truman-Doktrin, nach der die USA alle „freien Völker“ im Kampf gegen totalitäre Regierungsformen unterstützen werden. Griechenland war den Beschlüssen der Kriegskonferenzen zufolge britisches Einflussgebiet; trotzdem unterstützte die Sowjetunion die dortigen Kommunisten im Bürgerkrieg. Großbritannien sah sich nicht in der Lage, diese Situation alleine zu bewältigen; es bat die USA um Unterstützung.

US-Außenminister George C. Marshall
Verwaltungssitz Marshallplan, Hôtel Talleyrand, nördlicher Rand Place de la Concorde, Paris

Am 5. Juni 1947 verkündete Marshall in einer zwölf Minuten langen Rede vor der Absolventenklasse der Harvard University:

“It would be neither fitting nor efficacious for this Government to undertake to draw up unilaterally a program designed to place Europe on its feet economically. This is the business of the Europeans. The initiative, I think, must come from Europe. The role of this country should consist of friendly aid in the drafting of a European program and of later support of such a program so far as it may be practical for us to do so. The program should be a joint one, agreed to by a number, if not all European nations.”

„Es wäre weder angebracht noch zweckmäßig, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten von sich aus ein Programm entwerfen würde, um die wirtschaftliche Wiederaufrichtung Europas durchzuführen. Das ist Sache der Europäer selbst. Ich glaube, die Initiative muss von Europa ausgehen. Unsere Rolle sollte darin bestehen, den Entwurf eines europäischen Programms freundschaftlich zu fördern und später dieses Programm zu unterstützen, soweit das für uns praktikabel ist. Das Programm sollte ein gemeinschaftliches sein, vereinbart durch einige, wenn nicht alle europäischen Nationen.“

George C. Marshall

George F. Kennan hatte schon im Mai 1947 die Grundzüge eines solchen Programms im Auftrag von Marshall ausgearbeitet. Ursprünglich war die Unterstützung für alle kriegsbeteiligten Länder geplant. Doch die Sowjetunion zwang einen Teil der Länder in ihrer Einflusssphäre, auf die Mittel zu verzichten. Auch die damals noch demokratische Tschechoslowakei musste auf Druck Moskaus verzichten. So konnten nur die westlichen Länder davon profitieren. Auch neutrale Staaten wie die Schweiz und Schweden bekamen finanzielle Hilfe.

Nachdem die Details des Marshallplanes auf mehreren Konferenzen besprochen worden waren, wurde das Marshallplan-Gesetz („Foreign Assistance Act of 1948“) am 3. April 1948 von Präsident Truman unterzeichnet.[9] Zur Koordinierung der Finanzhilfen gründeten am 16. April 1948 zunächst 16 europäische Länder den Ausschuss für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), den Vorläufer der heutigen OECD. Die USA garantierten diesen Ländern im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms (ERP) bis zum Jahr 1952 finanzielle Unterstützung. Begleitet wurde dieses Programm von einer Informationskampagne für die Bevölkerung der beteiligten Staaten, die aus heutiger Sicht zwischen praktischen Ratschlägen, politischer Bildung und Propaganda angesiedelt wird. Zur Verwaltung der Hilfsgelder wurde 1948 die ECA gegründet, die ab 1951 durch die MSA ersetzt wurde. Am 30. Oktober 1949 trat auch die Bundesrepublik Deutschland der OEEC bei.

Nach dem Bruch Jugoslawiens mit der Sowjetunion im Sommer 1948 (Näheres hier) unterstützten die USA das Land mit Hilfslieferungen und großzügigen Krediten. Die erste von mehreren Hilfslieferungen im Rahmen des Marshallplans für Jugoslawien erfolgte am 23. November 1950 nach Belgrad.

Die Länder hatten allerdings auch Verpflichtungen einzugehen. Die jeweiligen Staatsfinanzen mussten – zum Beispiel durch Währungsreformen – stabilisiert werden.

Leistungen aus dem Marshallplan

Leistungen des Marshallplans an die einzelnen Länder
Schild „Hier half der Marshallplan“.

Der amerikanische Kongress billigte das Wiederaufbauprogramm Trumans. Der „Foreign Assistance Act“ trat am 3. April 1948 in Kraft und genehmigte Hilfen für vier Jahre. Sie mussten jährlich beantragt und genehmigt werden. Insgesamt beliefen sich die Leistungen bis 1952 auf ca. 13 Milliarden Dollar. Der größte Teil, 9,3 Milliarden Dollar waren Subventionen, der Rest vor allem Darlehen und "bedingte Hilfe".

