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Landnahme Kanaans

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Mit „Landnahme Kanaans“ werden jene Ereignisse nach dem Auszug aus Ägypten und der anschließend erfolgten Wüstenwanderung zusammengefasst, die zur Niederlassung der Stämme Israels entweder im Zeitraum von etwa 1230–1208 v. Chr.[1] oder während der Regierungszeiten von Thutmosis III. bis Amenophis II. (15. Jahrhundert v. Chr.) in Kanaan geführt haben sollen.

Biblische Überlieferungen, Texte und Ausgrabungen

Die Dokumente, die Aufschluss über die historischen Vorgänge der Spätbronze- und frühen Eisenzeit in Palästina geben könnten, sind weit davon entfernt, ein einheitliches und kohärentes Bild der damaligen Gegebenheiten zu liefern. Einige schriftliche Dokumente und archäologische Funde, die Gegenstand intensiver Studien sind, werden hier zusammenfassend beschrieben.

Die Bücher Numeri und Josua

Der Fall Jerichos

Im Tanach setzt die Beschreibung der Landnahme in Num 21,3 EU mit dem „Bann“ einer Stadt ein. Diese wurde mit derselben Wortwurzel (hrm für Bann) Hormah genannt. Die Einnahme – und angebliche Zerstörung – dieser Stadt, die oft mit Tell Masos identifiziert worden ist,[2] durch die Stämme Juda und Simeon wird in Ri 1,17 EU wiederholt. Anschließend wird von der Einnahme des Landes und aller Städte der Amoriter im Ostjordanland berichtet: In diesen Städten sollen sich die Israeliten niedergelassen haben („...in Heschbon und allen seinen Tochterstädten“, Num 21,25 EU), und von dort ausgehend auch Jaser in Moab und „seine Tochterstädte“ – Num 21,31f EU – sowie, nach einer Schlacht bei Edreï (Der῾a), das Land Baschan (Num 21,33-35 EU) erobert haben.

Das Buch Josua berichtet von der Eroberung der Gebiete westlich des Jordans. Diese Ereignisse sollen um das Jahr 1230 v. Chr. stattgefunden haben.[3] Die Einnahme und Brandschatzung von Jericho und Ai wird in JosEU bzw. Jos 8,14-29 EU erzählt. Die Eroberung weiterer südkanaanäischer Städte folgt in Jos 10 EU: Zerstörung von Makkeda (Jos 10,28 EU); Einnahme von Libna (Jos 10,29f EU), Lachisch (Jos 10,31f EU), Eglon (Jos 10,34f EU); Zerstörung von Hebron (Jos 10,36f EU); Einnahme von Debir Jos 10,38f EU. Hebron und Debir werden noch einmal in Jos 15,13-17 EU durch Kaleb bzw. Otniël für den Stamm Juda eingenommen. Eine analoge Beschreibung der militärischen Erfolge Josuas im nördlichen Kanaan ist in Jos 11 EU enthalten. Hier wird aber nur eine einzige Stadt explizit genannt: Hazor, die Josua niedergebrannt habe (Jos 11,11 EU). Eine Erzählung, die ausführlich von einem Sieg der von Debora geführten Israeliten über Hazor berichtet, ist in RiEU enthalten.

Die Erfolge Josuas zählt Jos 12 EU auf. Die Liste enthält insgesamt 31 Namen von Städten (einschließlich der oben genannten), deren Könige besiegt worden seien. Von einigen Städten dieser Liste wird anderswo angegeben, dass sie zu Josuas Zeit nicht in Besitz der Israeliten waren: So von Jerusalem (Ri 1,20 EU), Gezer (Ri 1,29 EU), Hazor (Ri 4,2 EU), Taanach, Megiddo und Dor (Ri 1,27 EU). Von der Einnahme des in dieser Liste enthaltenen Bethel wird in Ri 1,22ff EU berichtet.

Ausgrabungen

Nur einige der wenigen Städte und Ortschaften im Ostjordanland, die in den Büchern Numeri und Josua genannt werden, sind identifiziert und ausgegraben worden. Für Heschbon (Tell Heshbâ), Jahaz/Jahza (vielleicht Khiriat Libb; Num 21,23 EU u. a.); Dibon (Dhibân; Num 32,3 EU u. a.) sind Spuren späterer Besiedlung und keine Zerstörung für die Bronzezeit nachgewiesen worden.[4] Für diese Städte wird aber auch in der Bibel von keiner Zerstörung berichtet: Sie seien Schauplatz von Kampfhandlungen gewesen; sie seien eingenommen und ihre Bevölkerung massenweise getötet worden. Der Bibel zufolge wurden die Städte Moabs und des nördlich gelegenen Baschan aber durch die Stämme Ruben, Gad und durch Teile des Stammes Manasse unmittelbar danach besiedelt. Spuren der Zerstörung sind in einer kanaanäischen Stadt in Tell el-῾Umeiri gefunden und um das 13. Jahrhundert v. Chr. datiert worden. Weder die Stadt noch die Zerstörer derselben sind aber bislang identifiziert worden.[5]

Auch für die Städte jenseits des Jordans, zum Beispiel Hebron und Debir (Tell er-Rabud), sind Spuren einer flächendeckenden Zerstörung um das 13. Jahrhundert v. Chr. im Allgemeinen nicht nachgewiesen.[6] Makkeda und Libna konnten nicht identifiziert werden und Eglon (Tell ῾Aitun) ist noch nicht gründlich ausgegraben.

Von der direkten Zerstörung durch Feuer wird in der Bibel nur in drei Fällen berichtet: die Städte Jericho und Ai im südlichen Kanaan und Hazor im Norden. Jericho war im 14. Jahrhundert v. Chr. eine kleine sowie unbefestigte Ortschaft, die aufgegeben wurde und während des 13. Jahrhunderts v. Chr. unbewohnt blieb. Da Jericho wie alle kanaanäischen Städte unbefestigt war, gab es keine Stadtmauern. Aufgrund dieser Ergebnisse versuchten vor längerer Zeit einige Historiker die fehlende Mauer durch „Umwelteinflüsse“ zu erklären, die jene beweisfähige Schicht „durch Bodenerosion verschwinden ließen“. Zwischenzeitlich wird von der Forschung jedoch mehrheitlich Abstand von der „Einnahme Jerichos“ genommen.

