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Kanzlerbungalow

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Kanzlerbungalow 1979…
…und 2012
Rheinblick mit Panzerglasfront
Blick auf die Rückseite aus dem Park
Bundeskanzler Brandt empfängt Schauspieler im Kanzlerbungalow (1971)
Bernhard Heiliger: Figurenbaum (1957–58) im Park des Kanzlerbungalows
Im Vordergrund die Sitzgruppe mit Eames-Lobby-Chairs; im Hintergrund das rekonstruierte, sogenannte Kanzlersofa von Sep Ruf

Als Kanzlerbungalow wird das ehemalige Wohn- und Empfangsgebäude des deutschen Bundeskanzlers in Bonn bezeichnet. Es wurde von 1964 bis 1999 zu diesem Zweck genutzt. Der Bungalow befindet sich im Park zwischen dem ehemaligen Bundeskanzleramt (heutiges Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und dem Palais Schaumburg, dem Bonner Dienstsitz des Bundeskanzlers. Es steht in etwa an der Stelle der ehemaligen Villa Selve, die 1955 abgerissen wurde.[1]

Das Gebäude gilt als bedeutendes Beispiel der 1960er-Jahre-Architektur mit Traditionen bis zurück in die 1920er-Jahre und steht seit 2001 unter Denkmalschutz.[2] Außerdem ist es Teil des Wegs der Demokratie.

Baugeschichte

Der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard gab – noch in seiner Funktion als Wirtschaftsminister – die Residenz als Symbol weltoffener und moderner Gesinnung der Bundesrepublik Deutschland in Auftrag. Sein Vorgänger, Konrad Adenauer, war täglich von seinem Privathaus in Rhöndorf nach Bonn gekommen. Der Architekt Sep Ruf, der mit Erhard befreundet war und bereits dessen Privathaus erbaut hatte, wurde 1963 beauftragt, ein repräsentatives und modernes Gebäude in der Tradition der klassischen Moderne im Park des damaligen Bundeskanzleramts, des Palais Schaumburg, zu errichten.[3] Der Bau (ca. 1963–1966) gilt als herausragendes Beispiel westdeutscher Nachkriegsarchitektur. Die Baukosten betrugen rund zwei Millionen Deutsche Mark.[4]

Der beabsichtigte Eindruck der Schwerelosigkeit führte zu einem Entwurf, der auf einer Stahlskelettkonstruktion mit Punktstützen und Flachdach beruhte. Es handelt sich um zwei gegeneinander versetzte Quadrate mit 24 m × 24 m und 20 m × 20 m Außenlänge, die jeweils über einen 8 m × 8 m großen Atriumhof verfügen.

Das größere Quadrat ist den Repräsentationsfunktionen vorbehalten. Es verfügt neben der Eingangs- und Empfangshalle über ein Arbeitszimmer, einen großen Empfangsraum, einen Speiseraum, die Küche sowie ein Familienesszimmer, das zum Wohn- und Schlaftrakt überleitet.

Die Raumkonstruktion ist variabel und erlaubt Durchblicke. Schiebe- und Versenkwände machen flexible Raumkombinationen möglich. So können beispielsweise ein Musikzimmer und eine Kamindiele abgetrennt werden.

Die Kanzler- und Gattin-Schlafräume im Wohnquadrat sind spiegelbildlich und haben jeweils Ankleide, Arbeitsecke, Schlafraum und Bad. Sie ziehen sich U-förmig um das Schlaf-Atrium mit Schwimmbassin. Weiterhin sind dort drei Dienstbotenzimmer mit Teeküche, zwei Gästezimmer, ein privater Wohnraum und der Personalaufenthaltsraum am Übergang zur Küche untergebracht.

Im Zuge der verschärften Sicherheitsmaßnahmen während der Bedrohung durch die RAF wurde 1977 eine Panzerglasfront vor die Terrasse gesetzt; diese sollte einen womöglichen Beschuss vom rechtsrheinischen Ufer aus abwehren.

