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Josef Schillinger

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Josef Schillinger (* 21. Januar 1908 in Oberrimsingen; † 23. Oktober 1943 in Auschwitz) war ein deutscher SS-Oberscharführer im Konzentrationslager Auschwitz.

Leben

Schillinger, von Beruf Böttcher, war seit Anfang September 1939 Mitglied der SS (SS-Nr. 47.468). Nach Errichtung des KZ Auschwitz-Birkenau war Schillinger dort als Rapportführer im Männerlager eingesetzt.[1] Ab Ende Oktober 1942 war Schillinger für mehrere Wochen Kommandoführer des Außenkommandos Chełmek des KZ Auschwitz. Dort mussten KZ-Häftlinge unter inhumanen Arbeitsbedingungen einen Teich ausheben, der als Wasserspeicher dienen sollte.[2] Zuletzt war Schillinger als Küchenchef und auch Rapportführer im Männerlager des KZ Auschwitz-Birkenau tätig.[3]

Am 23. Oktober 1943 kam ein Transport aus dem KZ Bergen-Belsen mit 1.800 jüdischen Häftlingen, sogenannten Austauschjuden, im KZ Auschwitz-Birkenau an; ihnen war die Ausreise in die Schweiz versichert worden. Unter der Aufsicht von Rapportführer Schillinger eskortierten SS-Männer die angekommenen Menschen von der Rampe zum Krematorium II. Dort wurden die ahnungslosen Häftlinge im Entkleidungsraum aufgefordert, sich für eine folgende „Desinfektion“ zu entkleiden. Eine junge Jüdin – eine Tänzerin namens Franciszka Mann – durchschaute die Täuschung und weigerte sich ihre Kleidung abzulegen. Nach dem ausführlichen Bericht von Filip Müller,[4] Angehöriger des Häftlings-Sonderkommandos in Birkenau, entwand sie dem SS-Oberscharführer Walter Quakernack die Pistole und schoss drei Mal; der erste Schuss traf Schillinger, ein zweiter Schuss verfehlte Quakernack und der dritte verletzte SS-Oberscharführer Wilhelm Emmerich.[5] Auch die anderen Frauen im Entkleidungsraum setzten sich gegen ihre bevorstehende Ermordung zur Wehr. Der Aufruhr wurde durch den Einsatz von Maschinengewehren niedergeschlagen, die überlebenden Frauen wurden anschließend vergast. Von dem Vorgang existieren unterschiedliche Darstellungen.[6][7][8]

Schillinger starb auf dem Weg ins Krankenhaus an seinen schweren Schussverletzungen. Sein Leichnam wurde nach Oberrimsingen überführt und unter militärischen Ehrbekundungen beigesetzt.[6]

Postmortale Aussagen und Forschungen über Schillinger

Tadeusz Borowski, ein Auschwitzüberlebender, der sich im Juli 1951 suizidierte, schrieb über Schillinger: „Der Hieb seiner Hand war wuchtig wie ein Knüppel, spielend zerschlug er einen Kiefer, und wo er hinschlug, floss Blut.“ Sein Name sei oft in einem Atemzug mit jenen Auschwitz-Mördern genannt worden, „die sich damit brüsteten, höchstpersönlich mit der Faust, dem Knüppel oder der Waffe Zigtausende von Menschen umgebracht zu haben.“[9]

Im Strafprozess gegen Adolf Eichmann wurde 1961 von dem Zeugen Aharob Beilin ausgesagt, Schillinger habe schlimmste Abscheulichkeiten in Birkenau verübt. Dabei wurde nicht auf Details eingegangen, sondern nur kurz der Aufstand am Krematorium 4 beschrieben, der zu Schillingers Tod führte.[10][11]

In einem um 2016 aufgezeichneten Interview schildert der Auschwitzüberlebende Leon Henry Schwarzbaum das Wesen und die Todesumstände Schillingers. Demnach sei Schillinger von einer jungen Auschwitzinsassin mit dem eigenen Revolver erschossen worden, was sogar bei seinen (SS-) Kameraden „Freude“ ausgelöst hätte, „weil er ein brutaler Mann war.“ ( [12], dort Min. 25).