Ai war vom Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. bis etwa 2400 v. Chr. besiedelt. Der erst um etwa 1200 v. Chr. wiederaufgebaute Ort hatte Dorfcharakter und wurde nach etwa 150 Jahren von den Bewohnern verlassen. Ein Zerstörungshorizont ist für diese Epoche nicht erkennbar. Joseph Callaway vermutet, dass die um 1200 v. Chr. wie Ai im Bergland erbauten Dörfer im Zusammenhang der Seevölker standen. Die neuen Bewohner gehörten ursprünglich zum Küstenland Palästinas. Sie gründeten kurze Zeit nach Ankunft der Seevölker im Rahmen ihres Umzugs in den Bergregionen kleinere Ortschaften.

Für andere Städte werden weniger eindeutige Begriffe wie „dem Untergang weihen“ (חרם), „eingenommen“, „besiegt“ und ähnliches verwendet. Gesicherte Erkenntnisse liegen über die Zerstörung der Stadt Hazor um das 13. Jahrhundert vor. Die Stätte wurde in den 1950er Jahren von Yigael Yadin und in den 1990er Jahren von Amnon Ben-Tor ausgegraben, der einen monumentalen kanaanäischen Palast entdeckte. Der Palast weise auffällige Spuren eines starken Brandes auf, und mehrere darin befindliche Statuen ägyptischer Herkunft seien absichtlich verstümmelt worden. Als Verantwortliche für diese Zerstörung vermutete Ben-Tor aber nicht die frühen Israeliten, selbst wenn zur Zeit keine besseren Kandidaten dafür denkbar seien[7] Der in Jos 11,1 und in Ri 4 angegebene Name des Königs von Hazor, Jabin, ist in einer akkadischen Keilschrift-Tafel als Ibni belegt. Wahrscheinlich handele es sich dabei um den Namen einer Dynastie, die in Hazor zwischen dem 19. und dem 17. Jahrhundert regiert habe.[8]

Für mehrere Städte, die nach dem Buch Josua von den Israeliten eingenommen wurden, sind Zerstörungen nachgewiesen. Der gegenwärtigen Mehrheitsmeinung unter Archäologen zufolge fanden diese jedoch zu unterschiedlichen Zeiten statt, so bei Jericho nach Kathleen Kenyon um 1550 v. Chr. und bei Hazor um 1300 v. Chr. Die Stadt Ai (Identifizierung mit Et-Tell<) war seit der Mitte des 3. Jahrtausends bis etwa 1200 v. Chr. unbesiedelt.

Die ʿapiru der Amarna-Briefe

Etwa 300 in Tell el-ʿAmarna (1887) gefundene Keilschrift-Tafeln des 14. Jahrhunderts v. Chr. enthalten Teile der diplomatischen Korrespondenz der Pharaonen der Amarna-Zeit (Amenophis III., Echnaton und Tutanchamun) und mit mehreren Fürsten des kanaanäischen und syrischen Raums. Die Briefe, die auch Berichte und Anweisungen von ägyptischen Beamten enthalten, erwähnen die ḫabiru, die als Räuber bezeichnet werden. Die Bezeichnung ḫabiru wird als Äquivalent des ägyptischen ʿapiru (ʿpr(w)) betrachtet und beide Schreibungen werden oft in der Literatur nicht voneinander unterschieden.[9] In einer in Memphis gefundenen Stele des Amenophis II. werden 3600 deportierte ʿapiru (ʿprw) erwähnt, was das Ausmaß einer Aktion gegen lose Gruppen von „Banditen“ weit überschreitet. ʿApiru werden ferner in weiteren Texten aus Ägypten als Sklaven oder Fronarbeiter erwähnt: so in den Papyri Leiden 348/349 und in einer Wandmalerei in dem Grab des Intef, wo sie als Landarbeiter dargestellt werden.[10]

Der Name ḫabiru kommt in einigen der Briefe zusammen mit dem Logogramm GAZ bzw. SA.GAZ (akkadisch habbatu, „Bandit“) vor, das in den Amarna-Briefen als Schreibung für ḫabiru aufgefasst wird.[11] Er entspricht dem ugaritischen ʿprm als Bezeichnung für halbsesshafte Bevölkerung, die als Arbeitskraft oder für militärische Dienste eingesetzt wurde. Als ? ist er auch in Inschriften aus Babylon, Mari, Nuzi und Alalach belegt. Wegen der als gesichert angenommenen Lesung des ugaritischen Namens mit p statt b ist die Ableitung des hebräischen עִבְרִי (ʿivri, „Hebräer“) von ʿapiru oder gar deren Identität bezweifelt, aber nicht ausgeschlossen worden. In der Forschung des 20. Jahrhunderts ist ʿapiru bzw. „Hebräer“ als Volksname, als Bezeichnung für eine niedrige soziale Schicht oder für lose zusammenhängende ethnische Gruppierungen, denen die Israeliten angehört haben sollen, betrachtet worden[12] (vgl.: →Hebräer).

Die Stele des Merenptah

Vertikal gespiegelte Nachzeichnung der Siegesstele des Merenptah (F. Petrie)

Die 1896 von Flinders Petrie bei Theben gefundene Stele des ägyptischen Pharao Merenptah ist das älteste bekannte außerbiblische Dokument, das den Namen „Israel“ enthält.[13] Der Text ist ein Siegeslied auf die erwähnten erfolgreichen militärischen Unternehmen von Merenptah in seinem 5. Regierungsjahr (1208 v. Chr.). Darin ist die sogenannte „Israel-Stanze“:[14]: Israel liegt brach und hat kein Saatkorn oder, nach abweichenden Vorschlägen:[15] [16]: Israel liegt brach und hat keine Nachkommen (mehr) in einer Liste enthalten, die sieben weitere Ortschaften des syro-palästinischen Raums nennt. Nach verbreiteter Auffassung ist diesem Text aber nicht zu entnehmen, dass der Name „Israel“ das nach dem Auszug aus Ägypten sich konstituierende Volk Israel der biblischen Tradition – oder Teile davon – bezeichne, da man dazu annehmen müsste, dass der Auszug bereits unter Ramses II. stattgefunden habe: Der Name könne auch eine Gruppe von Menschen bezeichnet haben, die bereits vor dem Exodus diesen Namen in Palästina trug.[17]

Neue Lesarten der „Israel-Stanze“ haben Gösta Ahlström und Gary Rendsburg vorgeschlagen. Nach Rendsburg könnte sich die Bezeichnung „Israel“ auf die in Ägypten versklavten israelitischen Stämme beziehen;[18] Nach G. Ahlström ist sie die Bezeichnung einer geographischen Region.[19] Andere haben darauf hingewiesen, dass das Deutezeichen für „Personen“, das den Namen „Israel“ begleitet, während die anderen 7 Namen der Liste das Zeichen für „Ortschaft“ enthalten, eine Situation widerspiegeln könnte, die kompatibel mit der biblischen Tradition der Landnahme ist, während der Israel noch nicht sesshaft geworden war.[20]

Begehungen

Großräumige archäologische surveys (Begehungen) wurden in Israel erstmals nach 1950 unter der Leitung von Yohanan Aharoni durchgeführt. Für die Gebiete der West Bank wurden sie nach dem Sechstagekrieg 1967 gestartet und später auf mehrere Regionen Palästinas ausgeweitet.

