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Müller-Arnold-Fall

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Der Müller-Arnold-Fall ist ein Rechtsfall aus der Zeit König Friedrichs II. von Preußen, der mit dem Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz in exemplarischem Zusammenhang steht.

Fallbeschreibung

Der Müller Arnold aus dem Oderbruch betrieb eine Wassermühle an einem zur Oder fließenden Gewässer („Fluss“). Er war Erbpächter und schuldete so seinem Erbzinsherren Graf Schmettau den Erbzins, den er aus den Erlösen der Wassermühle bestritt.

Eines Tages jedoch legte der Landrat von Gersdorff, der flussaufwärts Land besaß, einen Karpfenteich an. Der (private) Fluss führte dadurch (angeblich) nur noch sehr wenig Wasser, und der Müller behauptete, er könne sein Geschäft nicht weiter betreiben und nicht mehr den Erbzins an seinen Herrn bezahlen. Graf von Schmettau erstritt 1773 ein Urteil des Patrimonialgerichts (bei dem er selbst Gerichtsherr war) gegen den Müller. Dieser wandte sich nun an das zuständige Gericht in Küstrin, das jedoch das Urteil bestätigte. 1778 wurde die Mühle zwangsversteigert, und von Schmettau erwarb sie.

Müller Arnold verfasste Eingaben an König Friedrich II., welcher ihn später auch anhörte. Friedrich ordnete daraufhin eine Untersuchung an und gab schließlich Anweisung, dem Müller eine Schadensersatzklage zu gestatten. Das Landgericht Küstrin und auch das Kammergericht urteilten jedoch diesbezüglich ebenfalls gegen den Müller.

Daraufhin ließ Friedrich II. die Richter des Kammergerichts, des Landgerichts Küstrin und des Patrimonialgerichts verhaften und einsperren mit der Begründung, dass sie ungerechte Urteile gesprochen hätten.

Der König wörtlich:

„Wo die Justiz-Collegia nicht mit der Justiz ohne alles Ansehen der Person und des Standes gerade durch gehen, sondern die natürliche Billigkeit bei Seite setzen, so sollen sie es mit Sr.K.M. zu thun kriegen. Denn ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebesbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten. Die sind ärger, wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind, und meritiren eine doppelte Bestrafung.“

Am 18. Dezember 1779 erhielt der preußische Justizminister Zedlitz vom König die Weisung:

„Von Seiten des Criminalcollegii werde über diese 3 Leute nach der Schärfe der Gesetze gesprochen und zum mindesten auf Cassation und Vestungsarrest erkannt, wobey ich auch gleich zu erkennen gebe, daß, wenn das nicht mit aller Strenge geschieht, Ihr sowohl als auch das Criminalkollegium es mit mir zu thun kriegen werden!“

Die übrigen Richter am Kammergericht weigerten sich jedoch, die verhafteten Richterkollegen des Kammergerichts zu verurteilen. So verurteilte Friedrich selbst die Richter zu einem Jahr Haft in der Zitadelle Spandau und sprach dem Müller Arnold Schadensersatz zu. Die betroffenen Richter wurden allerdings schon nach kurzer Zeit vom König begnadigt.

Vor allem die Juristen der damaligen Zeit waren aufgrund des als tyrannisch gesehenen Eingriffs in die Justiz schockiert. Dieser Machtspruch des Königs richtete sich gegen die Justiz, die das geltende Recht bei ihren Urteilen anwandte. Friedrich richtete sich demnach also gegen das eigene erlassene Recht und damit auch gegen seine hohen Ansprüche an die Staatsführung. Man beachte seinen „Ersten Grundsatz Unserer allgemeinen Gerichtsverfassung“ von 1772: „Wir selbst oder unser Etatsministerium geben keine Entscheidung, so die Kraft einer richterlichen Sentenz haben!“

Als Folge dieses Justizskandals wurde dann die Kodifikation des Allgemeinen Landrechts weiter vorangetrieben und die Rolle des Königs im Verhältnis zur Judikative wurde in Preußen neu überdacht. Das Verfahren des Müllers Arnold ist als Beginn der richterlichen Unabhängigkeit bezeichnet worden; dabei ging es nicht unbedingt darum, ob der Müller mit seinen Behauptungen recht hatte, sondern um die Frage, ob der König eingreifen durfte.

Bewertung und Legendenbildung

Ob der Müller tatsächlich recht hatte, ist wohl nicht mehr aufklärbar: Es gibt einige Stimmen, die meinen, dass hier kein Machtspruch des Königs erfolgte, sondern der König dem Recht zur Geltung gegenüber dem Standesdünkel der damaligen Richter verholfen habe.[1] Andere geben dagegen dem Richter recht und kritisieren sowohl die Vorgehensweise des Königs als auch die sich aus dem Fall ergebende Legendenbildung.[2]

Diese Legende will anhand des Müller-Arnold-Falls die Güte und Gerechtigkeit Friedrichs II. gegenüber seinen Untertanen belegen. Sie wurde irrigerweise mit der Historischen Mühle von Sanssouci verbunden, obwohl das nicht eine Wasser-, sondern eine Windmühle war.

Einzelnachweise

  1. Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. C.H. Beck, München, 3., überarbeitete und erweiterte Aufl. 2006, ISBN 3-406-54716-8, S. 412 f.
  2. Gerhard Prause: Niemand hat Kolumbus ausgelacht. Fälschungen und Legenden der Geschichte richtiggestellt. dtv, München 1998.

Filmische Rezeption

Literatur

  • Malte Dießelhorst: Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen. Göttingen 1984.
  • Werner Frotscher, Bodo Pieroth: Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., München 2005, Rn. 131 ff.
  • David M. Luebke: Frederick the Great and the Celebrated Case of the Millers Arnold (1770–1779): A Reappraisal. In: Central European History 32/4 (1999): 379-408.
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