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Klaus Hurrelmann

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Klaus Hurrelmann (* 10. Januar 1944 in Gdingen) ist ein deutscher Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler. Nach langjähriger Tätigkeit an der Universität Bielefeld arbeitet er seit 2009 als Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin.

Biografie

Ausbildung

Klaus Hurrelmann studierte an den Universitäten in Münster und Freiburg und der University of California in Berkeley, USA, Soziologie, Psychologie und Pädagogik. 1968 absolvierte er sein Diplom, 1971 die Promotion in Soziologie an der Universität Münster. Die Doktorarbeit hatte das Thema „Unterrichtsorganisation und schulische Sozialisation". 1975 habilitierte er sich an der Universität Bielefeld mit der Arbeit „Erziehungssystem und Gesellschaft".

Berufsleben

Von 1963 bis 1966 war Hurrelmann neben seinem Studium in Münster als Redakteur der Studentenzeitung Semesterspiegel tätig. Zwischen 1968 und 1970 war er Projektleiter der „Arbeitsgruppe Hauptschule" an der Pädagogischen Hochschule in Münster. Von 1970 bis 1974 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld in der Fakultät für Soziologie mit den Arbeitsschwerpunkten Sozialisationsforschung und Bildungsforschung.

1975 übernahm er den Lehrstuhl Bildung und Sozialisation an der Universität Essen. 1980 folgte er einem Ruf der Universität Bielefeld auf den Lehrstuhl Sozialisationsforschung. Hurrelmann war erster Dekan der neu gegründeten „Fakultät für Pädagogik". 1986 bis 1998 leitete er den von ihm mit begründeten Sonderforschungsbereich „Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter" der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

1993 wechselte Hurrelmann an die neu gegründete Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld. Er wurde zum Gründungsdekan gewählt und war für den Aufbau der bis heute einzigen voll ausgebauten deutschen School of Public Health verantwortlich. In der Fakultät für Gesundheitswissenschaften übernahm er die Erforschung des Gebietes Prävention und Gesundheitsförderung. Er baute im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation das Collaboration Centre for Child and Adolescent Health Promotion auf. Das Zentrum koordiniert die repräsentativen Gesundheitserhebungen bei 11-15jährigen Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland, die alle vier Jahre im Rahmen der europaweiten Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) durchgeführt werden. An jeder Erhebung nehmen über 6000 zufällig ausgewählte Schülerinnen und Schüler aus allen Bundesländern teil. Von 1996 bis 2004 war er außerdem Direktor am Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik.

Seit März 2009 ist Hurrelmann Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Verbindung von Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik, um umfassende Interventionsstrategien zur Prävention von sozialen und gesundheitlichen Benachteiligungen zu entwickeln. Außerdem führt er international vergleichende Studien zu Einstellungen, Wertorientierungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen durch, die von politischen Stiftungen und Goethe-Instituten unterstützt werden.

Mit in diesen Schwerpunkt fallen seine Arbeiten zu geschlechtsspezifischen Benachteiligungen im Bildungssystem. Hurrelmann hält sowohl eine Frauen- als auch eine Männerförderung während der gesamten Ausbisldungsphase vom Kindergarten an für notwendig.

Hurrelmann ist Mitglied des Expertenrats Demografie beim Bundesminister des Innern, der den Ausschuss von Staatssekretären verschiedener Bundesministerien seit März 2010 beim Thema Gestaltung der demografischen Entwicklung berät.

Forschung

Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung nach Klaus Hurrelmann in vereinfachter Darstellung

Klaus Hurrelmann setzt in seinen Forschungen besonders auf die Schwerpunkte Sozialisation, Kindheit und Jugend, Schule und Bildung und Gesundheit. Seine hierfür entwickelten theoretische Ansätze sind weit verbreitet und beeinflussen neben der Soziologie auch pädagogische, psychologische, gesundheitswissenschaftliche und sozialmedizinische Forschungsvorhaben.