Die Methode basiert auf der Durchsuchung großflächiger Areale: Gruppen von Archäologen durchstreifen das Untersuchungsgebiet und nehmen alle auf der Bodenoberfläche sichtbaren Spuren auf, die auf menschliche Besiedelung hinweisen: topographische Unregelmäßigkeiten, Konturen von Wällen und Mauern, Tonscherben, Silices usw. Das Material wird anschließend chronologisch und typologisch klassifiziert. Die Methode erlaubt es, Gesamtaufnahmen für die untersuchte Region herzustellen, die sich nicht (nur) auf einzelne Stätten beziehen und wichtige Hinweise zu den Techniken des Landbaus und dem Siedlungsmuster geben können. Ferner liefert die einheitliche Untersuchung eines Raums Daten für statistische Auswertungen und GIS-Analysen. Reste von Stätten mit kurzen Besiedlung können durch Erosion oder andere Ursachen vernichtet worden sein, trotzdem liefern solche Analysen gute relative Schätzungen geben für makroskopischen Veränderungen über bestimmte Perioden.[21]

Auf der Basis der Begehungen sind wesentliche Änderungen in der Zahl, Größe und Bevölkerungszahl der palästinischen Siedlungen am Übergang der späten Bronzezeit (16.–13./12. Jahrhundert) und zur Eisenzeit I. (12.–11. Jahrhundert) festgestellt worden. Die Hypothesen ergeben nach Israel Finkelstein, Nadav Na’aman, Lawrence Stager und William Dever folgendes Bild der demographischen Entwicklung (die nomadischen Bevölkerung, die nicht in der Berechnungen berücksichtigt wird, wird mit einem Anteil von 10–15 % der gesamten Einwohnerzahl angegeben.[22]):

Jahrhundert Siedlungen (Kanaan gesamt) Siedlungen (Kanaan Bergland) Einwohner (Kanaan gesamt) Einwohner (Kanaan Bergland)
16. 270[a] 240[a] 140.000[a] 37.000[a]
13. 100[a] / 88[b] 29[a][c] / 36[b] 70.000[a] / 50.000[b] 12.000[a][c]
12.–11. 687[b] 254[c] / 318[b] 150.000[b] 40.000[c] / 50.000[d]
8. 500[e] 160.000[e]
[a] I. Finkelstein, N. Na’aman,: From Nomadism to Monarchy (zit. nach W. Dever: Who Were the Early Israelites, S. 156 f.).
[b] L. Stager: Forging an Identity (zit. nach W. Dever: Who Were the Early Israelites, S. 98).
[c] I. Finkelstein: The Archaeology of the Israelite Settlement (zit. nach W. Dever: Who Were the Early Israelites. S. 97 f.).
[d] W. Dever: Who Were the Early Israelites, S. 98 f.
[e] I. Finkelstein. N.A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. S. 131.

Stager zufolge sind 93 % aller im 12.–11. Jahrhundert bewohnten Siedlungen des palästinischen Berglandes neue unbefestigte Dörfer.[23] Die meisten wurden über mehrere Generationen bis hin in die Königszeit bewohnt. Für diese Siedlungen, die als früh- oder protoisraelitisch bezeichnet werden, sind eine Reihe Merkmale identifiziert worden, die als Anzeichen für die ethnische Einheitlichkeit der Bevölkerung dieser Region interpretiert werden.[24] Die bewohnten Arealen sind in der Regel kleine (um die 100 Einwohner) unbefestigte Dörfer, deren Häuser in 2er- oder 3er-Blöcken mit gemeinsamen Mauern und teilweise gemeinsamen Einrichtungen gruppiert sind. Die Typologie dieser Häuser – mit 3 bis 4 Zimmern und einem durch steinerne Pfeiler geteilten Innenhof (pillar-courtyard houses) hat keine Entsprechung in der kanaanäischen Bronze- und Eisenzeit I. und weist auf eine soziale Organisation, die auf Großfamilien basiert. Auch das Fehlen von militärischen Anlagen, von Tempeln, Palästen und sonstigen monumentalen Bauten hat die Schlussfolgerung nahe gelegt, dass Bevölkerung dieser Dörfer eine stammesbasierte, nicht hierarchisch organisierte Gesellschaftsform hatte.

Sonstige Merkmale der archäologischen Funde, die Auskunft über Technologie und Produktionsweise der „Frühisraeliten“ geben, deuten auf einen hohen Organisationsgrad und Effizienz in der Landwirtschaft: flächendeckender Terrassenanbau; im Fels behauene Zisternen; Silos und sonstige Speicher. Nicht immer handelt sich dabei um neue Technologien wie im Fall der Silos, die in der Bronzezeit weitgehend unbekannt waren: Wo die Technologie eine Kontinuität mit der kanaanäischen Bronzezeit aufweist (z. B. Zisternen und Terrassen), dann ist ihre Verbreitung und ihre Funktionalisierung auf eine homogene und standardisierte Wirtschaft die eigentliche Neuerung. So werden die Funde als Hinweise auf eine Subsistenz-Landwirtschaft gedeutet, deren Produktionsweise auf Großfamilien basierte, aber in der Lage war, den für Austausch – aber auch für das Überwinden von Dürrezeiten und Epidemien – benötigten Überschuss an Güter herzustellen. Auch die Knochenfunde passen in das Bild der Subsistenz-Landwirtschaft: In dem Tierbestand überwiegen Schafe, Ziegen, Rinder und Esel (Schweine machen dagegen lediglich einen einprozentigen Anteil des Gesamtbestandes aus). Kontrovers ist die Auswertung der Keramikfunde, die nach Dever eine fast vollständige Kontinuität mit der kanaanäischen Produktion zeigen und nach Finkelstein „insgesamt in scharfen Gegensatz“ zu dieser steht.[25]

Abgesehen von zwei kultischen Einrichtungen, die als frühisraelitisch gelten – die sogenannte „bull site“[26] und der Altar auf dem Berg Ebal[27] [28] – sind keine Überreste von Kult- und auch von Grabstätten, die in Verbindung mit den frühisraelitischen Dörfern zu setzen sind gefunden worden. Einziges Beispiel eines kanaanäischen Tempels, der von den Frühisraeliten als Kultplatz verwendet worden sei, ist eine Tempelburg in Sichem, den sein Entdecker G. Ernest Wright als den in Ri 9,4.46 EU genannten Tempel von Baal- bzw. El-Ba'al Berith identifizierte.[29]

Ansätze in der historischen und archäologischen Forschung

Einteilung Palästinas unter den 12 Stämmen Israels von der Landnahme; nach einer Karte von Tobias Lotter (1759).

