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Justizvollzugsanstalt Bautzen

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Justizvollzugsanstalt Bautzen
Teil der Gebäude der Strafvollzugseinrichtung (StVE) Bautzen
Justizvollzugsanstalts-Information
Name Justizvollzugsanstalt Bautzen
Haftplätze >420


Im sächsischen Bautzen gab es historisch zwei Gefängnisse, die heute insbesondere für Unrecht und politische Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR bekannt sind.

Das zwischen 1900 und 1904 gebaute Zuchthaus Bautzen, später Bautzen I genannt, im Volksmund wegen der gelben Fassade Gelbes Elend, ist heute Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen. Etwa gleichzeitig wurde in Bautzen in der Nähe des Amts- und Landgerichtes ein Untersuchungsgefängnis gebaut, später Bautzen II genannt, welches heute eine Gedenkstätte für beide Gefängnisse beherbergt, da beide sowohl dem Nationalsozialismus als auch der Sowjetischen Besatzungsmacht sowie der DDR zum Einsperren politischer Häftlinge dienten. Die Besatzungsmacht nannte das „Speziallager Nr. 4“. Beide waren auch Vollzugsanstalten für Verurteilte, bis 1950 durch sowjetische Militärtribunale (SMT) und danach durch die DDR-Justiz.

Bautzen I: „Gelbes Elend“

Die Gebäude kurz nach der Errichtung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde am nördlichen Stadtrand von Bautzen die damals modernste Strafvollzugsanstalt Sachsens errichtet. Schon in dieser Zeit erhielt sie wegen der Bauweise sowohl der Gebäude als auch der Gefängnismauern aus gelben Klinkern den heute berüchtigten Beinamen „Gelbes Elend“. Das Gefängnis orientierte sich in den ersten Jahrzehnten an Plänen zur Einführung eines modernen, menschenwürdigen und nach liberalen Grundsätzen gestalteten Strafvollzugs.

Das änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zwischen 1933 und 1945 waren in Bautzen I politische Gegner aus der KPD und der SPD (so beispielsweise 1943/44 Ernst Thälmann) und andere von den Nazis verfolgte Gruppen, wie beispielsweise Zeugen Jehovas und kirchliche Oppositionelle, inhaftiert.

Von Juni 1945 bis Februar 1950 richtete die Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) auf dem Gelände der Haftanstalt das Speziallager Nr. 4 ein.

In diesem Lager wurden von der Besatzungsmacht zunächst Nationalsozialisten, Unternehmer, Führungskräfte, Adelige sowie willkürlich Festgenommene inhaftiert. Darunter waren viele Jugendliche, denen die Sowjets vorwarfen, dem Werwolf angehört zu haben. Spätestens ab 1946 wurden auch sozialdemokratische und bürgerliche Gegner der SED im Speziallager festgehalten. Rund 7000 waren in den Sälen und Zellentrakten der Haftanstalt untergebracht. In einem als Einzelzelle geplantem Raum lagen normalerweise fünf, vereinzelt auch sechs Mann. Ein provisorisch errichtetes Barackenlager wurde von 5000 bis 7000 Häftlinge belegt. Die Haftbedingungen waren unmenschlich.

In einem Gebäude waren ab 1946 − völlig getrennt von den Insassen des Speziallagers − von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) nach dem Strafrecht der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) Verurteilte untergebracht.[1] Zum Beispiel wurde die KZ-Wächterin Margot Drechsel in Bautzen zum Tode verurteilt und gehängt. Unter den verurteilten Insassen waren aber auch sowjetische Militärangehörige. Die Aufsicht im Gebäude hatten ausschließlich sowjetische Uniformierte. Vor den Zellenfenstern wurden große Blechblenden montiert, die keinerlei Ausblick mehr zuließen. Solche Blechblenden wurden im Sommer 1946 auch an den Fenstern des Hauptgebäudes angebracht, das ab September 1946 als Erweiterung der Strafanstalt diente. Die bis dahin dort untergebrachten Speziallagerhäftlinge kamen per Güterzugtransport in andere solche Lager.

