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Karl Plagge

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Karl Plagge (ca. 1943)
Büste von Karl Plagge
auf dem Schulhof des Ludwig-Georgs-Gymnasiums
Inschrift und Bronzegedenktafel von Ariel Auslender[1] im Eingangsbereich der Major-Karl-Plagge-Kaserne bei Darmstadt.
Pearl Good, von Karl Plagge gerettet, zeigt auf den Namen Plagges an der Wand der Gerechten im Yad Vashem

Karl Plagge (* 10. Juli 1897 in Darmstadt; † 19. Juni 1957 ebenda) war ein deutscher Offizier der Wehrmacht, der während des Zweiten Weltkrieges mindestens 250 ihm zugewiesene jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in dem Ghetto Vilnius des Nationalsozialismus bewahrte.

Sein Einsatz als Judenretter wurde erst über 40 Jahre nach seinem Tod umfänglich dokumentiert und führte 2004 zur Ehrung als Gerechter unter den Völkern.

Leben

Karl Plagge wurde 1897 als Sohn des Darmstädter Arztes Theoderich Plagge (1862–1904) und seiner Frau Mareike geb. Bechtold geboren. Er besuchte des Ludwig-Georgs-Gymnasium und wurde nach dem Abitur 1916 zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen. Er war bei den Schlachten in Verdun, an der Somme und in Flandern eingesetzt. Er geriet in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1919 nach Darmstadt zurückkehrte. Ab dem Wintersemester 1919/20 studierte er bis 1924 Maschinenbau an der TH Darmstadt. Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Wirtschaft absolvierte er eine Ausbildung in medizinischer Chemie, bevor er 1934 als beratender Ingenieur bei der Maschinenfabrik Hessenwerke in Darmstadt angestellt wurde.

Er war von 1931 bis 1939 NSDAP-Mitglied.[2] Plagge erkannte nach und nach, dass das NS-Regime in verbrecherischer Weise zum Kriege hetzte. Es kam zu Streitigkeiten mit dem Kreisschulungsleiter. Schließlich trat er aus der NSDAP aus. Im September 1939 wurde er als Ingenieuroffizier zur Wehrmacht eingezogen. Als Major war Plagge ab 1941 der Leiter des Heereskraftfahrparks (HKP) 562 Ost im litauischen Wilna (Vilnius).

Dank seiner stetigen Bemühungen, Juden in sein Arbeitslager zu holen und auch die Familien zusammenzuhalten, konnten ca. 250 von über 1000 inhaftierten Juden den Holocaust überleben. Er erkannte rechtzeitig, dass die Juden nur gerettet werden konnten, wenn sie unentbehrliche Arbeitsleistungen erbrachten. So ging die Gründung eines Arbeitslagers auf seine Initiative zurück und auch die Ansiedlung von privaten Textilfirmen, um Arbeitsplätze für die Frauen zu schaffen. In den Lagern wurden auch völlig ungebildete Arbeiter als „kriegswichtig“ eingestuft, was sie vor dem Zugriff der SS bewahrte.

Zwei Wochen bevor Vilnius während der sowjetischen Sommeroffensive Operation Bagration durch die Rote Armee zurückerobert wurde, warnte Plagge in Anwesenheit des zu seiner Ablösung vorgesehenen SS-Kommandeurs die Zwangsarbeiter in einer Ansprache am 1. Juli 1944 vor der bevorstehenden Übernahme des Lagers durch die SS am darauffolgenden Tag. Einigen Häftlingen gelang unmittelbar darauf die Flucht aus dem Lager. Etwa 500 Häftlinge konnten sich nicht rechtzeitig verstecken und wurden von der SS am 3. Juli 1944 in Aukštieji Paneriai (polnisch Ponary) erschossen. Weitere Häftlinge wurden bei der Liquidation des Lagers durch die SS entdeckt und ermordet. Etwa 250 Menschen gelang es aufgrund von Plagges Warnung jedoch, bis zur endgültigen Besetzung des von Adolf Hitler zum „Festen Platz“ erklärten Vilnius durch die Rote Armee in selbst vorbereiteten Verstecken zu überleben[3]. Er ließ sich im Entnazifizierungsverfahren auf eigenen Wunsch als Mitläufer einstufen, obwohl er von der Spruchkammer als Entlasteter eingestuft werden sollte.

Wie auch Oskar Schindler machte er sich bis zu seinem Tod Vorwürfe, zu wenige Menschen gerettet zu haben. Am 19. Juni 1957 starb Karl Plagge in Darmstadt an Herzversagen. Er wurde auf dem Alten Friedhof in Darmstadt beerdigt. Karl Plagge war seit 1933 mit Anke Madsen (1905–1987) verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.