Die israelitische Landnahme in Kanaan sind in der Forschung in Zusammenhang mit den Untersuchungen über den Ursprung Israels erörtert worden, wobei die allgemeine Einschätzung der biblischen Überlieferungen eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat. Ein wesentlicher Beitrag zur Textkritik der ältesten biblischen Überlieferungen, der spätere Studien maßgeblich beeinflusst hat und vielfach in Frage gestellt worden ist, war die „Neuere Urkundenhypothese“ von Julius Wellhausen über die Entstehung des Pentateuch und des Buchs Josua, die unter anderem eine Datierung von Teilen dieser Texte um die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends postulierte.[30] In den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts ist auch das Konzept der Geschichtsschreibung für die Kulturen des biblischen Umfeldes neu definiert und kritisiert worden. Im Zuge dieses Umdenkens ist von Seite vieler biblischen Historiker die Fragestellung um den „Sitz im Leben“ alttestamentlicher Geschichtsschreibung in den Vordergrund gerückt worden.[31] Neben der späteren Datierung der biblischen Überlieferungen und der Kontextualisierung der alttestamentlichen Geschichtsschreibung in den Rahmen eines viel späteren Israels hat sich dieser Ansatz in einem biblischen „Minimalismus“ – insbesondere gegenüber den Patriarchen- und Exodusgeschichten sowie den Traditionen der Bücher Josua und Richter – niedergeschlagen. Diese Haltung hat teilweise „revisionistische Ansätze“ in Bezug auf die frühe Geschichte Israels und eine Überbewertung der archäologischen und der nicht-biblischen Quellen hervorgebracht.[32]

Die Landnahme nach einer Synthese des 19. Jahrhunderts

Weitgehend an Auslegungen des biblischen Texts verankert blieben historische Untersuchungen über die Landnahme Kanaans bis in den Anfängen des 20. Jahrhunderts. In der Encyclopaedia Biblica von 1900 ca. werden zwei Migrationswellen von israelitischen Stämmen ins kanaanäische Land unterschieden.[33] Die erste Welle habe wahrscheinlich unter der Führung Moses stattgefunden und zur Besetzung der Gebiete des Ostjordanlands durch die „Leah-Stämme“ (Ruben, Simeon, Levi und Juda) geführt. Anschließend seien die Stämme Simeon, Levi und Juda in das Westjordanland eingedrungen und hätten versucht, sich bei Sichem niederzulassen, was nur Juda südlich davon teilweise gelungen sei (vgl. Gen 38 EU; Jos 15,13ff EU): Mit dem Scheitern dieses Versuchs sei die Geschichte Dinahs (Gen 34 EU) in Verbindung zu setzen. Die zweite Migrationswelle sei durch die „Rahel-Stämme“ – insbesondere die Joseph-Stämme Ephraim und Manasse – unter der Führung Josuas vorangetrieben worden. All jene kanaanäische Städte wurden mit Bann und Zerstörung belegt, die sich dem Eindringen der Israeliten militärisch widersetzten. Das „Haus Joseph“ habe die Gebiete zwischen der Jesreelebene in Norden und dem Wādi Bēt Ḥanīnā in Süden erobert und damit auch den Weg für die Niederlassung der anderen Stämme Israels frei gemacht. Anhand der Merneptah-Stele sei diese „zweite Landnahme“ in die Zeit zwischen 1230 und 1200 vor Chr. zu datieren: Der Merneptah-Inschrift sei auch zu entnehmen, dass die Israeliten oder nur die Joseph-Stämme in der genannten Zeit in Kanaan gegen die Ägypter zu kämpfen hatten. Der Erfolg der Landnahme sei der geschwächten Kontrolle Ägyptens über die kanaanäischen Städte und der fehlenden Einheit der syro-kanaanäischen Potentaten zu verdanken gewesen. Nach der Niederlassung habe ein allmählicher Übergang zu einer landwirtschaftlichen Lebensweise stattgefunden, wobei es zu weiteren Konfrontationen und friedlichen Zusammenschlüssen mit den Kanaaniten, zu inneren Migrationen sowie zu Auseinandersetzungen mit weiteren in Kanaan eindringenden Nomaden gekommen sei.

Eroberungsmodell ("Conquest Model")

Dieses bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorgeschlagene Modell, nach dem die Landnahme Palästinas durch das nachmalige Israel in der Form einer Eroberung und einer darauf folgenden Besetzung des Landes stattgefunden habe, wurde erstmals von William F. Albright formuliert und später von G. Ernest Wright in einer mit den geographischen Angaben des biblischen Bericht in Jos 1-12 kohärenten Weise weiterentwickelt.[34] Nach diesem Modell ist es prinzipiell möglich, dass Nomaden im Zuge mehrerer Immigrationswellen – und nicht alle aus Ägypten kommend – in Kanaan eingedrungen seien und sich dort als Israel konstituiert haben: Auf die dabei stattgefundenen Auseinandersetzungen mit den Kanaaniten seien die archäologisch nachgewiesenen Spuren der Zerstörung zurückzuführen.[35] Spuren dieser Zerstörungen waren durch Albright in Tell Beit Mirsim, den er mit Debir identifizierte, und durch Wright in Beitîn, wahrscheinlich Beth El, entdeckt und in die späte Bronzezeit datiert worden. Diesem Modell sind bis in die 1970er Jahre auch israelische Archäologen und Historiker wie Benjamin Mazar, Yigael Yadin und Abraham Malamat gefolgt.[36] [37]

Zur Infragestellung des Eroberungsmodells von Albright und Wright trugen an erster Stelle erneuerte Studien für die Datierung der durch Feuer zerstörten „City IV“ in Tell es-Sultan / Jericho und der Abschluss der Ausgrabungen in et-Tell bei. Für die Zerstörung von Jericho hatte John Garstang eine Datierung um 1400 vor Chr. vorgeschlagen, die mit der sogenannten „frühen Datierung“ des Exodus übereinstimmte (vgl.: Auszug aus Ägypten#Zur Chronologie des Exodus). Nach erneuten Untersuchungen zwischen 1950 und 1960 setzte die Archäologin Kathleen Kenyon die Zerstörung um das Jahr 1550 vor Chr. zurück und brachte sie in Verbindung mit der Vertreibung der Hyksos aus Ägypten. Kenyons Ergebnisse sind in späteren Studien selten angezweifelt worden.[38] Auch das Fehlen von Spuren der Besiedlung zwischen 2400 und 1200 vor. Chr. in et-Tell, das Garstang anhand der geographischen Beschreibungen in Jos 7,2.5 EU und 8,11 EU mit dem biblischen Ai identifizierte, trug zur Diskreditierung des Albright-Wright Modells bei.

