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Lothar de Maizière

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Lothar de Maizière (2011)
Unterschrift de Maizières unter dem Zwei-plus-Vier-Vertrag

Lothar de Maizière [də mɛˈzjɛʀ] (* 2. März 1940 in Nordhausen) wirkte vom Herbst 1989 bis zum Spätsommer 1991 als deutscher Politiker (CDU) und wurde besonders durch seinen Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung bekannt. Zuvor war er und seither ist er wieder als Rechtsanwalt in Berlin tätig.

Vom 12. April bis 2. Oktober 1990 war er der erste demokratisch gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik und vom 3. Oktober bis 19. Dezember 1990 einer von fünf aus der DDR stammenden Bundesministern für besondere Aufgaben. Am 17. Dezember bat er wegen zu klärender Vorwürfe, er habe als inoffizieller Mitarbeiter unter dem Decknamen „Czerni“ (auch „Czerny“)[1] mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet, um Entlassung aus dem Ministeramt.[2][3] Im Februar 1991 nahm er seine Parteiämter, die er hatte ruhen lassen, wieder auf, nachdem Wolfgang Schäuble auf einer Pressekonferenz mit seinem Untersuchungsbericht den Versuch einer Entlastung unternommen hatte.[4] Im Herbst 1991 trat er als stellvertretender CDU-Vorsitzender zurück und gab sein Bundestagsmandat ab. 1992 wurde er nach Aktenlage als „Czerni“ identifiziert.

Seit 2009 hat Lothar de Maizière das Amt als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft e. V. inne.

Leben

Ausbildung und Beruf

Nach dem Abitur am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster 1958 studierte de Maizière von 1959 bis 1965 Viola an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Er war danach bis 1975 als Bratschist an mehreren Orchestern, u. a. auch dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, tätig. Wegen einer Nervenentzündung am linken Arm, die ihn bei seiner Berufsausübung behinderte, studierte er von 1969 bis 1975 im Fernstudium Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 1975 ist er als Rechtsanwalt tätig. Er war in der DDR ab 1987 stellvertretender Vorsitzender des Kollegiums der Berliner Rechtsanwälte unter dem Vorsitzenden Gregor Gysi. Er besaß auch eine Rechtsanwaltszulassung zum Militärstrafsenat beim Obersten Gericht der DDR. Als Rechtsanwalt vertrat er bis 1989 vor Gericht vornehmlich Jugendliche, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Teilnahme an pazifistischen Aktivitäten durch die Justiz der DDR verfolgt wurden.

Familie

Lothar de Maizière ist verheiratet und hat drei Töchter. Er stammt aus der politisch sehr aktiven Familie de Maizière, deren Mitglieder Nachfahren hugenottischer Einwanderer sind.

Sein Vater Clemens de Maizière (1906–1980), in der Wendezeit als langjähriger Stasi-Mitarbeiter enttarnt, war ebenfalls Rechtsanwalt in der DDR, Synodaler der Berlin-Brandenburgischen Kirche und Mitglied der Ost-CDU, wo er einen Ortsverband leitete. Sein Onkel Ulrich de Maizière diente in der Reichswehr, der Wehrmacht und der Bundeswehr und war Generalinspekteur der Bundeswehr. Dessen Sohn, Lothar de Maizières Cousin Thomas de Maizière, war von November 2005 bis März 2018 ebenfalls Bundesminister. Sein Großvater mütterlicherseits war der Historiker und Politiker Johannes Rathje.[5] Eine seiner Töchter (Henriette)[6] arbeitet als Journalistin und Reporterin für das ZDF.[7]

Partei

Lothar de Maizière war seit 1956 Mitglied der CDU, einer der vier Blockparteien in der DDR. Obwohl er in dieser Partei nach eigenen Angaben[8] „nicht einmal Kassierer“ war, wurde er in der friedlichen Revolution an die Spitze berufen und war von November 1989 bis 1990 Vorsitzender. Von Oktober 1990 bis zu seinem Rücktritt am 6. September 1991 war er Erster Stellvertretender Vorsitzender der gesamtdeutschen CDU. In dieser Zeit war er auch Landesvorsitzender der CDU in Brandenburg.

