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Kassiten

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Babylonien unter den Kassiten

Die Kassiten (akkadisch kaššū) waren ein Volk im alten Mesopotamien. Nach dem hethitischen Überfall auf Babylon 1595 (oder 1531) v. Chr. erlangten sie um 1475 v. Chr. die Herrschaft in Babylonien, das sie bis zur Eroberung durch die Elamiter im Jahr 1155 v. Chr., also für einen Zeitraum von 400 bis 500 Jahren, beherrschten. Nach der Babylonischen Königsliste A herrschten sie 576 Jahre. Ihre Macht in Babylonien dauerte somit länger als die jeder anderen Dynastie.

Quellen

Nach Brinkman sind aus dieser Zeit ca. 12.000 Dokumente erhalten, die zum Großteil unpubliziert sind.

Ursprung

Die Heimat der Kassiten wird meist im Zāgros gesucht. So siedelt sie Wilhelm Eilers im nördlichen Luristan an und will den Kasgan-Rud, einen Nebenfluss des Saimarre als „Kassitenfluss“ deuten.[1] W. Sommerfeld nimmt ebenfalls eine Herkunft im Zagros an.[2] Levine vermutet die Kassiten am östlichen Ufer des kleinen Zab. Julian Reade lokalisiert Namri (Namar), das Land der Kassiten (mat kaššî), dagegen westlich von Kermanschah. Archäologische oder epigraphische Belege fehlen; allerdings waren in neu-assyrischer Zeit kaššū im Zagros ansässig.

Der kassitische Stamm der Khabira siedelte wohl in der babylonischen Ebene, andere Stämme in den Bergen nordwestlich von Elam und auch südlich von Holwan, als sie 702 v. Chr. von Sanherib angegriffen wurden.

Der älteste schriftliche Nachweis von Kassiten stammt aus der Schicht VII in Alalach.[3] Ein Brief, vielleicht aus der Zeit des altbabylonischen Königs Šamšu-iluna, wird ebenfalls als Beleg für die Anwesenheiten von Kassiten genutzt, da er die „Häuser des Agum“, eines bukašum, erwähnt, wo die Abgesandten des Königs von Halaba, vielleicht Aleppo, erfolglos eine Eskorte erbaten. Agum ist der Name mehrerer kassitischer Herrscher, und die Kassiten waren in Häusern organisiert.[4] Seit der Zeit von Samsu-iluma werden kaššū in Texten aus Sippar, Dilbat und Jahrurum-šaplūm erwähnt. Ein Jahresname des Abi-ēšuḫ erwähnt, vielleicht in seinem dritten Regierungsjahr, eine Schlacht gegen ein kassitisches Heer (ERIN2Ka-aš-šu-u2).[5]

Geschichte

Die Kassiten werden zum ersten Mal im 9. Regierungsjahr des Šamšu-iluna (1. Dynastie von Babylon, 1741 v. Chr. nach der mittleren Chronologie) als Landarbeiter in Sippar erwähnt. Sie lebten dort in eigenen Stadtvierteln und waren nach patriarchalischen "Häusern" organisiert.[6] Nach Brinkman [7] sind Kassiten gegen Ende der altbabylonischen Epoche auch am mittleren Euphrat, in Ḫana, Terqa und Alalach belegt. Die Anwesenheit in Terqa und Hana stützt sich allerdings allein auf den Namen des Herrschers Kaštiliašu, den andere für einen Amurriter halten[8]. Eine weitere Erwähnung von Kassiten findet sich in Nuzi.

Vermutlich kam es sowohl zu einem sozialen Aufstieg der Migranten - drei Generationen später werden Kassiten als Verwaltungsbeamte erwähnt und sie hatten das Recht, Land zu erwerben[9] - als auch zur Zuwanderung einer aristokratischen Oberschicht und deren Gefolge. Die Kassiten zeichneten sich nun besonders durch Kenntnisse der Pferdezucht und des Wagenbaus aus. Agum wurde der erste kassitische König von Babylon. Die königliche Dynastie führte ihre Abstammung auf den Kriegsgott Šuqamuna zurück. Kulturell passten sie sich schnell an die Kultur Babyloniens an, die Könige trugen aber weiterhin kassitische Namen.