Migrationsmodell, Penetrationsmodell

Hauptsächlich auf der Auffassung, dass das Buch Josua ein ätiologisches Werk sei, basiert das durch Albrecht Alt und Martin Noth vertretene Penetrationsmodell, das die Einnahme Palästinas von Seite eines einheitlichen Israels unter der Führung Josua ausschloss. Alt zufolge sei die Landnahme das Ergebnis des langsamen Sesshaftwerdens von transhumanten Nomaden, wobei erst in der späteren Phase des „Landesausbaus“ zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der kanaanäischen Bevölkerung gekommen sein könnte.[39] Nach Noth sei der Prozess analog zu der Ansiedlung „heutiger“ nomadischer Bevölkerung des Nahen Osten verlaufen. Später wies er darauf hin, dass es keinen Anhaltspunkt gebe, um die archäologisch nachgewiesenen Zerstörungen den Israeliten zuzuschreiben.[40]

Nach Auffassung Noths war das Modell des Amphiktionie-Verbands eine Organisationsform der sesshaft gewordenen Bevölkerung, die der bekannten Aufteilung Israels in Stämme Rechnung trage und mit dem Modell der Migration kompatibel sei.[41] Heinrich Ewald entwickelte zuerst diese These in Analogie mit den für Italien und Griechenland bekannten Amphiktionien:[42] Verbände von zwölf Stämmen oder Städten, in denen ein zentrales Heiligtum und der darin ausgeübte Kult Zusammenhalt gewährleisten.[43] Kritik an der Amphiktionie-These haben unter anderen Georg Fohrer, Ronald de Vaux und C.H. Jan de Geus unter Hinweis auf die biblischen Darstellungen geübt, die für das vorstaatliche Israel keine straffe Organisationsform erkennen lassen.[44] [45] In seinen wesentlichen Zügen ist dagegen das Migrationsmodell von Alt und Noth durch Manfred Weippert übernommen worden.[46] Auch Yohanan Aharoni ist diesem Modell gefolgt. Nach Aharoni haben aber Konfrontationen mit den Kanaaniten – insbesondere im nördlichen Kanaan – bereits in den frühen Stadien der Ansiedlung und bis zu der Zerstörung von Hazor stattgefunden.[47] Nach Joseph Callaway ist die eingedrungene Bevölkerung nicht nomadisch gewesen: Die Migrationswellen seien durch Kriege ausgelöst worden, infolgederen die nachmaligen Israeliten Zuflucht in den Gebirgen Palästinas gesucht hätten.[48]

Revoltenmodell

Das sogenannte „Revoltenmodell“ geht auf George E. Mendenhall zurück. Nach Mendenhall waren die Israeliten keine Nomaden, sondern entwurzelte, „sozial deklassierte“ Landbewohner, den ḫabiru / ʿapiru der Amarna-Briefen entsprechend, die unter der Führung der aus Ägypten kommenden „Mosegruppe“ zur Revolte gegen die kanaanäischen Stadtbewohner übergegangen seien.[49]

Mendenhalls Modell wurde unter anderen von C.H. Jan de Geus[45] und Norman Gottwald weitergeführt, der es im Sinne eines „Klassenkampfes“ erweiterte.[50] Gottwald hat die Überlieferungen von Mose und dem Exodus aus seinen Thesen ausgeklammert und die Ereignisse der Landnahme zwischen 1350 (Amarnazeit) und 1225 vor Chr. datiert: Dies entspreche der Zeit der Errichtung der unbefestigten Siedlungen der frühen Eisenzeit im Bergland Palästinas, die ein Beweis der selbständigen Entwicklung von Bevölkerungsgruppen unabhängig von den Organisationen der kanaanäischen Stadtstaaten seien.[51]

Gottwalds Arbeit ist hauptsächlich wegen der marxistischen Prägung seiner Thesen abgelehnt und mitunter – nicht zuletzt durch Mendenhall selbst – heftig kritisiert worden. Gottwalds Betonung der Rolle der einheimischen Komponente in der Entstehung Israels und die Neuheit des sozio-anthropologischen Charakters seines Ansatzes in der alttestamentlichen Forschung und in der „biblischen Archäologie“ sind aber vielfach gewürdigt worden.[52] [53]

Dem Revoltenmodell sind mit einigen Abweichungen unter anderen Robert B. Coote, Marvin L. Chaney und William G. Dever gefolgt. Nach Coote waren die frühen Israeliten Kanaaniten, die sich in den höhergelegenen Gegend Kanaans angesiedelt und Landbau getrieben hätten: Sie hätten sich in einem Stammesverband organisiert, was zumindest am Anfang von den Ägyptern gefördert worden sei.[54] Nach Chaney und Dever sei die Entstehung der frühisraelitischen Gruppen nicht aus einer religiös motivierten Bewegung zu erklären, wie es Mendenhall, Gottwald und andere vorgeschlagen hatten. Vielmehr habe die Gründung und der Zusammenhalt der frühisraelitischen Bevölkerung des Berglands einen ökonomischen Hintergrund gehabt: Diese Gruppierungen seien aus dem Zusammenschluss von kanaanäischen Elementen hervorgegangen, die die Gebiete der Stadtstaaten der Küstenebene hatten verlassen müssen und eine Form der gesellschaftlichen Organisation entwickelt habe, die funktional zu den neuen Herausforderungen des landwirtschaftlichen Lebens im Bergland war.[55]

„Minimalistische“ und „revisionistische“ Ansätze

Neuere Ansätze in der akademischen Forschung über die Entstehung Israels stellen die Hypothesen von Niels Peter Lemche, Volkmar Fritz, Gösta Ahlström und anderen dar, die einen „Minimalismus“ gegenüber dem biblischen Text zum Ausdruck bringen.

