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Kalktuff

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Dieser Artikel befasst sich mit Kalktuff. Zu den verwandten Begriffen (Kalk-)Sinter, Travertin und Onyxmarmor siehe dort.
Moos, von frisch ausgefälltem Kalk umkrustet, wächst auf dieser Unterlage weiter

Kalktuff, auch Quellkalk, Quelltuff oder Bachtuff genannt, ist ein noch junges, poröses, sekundäres Sediment. Es handelt sich um sekundäres Gestein, weil primäre Kalksedimente eines Erdzeitalters nach chemischer Kohlensäure-Lösungsverwitterung und Ausfällung erneut sedimentiert wurden.

In Europa kommt diese Art von Kalkgestein im Falle begünstigender Umstände in Karstgebieten der humiden, gemäßigten Warmklimazone vor. Besonders bekannt und untersucht sind in Deutschland einige Vorkommen auf der und am Rand der Schwäbischen und der Fränkischen Alb sowie im Alpenvorland.

Abgrenzung

Das Seeburger Kraftwerk (erbaut 1920) zeigt mit seiner Fugengestaltung und Steinsichtigkeit ein typisches Erscheinungsbild von Häusern im Gebiet von Seeburg, in dem der Seeburger Kalktuff gebrochen und verbaut wurde.

In Europa (z. B. in Italien) gibt es noch „thermogene Travertine“[1], deren Kohlendioxyd (CO2) die jedoch aus thermalen Prozessen in oder unter der Erdkruste stammen. Das Quellwasser sprudelt unter hohem CO2-Druck den im Wasser gelösten Kalk in die Atmosphäre, wo der Kalk auf die bekannte chemische Art wieder ausfällt.

Der ähnliche, „invasiv“[1] chemische Prozess, bildet zwar auch das Kalksediment – allerdings im Oberflächenwasser und nicht an der Atmosphäre – wird aber in Europa nicht angetroffen. Vgl. dazu weiter unten den Abschnitt „Abgrenzung der vielfältigen Bezeichnungen für ausgefällten Kalk“.

Als Kalktuffe werden „stark poröse bis kavernöse und wechselnd verfestigte, nicht marine Karbonatgesteine“[2] bezeichnet. Begriffsverwirrung entsteht, wenn der Begriff Kalksinter und seine Unterbegriffe Kalktuff und Travertin synonym verwendet werden.

Kalktuffe haben keine deutliche Schichtung, zeigen teilweise gleichförmige Oberflächen, weisen partiell auch große Hohlräume auf und enthalten teilweise versteinerte Pflanzen und Kleintiere, wie Schnecken. Kalktuffe bilden mitunter blumenkohlartige Oberflächenstrukturen aus und sind nicht gebändert. Sie liegen häufig in gelockerter und nur teilweise verfestigter Form vor, so können sie nicht poliert werden. In bruchfeuchtem Zustand können sie mit Handsägen oder Messern geformt werden und härten danach aus.[2]

Im Gegensatz dazu sind Travertine deutlich geschichtet, fest und polierfähig. Werden sie gegen ihre Lagerrichtung gesägt, zeigt ihr Schnitt eine deutliche Bänderung. Im natursteinverarbeitenden Gewerk in Deutschland wird ein Kalktuff als Travertin bezeichnet, sofern er fest und polierfähig ist. Er kann nicht mit einem Messer geformt werden. Ein solcher Naturstein ist etwa der Gauinger Travertin.

Zu Missverständnissen gibt oft Anlass, dass es auch vulkanische Tuffe gibt. Diese sind im Gegensatz zu den Kalktuffen schwach verfestigte vulkanische Aschen. Alle oben genannten Gesteine zählen zu den Weichgesteinen.

Vor der Entstehung

Verkarstung

Bei der Verkarstung laufen neben Prozessen physikalischer Verwitterung vorrangig chemische Prozesse der Kohlensäureverwitterung ab. Kohlensäurehaltiges Wasser nimmt im spröden Kalkgestein (Kalkstein, Kreide, Marmor und andere Calciumcarbonate) eines mehr oder weniger entwickelten Karstsystems die Karbonate bis zur Sättigung in Lösung. Gerät der gelöst transportierte Kalk unter andere Umgebungsbedingungen, kann er durch chemische Ausfällung erneut abgelagert werden. Die beiden Vorgänge können als zwei verschiedene Gleichgewichtszustände eines umkehrbaren chemischen Prozesses angesehen werden (vgl. dazu Calciumhydrogencarbonat).