Die Subventionen wurden in Dollar geleistet, mit denen Waren und Investitionsgüter importiert werden konnten. Diese Subventionen mussten nicht zurückgezahlt werden. Die Regierungen mussten jedoch den Gegenwert der ihnen zugewiesenen Dollarbeträge in Landeswährung in Sonderfonds (Gegenwertfonds) einzahlen. Diese Sonderfonds dienten zu 95 Prozent der Förderung des nationalen Wiederaufbaus.[10]

ECA/MSA-Zuteilungen vom 3. April 1948 bis 31. Dezember 1952 in Millionen Dollar[11]
Land 1948/49 1949/50 1950/51 1951/52 1952/53 Insgesamt Insgesamt in %
OsterreichÖsterreich Österreich 280 166,5 114,3 116,0 35 0711,8 05,12 %
BelgienBelgien Belgien und LuxemburgLuxemburg Luxemburg 261,4 210,9 74,3 8,9 0555,5 03,99 %
DanemarkDänemark Dänemark 126,2 86,1 45,1 14,0 4,5 0275,9 01,98 %
FrankreichFrankreich Frankreich 1313,4 698,3 433,1 261,5 100 2806,3 20,18 %
DeutschlandDeutschland Deutschland 613,5 284,7 399,1 91,7 23,8 1412,8 10,16 %
GriechenlandGriechenland Griechenland 191,7 156,3 167,1 178,8 0693,9 04,99 %
IslandIsland Island 8,3 7,0 8,4 5,5 0,6 0029,8 00,21 %
IrlandIrland Irland 86,3 44,9 15,0 0146,2 01,05 %
ItalienItalien Italien 668 403,7 244 159,3 40 1515 10,89 %
NiederlandeNiederlande Niederlande (ohne Indonesien) 507 268,3 101,9 100 0977,3 07,03 %
NorwegenNorwegen Norwegen 101,1 89,5 46,1 16,8 0253,5 01,82 %
PortugalPortugal Portugal 38,8 11,7 0050,5 00,36 %
SchwedenSchweden Schweden 45,4 51,9 21,2 −11,4 0107,1 00,77 %
Jugoslawien Sozialistische Föderative RepublikJugoslawien Jugoslawien 29 80,3 50,0 0159,3 01,15 %
TurkeiTürkei Türkei 49 58,5 45 70 20 0242,5 01,74 %
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich 1619,7 907,9 298,4 350 266,9 3442,8 24,75 %
Flagge Triest Triest 17,9 12,5 2,1 0032,6 00,23 %
IndonesienIndonesien Indonesien 64,1 37,3 0101,4 00,73 %
Allg. Frachtvorauszahlungen 33,5 0033,5 00,24 %
EZU-Kapitalfonds 350 11,4 0361,4 02,60 %
Insgesamt 5.953 3.523 2.405,9 1.486,2 0540,8 13.908,9

ECA/MSA: „Economic Cooperation Act“, später „Mutual Security Agency“ waren amerikanische Organisationen, die den Marshallplan ausführten

Die Mittel

Die USA gewährten im Rahmen des Marshallplans Gelder in Höhe von insgesamt fast 14 Milliarden US-Dollar, Westdeutschland erhielt davon ca. 1,4 Milliarden als Darlehen. Die Gesamtsumme entspricht nach heutigem Geldwert etwa 130 Milliarden USD (Stand 2015).[12]

Die Verwaltung der Mittel in Deutschland

Eine besondere Bedeutung bekam die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die am 16. Dezember 1948 in Frankfurt am Main ihre Arbeit aufnahm. Westdeutschland erhielt die Mittel in Form von Wirtschaftsgütern, vor allem Baumwolle, deren Kaufpreis ging an die KfW, welche diese Mittel wiederum als Kredite vergab.[13] Am 5. November 1948 hatte der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes die Voraussetzungen geschaffen. Hermann Josef Abs wurde Vorstand. Heute verwaltet die KfW-Bankengruppe im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums das ERP-Sondervermögen in Höhe von zwölf Milliarden Euro und finanziert damit Programme zur Wirtschaftsförderung.

