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Jüngstes Gericht

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Dieser Artikel beschreibt eine religiöse Vorstellung. Siehe auch Das Jüngste Gericht (Begriffsklärung) bzw. Weltgericht (Begriffsklärung).
Das Jüngste Gericht, Illustration aus den Très Riches Heures

Das Jüngste Gericht[1], auch Gottesgericht, Jüngster Tag, Nacht ohne Morgen, Letztes Gericht, Weltgericht oder Harmagedon, stellt die auf antike bzw. alttestamentliche apokalyptische Vorstellungen zurückgehende jüdische, christliche und islamische Auffassung von einem das Weltgeschehen abschließenden göttlichen Gericht dar. Es ist als Gericht aller Lebenden und Toten eng mit der Idee der Auferstehung verknüpft und muss insbesondere unterschieden werden vom individuellen Partikulargericht[2] beim Tode des Einzelnen.

Geschichte

Die Idee des Gottesgerichts dürfte ihren Ursprung im Zoroastrismus, im babylonischen Gottkönigtum und altägyptischen Jenseitsvorstellungen finden. Als Vorläufer monotheistischer Eschatologien behauptet schon der Zoroastrismus ein Totengericht und den endgeschichtlichen Entscheidungskampf zwischen Gut und Böse als Weltgericht. Der Gottkönig Babylons bewahrt als oberster Richter diesseitig die kosmische Ordnung; das Alte Ägypten kennt die Vorstellung von den jenseitigen, individuellen Totengerichten in den Pyramidentexten, Jenseitsbüchern und im Totenbuch[3].

Der jüdische Glaube vereinigt die kosmologische mit der zeitlichen Vorstellung im Gedanken eines endzeitlichen Weltgerichtes und anschließender messianischer Herrschaft.[4] Das Neue Testament übernimmt und überhöht diese Vorstellung als Anmahnung des nahen Gerichtes über alle Lebenden und Toten. Es entscheidet über ewiges Leben und ewige Verdammnis und ist notwendiges Moment der endgültigen und vollständigen Errichtung des Reichs Gottes. Seine bildreiche Darstellung in der Apokalypse des Johannes beschließt die christliche Bibel.

Der Glaube an das Jüngste Gericht als Ende der Geschichte und Heimkehr zu Allah ist im Anschluss an die biblischen Vorstellungen ein zentrales Thema des im 7. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Koran[5] und Kernbestandteil des islamischen Bekenntnisses; wer das Gottesgericht in diesem Leben leugnet, verfällt als Ungläubiger in ewiger Verdammnis der Strafe des „Herrscher(s) am Tag des Gerichts“.[6]

Das Jüngste Gericht spielte im mittelalterlichen Europa eine große Rolle. Da zu dieser Zeit die Menschen ständig in dem Glauben waren, es stehe als konkretes, historisches Ereignis kurz bevor, bemühten sie sich ihr Bestes zu tun, um Gott ihren Glauben zu zeigen und so in den Himmel zu gelangen.[7]

Der gläubige Christ erbittet − im Vaterunser etwa − mit dem Kommen des Gottesreichs nicht zuletzt das Eintreffen des Jüngsten Gerichts.

Das Jüngste Gericht in der christlichen Bibel

Endzeitreden im Neuen Testament

In zeitgenössischer Umgebung bzw. Nachfolge Johannes des Täufers[8] sind alle überlieferten Reden Jesu in den historischen Kontext der endzeitlichen Erwartung (vgl. auch „Naherwartung“) und des anstehenden Gerichts eingebettet.

Matthäus berichtet in seinem Evangelium vom Jüngsten Gericht (Weltgericht). Jesus trennt hier als Richter die gerechten Menschen von den ungerechten: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Zu den Ungerechten sagt er jedoch: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, […]“ und schließt: „Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ (vgl. Mt 25,31–46 EU)

Die Johannesapokalypse

Das Jüngste Gericht, Hans Memling (um 1470)

Die Offenbarung des Johannes entwirft im Rückbezug auf die alttestamentliche Überlieferung, insbesondere des Buchs Daniel, in visionären Bildern eine christliche Eschatologie. Das Jüngste Gericht steht am Ende der Tausendjährigen Herrschaft des Messias, die mit seiner ersten Wiederkunft, der ersten Parusie, beginnt. Diese wiederum hält zunächst Gericht über die Märtyrer Christi, die in einer „ersten Auferstehung“ (Offb 20,5 EU) zur Herrschaft gelangen. In diesem Tausendjährigen Reich (vgl. Millenarismus, Chiliasmus) ist der Satan gefangengesetzt. Es endet mit der zweiten Wiederkunft, der Freilassung Satans und seiner ewigen Verdammnis nach dem endgültigen Sieg über ihn und seine Heerscharen in einem letzten Kampf. (Offb 20,7–10 EU)

Der Kampf zwischen den Kräften des Guten (Gott, Jesus Christus) und den Kräften des Bösen (Teufel) ist hierbei bereits Teil des Jüngsten Gerichts, das durch die zweite Wiederkunft Christi als des Richters über alle Toten und die Überwindung und Vernichtung des Todes selbst abgeschlossen wird: „Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken.“ (Offb 20,13 EU)

Auf das Jüngste Gericht folgt der „neue Himmel“ und die „neue Erde“, das „Neue Jerusalem“ (Offb 21,1 EU) als abschließende Erfüllung aller Verheißung vom Reich Gottes.

