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Marianne Cohn

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Dieser Artikel handelt von einer 1944 in Frankreich von Deutschen ermordeten deutschen Widerstandskämpferin. Die 10 Jahre ältere Widerstandskämpferin Marianne Baum, ermordet 1942, hieß mit dem Mädchennamen ebenfalls Marianne Cohn.
Marianne Cohn

Marianne Cohn (geb. 17. September 1922 in Mannheim, Freistaat Baden; gest. 8. Juli 1944 in Ville-la-Grand, Haute Savoie, Frankreich), alias: Colin, war eine Kinderfürsorgerin und Widerstandskämpferin. Sie wurde ein Opfer des NS-Regimes.

Leben

Ihr Vater Alfred Cohn (1892–1954) und ihre Mutter Margarete, geborene Radt, (1891–1979) wohnten in Mannheim und waren seit dem 22. März 1921 verheiratet. Alfred war ein sehr guter Freund des Schriftstellers Walter Benjamin und mit ihm zusammen zur Schule gegangen.

Margarete studierte in München Nationalökonomie und war von 1914 bis 1916 mit Walter Benjamin verlobt gewesen. Bis zu seinem Todesjahr 1940 stand er mit beiden in regelmäßigem Briefwechsel.

Marianne Cohn wird am 17. September 1922 geboren, ihre Schwester Lisa (gestorben 1996) am 19. April 1924. 1928 erfolgt der Umzug nach Berlin. In Berlin bewohnte die Familie zusammen ab 1929 eine Vier-Zimmer-Wohnung in der Chausseestraße 35 (heute Mariendorfer Damm 76) in Berlin-Mariendorf. Von Oktober 1932 bis zur Auswanderung der Familie besuchte sie das Lyzeum mit Frauenschule in der Tempelhofer Ringstraße 103–106 (ehemals Dag-Hammarskjöld-Oberschule, heute Johanna-Eck-Schule). Ihr Abgangszeugnis erhielt sie am 28. März 1934 und die nur noch als Untermieter bewohnte Wohnung am Wulfila-Ufer 52 musste zum 31. März 1934 aufgegeben werden, die Reste der wertvollen Wohnungseinrichtung wurden unter dem Druck des dringenden Gelderlöses zu Spottpreisen verkauft. Noch im Frühjahr 1934 erfolgte die Emigration nach Paris und bereits wenige Tage später im April desselben Jahres erfolgte die Weiterfahrt nach Barcelona. 1938 kehrte die Familie nach Frankreich wegen des Spanischen Bürgerkriegs zurück.

Cohn arbeitete seit 1943 als Kinderfürsorgerin in der zionistischen Jugendorganisation „Mouvement de Jeunesse Sioniste“ (MJS)[1] und war gleichzeitig Mitglied in der jüdischen Widerstandsbewegung Organisation juive de combat (OJC), die ein Teil der Résistance war. Am 31. Mai 1944 versuchte sie, einen Transport von 32 jüdischen Kindern (zwischen drei und 19 Jahren) von Lyon – damals unter deutscher Besatzungsherrschaft – aus in die sichere Schweiz zu bringen. Auf diese Weise sollte die vorgesehene Deportation der Kinder in ein deutsches KZ (zum Zweck ihrer Tötung) verhindert werden. Kurz vor der Grenze scheiterte die Flucht. Cohn und die Kinder wurden ins Gefängnis gebracht. Der Bürgermeister Jean Deffaugt des Ortes Annemasse bot ihr an, ihr allein zur Flucht zu verhelfen, was sie ablehnte, um bei den Kindern zu bleiben. Schließlich wurden die Kinder gerettet, sie selbst aber bei der Befreiung des Ortes am 23. August 1944 tot unter einem Leichenhaufen gefunden. Mit ihr zusammen wurden am 8. Juli noch die ebenso inhaftierten Widerstandskämpfer Marthe-Louise Perrin, Felix-Francois Debore, Julien-Edmond Duparc, Henri-Francois Jaccaz und Paul-Léon Regard unter nicht völlig geklärten Umständen ermordet. Ihr geschändeter und völlig entstellter Leichnam wurde nach Grenoble gebracht, wo ihre Familie wohnte, und dort auf dem Friedhof Cimetière du Grand-Sablon beerdigt.

Die Täter

Nach der Veröffentlichung[2] von drei Fotografien[3] im Jahr 2004 durch das Simon Wiesenthal Center im Rahmen der Operation Last Chance sollten die Täter identifiziert werden. Verdächtigt wurden Angehörige des SD, der Grenzpolizei in Annemasse und Angehörige der 2. Kompanie des „Polizei-Regiments 19“[4], späterer[5] Name „SS-Polizei-Regiment 19“, die in Annemasse stationiert war. Als „HSSPF Alpenland“ wurde ihre Truppe von Erwin Rösener als Höherem SS- und Polizeiführer kommandiert und hatte zunächst auf dem Balkan, daher ihr Name, zahlreiche Verbrechen an Zivilisten begangen. Im Mai 1944 wurde das Regiment 19 nach Frankreich verlegt und mordete dort an verschiedenen Orten weiter. Schließlich wurde das Regiment in den Raum Grenoble verlegt. Stefan Klemp hatte 2004 die Namen von Alpenland-Mitgliedern in Frankreich der „Zentralstelle im Lande NRW für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund“ gemeldet, allerdings folgenlos.[6] Im Frühjahr 2017 veröffentlichte das Fritz Bauer Institut ein Dossier über die gescheiterten Ermittlungen.[7] Die Ermordung von Marianne Cohn ist bis heute nicht aufgeklärt, die Männer auf den Fotos wurden nicht identifiziert.