In Österreich

Österreich erhielt als einziger Staat, der (teilweise) von sowjetischen Truppen besetzt war (siehe Sowjetische Besatzungszone in Österreich), Marshallplan-Hilfe.[14] Das Abkommen zwischen den USA und Österreich wurde am 2. Juli 1948[15] geschlossen; danach erhielt Österreich die Mittel als Grants (Geschenk) in Form von Sachgütern. Im Gegenzug musste Österreich den Schilling stabilisieren und den Staatshaushalt möglichst ausgeglichen halten. Die Sowjetunion ließ sich die Zustimmung in der alliierten Kommission mit einem anderen Wechselkurs für ihre Barvermögen abkaufen.

Die erhaltenen Waren mussten zum Inlandspreis verkauft werden. Die Einnahmen aus diesen Verkäufen mussten auf ein Counterpart-Konto eingezahlt werden. Warenlieferungen erfolgten bis 1953 und erreichten einen Wert von ungefähr einer Milliarde Dollar. Die US-Regierung übergab das Counterpart-Konto mit einem Guthaben von 11,2 Milliarden Schilling am 1. Juli 1962 an Österreich;[14] aus diesem entstand der ERP-Fonds, der seit 2002 von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws), der Förder- und Finanzierungsbank der Republik Österreich, verwaltet wird.

Die Förderungen für Österreich waren relativ hoch. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen war Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg sehr schwach industrialisiert und musste erst eine Industrie errichten, zum anderen wurde die sowjetische Besatzungszone von den Sowjets wirtschaftlich ausgebeutet (die USIA-Betriebe lieferten keine Steuern an den Staat ab). Im Gegensatz zu Deutschland brauchte Österreich zwar gemäß Art. 21 des Österreichischen Staatsvertrags von 1955 keine Reparationen an die Sowjetunion zu zahlen, in dessen Art. 22 heißt es aber: „Die Sowjetunion erhält für eine Geltungsdauer von dreißig Jahren Konzessionen auf Ölfelder, die 60 % der Ölförderung in Österreich im Jahre 1947 entsprechen […] Die Sowjetunion erhält Ölraffinerien mit einer jährlichen Gesamtproduktion von 420.000 Tonnen Rohöl […] Die Sowjetunion erhält die in Ungarn, Rumänien und Bulgarien gelegenen Vermögenswerte der DDSG“. Auch wegen der Propagandawirkung im Kalten Krieg galt Österreich als besonders förderungswürdig.

In Westeuropa

Der Marshallplan sollte gegen mehrere Krisen der Nachkriegszeit helfen:

Britisch-Indien wurde 1947 unabhängig und es gab weitere Tendenzen der Entkolonialisierung,

  • Die innenpolitische Stabilität in Frankreich (Vierte Republik) und Italien – in dem es von 1945 bis 1953 acht Kabinette gab, alle unter Ministerpräsident Alcide De Gasperi – war gefährdet.
  • Die Zukunft Deutschlands war offen und viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme harrten dringend einer Lösung.

Finnland und Spanien

Zwei westeuropäische Staaten (Finnland und Spanien) nahmen nicht an dem Programm teil. Finnland betrieb nach 1945 eine blockferne, neutrale Politik, die wegen der geopolitischen Lage des Landes auf Befindlichkeiten der Sowjetunion Rücksicht nahm, und verzichtete daher (siehe Geschichte Finnlands#Finnland in der Zeit des Kalten Krieges).

Spanien bewarb sich um Teilnahme am Programm, was abgelehnt wurde, da das Franco-Regime Spaniens faschistoide Züge aufwies, die die USA nicht unterstützen wollten. Gegen Ende der 1950er Jahre bekam Spanien Hilfe aus einem OEEC-Sonderfonds, die zum „spanischen Wirtschaftswunder“ führte.

Wirtschaftliche und politische Bedeutung für die USA

Nach dem Zweiten Weltkrieg befürchteten liberale amerikanische Wirtschaftskreise wegen des wirtschaftlichen Niederganges Europas den Verlust wichtiger Absatzmärkte bzw. Handelspartner. Das wirtschaftliche Erstarken Europas nützte dem amerikanischen Export.