Ehrungen

Auf die Initiative von Überlebenden und deren Nachkommen unter Federführung des US-Amerikaners Michael Good wurde Plagge am 11. April 2005 der Ehrentitel Gerechter unter den Völkern zuteil. Anträge auf diese Ehrung in den Jahren 2000 und 2002 waren mangels Beweisen abgelehnt worden.

Am 24. Januar 2008 wurde er von der Carnegie Stiftung für Lebensretter Deutschland mit der Lebensrettermedaille geehrt.[4]

Ehrungen in Darmstadt und Umgebung:

  • Vor dem früheren Senatssaal der Technischen Universität Darmstadt im Alten Hauptgebäude in der Hochschulstrasse erinnert seit dem 18. Juni 2003 eine Gedenktafel und im Knell-Gelände (Stadt Darmstadt) eine Straße an ihn.
Gedenktafel für Karl Plagge vor dem früheren Senatssaal der TU Darmstadt, Altes Hauptgebäude

Karl Plagge Award

Der Karl Plagge Award ist ein Preis – gestiftet von Nachkommen der Familie von Karl Plagge – für Schulklassen in Litauen, die sich in über das im Lehrplan vorgesehene Maß hinaus mit der jüdisch-litauischen Vergangenheit beschäftigt haben. Der Preis wird jährlich vergeben und wird vom litauischen Kultusministerium unterstützt.[5]

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 8; C.H.Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57237-1.
  • Michael Good: Die Suche. Karl Plagge, der Wehrmachtsoffizier, der Juden rettete. Aus dem Englischen von Jörg Fiebelkorn. Beltz, Weinheim 2006, ISBN 3-407-85773-X.
  • Marianne Viefhaus: Zivilcourage in der Zeit des Holocaust. Karl Plagge aus Darmstadt, ein „Gerechter unter den Völkern“. Hrsg. Darmstädter Geschichtswerkstatt und Magistrat der Stadt Darmstadt, Darmstadt 2005, ISBN 3-00-016036-1.
  • Marianne Viefhaus: Für eine Gemeinschaft der „Einsamen unter ihren Völkern“. Major Karl Plagge und der Heereskraftfahrpark 562 in Wilna. In: Wolfram Wette (Hrsg.): Zivilcourage. Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-15852-4, S. 97–113.
  • Kim Priemel: Am Rande des Holocaust – Die Rettung von Juden durch Wehrmachtangehörige in Vilnius. In: ZfG. 52, H. 11, 2004, S. 1017–1034.
  • Wolfram Wette: Karl Plagge Judenretter in Uniform. Ein Gerechter unter den Völkern. In: IFDT. 2/2006. (online)
  • Karl Plagge erhielt Ehrung „Gerechter unter den Völkern“. Kranzniederlegung an seinem Grab durch die Stadt Darmstadt. [1]
  • Simon Malkès: Der Gerechte aus der Wehrmacht. Das Überleben der Familie Malkès in Wilna und die Suche nach Karl Plagge. Metropol, Berlin 2014, ISBN 978-3-86331-185-8.

Film

  • Im Schatten des Krieges. Geschichten von Opfern, Tätern und Rettern. Dokumentation, 45 Min., History, Produktion: ZDF, Erstsendung: 29. Juli 2007, Inhaltsangabe des ZDF

Einzelnachweise

  1. Paul-Hermann Gruner: Ein neuer Name für die Frankenstein-Kaserne, 24. Februar 2011.
  2. NSDAP-Mitglied von 1931 bis 1939 nach isurvived.org
  3. Benz, Distel: Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 8, ISBN 978-3-406-57237-1, S. 227-228
  4. hr-online: Major Plagge posthum geehrt
  5. http://plagge-award.com/3.html

Weblinks

 Commons: Karl Plagge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Wanderausstellung zu Karl Plagge – Bericht im Darmstädter Echo (10. September 2007) über die für Schulen konzipierte Ausstellung „Karl Plagge – Ein Gerechter unter den Völkern“ der Darmstädter Geschichtswerkstatt e. V.
  • Darmstädter Geschichtswerkstatt e. V. – Homepage der Darmstädter Geschichtswerkstatt e. V. mit aktuellen Informationen zum Plagge-Projekt, der Wanderausstellung für Schulen und weiteren Veranstaltungen
  • The Search for Major Plagge (englisch, auch Abschriften deutschsprachiger Dokumente)
  • Karl Plagge Award – Ein Preis für Schüler aus Litauen, die sich mit der jüdischen Geschichte auseinandersetzen
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Karl Plagge aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.