In kassitischer Zeit gehörte ein beträchtlicher Teil des Landes dem König sowie den Tempeln[10]. Land konnte jedoch an Einzelpersonen verschenkt werden, das oft durch einen kudurru, eine in Stein gemeißelte Besitzurkunde bezeugt wurde. Auch Abgaben an oder Arbeitsleistungen für die Krone konnten auf Dauer erlassen werden. Es wird angenommen, dass solche Schenkungen erblich waren.[11] Im Laufe der Zeit müssen die kassitischen Könige durch diese Schenkungen beträchtliche Ländereien und Steuereinnahmen eingebüßt haben. Die Tempel hatten eine eigenständige Organisation der Arbeitskräfte, hatten aber Steuern an den König abzuführen. Die Bewässerung unterstand königlicher Kontrolle, Briefe der Stadtfürsten an den König unterrichten ihn von Problemen[12]. Städte wurden durch einen GÚ.EN.NA verwaltet, Dörfer durch einen ḫazannu[10].

Sprache

Es ist kein einziger kassitischer Text überliefert. Die Sprache ist nur aus Personennamen und einigen Appellativen aus lexikalischen Listen bekannt[13], vor allem eine Liste kassitischer Namen mit ihren akkadischen Entsprechungen und einigen technischen Begriffen. Außerdem fanden einige Götter Eingang in das babylonische Pantheon. Der Grund, warum so wenig von der kassitischen Sprache überdauerte, liegt darin, dass die Verwaltungssprache der Zeit Akkadisch war.

Das Kassitische war eine agglutinierende Sprache. Entgegen alten Hypothesen ist das Kassitische also keine indogermanische Sprache. Die Theorie Georg Hüsings, das Kassitische sei mit dem Elamischen verwandt, lässt sich heute nicht mehr halten. Nach heutigem Kenntnisstand muss das Kassitische als isolierte Sprache gelten.

Einige hundert kassitische Wörter fanden Eingang in die akkadische Sprache. Mehr als zehn Prozent davon sind Götternamen.

Religion

Wichtigste Götter waren Šumalija und der Kriegsgott Šuqamuna, denen Kurigalzu I. in Babylon einen gewaltigen Tempel weihte. Šuqamuna galt nach einer Inschrift des Agum kakrime als Ahnherr des kassitischen Königshauses.

Kultur

Der Beitrag der Kassiten zu der babylonischen Kultur wird immer noch diskutiert.

Nachleben

Es gab immer wieder Versuche, die kaššū mit Stämmen aus klassischen Quellen zu identifizieren. Delitzsch schlug als erster die Gleichsetzung der Koσσαιoι (Kossaioi), Kossäer, nach Strabon (Geographie, 11.13.6) die Nachbarn der Meder, mit den Kassiten vor[14]. Nach Polybios (Hist. 5.44.7) lebten sie in den Tälern des Zagros. Lehmann-Haupt (1898, 212) betont: "Es ist dies nur ein einzelner Fall der allgemeinen Erscheinung, dass ein schriftlich neu zu fixirender Fremdname einem anklingenden bekannten Fremdnamen einfach gleichgesetzt wird." Lehmann-Haupt[15], Theodor Nöldeke und Jules Oppert[16] glaubten dagegen, dass die Kassiten die Kissianer der griechischen Autoren wie Aeschylus und Herodot waren, die in der Susania siedelten. Auch Brinton wollte Herodots Kissia und die Kossäer mit den Kassiten in Verbindung bringen.

Hugo Winckler[17] und Georg Hüsing[18] wollten die Kassiten mit den Elamiten und Medern identifizieren, eine These, die linguistisch nicht zu halten ist[19].