Der Hobbyhistoriker Andreas Meckel setzte sich beim Bürgermeister von Breisach 2003 erfolgreich dafür ein, dass der Grabstein Schillingers vom Ehrenfeld in Oberrimsingen entfernt wurde. Meckel hatte den Ort der Grabstätte Schillingers erfahren und wollte sich nicht damit abfinden, dass eines Täters des Holocaust mit einem Grabstein gedacht wurde, während Millionen von Opfern des Holocaust dieses persönliche Gedenken verwehrt blieb.[6] Zudem wurde auch Schillingers Name vom örtlichen Kriegerdenkmal entfernt.[13] Schillingers Todesumstände sind dokumentiert, sie stehen für den Widerstand der Opfer gegen ihre bevorstehende Ermordung.[7]

Literatur

  • Christiane Walesch-Schneller: German Josef Schillinger. „Bauchschuss in Ausübung des Dienstes“ – Eine gerechte Strafe. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter – Helfer – Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Südbaden. (= Täter – Helfer – Trittbrettfahrer. Band 6). 1. Auflage. Kugelberg, Gerstetten 2017, ISBN 978-3-945893-06-7, S. 281–300.
  • Wacław Długoborski, Franciszek Piper (Hrsg.): Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Verlag Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oswiecim 1999, 5 Bände: I. Aufbau und Struktur des Lagers. II. Die Häftlinge – Existenzbedingungen, Arbeit und Tod. III. Vernichtung. IV. Widerstand. V. Epilog., ISBN 83-85047-76-X.
  • Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-10-039333-3.
  • Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1980; ISBN 3-548-33014-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aleksander Lasik: Die Organisationsstruktur des KL Auschwitz. In: Aleksander Lasik, Franciszek Piper, Piotr Setkiewicz, Irena Strzelecka: Auschwitz 1940-1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations und Vernichtungslagers Auschwitz., Band I: Aufbau und Struktur des Lagers, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 1999, S. 237.
  2. Andrea Rudorff: Chełmek. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 209.
  3. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.): Auschwitz in den Augen der SS. Oswiecim 1998, S. 241
  4. Filip Müller: Sonderbehandlung. Drei Jahre in den Gaskammern und Krematorien von Auschwitz. München 1979, S. 129–141.
  5. Ein exemplarischer Fall: Wilhelm Emmerich (Memento vom 7. Dezember 2015 im Internet Archive) auf www.landesarchiv-bw.de
  6. 6,0 6,1 6,2 Sylvia Pabst: Ende einer Ehrenzeit - In Auschwitz war Josef Schillinger am Holocaust beteiligt, in seiner Heimat Oberrimsingen hatte er lange Zeit ein Ehrengrab (Memento vom 11. August 2011 im Internet Archive), Badische Zeitung vom Donnerstag, 23. Oktoaber 2003
  7. 7,0 7,1 Andreas Kilian: Der "Sonderkommando-Aufstand" in Auschwitz-Birkenau"
  8. Franziska Mann: Widerstand vor der Tür des Todes auf http://www.auschwitz.info
  9. Tadeusz Borowski über Josef Schillinger nach Kriegsende, zitiert bei: Waltraut Schwab: „Tausend Kilometer bis Auschwitz“, in: die tageszeitung vom 23. Januar 2010
  10. Video beim United States Holocaust Memorial Museum (englisch/israelisch)
  11. Fact Check: Franceska Mann bei snopes.com (englisch). 9. März 2017, abgerufen am 23. März 2017
  12. Interview mit Leon Harry Schwarzbaum. In: youtube. Abgerufen am 8. Oktober 2020.
  13. Waltraut Schwab: „Tausend Kilometer bis Auschwitz“, in: die tageszeitung vom 23. Januar 2010
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Josef Schillinger aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.