Ausfällung des gelösten Kalks

Wechselwirkungen von Karstwasser und Kohlenstoffdioxid – unterirdisch oder beim Wiederaustritt an die Oberfläche – können den Prozess des Ausfällens von Kalk auslösen. Vor allem in Karst-Höhlen und nach Karstquellen können beachtliche Kalkmengen sedimentieren, indem der gelöste Kalk unter verschiedenen chemischen und physikalischen Bedingungskonstellationen wieder ausfällt. Die Produkte dieser sekundären Sedimentierung werden in den Geologien zu den Sintern gerechnet.

Entstehung von Kalktuff

Flächiges Durchnässen und Moos-Assimilation aus dem Karstwasser begünstigen Ausfällung und Ablagerung

Die Ablagerung von Kalk als Kalktuff entsteht vornehmlich hinter kalten Schichtquellen (Kalktuffquellen) im Karst. Solche Ablagerungen gibt es in einigen Karstgebieten der humiden, gemäßigten Warmklimazone seit der letzten Warmzeit (siehe Würmeiszeit) und auch gegenwärtig noch. Ob es zu Ausfällung von Kalk aus Karstwasser kommen kann und in welchen Mengen, hängt allgemein von den klimatischen und geologischen Bedingungen ab, besonders von weiteren physikalischen und chemischen Bedingungskonstellationen, die regional oder lokal vorliegen müssen. Die günstigsten klimatischen Bedingungen bestanden während der rund zweitausend Jahre des postglaziären Atlantikums. In dieser Zeit (vor ca. 8000–6000 Jahren) lagen die durchschnittlichen Temperaturen in Mitteleuropa ca. 2 Grad höher als heute, und es war damals niederschlagsreicher. Liegen diese allgemeinen Voraussetzungen vor, gehören zu den notwendigen Bedingungen für das Ausfällen noch die folgenden Faktoren:

  • eine relativ geringe Schüttung der jeweiligen Quelle,
  • eine relativ große Verdunstungsoberfläche,
  • ein günstiger Korridor der Wassertemperaturen,
  • eine Veränderung der Druckverhältnisse und
  • bestimmte Ionenkonzentrationen.

Wenn Karstwasser über Moosteppiche, Algenteppiche oder Kolonien von Cyanobakterien fließt, kann eine größere Kalkmenge ausgefällt werden, wenn die Organismen für ihre Assimilation (Photosynthese) dem Karstwasser Kohlenstoffdioxid entziehen. Cyanobakterien, früher den Blaualgen zugerechnet, besitzen wie Moose und Algen die Fähigkeit zur Photosynthese, also zur Aufnahme von CO2.[3] Durch den Entzug von Kohlenstoffdioxid steigt der pH-Wert des Wassers und die Löslichkeit von Kalk sinkt, der Kalk fällt aus.[4] Die Kalksedimente können mit Raten von 0,01 mm/Jahr bei anorganischer und bis zu 20 mm/Jahr bei organisch mitinduzierter Ausfällung wachsen.[5]

Der ausgefällte Kalk legt sich als feinkristalline Kruste um alles relativ ruhende Kleinmaterial (Sand, Steinchen, Zweige, Blätter, Farne, Moose, Algenschleim). Es entstehen durch Übergussschichtung nach oben und vorne wachsende Gebilde oder Polster an kleinen Wasserfällen oder Stufen in Bachterrassen. Moose wachsen über ihren sich verkrustenden Teil frisch hinaus und wirken dabei wie kleine Reusen und bilden ein tragendes Gerüst. So können auch größere, fragile Gehänge („Nasen“) entstehen. Biotische Verunreinigungen aus Algen und Bakterien bilden relativ feine Strukturen. Die Strukturen sind poröser und leichter, wenn Moose der Fließenergie widerstehen konnten. Dieser Kalktuff ist oft noch feucht und von bröseliger Konsistenz. In den günstigsten Zeiten war er schon nach wenigen Jahrhunderten zu mächtigen Gebilden, so genannten „Kalktuffbarren“ (siehe unten: "Besondere Erscheinungsfaktoren") herangewachsen.

