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Lydia Rabinowitsch-Kempner
Lydia Rabinowitsch-Kempner (geb. 22. August 1871 in Kaunas, Russisches Kaiserreich, als Lydia Rabinowitsch; gest. 3. August 1935 in Berlin) war eine russisch-deutsche Mikrobiologin.
Ihr wurde als zweiter Frau in Preußen und als erster in Berlin der Professorentitel verliehen. Sie gab außerdem als erste Frau mit der Zeitschrift für Tuberkulose eine Fachzeitschrift heraus und wies die Übertragung der Tuberkelbazillen durch infizierte Kuhmilch nach. Im Jahr 1920 übernahm Rabinowitsch-Kempner das Bakteriologische Institut am Städtischen Krankenhaus Moabit, wurde jedoch auf Grund ihrer jüdischen Herkunft 1934 zwangspensioniert.
Leben und Wirken
Herkunft und Ausbildung
Lydia Rabinowitsch wurde als jüngstes Kind des jüdischen Brauereibesitzers Leo Rabinowitsch und seiner Ehefrau Minna (geb. Werblunsky) 1871 in Litauen geboren. Sie besuchte das Mädchengymnasium ihrer Heimatstadt und sollte dann studieren. Der Vater war zwar früh verstorben, doch die Familie war wohlhabend genug, um fast alle der neun Kinder studieren zu lassen. Aber Frauen war ein Studium im Russischen Reich nicht erlaubt und so ging Rabinowitsch nach Zürich, um drei Semester Naturwissenschaften zu studieren. Danach setzte sie ihr Studium in Bern fort, wo sie 1894 mit der Arbeit Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Fruchtkörper einiger Gastromyzeten in Medizin promoviert wurde.
Nach dem Studium zog sie nach Berlin, um an Robert Kochs Seite im Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten zu arbeiten. Dort hatte sie als einzige Frau eine Stelle erhalten – eine unbezahlte Assistentenstelle. Die männerdominierte Gesellschaft ließ Rabinowitsch jedoch nicht viel Freiraum für wissenschaftliche Arbeiten. So ging Rabinowitsch 1896 als Dozentin nach Philadelphia an das Women’s Medical College of Pennsylvania, ein Medizin-College für Frauen. Sie lehrte dort drei Jahre das Fach Bakteriologie und wurde 1898 zur Professorin für Bakteriologie ernannt. Die Professur war jedoch außerhalb Amerikas nicht anerkannt.
Aufstieg zur Tuberkuloseexpertin
Während der Semesterferien kehrte sie immer wieder nach Berlin zurück und lernte dort den Arzt Walter Kempner kennen. Sie entschlossen sich, ihre Arbeit am Robert Koch-Institut gemeinsam fortzusetzen, und heirateten 1898 in Madrid auf einem internationalen Medizinkongress. Wahrscheinlich auf Grund von Meinungsverschiedenheiten[1] wechselte Rabinowitsch-Kempner 1903 an das Pathologische Institut der Charité und arbeitete dort sechzehn Jahre lang als wissenschaftliche Assistentin. In dieser Zeit stieg sie zur bekannten und anerkannten Tuberkuloseforscherin auf. Sie wies 1904 Tuberkelbazillen in Rohmilch nach, während Robert Koch ohne Erfolg von der Berliner Großmolkerei Meierei Bolle gelieferte Milch untersuchte.[2] Rabinowitsch-Kempner publizierte zahlreiche Schriften und hielt Vorträge auf internationalen Kongressen und erhielt 1912 als erste Frau Berlins einen Professorentitel verliehen. Der Verleihung folgten antisemitische Anfeindungen und trotz der Professur (als Titularprofessor[3]) bekam sie keine Anstellung an einer Universität. Sie konnte sich auch nicht wie gewünscht habilitieren, denn dies wurde für Frauen erst nach dem Ersten Weltkrieg möglich.
1914 übernahm Rabinowitsch-Kempner die Leitung der Zeitschrift für Tuberkulose. Während des Ersten Weltkriegs setzte der Generalstabsarzt des Reichsheeres sie neben anderen Wissenschaftlern als Berater für die Seuchenvorbeuge ein.
