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Luise Straus-Ernst

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Hanns Bolz: Bildnis Louise Straus-Ernst, vor 1918

Louise Straus-Ernst auch Louise Ernst, Louise Straus, Louise Ernst-Straus oder Luise Ernst-Straus, genannt Lou (geb. 2. Dezember 1893 in Köln; ermordet Anfang Juli 1944 im KZ Auschwitz) war eine deutsche Kunsthistorikerin, Journalistin und Künstlerin sowie die erste Ehefrau des surrealistischen Künstlers Max Ernst.

Leben und Wirken

Jugend, Studium und Ehe

Straus wurde 1893 als Tochter eines Hutfabrikanten in Köln geboren und wuchs in einem liberalen jüdischen Milieu auf. Nach dem höheren Schulabschluss studierte sie Kunstgeschichte an der Universität Bonn. Dort lernte sie 1913 in einem Zeichenkurs Hans Arp und dessen Studienkollegen Max Ernst kennen. Noch während des Ersten Weltkrieges heiratete sie 1918 in einer Kriegstrauung – gegen den erbitterten Widerstand ihrer Familie und der streng katholischen Familie Ernst – den ehemaligen Studienkollegen und Leutnant Max Ernst. Schon vor seinem freiwilligen Kriegseinsatz hatte Ernst sein Studium der Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte abgebrochen, um als freier Maler im Kreis der Rheinischen Expressionisten um August Macke zu arbeiten. Luise hingegen hatte 1917 bei Paul Clemen als erste Frau an der Universität Bonn in Kunstgeschichte über mittelalterliche Goldschmiede des Rheinlandes promoviert. Im Januar 1919, nach dem Tod von Joseph Poppelreuter, dem Direktor der Skulpturen- und Antikensammlung des Wallraf-Richartz-Museums, übernahm sie kommissarisch die Leitung des Museums bis zum Ende des Jahres. Das Paar bekam 1920 einen Sohn, Hans-Ulrich, der später unter dem Namen Jimmy Ernst in den USA als Maler des abstrakten Expressionismus bekannt wurde. Die junge Familie litt unter großen finanziellen Sorgen. Luise übernahm Schreibarbeiten und verkaufte Strümpfe im Kaufhaus Tietz, um das Überleben der Familie zu gewährleisten.[1]

Dada in Köln

Die Wohnung der Ernsts am Kaiser-Wilhelm-Ring 24 wurde zum „Kraftzentrum“ einer unangepassten neuen Kunstbewegung, der Dada Köln. Es wurde agitiert gegen die britische Besatzung, den preußischen Staat und für eine freie Rheinprovinz unter französischer Hegemonie. Gemeinsam mit Theodor Baargeld, Hans Arp und anderen werden vom Marxismus und der Psychoanalyse Freuds inspirierte Anti-Kunstausstellungen geplant, zu denen Luise einige Collagen unter dem Dada-Namen Armada von Duldgedalzen beisteuerte. Die erste Ausstellung 1920 im Kölnischen Kunstverein wurde zum Eklat. Plakate und Kataloge wurden von den Behörden beschlagnahmt. Bei der zweiten Ausstellung der Gruppe in einem Raum hinter der Herrentoilette eines Kölner Brauereiausschanks an der Schildergasse war Straus mit mehreren Werken vertreten. Ernst setzte ihr mit einer Foto-Collage als Rosa Bonheur des Dadas 1922 ein Denkmal. Die konservativen Familien Ernst und Straus brachen mit dem exzentrischen Paar. Im Sommer 1922 lernte das Ehepaar Ernst auf einem Urlaub in Österreich den französischen Surrealisten Paul Éluard und dessen Ehefrau Gala kennen.[1] Max Ernst trennte sich von Luise, übersiedelte nach Paris, um sich künstlerisch dem Surrealismus anzuschließen und privat mit seinem Freund Paul Éluard und dessen Frau Gala in einer Ménage à Trois zu leben. 1926 wurde die Ehe der Ernsts endgültig geschieden.