Abgrenzung der vielfältigen Bezeichnungen für ausgefällten Kalk

Die festen Sedimente werden oft – auch bei ähnlicher Morphologie – unterschiedlich als Kalksinter, Travertin und Kalktuff bezeichnet; die Begriffe werden sogar synonym verwendet. Unter die allgemeinere Bezeichnung Sinter sind dagegen auch solche Materialien subsumiert, die man nicht zu den geologisch bestimmten Erscheinungen zählt (z. B. Mauersinter und Kesselstein), oder auch solche, die sich unter wesentlicher Beteiligung anderer Elemente bilden. (z. B. Kiesel- oder Schwefelsinter). Zur Bezeichnung der geologischen Erscheinungen im Karst kommen noch regionale, länderspezifische oder sprachbezogene Verwendungen, die sich bei lokalem Vorkommen historisch ergeben haben, so etwa auch die regionale Bezeichnung „Duckstein“ im östlichen Niedersachsen. Zu einer genaueren Abgrenzung ist die Bezeichnung Kalktuff nützlich (wenngleich „tuff“ als vulkanische Erscheinung eher irreführend). Im deutschsprachigen Raum und der deutschsprachigen Literatur ist sie immer noch gebräuchlich – wohl auch wegen des relativ häufigen Vorkommens und der guten wissenschaftlichen Kartierung dieser Karsterscheinung. Vgl. die wissenschaftlichen und umweltpolitischen Kartierungen als Geotope. Einheitlichkeit in der Bezeichnung hat sich auch in den Geologien bisher nicht durchgesetzt.[6]

Kalktuff, Travertin und Kalksinter können nach ihrem sinkenden Anteil an freiem und gebundenem Wasser unterschieden werden. Sie lassen sich weiter unterscheiden nach ihrer Dichte, bzw. Porosität (durch Fremdkörper) und nach ihrer Festigkeit (durch Austrocknung und Eigendruck).

Kalksinter kann als Substanz hoher Reinheit und/oder dichter Schichtung angesehen werden, wie etwa die Tropfsteine in Höhlen. Travertin ist das durch abiotische, ggf. auch biotische „Verunreinigungen“ mehr oder weniger porös bleibende, durch ständige Schichtung und damit steigendem Eigendruck und abnehmender Feuchtigkeit veränderte Sediment. Solche Prozesse bezeichnet man als Diagenese.

Türme am Mono Lake, Tufa (Kalifornien) – kein Kalktuff

Tufa, der im amerikanischen gebräuchliche Oberbegriff, der auch gerne mit Kalktuff übersetzt wird, ist kein Kalktuff! Die z. B. im Mono Lake in den Uferbereichen stehenden „Tufa columns“ sind Türme, die unterirdisch im alkalischen Wasser (salzhaltigem Wasser) durch Mischung mit Ca-reichen Grundwasser entstanden sind, sind ein völlig anders entstandes Material als hier beschrieben.

Nachdem Kalifornien dem ganzen Land große Mengen Wasser bis hin zum Mono Lake Becken zur Trinkwassergewinnung dauerhaft entnahm, sank der Wasserspiegel des Mono Lake so sehr, dass die Türme aus ihm hervor ragten. Der englische Wissenschaftler A. Pentecost[1], Experte sämtlicher karbonathaltigen Sedimente weltweit, meint zu Mono Lake tufa: „Diese Formation entsteht nicht aus evaporiertem Kohlendioxyd (CO2), genau genommen sind solche Ablagerungen keine Travertine,[7] sondern werden wegen ihrer Ähnlichkeit den epigenen Erscheinungsformen zugerechnet.“

Versteinerter Kalktuff: Baumaterial

Unteres Schlosstor, Schloss Hohentübingen, Kalktuffquader von 1606 (vermutlich entweder Gönninger Kalktuff oder Honauer Kalktuff)
400 Jahre alte Mauersteine aus Kalktuff

Kalktuff im ausgehärteten Zustand wurde seit Jahrhunderten und bis ins 20. Jahrhundert hinein als hochwertiges Baumaterial genutzt: es ist leicht, bleibt witterungsbeständig, abriebfest, ist gut isolierend und feuerbeständig. Die Gewinnung im Steinbruch war arbeitstechnisch leicht – im relativ frischem Zustand (bruchfrisch) können poröse Quader auch leicht gesägt und bearbeitet werden. Sie härten anschließend weiter aus. Zahlreiche aufgelassene Steinbrüche und die lokale Verbauung belegen seine lokale wirtschaftliche Bedeutung. Vor allem als lokal vorkommender Baustein wurde Kalktuff bei ausreichender materialspezifischer Belastbarkeit und Witterungsbeständigkeit an vielen repräsentativen Gebäuden, wie in Baden-Württemberg dem Tübinger Unteren Schlosstor (errichtet 1606) und in Bayern bei der Burghauser Burg vom 13. Jh. an fast als einziges Baumaterial verwendet; auch die meisten Kirchen, Klöster und älteren Gebäude der Stadt Burghausen und vieler ähnlicher Städte im Voralpengebiet bestehen aus Kalktuff. Bei anderen Gebäuden wie dem Ulmer Münster und dem alten Stuttgarter Schloss wurde in kleinen Mengen Kalktuff verbaut, in Stuttgart im 20. Jh. bei Ausbesserungsarbeiten.[8]