Die Materialien sind dem Zeitgeist entsprechend edel und schlicht. Fußböden und Terrassen sind in Travertin gefliest, die Decken mit brasilianischer Kiefer abgehängt. Die Ausstattung, die Ruf auch bei den Möbeln – zum Beispiel bei dem Entwurf von Lampen mit Leinengewebe, Pergament oder Japanrinde und Tischen aus Glas und Metall – maßgeblich gestaltete, wurde durch die verschiedenen Bewohner verändert und ergänzt.[5][6]

Nutzungsgeschichte

Der damals amtierende Bundesschatzminister Werner Dollinger übergab am 12. November 1964 den Schlüssel an Ludwig Erhard. In seiner Ansprache bekennt sich dieser zur Architektur des Gebäudes:

„Sie sehen hier das Haus so gebaut [...] in der Ausstattung, in der Anordnung, wie es dem Wesen meiner Frau und mir gemäß ist.[7]

Die Einstellung der Bundeskanzler zum Gebäude war unterschiedlich. Bundeskanzler Adenauer wird folgender Ausspruch zugeschrieben:

„Ich weiß nicht, welcher Architekt den Bungalow gebaut hat, aber der verdient zehn Jahre.[8]

Während Auftraggeber Erhard den Bau lobte, bemängelte sein Nachfolger Kurt Georg Kiesinger fehlende Behaglichkeit. Er ließ durch die Innenarchitektin Herta-Maria Witzemann mittelalterliche Kunstwerke und Stilmöbel aufstellen. Willy Brandt blieb in seiner Außenminister-Dienstvilla (Kiefernweg 12) und nutzte den Bungalow nur für repräsentative Zwecke wie beispielsweise Empfänge. Helmut Schmidt wohnte acht Jahre dort. Für die private Nutzung zahlten die Bundeskanzler jeweils Miete an den Bund.

Am längsten bewohnte Helmut Kohl den Kanzlerbungalow: beinahe 17 Jahre von 1982 bis zum 30. September 1999. Sein Amtsnachfolger Gerhard Schröder (Wahl zum Bundeskanzler am 27. Oktober 1998) zog auf Grund des nahenden Umzuges nach Berlin nicht in den Kanzlerbungalow ein und ließ weiterhin Helmut Kohl dort wohnen. Dieser bezeichnete den Bungalow als „absurdes Bauwerk – im Sinne einer Wohnung eines Bundeskanzlers“.[9] Diese Kritik bezog sich auf den privat genutzten Teil, der sehr eng und wenig komfortabel ausfiel. Kohl änderte – wie mehr oder weniger alle auf Erhard folgenden Hausherren – die Räume nach seinem persönlichen Geschmack. Er ließ Seidenstoff über die Klinkerwände ziehen, einen Halogen-Sternenhimmel im Esszimmer installieren und dort einen großen Perserteppich auslegen. Schröder überließ Kohl bis zum Regierungsumzug den privaten Schlafteil des Bungalows und nutzte nur sporadisch den Repräsentationsteil.[10][11][12]

Derzeitige Nutzung

Seit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin 1999 steht das Gebäude leer; Bundeskanzlerin Angela Merkel hat allerdings im zum Gelände gehörenden Palais Schaumburg ihren Zweitsitz für Aufenthalte in Bonn eingerichtet. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zog Ende 2005 in das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende, frühere Bundeskanzleramt und dessen Erweiterungsbauten, jedoch nicht in den Kanzlerbungalow, da dieser sich nicht für die Nutzung durch das Ministerium eignet. 2003 wurde der Bungalow kurzzeitig für einige Sendungen des TV-Politmagazins Kanzlerbungalow des WDR genutzt.

In Berlin war eigentlich vorgesehen, im so genannten Kanzlergarten des neuen Kanzleramtes wiederum eine Kanzlerresidenz zu errichten. Dazu kam es aus Kostengründen nicht. Stattdessen gibt es dort nur eine kleine Wohnung im obersten Stock des Mittelbaus, die von Gerhard Schröder nur in der Woche benutzt wurde. Angela Merkel wohnt weiterhin in ihrer Privatwohnung in Berlin-Mitte.