Sozialisationsforschung

In seinem sozialisationstheoretischen Ansatz liegt das Hauptaugenmerk auf dem Einfluss der Gesellschaft auf die Persönlichkeitsentwicklung. Sozialisation wird wie folgt definiert: "Sozialisation bezeichnet die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen, die sich aus der produktiven Verarbeitung der inneren und der äußeren Realität ergibt. Die körperlichen und psychischen Dispositionen und Eigenschaften bilden für einen Menschen die innere Realität, die Gegebenheiten der sozialen und physischen Umwelt die äußere Realität. Die Realitätsverarbeitung ist produktiv, weil ein Mensch sich stets aktiv mit seinem Leben auseinandersetzt und die damit einhergehenden Entwicklungsaufgaben zu bewältigen versucht" (Einführung in die Sozialisationstheorie).

Am bekanntesten und auch an Schulen und Hochschulen insbesondere in den Fächern Pädagogik, Sozialwissenschaft und Gesundheitswissenschaften diskutiert ist sein sozialisationstheoretisches "Modell der produktiven Realitätsverarbeitung (MpR)" (siehe Abbildung). In dieses Modell gehen psychologische Ansätze wie die von Urie Bronfenbrenner, Erik H. Erikson und Robert J. Havighurst ebenso ein wie soziologische von George Herbert Mead, Pierre Bourdieu und Aaron Antonovsky. Die zentrale Annahme ist, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen in allen Lebensphasen aus der Auseinandersetzung mit der inneren Realität von Körper und Psyche und gleichzeitig der äußeren Realität von sozialer Umwelt und ökologischer Lebenswelt bildet. Der Mensch als selbständiges Subjekt hat danach die lebenslange Aufgabe, die Prozesse der sozialen Integration und der persönlichen Individualisation in Einklang miteinander zu bringen.

Diese Aufgabe wird in jeweils alterstypischen, für den erreichten Entwicklungsstand spezifischen Schritten, den "Entwicklungsaufgaben" Bildung/Qualifikation, Bindung/soziale Kontakte, Konsum/Regeneration und Partizipation/Wertorientierung, bewältigt. Im Jugendalter ist die umfassende Entwicklungsaufgabe, eine persönliche Identität der Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit aufzubauen und dennoch eine Rolle als sozial integrierter Bürger zu übernehmen. Sozialisation besteht in diesem Sinn aus einer komplexen "ständigen Arbeit an der eigenen Persönlichkeit", die erfolgreich gelingen, unter ungünstigen Bedingungen aber auch scheitern kann. Ein Scheitern hat Identitäts-, Persönlichkeits- und Gesundheitsstörungen zur Folge. Die Sozialisationstheorie wird in seinem Lehrbuch "Einführung in die Sozialisationstheorie", die Sozialisationsforschung im "Handbuch Sozialisationsforschung" präsentiert.

Kindheits- und Jugendforschung

In seinen kindheits- und jugendtheoretischen Ansätzen arbeitet Hurrelmann mit einem Lebensphasenkonzept. Er sieht die Lebensphase „Jugend“ unter heutigen Bedingungen als eine eigenständige Phase an, die sich zwischen das Kindes- und Erwachsenenalter geschoben hat und in der Regel 15 Jahre umfasst. Damit ist diese Lebensphase zu einer Art Experimental-Labor für neue Formen der Lebensbewältigung geworden. Wie erfolgreich sie bewältigt wird, hängt nach seinen Untersuchungen von der sozialen Herkunft ebenso wie von der Geschlechtszugehörigkeit ab. Auffällig sind dabei zunehmende Probleme bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben bei männlichen Jugendlichen.

Mit in diesen Schwerpunkt fallen seine Arbeiten zu geschlechtsspezifischen Benachteiligungen im Bildungssystem. Hurrelmann hält sowohl eine Frauen- als auch eine Männerförderung während der gesamten Ausbildungsphase vom Kindergarten an für notwendig.