Abgeordneter

Von März bis Oktober 1990 war Lothar de Maizière Mitglied der Volkskammer der DDR. Er war im Wahlkreis Berlin für die CDU gewählt worden. Kurzzeitig amtierte er vom 27. März bis zum 10. April 1990 als Fraktionsvorsitzender von CDU und Demokratischem Aufbruch, bis er wegen seiner bevorstehenden Wahl zum Ministerpräsidenten von Günther Krause abgelöst wurde. de Maizière gehörte im Oktober 1990 zu den Abgeordneten, die von der Volkskammer in den Bundestag entsandt wurden. Bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 zog er über die Landesliste Brandenburg der CDU erneut in den Bundestag ein, aus dem er am 15. Oktober 1991 ausschied.

Öffentliche Ämter

Lothar de Maiziere mit dem Vorsitzenden der PDS, Gregor Gysi (l), bei den Kommunalwahlen in der DDR am 6. Mai 1990 kurz vor dem Beginn des Wahlstudios im Palast der Republik

Am 18. November 1989 trat er als stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates und als Minister für Kirchenfragen der DDR in die von Hans Modrow geführte DDR-Regierung ein.[9]

Am 5. Februar 1990 stellte Bundeskanzler Helmut Kohl in Berlin die „Allianz für Deutschland“ als künftigen Partner seiner Partei in der DDR vor. Das Wahlbündnis bestand aus den neu gegründeten Oppositionsgruppen Demokratischer Aufbruch (DA) und Deutsche Soziale Union (DSU) sowie der DDR-CDU als bestimmender Kraft.[10] De Maizière war noch weitgehend unbekannt, als er in der ersten freien Volkskammerwahl 1990 als Spitzenkandidat der Allianz für Deutschland kandidierte. Er kämpfte mit den Wahlslogans „Wohlstand für alle“ und „Wir sind ein Volk“ für das Amt des ersten frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR.

Der hohe Wahlsieg mit 48,1 % für die Allianz war überwiegend auf die Erwartungen der DDR-Bevölkerung an die deutsche Wiedervereinigung und die D-Mark zurückzuführen, wofür die Ost-CDU eintrat, und ebenfalls auf die Popularität von Bundeskanzler Kohl, der de Maizières Wahlkampf unterstützte.

Nach der Wahl wurde er am 12. April 1990 zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt, gleichzeitig wurde auch sein Kabinett bestätigt. Am 19. April 1990 gab er seine erste Regierungserklärung ab.[11] Von August 1990 an war er zusätzlich auch Außenminister der DDR.

Am Tag der Deutschen Einheit – dem 3. Oktober 1990 – wurde de Maizière zum Bundesminister für besondere Aufgaben in der von Kohl geführten Bundesregierung ernannt.

Am 10. Dezember, wenige Tage nach der Bundestagswahl 1990, veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel das Ergebnis von Recherchen, wonach de Maizière bei der Staatssicherheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen „Czerni“ geführt worden sei. De Maizière dementierte diese Vorwürfe,[12] trat aber am 19. Dezember 1990 als Bundesminister zurück.[2] Seine CDU-Parteiämter ließ er bis zur Wiederaufnahme nach einer von Wolfgang Schäuble am 22. Februar 1991 gegebenen Pressekonferenz, bei der dieser den Versuch einer Entlastung unternahm,[4] ruhen.[13] Im September 1991 gab er den stellvertretenden CDU-Vorsitz und andere Ehrenämter sowie sein Bundestagsmandat zurück. 1992 werden durch das neue Stasi-Unterlagen-Gesetz Akten veröffentlicht, die ihn als IM Czerni identifizieren.[14][15] 1994 lehnte er das Angebot der Berliner CDU auf einen Listenplatz für die Bundestagswahl ab.[12]

Weitere Arbeit

Von 1986 bis 1990 war er Vizepräses der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und arbeitete dort wie auch andere evangelische Christen, beispielsweise Manfred Stolpe, am Dialog der Kirchen mit der Regierung und der SED.