Zwischen 2007 und 2009 sanierte und restaurierte die Wüstenrot Stiftung den Kanzlerbungalow.[13] Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland richtete eine kleine Dauerausstellung ein und bietet Gruppenführungen an. Darüber hinaus wird das Gebäude für Veranstaltungen, wie Lesungen und Konzerte, genutzt.[14]

Kanzlerbungalow aus der Vogelperspektive

Beitrag auf der Biennale in Venedig

2014 war der Kanzlerbungalow zentraler Teil des deutschen Beitrags der 14. Architekturbiennale in Venedig. Er wurde von dem Schweizer Architektenduo Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis als einziger Beitrag 1:1 in den deutschen Pavillon eingebaut.[15] Als zentrales Möbelstück des Ausstellungsbeitrags diente das von Ruf entworfene, sogenannte Kanzlersofa, das mittlerweile in Kleinstserie wieder hergestellt wird.[16][17][18][19][20]

Literatur

  • Sep Ruf. Kanzlerbungalow, Bonn, Texte: Andreas Schätzke/Joaquín Medina Warmburg, Edition Axel Menges, Stuttgart/London 2009, ISBN 978-3-932565-72-4.
  • Georg Adlbert: Der Kanzlerbungalow. Erhaltung, Instandsetzung, Neunutzung, Krämer, Stuttgart 2010 (2. erw. Aufl.), ISBN 978-3-7828-1536-9.
  • Andreas Denk, Ingeborg Flagge: Architekturführer Bonn. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-496-01150-5, S. 84.
  • Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Kanzlerbungalow, Prestel, München/Berlin/London/New York, NY 2009, ISBN 978-3-7913-5027-1.
  • Burkhard Körner: Der Kanzlerbungalow von Sep Ruf in Bonn. In: Bonner Geschichtsblätter. Band 49/50, Bonn 1999/2000 (2001), ISSN 0068-0052, S. 507–613.

Weblinks

 Commons: Kanzlerbungalow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer: 1819–1914, Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, Band 2, Katalog (1), S. 213–254. (zugleich Dissertation Universität Bonn, 1994)
  2. Denkmalliste der Stadt Bonn (Stand: 15. März 2019), S. 3, Nummer A 3708
  3. Sep Ruf. Kanzlerbungalow, Bonn. Texte: Andreas Schätzke/Joaquín Medina Warmburg, Stuttgart/London 2009
  4. H. Riese: Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers (Kanzler-Bungalow). In: Mathias Schreiber (Hrsg.): Deutsche Architektur nach 1945. 40 Jahre Moderne in der Bundesrepublik. DVA, Frankfurt am Main 1986, S. 73 ff.
  5. Paul Swiridoff: Der Bungalow. Wohn- und Empfangsgebäude für den Bundeskanzler in Bonn. Neske Verlag, Pfullingen 1967 (Text von Erich Steingräber)
  6. Website der Familie Ruf: Sep Ruf Design, abgerufen am 24. April 2017
  7. Haus der Geschichte: Faltblatt Kanzlerbungalow
  8. "Palais Schaumbad" für die Kanzler, WDR-Mediabox, 2009 (Memento vom 18. April 2009 im Internet Archive) im Archiv, abgerufen am 2. Januar 2013
  9. WDR-Doku "Geheimnisvolle Orte - Kanzlerbungalow", gesendet in der ARD am 3. Februar 2014
  10. Brennt nicht mal. In: Der Spiegel. Nr. 3, 1967, S. 20 (9. Januar 1967, online).
  11. http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3964/wo_sich_die_kanzler_quaelten.html
  12. Süddeutsche Zeitung 16. April 2009
  13. Georg Adlbert, Der Kanzlerbungalow. Erhaltung, Instandsetzung, Neunutzung, Stuttgart/Zürich 2009
  14. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Wüstenrot-Stiftung (Hrsg.): Kanzlerbungalow, München/Berlin/London/New York, NY 2009
  15. bungalowgermania.de
  16. Thomas Kliemann: Das Wohnzimmer der Republik in General-Anzeiger vom 6. Juni 2014, abgerufen am 24. April 2017
  17. Frank Kaltenbach: Mehrdeutiger Hybrid: Bungalow Germania auf der Biennale in Venedig, in Detail vom 5. Juni 2014, abgerufen am 24. April 2017
  18. Claudia Bousset: Möbel mit Geschichte: das Sofa der Bundeskanzler vom 11. August 2015, abgerufen am 24. April 2017
  19. Website des Herstellers: Das Kanzlersofa, abgerufen am 24. April 2017
  20. Lokalzeit: Das Kanzlersofa auf der 14. Architekturbiennale in Venedig vom 11. Juni 2014, abgerufen am 24. April 2017
50.7214611111117.1179138888889
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