Die theoretischen Grundlagen der Jugendforschung werden im Lehrbuch "Lebensphase Jugend" entwickelt. Empirisch hat er mehrere Untersuchungen hierzu durchgeführt. Dazu gehören die Shell Jugendstudien, an denen er leitend mitwirkt, und die Studienserie "Jugend, Vorsorge und Finanzen", in der die ökonomischen Zukunftsplanungen der Jugendlichen für ihre Altersvorsorge im Mittelpunkt stehen.

In den von Klaus Hurrelmann mit begründeten World Vision Kinderstudien im Auftrag des Kinderhilfswerkes World Vision Deutschland werden seit 2007 umfangreiche repräsentative Kinderbefragungen für die 6- bis 11-jährigen vorgelegt, die dem Muster der Shell Jugendstudien folgen. Die Kinderstudie ist im Jahr 2014 zum dritten Mal erschienen. Den Studien liegt ein theoretisches Konzept der „Lebensphase Kindheit“ zugrunde, das die Voraussetzungen für die Sicherung des kindlichen Wohlbefindens definiert und im Lehrbuch „Kindheit“ ausformuliert wird.

Schul- und Bildungsforschung

In der Schul- und Bildungsforschung liegt der Hauptakzent der Arbeit von Klaus Hurrelmann auf Untersuchungen zu den familiären Ausgangsbedingungen von Schulerfolg und Schulversagen. Mit Hilfe der Sozialisationstheorie erklärt er die besonders in Deutschland sehr starke Abhängigkeit der schulischen Leistungen von der familiären Herkunft der Schülerinnen und Schüler durch das unterschiedliche Ausmaß von Anregungen und Anleitungen der Eltern.

Auch der Aufbau des Schulsystems selbst trägt nach den Untersuchungen von Hurrelmann zum schlechten Abschneiden der Kinder aus den Elternhäusern mit soziokonomisch niedrigem Status bei. Durch das Fehlen von vorschulischen Angeboten für alle Kinder und die bis vor kurzem übliche frühe Aufteilung der Schülerschaft auf Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien im Anschluss an die Grundschulzeit werden demnach Kinder mit geringen familiären Lernimpulsen systematisch benachteiligt. Hurrelmann plädiert seit den 1970er Jahren für die Zusammenlegung von Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen zu integrierten Schulen, die eine eigene Oberstufe erhalten und durch ihre Arbeits- und Berufsorientierung eine pädagogische Alternative zum Gymnasium bilden. Hierdurch soll der Druck auf Eltern und Kinder abgebaut werden, schon im Alter von 10 Jahren die spätere Bildungslaufbahn festzulegen. An beiden Schulformen sollen alle Abschlüsse möglich sein.

Dieses von ihm so genannte „Zwei-Wege-Modell“ wurde 1989/90 bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten in den ostdeutschen Bundesländern eingeführt. Inzwischen übernehmen auch viele westdeutsche Bundesländer diesen Reformvorschlag.

Hurrelmann plädiert für die gemeinsame Förderung von Leistungs- und Sozialkompetenzen in allen Bildungseinrichtungen. Wichtige Komponenten solcher Ansätze sind die in die schulische Arbeit integrierte Bewegungs-, Ernährungs- und Entspannungsförderung, um die alterstypischen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Auch setzt sich Hurrelmann für eine intensive Zusammenarbeit von Eltern und professionellen Erziehungs- und Lehrkräften ein, um die unterschiedlichen Erziehungskonzepte abzustimmen. Er hält ein verbindliches Elterntraining für sinnvoll und notwendig und spricht sich für einen symbolischen „Elternführerschein“ aus. Diese Impulse haben in verschiedenen Programmen ihren Niederschlag gefunden. Besonders bekannt geworden sind das von Hurrelmann wissenschaftlich begleitete und inzwischen an 6000 Schulen verbreitete Förderprogramm „Erwachsen Werden“ des gemeinnützigen Lions-Quest-Hilfswerks und die von ihm unterstützten Elterntrainingsprogramme STEP und "Gesetze des Schulerfolgs" (GdS).

