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Korrespondenztheorie

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Die Korrespondenztheorie hat seit der frühen Scholastik viele Gesichter innerhalb der Philosophie. Ein wesentliches ist ihre Funktion als Wahrheitstheorie. Bei Peter Abaelard (1079 – 1141) steht Korrespondenz für die Entsprechung von Sachverhalt und sprachlichen Aussagen in Fragen der Religion. Dabei ist für viele Aussagen vor allem der Heiligen Schrift wichtig, dass sie wahr und falsch zugleich sein können, je nachdem ob man sie in Korrespondenz mit Sachverhalten ansieht oder aber als Frage der Kohärenz mit anderen Aussagen auffasst. („Sic et Non“) Innerhalb des Nominalismusstreits behaupten die Realisten eine Korrespondenz zwischen Begriff (nomen) und Sache (res). die Nominalisten behaupten dagegen eine arbiträre, d.h. freie Korrespondenz, die sich nach Gewohnheiten richtet. Auch in der Neuzeit wird Wahrheit und klare Erkenntnis auf der Basis des Korrespondenzbegriffes etabliert. So ist etwa bei René Descartes (1596-1650) die Korrespondenz von „res cogitans“ und „res extensa“ ein Gegenstand der "Meditationes". Leibliche Zustände können etwa Gedanken trüben oder dem ich etwas vortäuschen. Das Ich des Descartes basiert auf der Entscheidung für die res cogitans, ohne dass allerdings die möglichen Korrespondenzen zur res extensa ausgeklammert würden. Mit den Handlungs - Konzepten der romantischen Philosophie (Schopenhauers 1788-1860) und Nietzsches, gerät der Leib als Instanz der Erfahrung ins Blickfeld, ohne allerdings Erfahrung anders als die idealistische Philosophie (Baumgarten, Kant) zu entwerfen. So verwendet Schopenhauer in den Aphorismen zur Lebensweisheit die Rede von der Korrespondenz, um eine Entsprechung von vernünftiger Einsicht und (leiblicher) Handlung zu charakterisieren. Handeln und Verhaltensweisen gegen bessere Einsicht sind Narrheit. Einsichtiges Handeln bedarf der Vernunftkorrespondenz und wird „Reflexion." In der Philosophie des 20. Jh. benutzt Hans Georg Gadamer die Korrespondenz von Wahrheit und Methode um die Relativität scheinbar begründbarer Wahrheitsansprüche zu zeigen. Wahrheit ist nichts Erkennbares, sondern muss im verstehenden Gespräch einer Wissenschaftsgemeinde ermittelt werden. Die Naturwissenschaft ist ein "Glaube" wenn sie nicht ihre Methodenabhängigkeit anerkennt. Die Geisteswissenschaften müssen sich auf Verständnis- und Interpretationswissen zurückziehen. Im Streit mit Habermas (Hermeneutikstreit) reduziert Gadamer seine Position auf die Kunst und überlässt andere Felder der Soziologie. Der Gadamerschüler Reinhard Knodt machte in den 90iger Jahren den Vorschlag einer Korrespondenztheorie, die Erfahrung und Ausdruckshandeln ins Verhältnis setzt. Wahrheit wird somit immer erst hergestellt. (Ästhetische Korrespondenzen, reclam 1994). „Ästhetische Korrespondenz“ ist nach Knodt kein starres Verhältnis, sondern ein produktives Wechselspiel von sich entsprechenden Ausdrucks- und Erfahrungs-Phänomenen, die sich gegenseitig steigern aber auch abschwächen können. Weiterhin können sie positive und negative Dynamiken entfalten. Hauptanwendungsgebiete sind alltägliche Phänomene mit Geschehnischarakter, etwa Musik, die Atmosphäre, Raumstimmungen der Architektur, religiöse und ästhetische Phänomene, sowie der Gefühlsbereich. Ob mit diesem Entwurf eine Rückgewinnung des Alltäglichen für die Hermeneutik geschaffen wurde, bleibt in der Diskussion.

Das Korrespondenzdenken Knodts (1994) hat Entsprechungen zu Wolfgang Welschs Begriff des "ästhetischen Denkens" das aus einer Korrespondenz von Erfahrung und Begriff an das "Ahnungsvermögen" Baumgartens erinnert und wurde fruchtbar in der Atmosphärentheorie Gernot Böhmes (Atmosphären 1995) und bei Hermann Schmitz („Atmosphären“ 2015). Die Überlegenheit des Korrespondenzbegriffes gegenüber dem Kommunikationsbegriff erweist sich vor allem in Fällen, in denen noch keine klare „message“ vorliegt oder ein Adressat erst gesucht wird – etwa im Bereich der Konzeptkunst, die eine Dynamik der Korrespondenzen anstrebt. Die K.-Theorie versucht mithin, Phänomene zu erläutern, bei denen erst nach und nach eine gemeinsame "Wahrheit" zustande kommt, indem sich etwa Personen oder Instanzen permanent abstimmen. Die Beispiele hierfür stammen aus der Musik, (performance und Zusammenspiel) aus dem Bereich der atmosphärischen Gestaltung von Räumen und Ereignissen, aber auch der Gefühle, sowie aus dem Bereich der affektiven Betroffenheit durch Religiöse Erfahrung. Auch im Fall bestimmter Medien entsteht Wahrheit als Geschehen durch Korrespondenz. Gegenstand sind Persönlichkeitsentwürfe (das "Facebook-Ich) oder das Korrespondenzverhalten der Freundszirkel der Korrespondenzmaschine Facebook.

Insofern der Begriff der Korrespondenz suggeriert, dass man auch ohne sich zu „verstehen“  gut miteinander korrespondieren und dabei sinnvolle Zusammenhänge und reale Wirkungen zustandebringt, hat die neue Korrespondenztheorie auch ethische und pragmatische Konnotationen. - In der Abkehr vom binären Denken im soziologischen Feld gewinnt sie zur Zeit auch Eingang in die Beschreibung prozesshafter Geschehensabläufe. In der Definition der „Öffentlichkeit“ als Raum der Korrespondenzen, ergänzt der Korrespondenzbegriff ansonsten npch den Öffentlichkeitsbegriff der Kommunikationstheorie und definiert die Standardbegriffe „Wahrheit“, "Erkenntnis", "Wirklichkeit" für viele Fälle als Korrespondenzphänomene im Fluss einer Wahrheit als Geschehen. An dieser Stelle wären dann neueste religionswissenschaftliche und soziologische Konzepte zu nennen, etwa die „Resonanztheorie,“ und die auf die Kunst bezogene „Konsequenztheorie“ von Alenka Zupancic.

Literatur: 

Reinhard Knodt, Ästhetische Korrespondenzen, reclam 1994  /Gernot Böhme, Atmosphäre, Suhrk. 1995, Hermann Schmitz, Atmosphären (Alber, 2016) Reinhard Knodt, Der Atemkreis der Dinge – Einübung in die Philosophie der Korrespondenz (Alber) 2016.

Weblinks

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