Vorkommen

„Eselstrog“ am Fuß der Ludolfsklinge bei Mosbach-Diedesheim an der Bundesstraße 37

In Nebentälern, Talfüllungen oder amphitheaterähnlichen Talabschlüssen des Albtraufs und der Fränkischen Alb,[9] in der Eifel, dem Alpenvorland, sowie in den Kalkalpen finden sich frische und alte Ablagerungen von Kalktuff, die älteren schon vollständig zu Gestein ausgehärtet. Ein rezentes Kalktuffvorkommen existiert am Eingang zur Ludolfsklinge bei Diedesheim am Neckar.[10]

Zu Vorkommen (z. B. in Frankreich, in England, in den Dinarischen Alpen oder in Indiana (USA)) oder Quellkalken ganz andersartiger Verhältnisse und Klimazonen (beispielsweise große Kalksinter-Ablagerungen von Thermalquellen in der Türkei und dem Yellowstone-Nationalpark).

Besondere Erscheinungsformen

Kalktuff-Barren

Am Hangfuß des Albtraufs sind an vielen Bächen Kalktuffbarren entstanden. An allen sieben hangseitigen Bächen, die der oberen Fils zwischen Wiesensteig und Geislingen an der Steige zufließen, sind eine oder mehrere ausgedehnte alte, teilweise auch noch aktive Kalktuffablagerungen vorhanden. Herausragend sind die mehrfachen Kalktuffbarren der Echaz, der Wiesaz (ehemalige Gönninger Steinbrüche) und des Rohrbachs bei Geislingen/Steige. Die erste und größte von sieben Kalktuffbarren hinter der Echazquelle ist mit ihren 900×400 m Fläche und einer Dicke von mindestens 24 m die größte Barre der Schwäbischen- und Fränkischen Alb. Im oberen Ermstal (südlich von Bad Urach) gibt es sieben beachtliche Kalktuffbarren, von denen die größte ursprünglich die ganze Breite des Tals bei Seeburg verriegelte und somit den Fischbach zum so genannten Bodenlosen See aufstaute (bis 1821).[11]

Die jeweilige Nähe des hochwertigen Baustoffs solcher Kalktuffbarren war sicher ein Grund für dortige bevorzugte Besiedlung. In einigen Fällen wuchsen die Orte (Honau, Seeburg) und Städte (Altstadt von Geislingen/Steige) direkt auf einer Barre heran. Die Morphologie der Barren ist an aufgeschlossenen Hängen und aufgelassenen Steinbrüchen gut zu erkennen.[12] Die Sedimente erreichen Mächtigkeiten zwischen 5 m und 40 m.[13]

Kalktuff-Nasen, Kalktuff-Polster

Kalktuffnase, Seitenansicht, Gütersteiner Wasserfall. Wasserrinne auf dem Nasenkamm berieselt die Moosummantelung

Diese außergewöhnlichen Gebilde entstehen selten und nur dann, wenn sich an Steilhängen im herabrinnenden Wasser Kalktuff-Moospolster bilden, die bei vermehrter Kalkausfällung nach oben und vorne zu „Nasen“ heranwachsen können. Ist das Gefälle dagegen nicht steil, dominiert die Entwicklung von Kalktuff nach vorne und es entstehen die „Steinernen Rinnen“. Interessante Geotope sind die Nasengebilde Dreimühlen-Wasserfall in der Eifel, der Gütersteiner Wasserfall am Albtrauf des Maisentals südwestlich von Bad Urach und nahe der bayerischen Isar der Wachsende Felsen von Landau/Usterling. Da die Nasen äußerst poröse, aus feuchtem, ungehärtetem Kalk bestehende und daher fragile Gebilde sind, ist beispielsweise die Nase des Neidlinger Wasserfalls vor einem halben Jahrhundert kollabiert und noch nicht wieder hochgewachsen. Große terrassenförmige Schutthalden, die wieder mit alten und frischen Kalktuff- und Moospolstern überzogen sind, liegen unterhalb der Nasen der Wasserfälle (Uracher Wasserfall und der 1,5 km nördlich gelegene Gütersteiner Wasserfall). Sie zeugen von wiederholten Abbrüchen der Nasen. Im Mühltal Seeburgs, dem Quellgebiet der Erms, sind auf einer Strecke von nur 600 m auf dem Hangschutt der Nordflanke des Kerbtals (am Albtrauf wirkt auch die rückschreitende Erosion) sechs gewaltige versteinerte Kalktuffgehänge (in einem Fall ist eine typische Kalktuff-„Nase“ erhalten) zu sehen, die entstanden, als in einem niederschlagsreicheren, weniger kluftigen früheren Karst Quellen noch in Schichten oberhalb der Talsohle zu Tage traten.