Ehrungen

Stolperstein am Haus Wulfila Ufer 52, in Berlin-Tempelhof

Posthum wurde Marianne Cohn am 7. November 1945 geehrt, von der Militärregierung Lyon wurde ihr das Kriegskreuz mit silbernem Stern verliehen. In Ville-la-Grand wurde 1956 eine Straße nach ihr benannt und ein Denkmal (auch für fünf andere am selben Tag ermordete Widerstandskämpfer) errichtet.[8] François Mitterrand eröffnete ihr zu Ehren 1982 einen Garten in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und in Annemasse wurden 1984 eine Vorschule[9] und eine Grundschule[10] nach ihr benannt. An der Oberlandstraße in Berlin-Tempelhof trägt die Marianne-Cohn-Schule, ein sonderpädagogisches Förderzentrum, ihren Namen. An ihrer letzten Wohnadresse Wulfila-Ufer 52 in Tempelhof wurde im Dezember 2007 ein Stolperstein zum Gedenken verlegt.[11] Ein weiterer Stolperstein wurde in ihrer Geburtsstadt Mannheim in der Meerfeldstraße 4a verlegt.[12] Der Gemeinderat der Stadt Mannheim beschloss 2014 eine Straße nach Marianne Cohn zu benennen.[13]

Im Juni 2018 wurde eine Ausstellung von eingewanderten Studenten aus Frankreich von der TZeitlin School, Urban 12 Tel Aviv unter der Leitung von Magali Renaud-Katorza eingerichtet, die im Wahlin House in Givatayim in Anwesenheit der französischen Botschaft in Erinnerung an Marianne Cohen und Mila Racine präsentiert wurde – "In meinen Fußstapfen von Mila und Marianne zum Leben". Die Ausstellung wurde mit dem Yad-Vashem-Preis für ein Bildungsprogramm ausgezeichnet, das sich mit der Geschichte der französischen Juden im Holocaust befasst, in Zusammenarbeit mit der Organisation "Alumim" und der Stiftung für Holocaust-Gedenken in Frankreich auch.

Autorin

  • Verraten werde ich morgen Gedicht von M.C., Nov. 1943, in: Frankreich meines Herzens. Die Résistance in Gedicht und Essay Hg. Irene Selle, Leipzig 1987 ISBN 3-379-00090-6 S. 171; französische und deutsche Fassung siehe Weblinks

Literatur

Eine neue Biographie von Mariannes Leben und Werk im Untergrund wurde 2021 auf Französisch veröffentlicht. Die Biographie basiert auf Forschungen aus dem Jahr 1997.

  • Magali Ktorza, « Marianne Cohn, Je trahirai demain, pas aujourd'hui », Revue d'histoire de la Shoah, n° 161, septembre-décembre 1997, pp. 96-112
  • Magali Renaud Ktorza, Marianne Cohn au service des enfats juifs, Éditions Ampelos, Paris, 2021,215 pp. ISBN 978-2-35618-210-4.
  • Frauen in der Résistance

Weblinks

 Commons: Marianne Cohn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. MJS war zunächst eine Sammelbewegung zur Vorbereitung auf das Leben in Israel in Kibbutzim. Es wurde 1942 in Montpellier gegründet, Initiatoren waren Simon Lévitte (geb. 1912 in Russland), der aus der jüdischen Pfadfinderbewegung, EI, kam, und Dika Jefroykin. Das MJS ging wegen der Judendeportationen sehr schnell in den Untergrund und verlegte sich auf die Judenrettung, besonders von Kindern und Jugendlichen.
  2. Handzettel Simon-Wiesenthal-Center
  3. vermutlich aus dem Erbe eines unbekannten deutschen Beteiligten stammend
  4. Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Q 234, 45 Js 14/78, Bd. I, Bl. 182, Bd. X, Bl. 1863.
  5. seit dem 24. Februar 1943
  6. Monitor, 8. Juni 2004
  7. Das Dossier Marianne Cohn Geschichte einer gescheiterten Ermittlung von Ahlrich Meyer in: Einsicht 17 Bulletin des Fritz Bauer Instituts
  8. Ville-la-Grand auf gedenkorte-europa.eu, der Homepage von Gedenkorte Europa 1939–1945
  9. Ecole maternelle Marianne Cohn Annemasse
  10. Ecole Elémentaire Publique Marianne Cohn
  11. Stolperstein für Marianne Cohn
  12. Stolpersteine in Mannheim bisherige Verlegeorte
  13. Beschluss zur Benennung von geplanten öffentlichen Verkehrsflächen im Bebauungsplan Nr. 32.40 „Turley-Areal“
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Marianne Cohn aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.