Die Baracken waren nach wie vor mit Speziallagerhäftlingen belegt, von denen rund 5000 im Sommer 1948 entlassen wurden. Gleichzeitig wurden auch in anderen Lagern die meisten Speziallagerhäftlinge entlassen und einige Lager aufgelöst. Die insgesamt rd. 6000 restlichen Häftlinge wurden auf die drei verbliebenen, neu durchnummerierten Speziallager verteilt: Nr. 1 = Sachsenhausen, Nr. 2 = Buchenwald, Nr. 3 = Bautzen.

Von den rd. 2050 neuen Insassen wurden 1350 im Januar 1950 entlassen; ein Rest von 700 kam nach Waldheim. Von diesen wurden viele in den Waldheimer Prozessen verurteilt. Bis dahin starben etwa 4100 Häftlinge, die in anonymen Massengräbern bestattet wurden. 1992 wurden bei gezielten Grabungen in früheren Schützengräben die sterblichen Überreste von 180 Menschen gefunden.

Vom 15. Februar 1950 bis 1989 unterstand Bautzen I dem Innenministerium der DDR. Die 5400 SMT-Verurteilten blieben in der Haftanstalt. Im März 1950 kam es in der Anstalt zu Hungerprotesten, die von der Deutschen Volkspolizei niedergeschlagen wurden. Seit den 1950er Jahren diente Bautzen I in erster Linie zur Inhaftierung mehrfach Vorbestrafter und wegen schwerer Delikte zur Langzeithaft Verurteilter. Bautzen I hatte auch eine Station für Besserungsunwillige, welche extra vom MfS Dresden für solche Strafgefangenen eingerichtet wurde, die nicht mehr für die DDR arbeiten wollten, da sie schon Ausreiseanträge gestellt hatten und deswegen einsaßen. Diese Station befand sich im Haus II und unterstand der Haftanstalt Bautzen II(MfS).

Seit 1990 ist Bautzen I eine Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen und dient dem Vollzug von Freiheitsstrafen von Männern. Rund 380 Menschen sitzen im geschlossenen Vollzug ein (Stand: Mitte 2009). Darüber hinaus verfügt die Anstalt über 42 Haftplätze im offenen Vollzug sowie eine kleine Abteilung mit jugendlichen Straftätern. Im geschlossenen Vollzug werden mehrere Aus- und Weiterbildungsprogramme angeboten, darunter auch eine Ausbildung zum Tischler mit fünf Plätzen pro Jahr. Die einzelnen Hafthäuser werden im Moment (Stand: Mitte 2009) nach und nach renoviert.

Als einzige Justizvollzugsanstalt in Sachsen verfügt Bautzen I über eine Anstaltskirche. Diese fasst rund 600 Sitzplätze.

Bautzen II: „Stasi-Knast“ (heute Gedenkstätte)

Volker Rühe auf Besichtigung, 1990
Gedenkstätte
Eingang zur Gedenkstätte

Zwischen 1902 und 1906 wurde an der Lessingstraße in der Bautzener Ostvorstadt ein großzügiges neues Gerichtsgebäude errichtet, dem ein Vollzugskomplex (51° 10′ 41″ N, 14° 26′ 12″ O51.17805555555614.436666666667) angeschlossen war. Dieser umfasste 134 Einzel-, 23 Dreimann-, 2 Durchgangs-, 4 Kranken- und 5 Arrestzellen. Am 1. Oktober 1906 wurde der Komplex vom Gerichtsvollzug in eine Gefangenenanstalt umgewandelt. 1933 wurde Bautzen II offiziell zur Zweigstelle von Bautzen I umfunktioniert.

In Bautzen II waren in der Zeit des Nationalsozialismus auch politische Gefangene in Untersuchungshaft. Von 1945 bis 1949 diente es der sowjetischen Militärverwaltung als Untersuchungsgefängnis, von wo aus die Verurteilten direkt nach Bautzen I kamen. Ab 1949 unterstand es als Untersuchungsgefängnis dem Justizministerium der DDR, seit 1951 dem Innenministerium.