Herrscher der Kassiten

Einzelnachweise

  1. W. Eilers, Geographische Namengebung in und um Iran (München, Beck 1982), 37
  2. W. Sommerfeld, The Kassites of Ancient Mesopotamia: Origins, Politics, and Culture. In: J. M. Sasson (Hrsg.), Civilizations of the Ancient Near East Bd. 2 (New York, 1995), 917
  3. W. de Smet, Kashshu in Old-Babylonian Documents. Akkadica 68, 1990, 11
  4. Amanda H. Podany, The Land of Ḫana. Kings, chronology and scribal tradition. Bethesda, CDL-Press 2002, 49
  5. Amanda H. Podany, The Land of Ḫana. Kings, chronology and scribal tradition. Bethesda, CDL-Press 2002, 50
  6. Marlies Heinz, Vorderasiatische Altertumskunde. Tübingen, Günter Narr 2009, 178
  7. J. A. Brinkman: Stichwort Kassiten (Kaššū); in: Reallexikon der Assyriologie
  8. G. Buccellati, Terqa, an introduction to the site. 1983
  9. Marlies Heinz, Vorderasiatische Altertumskunde. Tübingen, Günter Narr 2009, 180
  10. 10,0 10,1 Robert D. Biggs, A Letter from Kassite Nippur. Journal of Cuneiform Studies 19/4, 1965, 95
  11. Kathryn E. Slanski: Classification, historiography and monumental Authority. S. 99.
  12. Robert D. Biggs, A Letter from Kassite Nippur. Journal of Cuneiform Studies 19/4, 1965, 97
  13. Ran Zadok: The Ethno-Linguistic Character of Northwestern Iran and Kurdistan in the Neo-Assyrian Period. Iran 40, 2002, 90
  14. Friedrich Delitzsch: Die Sprache der Kossäer: Linguistisch-historische Funde und Fragen; Leipzig 1884
  15. Zeitschrift für Assyriologie VII, 328ff; Zwei Hauptprobleme der altorientalischen Chronologie und ihre Lösung, Leipzig, Pfeiffer 1898, S. 211f., [1]
  16. Zeitschrift für Assyriologie III 421ff., V 106f.
  17. H. Winckler, Geschichte Babyloniens, 78
  18. Der Zagros und seine Völker: Eine archäologische-ethnographische Skizze, Der Alte Orient, 9,3-4 (Leipzig 1908), 23
  19. Daniel T. Potts, Elamites and Kassites in the Persian Gulf. Journal Near Eastern Studies 65/2, 2006, 114

Literatur

  • Michael C. Astour: The Name of the Ninth Kassite Ruler; in: Journal of the American Oriental Society 106/2 (1986), S. 327–331
  • F. Baffi Guardata, R. Dolce: Archeologia della Mesopotamia. L'età cassita e medioassiria; Rom: Bretschneider, 1990; ISBN 88-7689-037-8.
  • K. Balkan, Kassitenstudien 1: Die Sprache der Kassiten (New Haven 1954).
  • J. A. Brinkman: Materials and Studies for Kassite History, Bd. 1; Chicago: Oriental Institute: 1976
  • J. A. Brinkman: Stichwort Kassiten (Kaššū); in: Reallexikon Assyriologie
  • Daniel G. Brinton, The Protohistoric Ethnography of Western Asia. Proceedings of the American Philosophical Society 34/147, 1895, 71-102.
  • Franz Delitzsch: Die Sprache der Kossäer: Linguistisch-historische Funde und Fragen; Leipzig 1884
  • W. Eilers: Geographische Namengebung in und um Iran; München 1982.
  • Marlies Heinz: Migration und Assimilation im 2. Jt. v. Chr.: Die Kassiten. In: Karin Bartl, Reinhard Bernbeck, Marlies Heinz (Hrsg.), Zwischen Euphrat und Indus: Aktuelle Forschungsproblem in der vorderasiatischen Archaologie. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1995, 165-175.
  • M. Hölscher, Die Personennamen der kassitenzeitlichen Texte aus Nippur. Imgula 1, Münster 1996.
  • G. Hüsing: Der Zagros und seine Völker: Eine archäologische-ethnographische Skizze; Leipzig 1908.
  • K. Jaritz, Quellen zur Geschichte der Kassu-Dynastie. MIO 6, 225ff.
  • D. T. Potts: Elamites and Kassites in the Persian Gulf. JNES 65/2, 2006.
  • J. E. Reade, Kassites and Iranians in Iran. Iran 16, 1978, 137-43.
  • W. Sommerfeld: The Kassites of ancient Mesopotamia: origins, politics, and culture; in J. M. Sasson (Hrsg.): Civilizations of the ancient Near East, Bd. 2; New York, 1995.
  • C. B. F. Walker: Babylonian Chronicle 25: A Chronicle of the Kassite and Isin Dynasties; in G. van Driel et al. (Hrsg.): Zikir Šumim: Assyriological Studies Presented to F. R. Kraus on the occasion of his Seventieth Birthday; 1982.
  • Hugo Winckler, Geschichte Babyloniens und Assyriens. Völker und Staaten des alten Orients 1. Leipzig, E. Pfeiffer 1892.

Weblinks

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