Lemche hat die Modelle der Eroberung und der Migration verworfen und darauf hingewiesen, dass für eine Einwanderung der nachmaligen Israeliten in das Land Kanaan jeglicher archäologischer Nachweis fehlt: Ein solcher Ursprung könne lediglich anhand der biblischen Überlieferungen postuliert werden. Nach Lemche sind die biblischen Texte keine historische Quelle, da die meisten davon zwischen dem 5. und dem 2. vorchristlichen Jahrhundert verfasst worden seien und – insbesondere das Buch Josua – einen fiktiven Charakter haben. Eine scharfe Kritik übte Lemche auch an Gottwald, dessen Verwendung der anthropologischen Daten veraltet und unzulänglich sei. Nach Lemches „evolutionärer Hypothese“ seien die frühen Israeliten als Zusammenschluss von Gruppierungen oder Stämmen von ʿapiru zustande gekommen und nach dem Feldzug von Merenptah als Volk identifizierbar geworden.[56]

Auch Volkmar Fritz hält die Überlieferungen des Buches Josua für Sagen und stellte die Hypothese auf, dass die frühen Israeliten „Kulturlandnomaden“ waren, die nicht mit den ʿapiru zu identifizieren seien und in einem „Symbiose-Verhältnis“ mit der kanaanäischen Bevölkerung lebten.[57]

Gösta Ahlström hat die Hypothese entwickelt, dass die nachmaligen Israeliten Teil der Bevölkerung der kanaanäischen Ebene gewesen seien, das sich in der Krise des späten Bronzezeit in eine kleine Region Kanaans – dieselbe, die Ahlström zufolge in der Stele des Merenptah „Israel“ genannt werde – zurückgezogen hätten. Diese Bevölkerung könne auch ʿapiru aufgenommen haben und sei erst in der Zeit der Monarchie als Volk Israel zu identifizieren gewesen.[19]

Revisionistische Positionen in der Forschung über die frühe Geschichte Israels haben mitunter deutlich ideologische Färbungen angenommen. So hat Philip R. Davies die Ansicht vertreten, dass das „antike Israel“ eine akademische Erfindung sei und man über das „historische Israel“ nichts wissen könne: Die Forschung werde über ein „soziales Konstrukt“ betrieben.[58] Nach Keith W. Whitelam geht diese akademische Erfindung mit der „Enteignung“ und der „Verschweigung“ (silencing) der Geschichte der „einheimischen Palästinenser“ einher.[59] Auch nach Thomas Thompson ist die Bibel ein literarisches Werk der hellenistischen Zeit. Demzufolge sei „Israel“ ein „mythisches Konstrukt“ und die Frage nach dessen Ursprung „keine historische Frage, sondern eine theologische und literarische“.[60]

Weitere Versuche einer historisch-archäologischen Synthese

Der Archäologe Israel Finkelstein hat die Auffassung vertreten, dass Israel als Ergebnis des „Wieder-Sesshaft-Werdens“ (resedentarisation) von Teilen der kanaanäischen Bevölkerung, die in der Krisenperiode der späten Bronzezeit nomadisch geworden waren, entstanden sei. Die sich ansiedelnde Bevölkerung habe eine langsame Migration in Richtung der westlichen Teile Kanaans vollzogen und den archäologisch nachgewiesenen Bevölkerungszuwachs im palästinischen Bergland der frühen Eisenzeit verursacht.[61] Anlass des Übergangs zu einem sesshaften Bauernleben sei das Zusammenbrechen des Gleichgewichts zwischen den im 12. Jahrhundert in Kanaan sesshaften und nomadischen Teilen der Bevölkerung gewesen, das wegen der gesunkenen Produktion von landwirtschaftlichen Gütern von Seite der kanaanäischen Dörfer stattgefunden habe und die Nomaden dazu gezwungen hätte, Landwirtschaft zu betreiben, um Getreide zu erzeugen.[62]

Finkelsteins Hypothesen sind durch weitere israelische Archäologen wie Adam Zertal, Moshe Kochavi[63] und Shlomo Bunimovitz übernommen worden. Bunimovitz postuliert aber anstatt der Ost-West Migration einen Rückzug nomadischer Hirten und anderer nicht sesshafter Gruppierungen von den Ebenen in die Gebirge Palästinas.[64] Unter Hinweis auf eine Unvereinbarkeit des von den archäologischen Daten entnommenen Zuwachses an Bevölkerung für die Gebirge Palästinas in der ersten Eisenzeit mit eine Migration von Nomaden innerhalb Kanaans sind Finkelsteins Positionen unter anderen durch Lawrence E. Stager[23] und William G. Dever[65] kritisiert worden.

Der Ägyptologe Donald B. Redford hat alle bis dahin erarbeiteten Synthesen verworfen. Nach Redford seien die nachmaligen Israeliten ein Kontingent von Schasu-Beduinen gewesen, die von Süden aus die Gebirge Kanaans besiedelt und erst nach der Übernahme kanaanäischer Siedlungsmuster nachweisliche Spuren hinterlassen haben.[66]

Biblische Zeugen und Modelle der Landnahme

Selbst wenn viele der sogenannten „minimalistischen“ Ansätze in der Forschung über die Landnahme sich in Opposition zu der Albright-Wright-Synthese des conquest model entwickelt haben, sind die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen fast ausschließlich auf die Bewertung der biblischen Berichte begrenzt und geben kein Anzeichen für einen Konsens in der archäologischen und historischen Forschung zum Thema. Es ist vielfach auf eine doppelte Überspitzung hingewiesen worden:[67] Von der einen Seite wurden im Rahmen des conquest-model die biblischen Daten mehrfach über den Text hinaus interpretiert und als Bericht einer flächendeckenden und plötzlichen Zerstörung Palästinas verstanden. So wies zum Beispiel Wright den Israeliten weit mehr Zerstörungen kanaanäischer Städte zu, als das Buch Josua in Anspruch nimmt. Von der anderen Seite ist das conquest model von den „Minimalisten“ als allzu bibelgetreu geächtet und zusammen mit einer wortwörtlichen Interpretation der Bibel verworfen worden. Aber auch diese Autoren haben oft den biblischen Bericht von der Landnahme als Beschreibung einer flächendeckenden Zerstörung Kanaans interpretiert, um die problematische Lage der archäologischen Nachweise hervorzuheben. So haben zum Beispiel Finkelstein und Silberman das Buch Josua als Bericht über eine von einer „Armee in Lumpen“ bzw. eines „chaotischen Haufens“ durchgeführte „militärische Blitzkampagne“ interpretiert, die „große Festungen“ und „gut trainierte Wagenlenker“ überwältigt und die kanaanäischen Städte zerstört haben soll.[68]

J.K. Hoffmeier hat von einem „konservativen“ Standpunkt aus hervorgehoben, dass das Buch Josua die Zerstörung von lediglich drei Städten, Jericho, Ai und Hazor, beschreibt. Aber nicht nur deshalb sei eine Zerstörung aller anderen Städte nicht zwingend anzunehmen. Selbst die auf Grund der biblischen Berichte anzunehmende Taktik der israelitischen Kriegsführung habe nicht auf frontalen Angriffen und massiven Zerstörungen basiert:[37] Solche Zerstörungen seien eher typisch für Angriffe und Strafexpeditionen ausländischer Mächte, nicht für die Eroberung des Landes seitens eines Volks, das sich in dem Land ansiedeln will. Auch seien die literarischen Merkmale des Buchs Josua kein Unikum in der Literatur des Nahen Osten im 2. und im 1. Jahrtausend vor Chr.: Das gelte für die religiöse Prägung der Erzählung von militärischen Unternehmen; für die hyperbolischen Beschreibungen der Siege und der Vernichtungen der Gegner; für das Verschweigen eventuell erlittener Niederlagen; für die Wiederholung von Erzählungen, die mehrfach den gleichen Sieg mit verschiedenen Urhebern berichten; für die stereotype Aufzählung der Eroberungen in der Art von Jos 10,28-43 EU[69], für alle Merkmale also, auf Grund derer die biblische Überlieferung von der Landnahme als unhistorisch bewertet worden ist.

