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KZ-Außenlager Colosseum

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Das KZ-Außenlager Colosseum wurde als letztes Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg in der ehemaligen Regensburger Gaststätte „Colosseum“ errichtet. In dem Lager, das sich im Regensburger Stadtteil Stadtamhof befand, wurden vom 19. März 1945 bis zum 23. April 1945 rund 400 Häftlinge interniert, die hauptsächlich am Bahnhof zur Ausbesserung von Bombardierungsschäden herangezogen wurden.

Geschichte

Etwa ein Drittel der Häftlinge waren Juden (darunter 67 polnische und 42 ungarische), 84 der Gefangenen waren nichtjüdische Polen, 63 Russen, 62 Belgier, 25 Franzosen, 22 Deutsche und der Rest setzte sich aus zehn weiteren Nationalitäten zusammen.[1] Die Gefangenen wurden im Tanzsaal im ersten Stock der Gastwirtschaft untergebracht, wo die hygienischen Verhältnisse miserabel waren.[2] Es stand nur eine Toilette und ein Wasserhahn zur Verfügung. Für Kranke und Arbeitsunfähige existierte kein eigenes Krankenrevier. Die Verpflegung war unzureichend und bestand einzig aus Brot und Suppe.

Die Steinerne Brücke

Die Wachmannschaft mit 50 SS-Männern war in der Gaststube im Erdgeschoss unterbracht, darunter befanden sich viele sogenannte Volksdeutsche. Kommandoführer war SS-Oberscharführer Ludwig Plagge, der als einer der „brutalsten und grausamsten SS-Männer“ galt und in Januar 1947 im Krakauer Auschwitzprozess zum Tode verurteilt wurde.[3] Sein Stellvertreter war SS-Oberscharführer Erich Liedtke, der die Häftlinge häufig ohne Anlässe schlug und misshandelte.[4] Die völlig ausgezehrten Gefangenen mussten täglich zwölf Stunden auf dem Bahnhofsgelände die Schäden aus Luftangriffen beseitigen. Hierzu wurde sie jeden Morgen über die Steinerne Brücke bzw. durch die Altstadt Regensburgs getrieben und nach der teilweise lebensgefährlichen Arbeit mit Blindgängern abends wieder zurück. Unter den SS-Wachen soll sich auch der im Jahr 2011 wegen Beihilfe zu Mord verurteilte John Demjanjuk befunden haben.[5]

In der Nacht zum 23. April 1945 wurde das Lager bis auf 28 Schwerstkranke und einem Toten „evakuiert“ und die Gefangenen wurden zu Fuß Richtung Landshut getrieben. Schätzungen zufolge überlebten nur 50 der Häftlinge diesen sogenannten Todesmarsch, der in Laufen (Salzach) endete, wo eine kleine Gedenktafel auf die Geschehnisse hinweist. Die genaue Anzahl der Todesopfer unter den Colosseum-Häftlingen ist nicht bekannt. Im Regensburger Standesamt I sind für den Zeitraum zwischen 23. März und 10. April allein 35 Todesfälle verzeichnet worden, eine Gräberliste der Stadt enthält die Namen von 44 Toten.[6]. Ein Überlebender des Colosseums schätzt die Zahl der Toten in den fünf Wochen seines Bestehens auf 70 Mann.[7] Es wird vermutet, dass die Leichname von Gefangenen zum Teil in die angrenzende Donau geworfen wurden, ohne sie zu registrieren. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen ermittelte in den 1960er Jahren wegen der Vorgänge im Colosseum, die später von der Staatsanwaltschaft München I übernommen und in den 1970er-Jahren eingestellt wurden.

Nach Kriegsende wurde das „Colosseum“ wieder als Tanzsaal und später als Aufführungsort eines Bauerntheaters genutzt. Im Sommer 2005 ließ ein neuer Besitzer das Gebäude entkernen und errichtete darin eine Wirtschaft und eine Wohnanlage.

Gedenken

Ende 1950 wurde auf dem Evangelischen Zentralfriedhof in Regensburg bei den 45 Gräbern der getöteten KZ-Häftlinge ein Ehrenmal errichtet. Bereits im Frühjahr 1955 wurde es aber wieder entfernt. Nachdem die Schülerarbeit der Regensburger Berufsfachschule mit ihrer Thematisierung des KZ-Außenlagers Colosseum einen Preis des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte des Jahres 1982/83 gewonnen hatte, wurde die Frage nach einer angemessenen Gedenkstätte für die Opfer wieder aufgeworfen.[8] Mitte der 1990er Jahre wurde dann auf eine überparteiliche Initiative hin eine Gedenktafel gefertigt, die 1994 durch einen großen Gedenkstein ersetzt wurde. Er wurde von der damaligen Oberbürgermeisterin Christa Meier eingeweiht.