Darstellung des Jüngsten Gerichts in der Kunst

Michelangelo: Das Jüngste Gericht, 1536–41
Hauptportal des Berner Münsters, spätgotisch
Fürstenportal des Bamberger Doms

Entsprechend der Bedeutung des Jüngsten Gerichts im christlichen Mittelalter findet man zahlreiche bildliche Darstellungen von der Romanik bis in die Renaissance, vor allem aber in der Gotik.

Das Bildprogramm folgt dabei einem typischen Muster. Meist befindet sich oben mittig der thronende Christus (Pantokrator (= Allherrscher), Salvator Mundi (= Erlöser der Welt, Heiland), flankiert von Aposteln als Beisitzern des Gerichtes und/oder weiteren Heiligen. Christus segnet in der Regel mit seiner Rechten, mit seiner Linken hält er entweder das Buch des Lebens oder er weist die Verdammten zurück. Seit dem Hochmittelalter ist Christus durch die Wundmale als der Gekreuzigte gekennzeichnet, manchmal hebt er beide Hände, um seine Wundmale zu zeigen. Vom Gesicht Christi kann das Schwert des Gerichtes ausgehen (gemäß der Offenbarung des Johannes, Offb 1,16 und 2,16), das in spätmittelalterlichen Darstellungen durch die Lilie der Gnade auf der anderen Seite ergänzt wird. Links neben Christus kniet Maria als Fürbitterin für die Menschheit, rechts Johannes der Täufer (in byzantinischen Darstellungen, seltener in Werken der katholischen Kirche) oder Johannes der Evangelist. Maria und Johannes bilden mit Christus die sogenannte Deesis. Weiterhin sind Engel, meist neben oder oberhalb von Christus, wiedergegeben. Einige halten die Werkzeuge der Passion, also Kreuz, Geißel, Martersäule etc. Weitere Engel blasen die Posaunen des Gerichtes (Mt 24,31), die die Toten aus den Gräbern rufen. Stets werden (vom Betrachter gesehen) links die Seligen dargestellt, die in den Himmel auffahren, und rechts die Verdammten, die zur Hölle herabstürzen. Diese Darstellung entspricht der Ankündigung des Weltgerichts im Matthäus-Evangelium [9] Oft begegnet man auch dem Erzengel Michael (mit Seelen-Waage und Schwert). Die Gestalt des Christus in der Mandorla kann als Maiestas Domini von den vier Evangelistensymbolen umgeben sein. Weiterhin sind in mittelalterlichen Figurenportalen oft die 24 Ältesten der Apokalypse (Offb 4, 4ff.) um Christus herum dargestellt. Als ergänzende Darstellung treten manchmal die klugen und die törichten Jungfrauen auf (letztere typischerweise mit offenem Haar dargestellt).

Die Anfänge des Weltgerichtsbildes liegen in der ottonischen Buchmalerei der Zeit um das Jahr 1000. In der Romanik wird das Weltgericht zum Hauptthema in den Portaltympana. Zu den bekannten Darstellungen zählen die Tympana von Moissac, Conques und Autun. In der Gotik sind die Portale der Kathedralen von Chartres (Südquerhaus), Amiens und Paris zu nennen. In Deutschland ist das Hauptportal des Freiburger Münsters ein Beispiel. In Italien ist das Weltgericht oft an der inneren Westwand der Kirche angebracht, so in Torcello als Mosaik oder in der Arenakapelle in Padua, gemalt von Giotto. Die spätgotische Tafelmalerei nimmt das Thema ebenfalls auf. Das Hauptwerk aus dieser Zeit ist das Jüngste Gericht, das der flämische Maler Rogier van der Weyden für die Hospices de Beaune in Burgund gestaltete [1]. Zu der Nachfolge zählen Schongauers Jüngstes Gericht (1489) im Breisacher Stephansmünster und der Danziger Altar von Hans Memling, der eigentlich für die Medici bestimmt war.

Das wohl berühmteste Bild [10] des Jüngsten Gerichts stammt von Michelangelo (1536–41) und befindet sich in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Mit diesem Bild endet die Blütezeit der Weltgerichtsdarstellungen, wenngleich es auch barocke Weltgerichtsbilder gibt wie das Große Jüngste Gericht, ein Ölgemälde aus der Werkstatt Peter Paul Rubens.