Daneben kam dem Programm auch eine wichtige Funktion im Rahmen der seit März 1947 von den USA verfolgten Eindämmungspolitik (Truman-Doktrin) gegenüber der Sowjetunion zu. Die Bindung der Regierungen und Volkswirtschaften der europäischen Länder an die USA wurde verstärkt. Obwohl das Angebot amerikanischer Wirtschaftshilfe offiziell auch an die Sowjetunion und andere kommunistische Länder gerichtet worden war, konnte aus ideologischen Gründen eine Annahme nicht erwartet werden. So gesehen war der Marshallplan ein „Kind des Kalten Krieges“.[16]

Reaktion der Sowjetunion auf den Marshallplan

Die Sowjetunion lehnte durch Außenminister Molotow anlässlich der Londoner Außenministerkonferenz (November und Dezember 1947) erwartungsgemäß eine Beteiligung am ERP als Einmischung in die Souveränität der europäischen Staaten ab. Die Sowjetunion hatte bereits im Juli 1947 mit dem „Molotow-Plan“ reagiert, wobei später der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) entstand.[17] Dieser verhinderte die Einbeziehung der in ihrem unmittelbaren Einflussbereich befindlichen Staaten Mittel- und Osteuropas in den Marshallplan. Interesse an einer Beteiligung bekundeten unter anderem Bulgarien, die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn. Stattdessen initiierte die Sowjetunion die Gründung des Kominform und im Januar 1949 des RGW als politisch-wirtschaftliches Gegenstück zur Eindämmungspolitik und dem Marshallplan.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Marshallplan – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Marshallplan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

Im Auftrag und unter Mitwirkung des Bundesministeriums für den Marshallplan erstellte Adolf Wittkowski eine Bibliografie (Schrifttum zum Marshallplan und zur wirtschaftlichen Integration Europas, Bad Godesberg 1953).

Jüngere Schriften siehe:

Einzelnachweise

  1. Der Marshallplan geschichte-lexikon.de
  2. Aufbauhilfe für das zerstörte Europa. In: FAZ, 3. April 2008.
  3. Vgl. z. B. Werner Bührer: Erzwungene oder freiwillige Liberalisierung? Die USA, die OEEC und die westdeutsche Außenhandeölspolitik 1949–1952, in: Ludolf Herbst (Hrsg.) et al.: Vom Marshallplan zur EWG – Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt. Oldenbourg Verlag, München 1990, S. 139 ff, hier S. 161
  4. Michael J. Hogan: The Marshall Plan, S. 30.
  5. Alan S. Milward: The Reconstruction of Western Europe.
  6. Gregory A. Fossedal: Our Finest Hour. Vom Kampf gegen den Hunger. In: Die Zeit, Nr. 11/1946.
  7. John Lewis Gaddis: We Now Know.
  8. Tony Judt: The Marshall Plan: Fifty Years After, S. 4.
  9. full text (PDF)
  10. Wilfried Loth: Die Teilung der Welt 1941–1945, München 1982, ISBN 3-423-04012-2, S. 204 ff.
  11. Manfred Knapp: Deutschland und der Marshallplan. In: Hans-Jürgen Schröder (Hrsg.): Marshallplan und westdeutscher Wiederaufstieg. Stuttgart 1990, S. 35 ff., hier S. 75.
  12. http://www.usinflationcalculator.com US$-Inflationsrechner.
  13. Mythos oder Masterplan? In: Erstes Deutsches Fernsehen. Angerufen im Dezember 2018.
  14. 14,0 14,1 Dieter Stiefel: „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Der Marschallplan in Österreich, 1945–1952. In: Ernst Bruckmüller: Wiederaufbau in Österreich – Rekonstruktion oder Neubeginn? Oldenbourg 2006, ISBN 978-3-486-57864-5, S. 90–101, hier S. 97 f.
  15. Start-ups profitieren vom Marshallplan orf.at, 28. Dezember 2017, abgerufen 29. Dezember 2017. – Bild von der Unterzeichnung, aktuell gefördert: Innovative Betriebe, Start-ups.
  16. Norman Davies: Europa im Krieg. Nikol, 2013, ISBN 978-3-86820-181-9, S. 334: Ernest Bevin (britischer Außenminister 1945–1951) teilte Molotow mit, dass die Wirtschaftsleistung aller teilnehmenden Länder genau geprüft werden müsse (wohl wissend, dass die SU bzw. Stalin das nicht akzeptieren würde).
  17. Der Blick von Osten – Der Marshallplan. Bundeszentrale für politische Bildung, 31. Oktober 2005.
  18. bundesarchiv.de Inhaltsverzeichnis (PDF) und neun Filmausschnitte.
  19. bpb.de, www.sellingdemocracy.org, Dossier
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