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Lily van Angeren-Franz

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Lily van Angeren-Franz (geb. 24. Januar 1924 in Neustädtel[A 1]; gest. 7. März 2011 in Woerden[1] (Niederlande)) war eine deutsche Sintizza aus Hildesheim, Überlebende des Porajmos und wichtige Zeitzeugin. Sie überlebte die Deportation in das „Zigeunerlager Auschwitz“ sowie das KZ Ravensbrück und dessen Außenlager Graslitz (Kraslice). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges lebte sie in den Niederlanden und hat sich um die Erinnerung an die Verbrechen an Sinti und Roma verdient gemacht.

Leben

Gedenktafel über die Verschleppung der Sinti aus Hildesheim und Umgebung

Am 24. Januar 1924 wurde Lily[2] (tw. auch Lilli oder Lilly) van Angeren-Franz als Adele Franz wahrscheinlich in Neustädtel (polnisch Nowe Miasteczko) geboren. Ihr Vater, Julius Franz, war Musiker und Pferdehändler, ihre Mutter, Anna Franz[3], Kurzwarenhändlerin. Sie war die Älteste von sechs Geschwistern. Es folgten Hedwig (Waltraud[4], 1927), Hanu (Wilhelm[5], 1929), Schelein (Karl[6], 1931), Neke, (Gerhard[7], 1932) und Gimpel (Günter[8], 1933) sowie Trudel (1936) über die nichts weiter bekannt ist.

Bis 1929 zogen die Eltern mit den Kindern in Oberschlesien umher. Nach einem Streit in der Großfamilie beschloßen sie "Richtung Hildesheim" zu ziehen. Nach "hunderte(n) von Kilometern" haben sie dann einen "Standplatz in Billstedt" gefunden, der zum häufigen Winterlager wurde. Eine weitere wichtige Station war Dortmund-Hombruch. Hier besuchte Lily als Siebenjährige für einige Monate die Schule und lernte lesen und schreiben. Auf den weiteren Reisen besuchte sie immer wieder wechselnde Schulen, obwohl dies zunehmend von den Nationalsozialisten behindert wurde.

Am 13. Juni 1938, wurde ihr Vater Julius auf der Rückreise der ganzen Familie nach Hildesheim, in der Nähe von Kassel im Zuge der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Die restliche Familie blieb im Ungewissen zurück.

Die Mutter musste sich mit den Kindern alleine durchschlagen und gelangte mit dem Wagen und den Kindern nach Hildesheim. Im Alter von 15 Jahren musste Lily ein Pflichtjahr in einer Familie ableisten, bei dem ein Tag pro Woche in der Hauswirtschaftsschule und ein Tag Arbeit in der Munitionsfabrik abzuleisten war. Ab dem 23. September 1941 arbeitete sie in der Gummifabrik Wetzel im Hildesheimer Stadtteil Moritzberg. Dort wurde sie am 1. März 1943, verhaftet und zusammen mit allen anderen Sinti aus Hildesheim am 2. März in das "Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau deportiert. Lily erhielt die Lagernummer Z-562. Durch ihre Fähigkeit des Schreibens und Lesens kam sie in der Schreibstube unter und konnte durch diese Tätigkeit viele Verbrechen dokumentieren.

Im Lager verstarb ihr Bruder Schelein. Ihre Schwester Waltraud konnte sie vor dem sicheren Tod retten. Dabei half ihr Zbigniew Glowacki, ein polnischer Medizinstudent, die beiden wurden ein Paar. Sie bekam eine Blinddarmentzündung und musste operiert werden. An einer sich anschließenden Bauchfellentzündung stand sie kurz vor dem Tod, wieder konnte ihr Zbigniew mit Medikamenten helfen. Da in der Krankenstation auch der Lagerarzt Josef Mengele seine Verbrechen beging, blieb lange unklar, ob sie nicht auch während der Operation sterilisiert wurde. Ihre Schwester Waltraud, wurde am 24. Mai 1944 aus Auschwitz verlegt und überlebte. Kurz vor der Liquidation des „Zigeunerlagers“ wurde Lily in das Konzentrationslager Ravensbrück verlegt und entging somit der Ermordung aller verbliebenen Sinti und Roma, einschließlich ihrer eigenen Familie. Im Außenlager Graslitz (Kraslice) musste sie Gewehre justieren.

Im April 1945 gelang ihr zusammen mit Anderen die Flucht während eines Todesmarsches. In Asch (tschechisch Aš) wurde sie von den Niederländern in Obhut genommen und später nach Erfurt in ein Lager für Displaced Persons verbracht. Dort lernte sie Leo Jansen, ihren späteren Mann, kennen. Sie arbeitete für das Rote Kreuz und gelangte letztlich in die Niederlande. Ihr Aufenthaltsstatus war in den Niederlanden ungesichert, durch eine Adoption durch Piet und Door Gelen konnte sie in den Niederlanden bleiben. Später heiratete sie Leo Jansen. Die beiden bekamen 4 Kinder.