Von 1956 bis 1989 wurde es vom Ministerium für Staatssicherheit kontrolliert, obwohl es offiziell dem Ministerium des Innern unterstellt war, es wurde deshalb auch als Stasi-Knast bezeichnet. Die überwiegende Zahl der Insassen war aus politischen Gründen inhaftiert. Zu den Gefangenen zählten vor allem politische Gegner der SED-Führungsspitze, ausländische (hauptsächlich bundesdeutsche) Häftlinge, die wegen Spionage und Fluchthilfe verurteilt waren, aber auch straffällig gewordene Funktionäre aus dem DDR-Herrschaftsapparat. Im Durchschnitt waren in dieser Zeit 150 bis 180 Gefangene in Bautzen II inhaftiert.

Auch in Bautzen fanden Montagsdemonstrationen in der Wendezeit statt, vor der Haftanstalt Bautzen II wurden Kerzen angezündet und unter anderem die Freilassung der Gefangenen gefordert. Im Dezember 1989 wurden die letzten politischen Gefangenen entlassen.

Von 1990 bis 1992 war Bautzen II wieder wie vor 1945 eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bautzen I. Aufgrund der Initiative des „Bautzen-Komitee“ e. V., einer 1990 gegründeten Vereinigung ehemaliger Häftlinge wurde Bautzen II 1992 geschlossen und ab 1993 zu einer Gedenkstätte umfunktioniert. Seitdem gibt es dort eine Dauerausstellung, die regelmäßig erweitert wird. Vorträge, Filmvorführungen, Rundgänge mit Zeitzeugen sind möglich.

Bautzen in der öffentlichen Wahrnehmung

Insbesondere in den ersten Nachwendejahren wurde „Bautzen“ als ein Inbegriff des DDR-Unrechtes über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Dazu beigetragen haben hauptsächlich die Initiativen ehemaliger Häftlinge, wie das Bautzen-Komitee e. V., und eine ausführliche Berichterstattung in der deutschen Presse. Da einige bedeutende Schriftsteller in Bautzen gefangengehalten wurden, haben diese ihre Erlebnisse auch literarisch verarbeitet. Bautzen war jedoch nicht das einzige Gefängnis der DDR, in dem Menschen auch aus politischen Gründen inhaftiert waren. In öffentlichen Äußerungen wurden die Verbrechen der Sowjetischen Besatzungsmacht fälschlicherweise auch der DDR angerechnet. Begriffe wie „Gelbes Elend“ und „Stasi-Knast“ wurden und werden häufig vermengt. Bautzen war aber nur eines (und auch nicht das größte) von zehn Speziallagern der Sowjetischen Besatzungszone. Aus Bautzen II sind für die DDR-Zeit unmenschliche Haftbedingungen dokumentiert, Häftlinge haben dauerhafte psychische und physische Schäden davongetragen, es sind aber keine Ermordungen nachgewiesen, einige wenige Gefangene starben allerdings unter ungeklärten Umständen in ihren Zellen.

Bekannte Häftlinge

vor 1945

nach 1945

Verurteilt durch SMT oder deutsche Gerichte

Ab Gründung der DDR befassten sich sowjetische Militär-Tribunale nur noch mit Fällen, die gegen die Sowjetunion gerichtet waren; alles andere überließen sie Deutschen Gerichten:

Speziallagerhäftlinge

Literatur

Einzelnachweise

  1. "Die SMT-Verurteilten gehörten nicht zu den Speziallager-Insassen und waren auch völlig isoliert untergebracht" nach: Sergej Mironenko, Lutz Niethammer, Alexander v. Plato (Herausgeber), Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, Band 1 Studien und Berichte, Akademie Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-05-002531-X

Weblinks

 Commons: Gefängnisse in Bautzen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
51.19012514.432813888889
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