Seit 1993 war de Maizière Repräsentant der Hunzinger Information AG in Berlin,[16] im März 2004 war er Vorsitzender des Aufsichtsrates.[17]

Er ist Vorsitzender der privaten Stiftung Denkmalschutz Berlin[18] und zweiter Vorsitzender von Werkstatt Deutschland e. V.[19] auf dessen Initiative der Quadriga-Preis zurückgeht. Seit dem Tod des Vorgängers Peter Boenisch ist de Maizière Vorsitzender des deutsch-russischen Petersburger Dialogs. Als solcher nannte er die Annexion der Krim einen Bruch des Völkerrechts, kritisierte jedoch die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland.[20] Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete am 22. November 2014 von einem Eckpunktepapier, das von Kanzleramt und Auswärtigem Amt unterstützt wird. In ihm wird gefordert, der Petersburger Dialog müsse „auch Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der russischen Politik geben“. Kanzleramt und Auswärtiges Amt sähen keine Möglichkeit, dass unter der Führung De Maizières eine Reform erfolgreich sein könne.[21]

Außerdem ist de Maizière Mitgründer und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft.

Er arbeitet seit 1996 in seiner Anwaltskanzlei in Berlin, mit Spezialisierung auf Fragen zur Wiedervereinigung. De Maizière vertritt unter anderem zwei Folteropfer in der Causa Rakhat Aliyev, Peter Afanasenko und Sazhan Ibrajew, die als Leibwächter des Ex-Ministerpräsidenten Akeschan Kaschegeldin tätig waren. Aliyev werden darüber hinaus der Mord an zwei kasachischen Bankern, Erpressung, Bestechung und Geldwäsche vorgeworfen.[22]

Darüber hinaus ist Lothar de Maizière Vorsitzender des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs und Geschäftsführer der TU-Campus EUREF gGmbH, die der Berliner Projektentwickler Reinhard Müller auf dem Gelände des Schöneberger Gasometers in Berlin entwickelt.

Bei der Vorstellung seiner Erinnerungen zur Geschichte der deutschen Einheit[23] sagte seine einstige stellvertretende Regierungssprecherin Angela Merkel über ihn: Sein „politisches Ziel, das Freiheitsstreben und das mit der friedlichen Revolution Errungene in rechtsstaatliche Formen zu gießen, hat der deutschen Vereinigung Gestalt gegeben.“

Zitat

„Mein beruflicher Werdegang war ein einziger Abstieg – vom Musiker zum Anwalt und dann zum Politiker.“

– Süddeutsche Zeitung Nr. 144 vom 26. Juni 2015, S. 23

Schriften

  • Anwalt der Einheit. Ein Gespräch mit Christine de Mazières. Argon Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-87024-792-4.
  • Unter Mitarbeit von Volker Resing: „Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen“. Meine Geschichte der deutschen Einheit. 2. Aufl., Herder Verlag, Freiburg 2010, ISBN 978-3-451-30355-5.
  • Ist zusammen gewachsen, was zusammen gehört? In: Anwaltsblatt (Berlin) Jahrg. 53, Oktober 2003, S. 568–571.