Tätigkeit als Journalistin

Lou Ernst-Straus, wie sie sich selbst meistens nannte, brachte sich, den Sohn und das langjährige Kindermädchen Maja Aretz als Buchhalterin und Sekretärin, Akkordarbeiterin in einer Bindfadenfabrik und durch finanzielle Zuwendungen ihres Vaters durch. Sie wandte sich wieder der Kunstgeschichte zu, übernahm Aufträge als Museumskuratorin, schrieb Artikel über römische und mittelalterliche Architektur und Kunst, über Theater und Film, aber auch über Politik unter anderem für die renommierte Kölnische Zeitung und andere überregionale Blätter von Rang. Für die Vossische Zeitung und die Dresdner Neuesten Nachrichten übernahm sie die Kunstberichterstattung für das Rheinland. Allmählich etablierte sie sich in der überregionalen Kunstszene. Die neue Wohnung in Köln-Sülz wurde beliebte Anlaufstelle vor allem für Theaterleute, Schauspieler und Autoren. Bert Brecht, Hanns Eisler und Kurt Weill waren gern gesehene Gäste; der Fotograf August Sander, ebenfalls ein Freund des Hauses, porträtiert Lou und Jimmy 1928 für seine großangelegte Porträtreihe Menschen des 20. Jahrhunderts. Arno Breker, Hitlers späterer Lieblings-Bildhauer, machte ihr eine Zeitlang den Hof. Ihre guten Beziehungen zu dem Pressereferenten und Redenschreiber des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer nutzte sie, um den aus den unterschiedlichsten politischen Zirkeln stammenden Gästen, die wegen staatsfeindlicher Äußerungen verhaftet werden sollten, zu helfen. Nach Angaben ihres Sohnes soll sie selbst einige Reden für Adenauer als Ghostwriter verfasst haben. Als dieser 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde, verließ sie ohne ihren Sohn im Mai 1933 Köln und flüchtete nach Paris.

Emigration und Deportation

Straus wohnte in einem Emigrantenhotel im Quartier Latin, denn noch war Frankreich ein freies Land. Sie hielt Kontakt zu dem inzwischen mit der Französin Marie-Berthe Aurenche verheirateten Max Ernst und schlug sich durch mit Deutschunterricht, Museumsführungen für deutsche Touristen und Schreibarbeiten und schrieb gelegentlich für Schweizer Zeitungen. Zweimal im Jahr kam ihr Sohn zu Besuch aus Köln, bis er 1938 mit Hilfe von Freunden über Le Havre per Schiff nach New York emigrieren konnte. Sein Vater konnte ihm 1941 mit Hilfe des Emergency Rescue Committee von Marseille aus zusammen mit seiner späteren dritten Ehefrau Peggy Guggenheim folgen, noch bevor die Deutschen Paris besetzten. Straus, die in der französischen Résistance aktiv war, wurde für kurze Zeit in dem berüchtigten Internierungslager Camp de Gurs nahe der spanischen Grenze gefangen gehalten. Auf Initiative von Fritz Neugass wurde sie am 21. Juni 1940 entlassen. Sie hielt sich anschließend zunächst an der Küste im „freien“ Vichy-Frankreich auf. Mit einer Gruppe anderer politischer und jüdischer Emigranten fand sie Zuflucht in Manosque im Département Alpes-de-Haute-Provence bei dem Schriftsteller Jean Giono. 1941/1942 schrieb sie ihre Autobiografie Nomadengut, deren Manuskript über eine befreundete Verlegerin erst 1948 ihren Sohn in Amerika erreichte und erst 1999 veröffentlicht wurde. Ihr letzter Gefährte war der Architekt Charles K. Fiedler, der bei Giono als Schafhirte arbeitete. Vergeblich wartete Straus auf das versprochene Ausreisevisum vom amerikanischen Konsulat in Marseille und wurde jahrelang vertröstet, trotz Interventionen an höchster Stelle bei Eleanor Roosevelt durch ihren Sohn. Im Mai 1944 wurde sie, noch bevor die amerikanischen Invasionstruppen das Mittelmeer erreichten, unter nie ganz geklärten Umständen in das riesige Sammellager für französische Juden in Drancy bei Paris verschleppt. Am 30. Juni 1944 erfolgte die Deportation mit dem vorletzten Zug (Konvoi Nr. 76) von Frankreich nach Auschwitz, wo sie kurz nach ihrer Ankunft vergast wurde.

Nachwirkung

Stolperstein für Louise Straus-Ernst in Köln

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Leben und kulturelles Wirken der Journalistin und Kulturschaffenden Louise Straus-Ernst bis auf vereinzelte Publikationen ihrer Dada-Collagen und Erwähnungen in Biographien über Max Ernst weitgehend vergessen. Erst als das Erinnerungsbuch ihres Sohnes Jimmy 1985 mit dem Titel Nicht gerade ein Stilleben. Erinnerungen an meinen Vater Max Ernst auch auf Deutsch erschien, rückte sie wieder in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. In den 1990er Jahren macht vor allem die Frauengeschichtsforschung auf sie aufmerksam. Seit Veröffentlichung ihrer Autobiographie Nomadengut durch das Sprengel-Museum in Hannover wird auf ihr Wirken als Künstlerin und Figur der Dada-Bewegung in szenischen Lesungen aufmerksam gemacht. Die Kölner Autorin Ute Remus hat ein Hörbuch zu Leben und Werk publiziert. Seit 2004 liegen ihre Erinnerungen in einer englischen Übersetzung (USA) vor. Dort wird sie vor allem auch als Mutter des Malers Jimmy Ernst wahrgenommen.