Abkürzungen

  • BA: The Biblical Archaeologist
  • BAR: Biblical Archaeologie Review
  • BASOR: Bulletin of the American Schools of Oriental Research
  • HAL: L. Koehler, W. Baumgartner: Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. 3. Auflage (1967–1995). Brill, Leiden 2004. ISBN 90-04-10323-6

Siehe auch

Literatur

  • Janet Amitai (Hrsg.): Biblical Archaeology Today. Proceedings on the International Congress on Biblical Archaeology, April 1984. Israel Exploration Society, Jerusalem 1985.
  • William G. Dever: Recent Archaeological Discoveries and Biblical Research. University of Washington Press, Seattle-Washington 1990. ISBN 0-295-96588-6.
  • William G. Dever: Who Were the Israelites and Where Did They Come From? William B. Eerdmans Pub. Comp., Grand Rapids/Cambridge 2003. ISBN 0-8028-0975-8.
  • Herbert Donner: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen. Grundrisse zum Alten Testament. Band 4/1, 4/2. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. (Kurzfassung)
  • Israel Finkelstein: The Archäology of the Israelite Settlement. Israel Exploration Society, Jerusalem 1988.
  • Israel Finkelstein, Nadav Na’aman (Hrsg.): From Nomadism to Monarchy: Archaeological and Historical Aspects of Early Israel. Israel Exploration Society, Jerusalem 1994.
  • Israel Finkelstein, Zvi Lederman (Hrsg.): Highlands of Many Cultures. The Southern Samaria Survey. Tel Aviv University, Tel Aviv 1998.
  • Israel Finkelstein, Neil Asher Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel. C.H. Beck, München 2003. ISBN 3-406-49321-1.
  • Siegfried Herrmann: Geschichte Israels. in: Theologische Realenzyklopädie. Bd 12. Abschnitte 1. bis 3. de Gruyter, Berlin 1984, S. 699–711.
  • James K. Hoffmeier: Israel in Egypt. The Evidence for the Autenticity of the Exodus Tradition. Oxford University Press, New York 1999. ISBN 0-19-509715-7.
  • Martin Noth: Geschichte Israels. 3. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1956.
  • Lawrence E. Stager: Forging an Identity. The Emergence of Ancient Israel. in: M. D. Coogan (Hrsg.): The Oxford History of the Biblical World. Oxford University Press, New York 1998, S. 123–175.
  • Jonathan N. Tubb (Hrsg.): Palestine in the Bronze and Iron Ages. Papers in Honour of Olga Tufnell. Institute of Archaeology, London 1985.
  • Peter van der Veen, Uwe Zerbst (Hrsg.): Biblische Archäologie am Scheideweg? Für und Wider einer Neudatierung archäologischer Epochen im alttestamentlichen Palästina. Hänssler, Holzgerlingen 2004. ISBN 3-7751-3851-X.
  • Moshe Weinfeld: The Promise of the Land: The Inheritance of the Land of Canaan by the Israelites. University of California Press, Berkeley 1993.