Ehrungen

Literatur

Weblinks

 Commons: Lothar de Maizière – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikinews Wikinews: Lothar de Maizière – in den Nachrichten

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Ehrlich, treu, zuverlässig. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1990, S. 30–38 (10. Dezember 1990, online).
  2. 2,0 2,1 Menschlich bewegt. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1990, S. 20–23 (24. Dezember 1990, online).
  3. Als sogenannte Spitzenquelle. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1991, S. 41–48 (18. März 1991, online).
  4. 4,0 4,1 Nicht ehrenrührig. Die Union rehabilitiert de Maiziere – was ihn entlasten soll, belastet ihn tatsächlich. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1991, S. 20–22 (25. Februar 1991, online).
  5. Heiligabend 1945, Fest des Friedens. In: Berliner Morgenpost
  6. Zeitzeugen: Lothar de Maizière - Tochter Henriette abgerufen am 26. September 2015.
  7. Henriette de Maizière - ZDF Jahrbuch 2013 vom 26. September 2015.
  8. Lesung am 23. März 2011 in Erfurt (Schriften: L. de Maizière, 2010). Dazu Interview: Thüringer Allgemeine, 19. März 2011.
  9. Zur vorbereitenden Tagung des „Demokratischen Blocks“ am 11. November berichtete de Maizière (2010, S. 88–90) über die erste persönliche Begegnung mit Egon Krenz und seine Kritik an dessen „Hofberichterstattung alten Stils“. Er diktierte ihm dann einen alternativen Text und bekam von einem Nachbarn zugeflüstert: „Sehen Sie, so wird aus einem Generalsekretär ein Sekretär.“
  10. Uwe Müller: De Maizière greift Helmut Kohls Erinnerungen an. Welt Online, 5. Februar 2010.
  11. deutsche-einheit-1990.de Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Lothar de Maizière.
  12. 12,0 12,1 Helmut Müller-EnbergsMaizière, Lothar de. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
  13. L. de Maizière, 2010, S. 321–332: Abschnitt „Czerni und der lange Schatten der Stasi“.
  14. Robert Leicht: Neues von „Czerni“. In: Die Zeit Nr. 5/1992.
  15. Vor 20 Jahren: Lothar de Maizière alias "Czerni", Spiegel TV Magazin, 22. November 2010.
  16. hunzinger.de (PDF; 1,9 MB).
  17. Moritz Hunzinger: MORITZ HUNZINGER.
  18. Internetauftritt der Stiftung Denkmalschutz Berlin.
  19. Vorstand und Mitglieder der Werkstatt Deutschland (Memento vom 17. März 2005 im Internet Archive).
  20. „Sanktionen gegen Russland liegen nicht in Europas Interesse“, Interview in der FAZ vom 21. November 2014, S. 2.
  21. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH: Aktuelle Nachrichten online.
  22. Heutiges Hearing erwartet Aufklärung von Tonio Borg bei EurActiv.de, 13. November 2012 (abgerufen am 27. Oktober 2013).
  23. L. de Maizière 2010. Das Zitat ist entnommen aus der Rede der Bundeskanzlerin am 2. September 2010 (Memento vom 24. September 2010 im Internet Archive).
  24. Bereits am 3. Oktober 1991, am Ende der Deutschen Demokratischen Republik, hatte L. de Maizière von Richard Schröder zusammen mit einem Geschenk eine aus alten Beständen stammende „Plakette“ überreicht bekommen mit der Inschrift „Für vorbildliche Leistungen zu Ehren der DDR“; abgebildet bei de Maizière (Schriften) 2010, S. 317, mit dem Kommentar: „Eine nettere Auszeichnung konnte ich mir an diesem Tag kaum vorstellen.“
  25. Lothar de Maiziere mit Freundschaftsorden ausgezeichnet, RIA Novosti, 2. März 2010.
  26. Zur aus deutsch-deutscher Sicht kommentierten Bibelstelle vom Ende des Videos (ab 13. Minute) siehe auch Craig Whitney: Instead of Barbed Wire, Resentment Now Divides Germans. In: New York Times, 14. Oktober 1994, S. A6. Wiedergegeben in der englischsprachigen Wikipedia: en:Lothar de Maizière #Famous quotation.
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