2016 erschien eine umfassende Biographie von Eva Weissweiler, die unter anderem Straus-Ernsts Wirken als Kunsthistorikerin und Journalistin und ihre vielfältigen beruflichen Aktivitäten und Beziehungen – unter den schweren Bedingungen von Judenverfolgung und Krieg – in Deutschland, Frankreich und der Schweiz ausführlich darlegt.

Der Kölner Maler und Bildhauer Gunter Demnig hat ihr einen seiner Stolpersteine zur Erinnerung gewidmet. Er wurde vor ihrem letzten Domizil in der Emmastraße 27 in Köln-Sülz (1928–1933) gesetzt.[1]

Luise Straus-Ernst –- Familiengrab auf dem Jüdischen Friedhof Köln-Bocklemünd (Flur 8 Nr. 1–3)

Im Rahmen einer Ausstellung des Wallraf-Richartz-Museums wurde im Juni 2017 auf dem Jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd eine Grabstein-Inschrift zum Angedenken an Luise Straus-Ernst enthüllt (Flur 8 Nr. 1–3).

Werke

  • Zur Entwicklung des zeichnerischen Stils in der Cölner Goldschmiedekunst des XII. Jahrhunderts. Heitz, Strassburg 1917.
  • Nomadengut. Autobiografie 1914–1942. Hrsg. Ulrich Krempel. Sprengel-Museum, Hannover 1999, ISBN 3-89169149-1.
  • The first Wife´s Tale (A Memoir by Louise Straus-Ernst. Historian, Critic, Journalist of Europe´s Avante-Garde Artists in the 1920s and 30s). Midmarch Arts Press, 2004, ISBN 1-87767543-1.
  • Eine Frau blickt sich an, Reportagen und Erzählungen 1933–1941. Hg. vom Max-Ernst-Museum, Brühl. Mit Beiträgen von Jürgen Pech u. a. Greven, Köln 2012, ISBN 978-3-7743-0494-9.

Ausstellungen

Literatur

  • Jimmy Ernst: Nicht gerade ein Stilleben. Erinnerungen an meinen Vater Max Ernst. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1985/1988/1991 (Orig. 1984), (auch als Taschenbuch), ISBN 3-462-02154-0.
  • Susanne Flecken: Luise Straus-Ernst. Ein Leben voller Farbe. In: Annette Kuhn und Valentine Rothe (Hrsg.): 100 Jahre Frauenstudium an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. (Seminar für Geschichte und ihre Didaktik und Politische Bildung, Lehrgebiet Frauengeschichte), in Zusammenarbeit mit dem Hauptseminar 100 Jahre Frauengeschichte an der Uni Bonn. Edition Ebersbach, Dortmund 1996, ISBN 3-931782-11-5.
  • Mechthild Gilzmer: Luise Straus-Ernst. Eine Nomadin zwischen Aufbruch und Verfolgung. In: U. Fendler und M: Gilzmer (Hrsg.): Grenzenlos. Festschrift für Helmut Schwartz zum 65. Geburtstag. Shaker, Aachen 2005.
  • Carl-Albrecht Haenlein (Hrsg.): Dada Photographie und Photocollage. Mit Arbeiten von Hans Arp, J. Th. Baargeld, André Breton, Marcel Duchamp, Max Ernst, Luise Ernst-Straus u. a. o. V., Hannover 1979.
  • Kathrin Hoffmann-Curtius: Geschlechterspiel im Dadaismus. In: Kunstforum 128, 1994, S. 166–169.
  • Hildegard Reinhardt: Straus-Ernst, Luise. Kunsthistorikerin, Kunstkritikerin, Publizistin. In: Jutta Dick und Marina Sassenberg (Hrsg.): Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-16344-6, S. 368 ff.
  • Ute Remus: „Sollst je du sollst du Schwänin auf“ – Hommage an Louise Straus-Ernst. Schmidt von Schwind, Köln 2004, ISBN 3-932050-23-1.
  • Eva Weissweiler: Notre Dame de Dada. Luise Straus – das dramatische Leben der ersten Frau von Max Ernst. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016, ISBN 978-3-462-04894-0.
Radio-Feature

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Dr. Louise Straus-Ernst (1893–1944(?)). In: Kirsten-Serup Bilfeldt: Stolpersteine – Vergessene Namen, verwehte Spuren. Wegweiser zu Kölner Schicksalen in der NS-Zeit. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004, 2. Auflage, ISBN 3-462-03535-5, S. 131–141.
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