Weblinks

 Commons: Kanaan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Datierung bezieht sich auf folgenden Zeitraum: Etwa 48 Jahre nach der Erbauung Pi-Ramesses bis zur Nennung der Israeliten auf der Merenptah-Stele; siehe hierzu auch Israel Finkelstein, Neil Asher Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. S. 89.
  2. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 26.
  3. Zeittafel am Ende der Einheitsübersetzung
  4. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 30 ff.
  5. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 35.
  6. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 54–68.
  7. A. Ben-Tor: Excavating Hazor, Part II: Did the Israelites Destroy the Canaanite City? In: BA 56/4, 1993, S. 22–39 (zit. in: W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 67).
  8. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 67 f.
  9. Die Texte einiger Amarna-Briefe, in denen die ʿapiru erwähnt werden, in W.G. Dever: Who Were the Early Israelites? S. 168–174.
  10. Vgl.: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 112–115.124.
  11. Vgl.: P. van der Veen: Die el-Amarna-Habiru und die frühe Dynastie in Israel. In: ders., U. Zerbst (Hrsg.): Biblische Archäologie am Scheideweg? S. 359 mit Anm. 1.
  12. Artikel עִבְרִי (ʿivri). In: HAL, S. 739; dort zitiert: R. de Vaux: Histoire ancienne d'Israël, I, Paris 1971, S. 106 ff.
  13. James H. Breasted: Ancient Records of Egypt, Bd. III, § 602–618, The University of Chicago Press, Chicago: 1906 (online in der Seite library.case.edu: PDF, 12MB).
  14. Zeile 27
  15. Vgl. J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 28 mit der Anm. 26.
  16. Zu den semitischen Entsprechungen des ägyptischen pr-t und deren Bedeutung vgl. Artikel פְּרִי (peri), in: HAL, S. 910 f.
  17. Vgl. H. Donner: Geschichte des Volkes Israel, I, S. 105 f.
  18. G. Rendsburg: The date of the Exodus and the Conquest/Settlement: the Case for the 1100s. In: Vetus Testamentum, 42, 1992, S. 510–517 zit. in J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 125 f.
  19. 19,0 19,1 G. Ahlström: Who Were the Israelites, Eisenbrauns, Winona Lake: 1986, S. 37–43; ders.: The History of Ancient Palestine, Fortress, Minneapolis: 1993 (zit. in J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 27).
  20. Vgl. J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 27–31.
  21. Vgl. I. Finkelstein, N.A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho, S. 121–123.
  22. Vgl. W. Dever: Who Were the Early Israelites, S. 157. Die sesshafte Bevölkerung wird mit 1 Einwohner pro 10 m² Baufläche geschätzt (ebda S. 78).
  23. 23,0 23,1 L.E. Stager: Forging an Identity.
  24. Für die hier aufgeführten Analysen vgl. W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 102–128; I. Finkelstein. N.A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho, S. 123–126.
  25. Vgl.: W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 118–122.
  26. Amihai Mazar: The „Bull Site“: An Iron Age I Open Cult Place. In: BASOR. 247, 1982, S. 27–42.
  27. Adam Zertal: Has Joshua's Altar Been Found on Mt. Ebal?. In: BAR, II/1, 1985, S. 26–43.
  28. Vgl.: W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 89 f; 126 ff; Ders.: Recent Archaeological Discoveries, S. 128–133.
  29. G.E. Wright: Shechem: The Biography of a Biblical City, McGraw-Hill, New York: 1965, S. 123–138 (zit in: W.G. Dever: Recent Archaeological Discoveries, S. 163).
  30. J. Wellhausen: Die Composition des Hexateuch, 1877.
  31. Vgl. insbesondere John Van Seter: In Search of History, Yale University, New Haven: 1983 (zit. in: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 10 ff).
  32. Vgl. Giovanni Garbini: History & Ideology in Ancient Israel, Crossroad, New York: 1988; Thomas Thompson: The Origin Tradition of Ancient Israel, JOST Press, Sheffield: 1987 (zit. in: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 10 ff).
  33. Hermann Guthe: Israel, in: Encyclopaedia Biblica, Vol. II, London: 1903, col. 2225-8. (Online: www.case.edu, PDF, 1,53MB).
  34. Für die „Albright-Wright Synthese“ des conquest model siehe: W.F. Albright: From the Stone Age to Christianity, Baltimore: 1946.
  35. Vgl. H. Donner: Geschichte des Volkes Israel, I, S. 142.
  36. Y. Yadin: Hazor, London: 1972.
  37. 37,0 37,1 A. Malamat: Conquest of Canaan. Israelite Conduct of War According to the Biblical Tradition, EJ Yearbook 1975/76, Jerusalem: 1976, S. 166–182; ders.: Early Israelite Warfare and the Conquest of Canaan, Oxford: 1978.
  38. Für eine Kritik der Ergebnisse Keynons siehe: Bryant G. Wood, „Did Israelites Conquer Jericho...“, in: BAR, 16, no. 2, 1990, S. 44–90 (zit. in: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 5).
  39. A. Alt: Die Landnahme der Israeliten in Palästina, 1925 (zit. in H. Donner: Geschichte des Volkes Israel, I, S. 143).
  40. M. Noth: Geschichte Israels, S. 67–82.
  41. M. Noth: Geschichte Israels, S. 83–94.
  42. H. Ewald: Geschichte des Volkes Israel, I, 3. Ausgabe 1864.
  43. Zur Forschungsgeschichte: Otto Bächli: Amphiktionie im alttestamentlichen Forschungsgeschichte. Studie zur Hypothese von Martin Noth, Basel: 1977.
  44. G. Fohrer: Geschichte Israels von den Anfängen bis zur Gegenwart, Heidelberg: 1977; R. de Vaux: Die hebräischen Patriarchen und die modernen Entdeckungen, Leipzig: 1959; ders: Ancient Israel, New York: 1961.
  45. 45,0 45,1 C.H.J. de Geus: The Tribes of Israel, Amsterdam: 1976.
  46. M. Weippert: Die Landnahme der israelitischen Stämme in der neueren wissenschaftlichen Diskussion: ein kritischer Bericht, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen: 1967.
  47. Y. Aharoni: Nothing Early and Nothing Late: Re-Writing Israel's Conquest, in: BA, 3, 1973, S. 55–76; ders.: The Land of the Bible: A Historical Geopraphy (1966), Westminster, Philadelphia: 1979.
  48. J. Callaway: A New Perspective on the Hill Country Settlements of Canaan in Iron Age I, in: J.N. Tubb (Hrsg.): Palestine in the Bronze and Iron Ages, S. 31–49.
  49. G.E. Mendenhall: The Hebrew Conquest of Palestine, in: BA, 25, 1962, S. 66–87; ders.: The Tenth Generation, Johns Hopkins University Press, Baltimore 1973 (vgl.: H. Donner: Geschichte des Volkes Israel, I, S. 144 f.).
  50. Vgl. W.G. Dever: Who Were the Early Israelites? S. 73 f.
  51. N. Gottwald: Tribes of Yahwe, Orbis, Maryknoll, New York: 1979 (zit. in: Th. Realenzyklopädie, Bd. 12, S. 707).
  52. Vgl. W.G. Dever: Who Were the Early Israelites? S. 54, 111 u. a.
  53. J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 6.
  54. R.B. Coote: Early Israel: A New Horizon, Fortress, Minneapolis: 1990.
  55. W.G. Dever: Who Were the Israelites?, S. 132.178 ff. und passim.
  56. N.P. Lemche: Early Israel: Anthropological and Historical Studies on the Israelite Society before the Monarchy, Brill, Leiden: 1983.
  57. V. Fritz: Conquest or Settlement, in BA, 50/2, 1987, S. 84–100.
  58. P.R. Davies: In Search of „Ancient Israel“, JOST Press, Sheffield: 1992 (zit. nach W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 138).
  59. K.W. Whitelam: The Invention of Ancient Israel: The Silencing of Palestinian History, Routledge, New York: 1996 (zit. nach W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 139).
  60. T. Thompson: The Mythic Past: Biblical Archaeology and the Myth of Israel. Basic, New York: 1999 (zit. nach W.G. Dever: Who Were the Israelites? S. 141).
  61. I. Finkelstein: The Archaeology of the Israelite Settlement, Israel Exploration Society, Jerusalem: 1988 (vgl.: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 31–33.).
  62. Vgl. I. Finkelstein, N.A. Silberman, Keine Posaunen vor Jericho, S. 121–136.
  63. M. Kochavi: The Israelite Settlements in Canaan in Light oft Archaeological Surveys, in: J. Amitai (Hrsg.): Biblical Archaeology Today, S. 54–60.
  64. S. Bunimovitz: Socio-Political Transformation in the Central Hill Country in the Late Bronze-Iron I Transition, Finkelstein-Na’aman (Hrsg.): From Nomadism to Monarchy, S. 179–202.
  65. W.G. Dever: Who Were the Israelites? passim.
  66. D.B. Redford: Egypt, Canaan and Israel in Ancient Times, Princeton University Press, Princeton: 1992.
  67. J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 33–36 und die dort zitierte Literatur.
  68. I. Finkelstein, N.A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho, S. 86–89.
  69. Vgl.: J.K. Hoffmeier: Israel in Egypt, S. 36–43.
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