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Leichenbitter

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Der Leich(en)bitter (auch Begräbnisbitter, Leichensager, in Norddeutschland Ansager, lokal schwäbisch auch Leichensäger, Leichenlader, Leichenbesorger, Leidbitter oder Totenbitter) war bis ins 19. Jahrhundert hinein ein öffentliches Amt.[1] Der Leich(en)bitter hatte die Todesnachricht zu überbringen und zum Leichenbegängnis einzuladen.[2] Der Begriff Leich(en)bitter wird in der Literatur 1691 zum ersten Mal erwähnt.[3]

Aufgabenfeld

Der Leich(en)bitter war der Mann, der im Dorf von Hof zu Hof oder in der Stadt von Haus zu Haus ging, oder nach einer ihm aufgegebenen Adressenliste, an die Tür oder mit seinem Stock an den Fensterladen klopfte, um im Namen der Hinterlassenen zur Leiche zu bitten, zum Begräbnis einzuladen. Das tat er, indem er vor der aufgesperrten Tür oder vor dem geöffneten Fenster ohne namentliche Anrede seinen Spruch aufsagte. Er betrat auf keinen Fall das Haus. Es gehörte sich auch nicht, ihn hinein zu bitten oder hereinzulassen. Der Tod sollte nicht ins Haus hineinkommen. Man sah und hörte ihn ja bereits kommen. Mit ihm ging das Gerücht vom Tode. Ebenso konnte eine Frau eine Leich(en)bitterin sein.[4]

Für die Todesnachricht, die der Leichenbitter lediglich überbrachte, erhielt er eine Münze zugeworfen oder ein Stück Brot in die Hand gegeben. Er ging beim Begräbnis am Ende des Trauergefolges mit, hatte alles im Blick, entrichtete die Gebühren an den Pfarrer, bezahlte das Geläute. Später verabschiedete er die Gäste des Trauermahls und bedankte sich für ihre Teilnahme an der Beerdigung im Namen der Hinterbliebenen.

Die Bilder zeigen ihn als dürren, oft ärmlich aussehenden Mann, der mit einem langen schwarzen Rock, Zylinder und Trauerflor gekleidet war. Auch die Leichenbitterin oder Totenfrau war entsprechend gekleidet. Von daher rührt die Leichenbittermiene her.[5] Der Leichenbitter, der auch der Hochzeitsbitter oder Kindtaufbitter sein konnte, arrangierte die Beerdigung, unterrichtete den Pfarrer, bestellte den Totengräber und die Totenträger und zahlte die etwaigen Lohndiener aus. Er ist bei der Durchführung der Bestattung der Zeremonienmeister gewesen. Er legte vor allem die Reihenfolge der Personen im Trauergefolge fest und lud zum Leichenschmaus ein. Dieses Trauermahl ist in seinem Ursprung der Lohn für die Totenträger und Totengräber und ebenso das Gastmahl für das Trauergefolge gewesen. Dafür galt das Sprichwort: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Später sind diese Obliegenheiten des Leichbitters von dem Bestatter übernommen worden. Im Grunde sind die Tätigkeitsmerkmale des heutigen Bestatters die des früheren Leichenbitters geblieben und haben sich noch ausdifferenziert.

Soziale Stellung

Der Leich(en)bitter und der Totengräber und später der Leichenbestatter und andere Berufe, beispielsweise der Scharfrichter, galten wegen ihres Umgangs mit dem Toten als kultisch unrein und wurden als so genannte „unehrliche Berufe“ angesehen. Sie waren lebensnotwendig, doch man hatte mit ihnen nicht gern zu tun und mied den Umgang mit ihnen.

Geschichte

Im Mittelalter erfolgte im ländlichen Leben die Bekanntmachung des Todes prinzipiell in zwei Richtungen. Nach innen diente sie der Bannung des Toten im Haus und Hof, in der Familie, im Gesinde und gegenüber den Tieren. Nach außen wurde es den Todansagen genannt.[6] Das übernahm anfangs ein Leich(en)bitter ein Nachbar, der es der Nachbarschaft, den Freunden, im Gemeinwesen übernahm, zum Leichengefolge einzuladen.

In der Biedermeierzeit ist es in den Ständen des Adels und des gehobenen Bürgertums immer Sitte gewesen, im privaten Todesfall mit ein paar persönlichen Zeilen auf einem Billet, das ein Bote in einem Kuvert überbrachte, die nahen Verwandten und Freunde mit diesem Trauerbillet zu verständigen. Die Überschrift über manchen Todesanzeigen in der Zeitung statt Karten, erinnert noch heute an diesen Brauch.

Die ersten Todesanzeigen überhaupt erschienen Ende des 18. Jahrhunderts in den so genannten Intelligenzblättern. Der Tod wurde unter der Rubrik der Familiennachrichten im Fließtext bekannt gegeben. In der Königlich privilegierte Berlinische Zeitung vom 30. Juni 1789 findet sich die erste Todesanzeige. Der heutige Brauch, eine private Todesanzeige in einer Tageszeitung zu veröffentlichen und den außerhalb der Region vom Todesfall Betroffenen einen Trauerbrief zuzusenden, geht auf Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Er setzt das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit und die Fähigkeit, schreiben und lesen zu können, voraus. Die heutigen schwarzen Umrandungen der Todesanzeigen wurden später aus den Werbeanzeigen der Kaufmannschaft übernommen.

Einzelnachweise

  1. Joachim Heinrich Campe: Wörterbuch der deutschen Sprache.Reprograf. Nachdr. der Ausg. Braunschweig, Olms Verlag Hildesheim 1809=1969, III, S. 86.
  2. Die Tätigkeit schildert der Landwirt Johann Brunner:Leichenbitterinnen – ein ausgestorbener Beruf. In: Bayerischer Bauernkalender 1986, S. 55.
  3. Kaspar Stieler: Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs, Nürnberg 1691.
  4. Barbara Happe: Erinnerungen einer Leichenbitterin aus Bleichstätten auf der Schwäbischen Alb. In: Schwäbische Heimat 1991/3, S. 325–328
  5. Von daher rührt die Leichenbittermiene her. Sie ist seit Christoph Martin Wielands Gedichten und Friedrich Schillers Trauerspiel: Die Verschwörung des Fiesco (1. Akt 7 Auftritt), sprichwörtlich geworden. Später ist dieser Ausdruck auf den Habitus des Bestatters übertragen geworden. Klaus Dirschauer: Buten un binnen – wagen un winnen. Der Bestattungsunternehmer Klaus H. Meyer-Heder.In: bestattungskultur. Das Magazin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e.V., Hrsg. Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes GmbH, Düsseldorf 65. Jg.5.2013, S. 32–34.
  6. Paul Sartori: Todansagen. In: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, Jg. 1 (1904), S. 35–54; siehe auch: Paul Sartori: Sitte und Brauch. Handbücher zur Volkskunde Bd. V, 1. Teil: Die Hauptstufen des Menschendaseins, Verlag von Wilhelm Heims, Leipzig 1910, S. 129 f.

Literatur

  • Klaus Dirschauer: Worte zur Trauer.500 ausgewählte Weisheiten und Zitate für Todesanzeigen und Kondolenzbriefe. 5.Aufl. Claudius Verlag, München 2011, ISBN 978-3-532-62319-0.

Weblinks

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