„Das Jüngste Gericht/Komposition V“[11] ist der Titel eines abstrakten Gemäldes[12], das Wassily Kandinsky 1911 malte.[13]

Thema in der Musik

In der Musik ist das Jüngste Gericht Thema und Titel einer Dietrich Buxtehude zugeschriebenen Abendmusik (siehe: Buxtehude-Werke-Verzeichnis) sowie eines Oratoriums von Georg Philipp Telemann (Tag des Gerichts) und von Louis Spohr. Eine abendfüllende, großangelegte Vertonung der Offenbarung des Johannes ist das Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“ von Franz Schmidt (1874–1939, Urauff. des Werkes 1938 in Wien). Der französische Organist und Komponist Jean Langlais schrieb 1973 einen Orgelzyklus mit fünf Meditationen über die Apokalypse. Originaltitel: „Cinq Méditations sur l’Apocalypse“.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Seybold, Roger David Aus, Egon Brandenburger, Helmut Merkel und Eberhard Amelung: Gericht Gottes I. Altes Testament II. Judentum III. Neues Testament IV. Alte Kirche bis Reformationszeit V. Neuzeit und ethisch. In: Theologische Realenzyklopädie 12 (1984), S. 460–497 (umfassender Überblick)
  • Meinolf Schumacher: Gemalte Himmelsfreuden im Weltgericht. Zur Intermedialität der Letzten Dinge bei Heinrich von Neustadt, in: Ästhetische Transgressionen. Festschrift für Ulrich Ernst, hrsg. von Michael Scheffel u.a. (Schriftenreihe Literaturwissenschaft 69), Trier 2006, S. 55–80. ISBN 3-88476-792-5
  • Zu Darstellungen in der Kunst:
  • Yves Christe: Das Jüngste Gericht. Schnell & Steiner, Regensburg 2001. ISBN 3-7954-1422-9.
  • Himmel, Hölle, Fegefeuer: das Jenseits im Mittelalter (Ausstellungskatalog Schweizerisches Landesmuseum Zürich, Schnütgen-Museum Köln) Katalog von Peter Jezler. 2. Auflage. Fink Verlag, München 1994. ISBN 3-7705-2964-2

Weblinks

 Commons: Jüngstes Gericht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Apokalypse – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Wendung, die aus dem Gottesgericht mit nicht unerheblicher, temporaler Akzentverschiebung im Deutschen das geläufigere Jüngste Gericht macht, findet sich in der Bibelübersetzung Luthers von 1545. Die zugrunde liegende Vorstellung dürfte die des ‚zuletzt geborenen‘, also „jüngsten Tages“ sein.
  2. Das sog. Partikulargericht ist ein Gedanke nachbiblischer Theologen und kommt als solches in der Bibel nicht vor.
  3. Der Verstorbene legt vor 43 Richtern ein „negatives Schuldbekenntnis“ ab.
  4. vgl. etwa Jesaja 2. 4 ; Ezechiel 7 oder Daniel 7, 10. Das Alte Testament kennt einen „Tag des Herrn“ bzw. einen „Tag des Gerichts“ als prophetischen Topos, welchen das Neue Testament übernimmt. Nach Moltmann (vgl.o.) „theologisiert“ die jüdische Vorstellung die Gerechtigkeitsidee: Der göttliche Richter ist jenseits des Kosmos und nicht integraler Bestandteil wie in Babylon.
  5. Vgl. insbesondere Sure 69:18–37; 81; 84; 99; 101 online
  6. vgl. ebd. 1:4]
  7. Diese Vorstellungen beerben Religionsgemeinschaften, die den baldigen Weltuntergang vorhersagen und ihren Mitgliedern entsprechende Überlebenskonzepte versprechen.
  8. Vgl. „In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (Mt 3,1 EU)
  9. „Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken“. (Mt 25,33, Einheitsübersetzung) (Dieselbe Links-rechts-Ordnung findet man auch bei Kreuzigungs-Bildern, wo der „Gute Schächer“ zur Rechten Christi, der „böse“ zu seiner Linken dargestellt ist.)
  10. mv.vatican.va Bild
  11. Hans Konrad Roethel und Jean K. Benjamin, Kandinsky, Werkverzeichnis der Ölgemälde 1900–1915, Bd. I, London 1982, Nr. 400, S. 385
  12. Magdalena M. Moeller, Der Blaue Reiter, Köln 1987, S. 81
  13. Bernd Fäthke, Werefkin und Jawlensky mit Sohn Andreas in der „Murnauer Zeit“, in Ausst. Kat.: 1908–2008, Vor 100 Jahren, Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin in Murnau, Murnau 2008, S. 60 f
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