1952 erhielt sie Nachricht, dass ihr Vater Julius und ihre Schwester Waltraud in Hildesheim leben. Später konnte ein Besuch in Bad Bentheim Nahe der Deutsch-Niederländischen Grenze arrangiert werden. Schon 1964 verstarb ihr Vater, die Beerdigung in Hildesheim war ein großes Wiedersehen der weit verstreuten Sinti Familien. Ihr Ehemann Leo starb nach langer Krankheit trotz intensiver Pflege. Ende der 1970er verband sie sich mit Nico van Angeren, den sie 1986 standesamtlich heiratete.

„In einem der letzten NS Prozesse in Deutschland gegen den SS-Blockführer Ernst-August König in Siegen 1987 bis 1991 war Lily van Angeren eine der wichtigsten Zeuginnen, da sie nahezu alle im 'Zigeunerlager' tätigen SS-Leute namentlich und mit ihrer Funktion benennen konnte. Ihre detaillierte Aussage war wesentlich für die Urteilsfindung des ersten NS-Prozesses, der den Völkermord an Sinti und Roma verhandelte“. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma[1]

Nico van Angeren verstarb 1997. Im selben Jahr erschien die niederländische Originalausgabe ihrer Lebensgeschichte “Lily. Het unieke levensverhaal van een zegeunerin”[9], welche später auch auf deutsch “Polizeilich zwangsentführt”. Das Leben der Sintizza Lily van Angeren-Franz von ihr selbst erzählt.[10] erschien.
Eine Einladung nach Hildesheim erfolgte 2002, wo sie vom damaligen Oberbürgermeister Kurt Machens im Rahmen einer Ausstellung über das Schicksal der Hildesheimer Sinti empfangen wurde. Auch eine Gedenktafel über die Deportation der Hildesheimer Sinti wurde aufgestellt.

Auch ein Treffen mit Zbigniew wurde 2003 möglich, nachdem ein niederländischer TV-Sender ihn in Australien gefunden hatte [11] Lily van Angeren-Franz starb am 7. März 2011 in Woerden (Niederlande)[1].

Weblinks

Einzelnachweise

Alle Angaben und Daten, soweit nicht gesondert angemerkt, sind dem Buch “Polizeilich zwangsentführt” entnommen oder abgeleitet.

  1. 1,0 1,1 1,2 Zentralrat Deutscher Sinti und Roma trauert um Lily van Angeren. Abgerufen am 22. September 2014.
  2. Datensatz des "The Gypsy Family Camp Record Books" [1] abgerufen am 29.9.2014: "Franz, Adele b.1924-01-24 (Neustadtl), camp serial number:Z-561, profession:Arbeiterin, category:Z.D.R.". Geburtsort sehr wahrscheinlich Neustädtel
  3. Datensatz s.o. "Franz, Anna b.1903-10-04 (Zeippern), camp serial number:Z-560, profession:ohne, category:Z.D.R."
  4. Datensatz s.o. "Franz, Waltraud b.1927-11-28 (Wachhiw), camp serial number:Z-562, profession:Arbeiterin, category:Z.D.R., remarks:Transp.1944-05-24". Geburtsort wahrscheinlich Wachow (Stadt Rosenberg Oberschlesien) (polnisch Olesno))
  5. Datensatz s.o. " z?, Wilhelm b.1924-10-04 (Billstedt), camp serial number:Z-483, category:Z.D.R." Geburtsjahr wahrscheinlich 1929, Ort Hamburg-Billstedt
  6. Datensatz s.o. "Franz, Karl b.1931-03-29 (Münchhausen), camp serial number:Z-484, category:Z.D.R." Geburtsort polnisch Mnichow bei Oppeln"
  7. Datensatz s.o. "Franz, Gerhard b.1932-05-28 (Fürstenburg), camp serial number:Z-485, category:Z.D.R."
  8. Datensatz s.o. "Franz, Günther b.1933-10-10 (Honsbrug), camp serial number:Z-486, category:Z.D.R., remarks:Gest.0000-00-00?", Geburtsort sicher Dortmund-Hombruch
  9. Henry Clemens, Dick Berts / “Lily. Het unieke levensverhaal van een zegeunerin”, Verlag De Boekerij bv, Amsterdam 1997
  10. Hans-Dieter Schmid (Hrsg.): “Polizeilich zwangsentführt”. Das Leben der Sintizza Lily van Angeren-Franz von ihr selbst erzählt. aufgezeichnet von Henny Celmens und Dick Berts, ISBN 3-8067-8556-2
  11. [2] Liebesglück trotz Krieg., Deutsche Welle Abgerufen am 29. September 2014.

Anmerkungen

  1. Lily van Angeren-Franz gibt nicht ihren Geburtsort an. Ihr Datensatz in der Auschwitzdatei enthält Neustadtl als Geburtsort. Ihre Mutter ist in Zeippern (polnisch Bartodzieje) geboren. Etwa 50km westlich liegt Neustädtel, polnisch (Nowe Miasteczko)) Es ist naheliegend diesen Ort als Geburtsort von Lily anzunehmen.
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