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Klaus Zernack

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Klaus Zernack (* 14. Juni 1931 in Berlin; † 3. November 2017 ebenda[1]) war ein deutscher Historiker, dessen Forschungsschwerpunkt auf Ostmitteleuropa und Osteuropa lag. Zernack bekleidete Lehrstühle für Osteuropäische Geschichte an den Universitäten Frankfurt am Main (1966–1978) und Gießen (1978–1984). Von 1984 bis zu seiner Emeritierung 1999 lehrte er als Professor für die Geschichte deutscher Beziehungen zu Nordosteuropa und Ostmitteleuropa am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Zernack hatte wesentlichen Anteil am Paradigmenwechsel von der deutschen „Ostforschung“ zur modernen Ostmitteleuropa-Forschung.

Leben und Wirken

Geboren als Sohn eines Polizisten, erlebte er das Kriegsende in Berlin, wo er 1949 auch Abitur machte. Anschließend studierte er Geschichtswissenschaft, Slavistik, Germanistik und Philosophie an der Freien Universität Berlin, in Münster und Uppsala (bis 1956). In Münster bestand er 1955 bei Werner Conze das Staatsexamen mit einer Arbeit über die Anfänge des ständigen Gesandtschaftswesens in Nordosteuropa. Im Jahr 1956 wurde er Wissenschaftlicher Assistent in Gießen. In Münster wurde er 1957 mit einer von Herbert Ludat betreuten Arbeit über die diplomatischen Beziehungen zwischen Schweden und Moskau von 1675 bis 1689 promoviert. Von 1957 bis 1963 war er sechs Jahre lang Lehrbeauftragter für Schwedisch an der Universität. Im Jahr 1964 folgte die Habilitation über slawische Volksversammlungen im Mittelalter bei Herbert Ludat an der Universität Gießen. Von 1966 bis 1978 war Zernack Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Frankfurt am Main, von 1978 bis 1984 in Gießen und von 1984 bis 1999 an der FU Berlin. Zu seinen akademischen Schülern gehören neben vielen anderen Christian Lübke, Michael G. Müller, Frithjof Benjamin Schenk, Martin Schulze Wessel und Gregor Thum.

Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte waren die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, das Handbuch der Geschichte Rußlands, die Hohenzollernmonarchie und die Geschichte Polens, Stanislaw August Poniatowski, Geschichte der polnischen Geschichtswissenschaft sowie vergleichende Studien zur Geschichte der deutschen und der polnischen Landesgeschichtsschreibung über das historische Ostdeutschland. Seine Forschungen erstrecken sich zeitlich vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Zernack gab seit Mitte der 1960er Jahre der deutschen Osteuropaforschung ein neues Gesicht, indem er sie allmählich von der zuvor dominierenden „Ostforschung“ löste, die ihren Schwerpunkt auf die Rolle der Deutschen in der Geschichte Osteuropas gelegt hatte. Dies galt insbesondere für die Behandlung der Geschichte Polens und wurde besonders deutlich in seiner Arbeit in der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission der UNESCO, deren deutscher Vorsitzender er von 1987 bis 2000 war.

Zernack legte 1977 erstmals eine Einführung in die osteuropäische Geschichte vor.[2] Zernack setzte sich darin kritisch mit der deutschen Ostforschung der Weimarer Zeit und ihrer Nähe zum Nationalsozialismus auseinander. Zernack warf der „Ostforschung“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit einen allzu unreflektierten Umgang mit ihrer Vergangenheit vor.[3] Eine weitere wichtige Veröffentlichung ist seine Darstellung Polen und Rußland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte von 1994. Mit seinem Konzept der „Beziehungsgeschichte“ am Beispiel Deutschland und Polen legte er eine Alternative zu den vorherrschenden nationalgeschichtlichen Erzählungen vor.[4] Zernack war Herausgeber und Mitautor des Handbuchs der Geschichte Rußlands. Von 1986 bis 1990 war er Vorsitzender der Historischen Kommission zu Berlin, von 1993 bis 2000 Stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Historischen Instituts in Warschau.

Für seinen Beitrag zur deutsch-polnischen Versöhnung wurde er mit den Ehrendoktorwürden der Universitäten Posen (1989) und Warschau (1997) ausgezeichnet. Er war Ehrenmitglied der Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften. Ferner erhielt er im Jahre 2004 den Samuel-Bogumil-Linde-Preis der Städte Göttingen und Toruń sowie 2010 den DIALOG-Preis der Deutschen-Polnischen Gesellschaft Bundesverband. Er war seit 1994 Mitglied von Wissenschaftsakademien in Berlin, Posen, Krakau und Stockholm. Zernack war von 1974 bis 1994 Mitherausgeber der Jahrbücher für Geschichte Osteuropas und von 1983 bis 1995 Mitherausgeber des Jahrbuchs für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands.

Schriften (Auswahl)

  • Studien zu den schwedisch-russischen Beziehungen in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (= Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen. Reihe 1: Giessener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens. Band 7, Schmitz, Gießen 1958, ISSN 0078-6888).
  • Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und Westslaven. Studien zur verfassungsgeschichtlichen Bedeutung des Veče (= Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen. Reihe 1: Giessener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens. Band 33). Harrassowitz, Wiesbaden 1967, (Zugleich: Gießen, Universität, Habilitations-Schrift, 1964/1965).
  • Osteuropa. Eine Einführung in seine Geschichte. Beck, München 1977, ISBN 3-406-06648-8.
  • Preußen – Deutschland – Polen. Aufsätze zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen (= Historische Forschungen. Band 44). Duncker und Humblot, Berlin 1991, ISBN 3-428-07124-7.
  • Nordosteuropa. Skizzen und Beiträge zu einer Geschichte der Ostseeländer. Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1993, ISBN 3-922296-67-X.
  • Polen und Russland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte (= Propyläen-Geschichte Europas. Erg.-Bd.). Propyläen-Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-549-05471-8 (In polnischer Sprache: Polska i Rosja. Dwie drogi w dziejach Europy (= Klio w Niemczech. Band 7). Przekład Andrzej Kopapcki. Wiedza Powszechna, Warschau 2000, ISBN 83-214-1212-2).

Literatur

  • Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsch-polnische Beziehungsgeschichte. Prof. Dr. Klaus Zernack zum 80. Geburtstag (= Historie. Jahrbuch des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Band 4, 2010/2011). Budrich UniPress, Leverkusen-Opladen 2011, ISBN 978-3-940755-87-2.
  • Michael G. Müller, Fikret Adanir, Christian Lübke, Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Osteuropäische Geschichte in vergleichender Sicht. Festschrift für Klaus Zernack zum 65. Geburtstag (= Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte. Band 1). Akademie-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-05-002969-2.
  • Stefan Troebst: Klaus Zernack als Nordosteuropahistoriker. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), H. 4, S. 572–586 (online)
  • Michael G. Müller: Zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus Zernack. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 49 (2001), S. 314–316 (Digitalisat)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Krzysztof Ruchniewicz: Prof. Klaus Zernack (1931–2017). Nachruf auf der Website des Autors, 7. November 2017, abgerufen am 8. November 2017 (polnisch).
  2. Vgl. dazu die Besprechung von Hans Hecker in: Zeitschrift für historische Forschung Bd. 6 (1979), S. 483–484.
  3. Klaus Zernack: Osteuropa. Eine Einführung in seine Geschichte. München 1977, S, 15–18. Vgl. dazu Corinna Unger: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945–1975. Stuttgart 2007, S. 310.
  4. Klaus Zernack: Das Jahrtausend deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte als geschichtswissenschaftliches Problemfeld und Forschungsaufgabe. In: Klaus Zernack, Wolfram Fischer, Michael G. Müller (Hrsg.): Preußen - Deutschland - Polen. Aufsätze zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen. Berlin 1991, S. 3–42.
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