Gedenkstein von 1994

Das abstrakte Werk aus Flossenbürger Granit und Sandstein befindet sich derzeit auf einem freien Platz, gegenüber dem Colosseum auf der anderen Straßenseite um ca. 40m versetzt. Die eingemeißelte Inschrift vermeidet eine Benennung bzw. die genaue Ortsangabe des ehemaligen Außenlagers Colosseum. Sie trägt folgenden deutschen Wortlaut:

DEM GEDÄCHTNIS DER OPFER
DES KZ–AUSSENKOMMANDOS
FLOSSENBÜRG IN STADTAMHOF VOM 19.3-23.4. 1945
400 GEFANGENEN TEILS JÜDISCHEN GLAUBENS
AUS VIELEN LÄNDERN EUROPAS
- DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR -


Auf eine Initiative der Regensburger Stadtratsfraktion Die Grünen aus dem Jahr 2008 hin wurde im Auftrag der Stadt Regensburg im April 2011 eine bronzene Bodenplatte vor dem Gebäude des ehemaligen Außenkommandos verlegt. Ihr Schriftzug lautet:

STADTAMHOF 5
IM RÜCKGEBÄUDE DES EHEMALIGEN GAST-
HAUSES COLOSSEUM WAREN IN DEN LETZTEN
WOCHEN DER NATIONALSOZIALISTISCHEN
DIKTATUR, VOM 19. MÄRZ BIS ZUM 23. APRIL
1945, HÄFTLINGE DES KONZENTRATIONS-
LAGERS FLOSSENBÜRG UNTERGEBRACHT.
VOR DEM HAUS MUSSTEN DIE HÄFTLINGE,
DURCH UNTERERNÄHRUNG UND DEMÜTIGUN-
GEN GESCHWÄCHT, ZUM APPELL ANTRETEN.

Der Text entstand unter der Federführung des städtischen Kulturreferats und wurde nach dem Bekanntwerden in einer öffentlichen Debatte als verharmlosend und irreführend kritisiert.[9] Der politische verantwortliche Kulturausschuss des Regensburger Stadtrates beschloss daraufhin im November 2011, dass das fachlich eigentlich zuständige Kulturreferat für eine überparteiliche Arbeitsgruppe einladen soll. Diese soll einen Vorschlag für einen sachgemäßen und gedenkpolitisch sinnvollen Inschriftentext bzw. für ein städtisches Gedenkkonzept bezüglich der NS-Zeit erarbeiten.[10]

Seit Ende der 1990er Jahre gibt es in Regensburg am 23. April einen Gedenkmarsch, der von überparteilichen Arbeitsgruppen getragen wird und auch an das Schicksal der Häftlinge des KZ-Außenlagers Colosseum erinnert.[11] Offizielle Vertreter der Stadt Regensburg nehmen daran nicht teil. Vorschläge der ehrenamtlichen Arbeitsgruppen, in einer Veranstaltung gemeinsam mit der Stadt Regensburg aller Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, ignorierte die Stadtverwaltung bislang.[12]

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52964-X.
  • Hans Simon-Pelanda: Im Herzen der Stadt. Das Außenlager Coloseum in Regensburg, in: Wolfgang Benz: Konzentrationslager: Lebenswelt und Umfeld, Verlag Dachauer Hefte 1996.
  • Henk Verheyen: Bis ans Ende der Erinnerung, Pahl-Rugenstein Verlag 2009.
  • Peter Brendel (u.a.): Das Lager Colosseum in Regensburg. In Dieter Galinski, Wolf Schmidt (Hg.): Die Kriegsjahre in Deutschland 1939 bis 1945. Ergebnisse und Anregungen aus dem Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1982/83. Hamburg 1985, S. 251-268.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrich Fritz: Regensburg, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Flossenbürg, Mauthausen und Ravensbrück, Beck München 2006, S. 240.
  2. Diese Räume wurden kurz zuvor von der Messerschmitt GmbH als Quartier genutzt. Anfang Februar 1945 ist für das Messerschmitt-Werk in Obertraubling ein weiteres Außenlager des KZ-Flossenbürgs nachzuweisen. Vgl. Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, Universitätsverlag Regensburg 1994, S. 377; Wolfgang Benz: Der Ort des Terrors, 2006, S. 213.
  3. Ernst Klee: Das Personen Lexikon zum Dritten Reich, Edition Kramer Koblenz 2008, S. 462. Ein Bild von L. Plagge findet sich unter folgender Adresse (zuletzt aufgerufen im November 2011).
  4. Ulrich Fritz: Regensburg, 2006, S. 241.
  5. Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, 1994, S. 378.
  6. Ulrich Fritz: Regensburg, 2006, S. 242.
  7. Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, 1994, S. 378.
  8. Der Titel der prämierten Arbeit lautet: Die Außenkommandos des Konzentrationslagers Flossenbürg in und um Regensburg und ihre Bedeutung für Stadt und Einwohner, 1983.
  9. Bericht auf Regensburg Digital vom 13. November 2011 (zuletzt aufgerufen November 2011).
  10. Bericht der Mittelbayerischen Zeitung vom 11. November 2011 (zuletzt aufgerufen im November 2011).
  11. Bericht von Regensburg-Digital vom 25. April 2010 (zuletzt aufgerufen im November 2011)
  12. Vgl. Offener Brief der ArGE an Oberbürgermeister Hans Schaidinger vom Juli 2007 (siehe unter Aktionen und Aktivitäten)
49.02465812.097296
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