Gesundheitsforschung

In der Gesundheitsforschung liegt der Schwerpunkt von Hurrelmanns Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Gesundheitssoziologie und Gesundheitspädagogik. Hurrelmann hat die programmatischen Werke "Handbuch der Gesundheitswissenschaften" und „Prävention und Gesundheitsförderung“ federführend herausgegeben.

Von großem Einfluss ist seine Definition von Gesundheit: "Gesundheit bezeichnet den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der dann gegeben ist, wenn diese Person sich psychisch und sozial im Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet". Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichtes von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt. Gesundheit ist ein Stadium, das einem Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt.

Diese Definition aus dem Lehrbuch „Gesundheits- und Medizinsoziologie“ wird inzwischen als Fortentwicklung der traditionellen Definition von Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verstanden und in vielenDisziplinen der Gesundheitswissenschaften eingesetzt.

Ein wichtiger Forschungsstrang von Hurrelmann sind Prävention und Gesundheitsförderung. In vielen Forschungsprojekten hat er vor allem soziale Determinanten von Gesundheit und Krankheit bei Kindern und Jugendlichen untersucht und gezeigt, dass in Deutschland soziale Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen auch in der Gesundheit besteht. Die wichtigsten empirischen Untersuchungen sind im Rahmen des WHO-Collaborating Centre entstanden und international vergleichend angelegt. Sie analysieren vor allem das Gesundheitsverhalten von Schülerinnen und Schülern und leiten Konsequenzen für die Leistungs-, Sozial- und Gesundheitsförderung in Schulen ab.

Zu den zentralen Erkenntnissen in diesem Bereich gehört die enge Verbindung von kognitiven (intellektuellen) Leistungen mit sozialen Kompetenzen. Sind Schülerinnen und Schüler durch soziale Konflikte im Elternhaus, emotionale Spannungen in der Gleichaltrigengruppe, körperliche und psychische Anspannungen oder manifeste Gesundheitsstörungen und Krankheiten belastet, dann sind auch ihre fachlichen Leistungsfähigkeiten blockiert. Umgekehrt drücken Schulversagen und Leistungsdefizite auf das Selbstwertgefühl und haben Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und damit der Gesundheit zur Folge.

Auszeichnungen

Publikationen

Lehrbücher (Auswahl)


Handbücher/Readers (Auswahl)

  • Armut bei Kindern und Jugendlichen (2001). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
  • Bildungsverlierer (2010). Wiesbaden: VS, ISBN 978-3531171753
  • Geschlecht, Gesundheit und Krankheit (2002). Bern: Huber, ISBN 978-3456836911
  • Gesundheitliche Ungleichheit (2006). Wiesbaden: VS, ISBN 978-3531160849
  • Handbuch Gesundheitswissenschaften (2012). Weinheim: Beltz Juventa, ISBN 978-3779907978
  • Handbuch Sozialisationsforschung (2008). Weinheim: Beltz, ISBN 978-3407831606
  • Health Hazards in Adolescence (1990). Berlin/New York: De Gruyter, ISBN 978-3110124484
  • Health Risks and Developmental Transitions during Adolescence (1997). New York: Cambridge University Press, ISBN 978-0521480536
  • Individualization in Childhood and Adolescence (1996). Berlin/New York: De Gruyter, ISBN 978-3110146813
  • International Handbook of Public Health (1996). Westport: Greenwood Publishers, ISBN 978-0313295003
  • International Handbook of Adolescence (1994). Westport: Greenwood Publishers, ISBN 978-0313285844
  • Jungen als Bildungsverlierer (2012). Weinheim: Beltz, ISBN 978-3779927501
  • Social Networks and Social Support in Childhood and Adolescence (1994). Berlin/New York: De Gruyter, ISBN 978-3110143607
  • Social Problems and Social Contexts in Adolescence (1996). New York: Aldine, ISBN 978-0202361017
  • Staatshilfe für Eltern (2013). Weinheim: Beltz Juventa, ISBN 978-3779927525


Empirische Studien (Auswahl)

Weblinks

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