Steinerne Rinnen

Die Steinerne Rinne von Erasbach

Selten sind die Geotope der Steinernen Rinnen. Hinter kleinen Quellen an sanften Hängen schlängeln sich schmale Karstwasserrinnsale hinab – allen Unebenheiten des Geländes folgend. Am Saum der Rinnsale wachsen die Moose heran, die in der geschilderten Weise je nach Fließgeschwindigkeit des Rinnsalwassers mehr nach vorne als nach oben ihre Kalkgerüste zu sattelförmigen Dämmen entwickeln. Nach oben wächst in dichter Sinterschichtung die Wasserrinne, die Berieselung der Seiten lässt die Moose zu kalktuffigen Moosgerüsten heranwachsen. Je nach Gefälle und anfallendem Kalksediment werden Hochbetten bis 500 cm und Längen bis 600 m beobachtet. Ihre Entwicklung ist nicht kontinuierlich und nicht sicher. Einige Exemplare sind wegen verantwortungsloser Eingriffe nicht mehr authentisch.

Bei einer Umwelt-Kartierung in Bayern wurden etwa 20 Steinerne Rinnen erfasst.[14] Die bedeutendste Steinerne Rinne in Deutschland ist der etwa 5000 Jahre alte, 40 m lange und ca. 5,5 m hohe „wachsende Felsen von Usterling“; dort befindet sich in der nahen Dorfkirche St. Johannes von Usterling auch ein gotisches Bild, auf dem die Taufe Christi bei dieser Rinne abgebildet ist, ein kulturhistorisches Kuriosum. Ein sehr bedeutendes naturbelassenes Beispiel ist die etwa 80 Meter lange Steinerne Rinne bei Erasbach. Die Rinne folgt dem welligen, leicht geneigten Gelände auf einer alten, flächigen Kalktuffablagerung im aufgelockerten Mischwald.[15] In Baden-Württemberg gibt es eine unscheinbare Steinrinne bei Lenningen (Schwäbische Alb, Landkreis Esslingen) und unterhalb eines ehemaligen Prallhangs der Jagst bei Krautheim (Hohenlohekreis).[16]

Bachterrassen

Fränkische Alb, Bachterrasse bei Eschlipp, „Talbach“ Zufluss zur Wiesent. Auf dem Waldboden wächst Bärlauch

Unterhalb von Kalktuffnasen, auf deren Schutthalden und an durchflussarmen Oberläufen von Bächen der Fränkischen, der Schwäbischen Alb und im gesamten Voralpenland befinden sich zahlreiche, teils unspektakuläre Kleinterrassen aus Kalktuff in treppenartiger Anordnung. Imposant sind die Terrassen in der Fränkischen Schweiz. Ausgeprägte Bachterrassen befinden sich um Seeburg (nahe der Erms-Quelle), oberhalb von Bad Ditzenbach (am Nebenfluss Ditz der Fils) und an der Zwiefalter Ach nach der Wimsener Höhle. Aus einer ganzen Reihe relativ großer Kaskaden mit Wällen aus Kalktuff haben sich die Plitvicer Seen in Kroatien gebildet, ähnlich die Band-e-Amir-Seenkette in Afghanistan. Weltbekannt sind auch die reinweißen Sinterterrassen von Pamukkale, Türkei.

Primärhöhlen/Tuffhöhlen

Bei nach oben und vorne erfolgender Übergussschichtung oder an Abbrüchen von Überhängen entstehen in größeren Kalktuffablagerungen mehr oder weniger große Hohlräume bis hin zu (Halb-)Höhlen. Sind die Hohlräume in den Ablagerungen weitgehend oder vollständig entwickelt, spricht man von so genannten Primärhöhlen oder Tuffhöhlen – primär, weil sie gleichzeitig mit dem Gestein entstanden sind. Da sie nicht entlang dem Lauf eines Wasserweges entstanden sind, werden sie in der Regel nur entdeckt, wenn eine Kalktuffablagerung bricht, sie abgebaut wird oder wenn sonst wie in sie eingegriffen wird, wie bei der Olgahöhle.

Kalktuffbildung mit Höhlen an der Quelle des Dard (Französischer Jura)
Siehe auch: Primärhöhle

Natursteinsorten

Eine relativ dichte und grob geschliffene Musterplatte des Gönninger Kalktuffs (Größe ca. 25 × 18 cm)

Siehe auch

Literatur

  • Alfons Baier: Die „Steinerne Rinne“ am Berg südlich Erasbach/Opf. Eine Untersuchung zur Hydrogeologie und -chemie des Seichten Karstes. In: Geologische Blätter NO-Bayerns, Bd. 52 (2002), Heft 1/4, S. 139–194, 17 Abb., 2 Tab., 3 Taf., ISSN 0016-7797 (Vgl. auch den Link Seichter Karst).
  • Norbert Frank, Margarethe Braum, Ulrich Hambach, Augusto Mangini, Günther A. Wagner: Warm Period Growth of Travertine during the Last Interglacial in Southern Germany (PDF; 325 kB). In: Quaternary Research. A interdisciplinary research, Bd. 54 (2000), S. 38–48, ISSN 0033-5894.
  • Allen Pentecost: Travertine. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2005, 445 Seiten, (Englisch)
  • Wilfried Rosendahl, Dorothee Sahm-Stotz (Hrsg.): „Bodenloser See“ und Schickhardt-Stollen. Natur- und Kulturgeschaihte im Kalktuff von Seeberg bei Bad Urach. Staatsanzeiger-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-929981-57-2.
  • Rainer Schreg: Wasser im Karst. Mittelalterlicher Wasserbau und die Interaktion von Mensch und Umwelt. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. 21 (2009), S. 17–30. doi:10.11588/dgamn.2009.1.17287.

Weblinks

 Commons: Kalktuff – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Commons: Steinerne Rinne (Krautheim) – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Pentecost Travertine… S. 13. Siehe Literatur
  2. 2,0 2,1 Wolfgang Werner, Roman Koch: Kalktuffe. In: Naturwerksteine aus Baden-Württemberg – Vorkommen, Beschaffung und Nutzung. S. 317, Hrsg. v. Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Rüsselsheim 2013, ISBN 978-3-00-041100-7.
  3. Siehe Link „Zur Hydrogeologie...“
  4. Stephan Kempe, Wilfried Rosendahl (Hrsg.): Höhlen. Verborgene Welten. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 39 ff
  5. siehe Literatur „Warm Period Growth …“
  6. Die Karst+Höhlen-Glossare der UNESCO von 1972 und der EPA, Washington, DC von 2002 (Links UNESCO und EPA) haben nur die Bezüge zwischen Bezeichnungen innerhalb einer Sprache und zwischen Sprachen systematisieren können.
  7. Travertine werden als Oberbegriff für alle Arten von Karbonatsedimenten gewählt. Tufa ist ein nicht „meteogen“, sondern „thermogen“ entstandenes Produkt, Pentecost Travertine, S. 53.
  8. siehe Literatur, „Bodenloser See...“, S. 45ff
  9. Siehe den Link „Frankenalb, Verbreitung von Kalktuff in der nördlichen Frankenalb …“
  10. Naturdenkmale im Regierungsbezirk Karlsruhe. (PDF; 5,8 MB) 2. Auflage. 2000. Geologische Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU)
  11. Siehe Literatur, „Bodenloser See …“
  12. Solche Blicke finden sich am Albtrauf in Seeburg, Honau/Lichtenstein, Gönningen. Siehe Link „Geotope im RGB Tübingen …“
  13. 36 m in Seeburg, nach einer geologischen Studie von Rosendahl/López Correa (2003); siehe Literatur, „Bodenloser See …“, S. 22
  14. Siehe Link „Verbreitung von Steinernen Rinnen in Bayern“ (Fränk. Alb und Alpenvorland).
  15. Siehe Link „Die Steinerne Rinne bei Erasbach …“
  16. Siehe Link „Geotope im RGB Stuttgart …“
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