Mit 49 Jahren bekam Lydia Rabinowitsch-Kempner ihre erste feste Anstellung mit angemessenem Gehalt: Sie wurde 1920 mit der Leitung des Bakteriologischen Instituts am Städtischen Krankenhaus Moabit betraut. Im gleichen Jahr verstarb ihr Mann an Kehlkopftuberkulose. Sie hatten zusammen drei Kinder: Robert Kempner (1899–1993, Jurist, Stellvertreter des amerikanischen Chefanklägers Robert H. Jackson bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen) und Walter Kempner (1903–1997, ebenfalls Mediziner, Hausarzt Stefan Georges und Mitglied des George-Kreises). Die Tochter Nadja (1901–1932) verstarb ebenfalls an Tuberkulose.[4]
Zwangspensionierung
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Lydia Rabinowitsch-Kempner 1934 zwangspensioniert und zur Aufgabe ihrer Arbeit an der Zeitschrift für Tuberkulose gezwungen. Sie ermöglichte ihren Kindern die Emigration, blieb aber selbst in Berlin zurück, wo sie nach schwerer Krankheit am 3. August 1935 starb. Sie wurde im Familiengrab der Kempners auf dem Parkfriedhof Lichterfelde beigesetzt, das 1993 auch die sterbliche Hülle ihres Sohnes Robert Kempner aufnahm.
Ehrungen
Das Grab der Kempners auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in der Abt. 4a-2 ist heute ein Ehrengrab des Landes Berlin. Am Krankenhaus Moabit wurde eine Tafel zur Ehrung der jüdischen Ärzte angebracht, auf der auch ihr Name zu finden ist. Im Jahr 2016 benannte die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte eine neu zu errichtende Straße in der Europacity nach der Mikrobiologin als Lydia-Rabinowitsch-Straße[5].
Literatur
- Katharina Graffmann-Weschke: „So wollen denn auch wir in diesem Sinne handeln“ Die Bakteriologin Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871-1935), Berlin 2021, Hentrich&Hentrich, ISBN 978-3-95565-483-2
- Katharina Graffmann-Weschke: Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871–1935). Leben und Werk einer der führenden Persönlichkeiten der Tuberkuloseforschung am Anfang des 20. Jahrhunderts. GCA-Verlag, Herdecke 1999, ISBN 3-928973-79-7.
- Sabine Hering: Rabinowitsch-Kempner, Lydia. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 72 f. (Onlinefassung).
- Erika von Hören: Lydia Rabinowitsch-Kempner 1871–1935. In: Verfolgte Ärzte im Nationalsozialismus. Hrsg. vom Robert Koch-Institut. Berlin 1999, ISBN 3-89606-030-9.
- Lothar Jaenicke: Erinnerungsbild Lydia Rabinowitsch-Kempner. (PDF) In: Biospektrum, Jg. 15.2009, H. 3, S. 245–247.
- Thomas Schimpke: Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871–1935). Aus dem Leben einer Tuberkuloseforscherin. Medizinische Dissertation, Würzburg 1996.
- Annette Vogt: Der „Milch-Skandal“ machte sie berühmt. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Nr. Heft 7, 1997 ISSN 0944-5560, S. 32–36 (luise-berlin.de).
Weblinks
- Prof. Dr. phil. Lydia Rabinowitsch-Kempner. In: Heimatverein Steglitz (Hrsg.): Steglitzer Heimat. 49 Jg. (2004), Heft 1 (Memento vom 11. August 2007 im Internet Archive) S. 31–33.
- Heide Soltau: 03.08.1935 - Todestag von Lydia Rabinowitsch-Kempner WDR ZeitZeichen vom 3. August 2020. (Podcast)
Einzelnachweise
- ↑ Lydia Rabinowitsch-Kempner. In: Ursula Ahrens: Aufbrüche. Frauengeschichte(n) aus Tiergarten 1850–1950. Weidler, Berlin 1999, ISBN 3-89693-138-5
- ↑ Was ist mit den wahren Geschichten? badische-zeitung.de, 1. April 2017
- ↑ Manfred Stürzbecher: Rabinowitsch-Kempner, Lydia. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1211.
- ↑ Harry Balkow-Gölitzer: Prominente in Berlin-Lichterfelde: und ihre Geschichten. Berlin Edition, 2008, ISBN 978-3-8148-0164-3, S. 55 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Karen Noetzel: Bezirk gibt neuen Straßen in der „Europacity“ einen Namen. Berliner Woche, 2. August 2016, abgerufen am 8. Januar 2018.
Personendaten | |
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NAME | Rabinowitsch-Kempner, Lydia |
ALTERNATIVNAMEN | Rabinowitsch, Lydia (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Mikrobiologin |
GEBURTSDATUM | 22. August 1871 |
GEBURTSORT | Kaunas |
STERBEDATUM | 3. August 1935 |
STERBEORT | Berlin |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Lydia Rabinowitsch-Kempner aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |