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Jom-Kippur-Krieg

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Jom-Kippur-Krieg
Teil von: Nahostkonflikt
Zerstörungen in der syrischen Stadt Quneitra auf den Golanhöhen
Zerstörungen in der syrischen Stadt Quneitra auf den Golanhöhen
Datum 6. Oktober 1973 – 26. Oktober 1973
Ort Golanhöhen, Sinai-Halbinsel
Ausgang Resolution 338 des UN-Sicherheitsrates
Folgen Ölkrise
Konfliktparteien
IsraelIsrael Israel
Unterstützt von:
Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Vorlage:EGY-1972
Vorlage:SYR-1972
Unterstützt von:
Vorlage:IRQ-1963
Vorlage:LBY-1972
JordanienJordanien Jordanien
SudanSudan Sudan
AlgerienAlgerien Algerien[1]
MarokkoMarokko Marokko
Sowjetunion 1955Sowjetunion Sowjetunion
KubaKuba Kuba
Befehlshaber
Mosche Dajan
David Elazar
Israel Tal
Chaim Bar-Lev
Shmuel Gonen
Jitzchak Chofi
Benjamin Peled
Benjamin Telem
Abraham Adan
Ariel Scharon
Rafael Eitan
Mosche Peled
Saad El Shazly
Mustafa Tlass
General Shakkour
Naji Jamil
Hafiz al-Assad
Ahmad Ismail Ali
Husni Mubarak
Mohammed Aly Fahmy
Anwar Sadat
Abdel Ghani el-Gamasy
Abdul Munim Wassel
Abd-Al-Minaam Khaleel
Abu Zikry
Truppenstärke
IsraelIsrael Israel:[1]
300.000 Soldaten
1700 Panzer
488 Flugzeuge
Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten:[1]
2,2 Mrd. US-Dollar
Vorlage:EGY-1972:[1]
650.000 Soldaten
2600 Panzer
680 Flugzeuge

Vorlage:SYR-1972:[1]
150.000 Soldaten
2000 Panzer
410 Flugzeuge
JordanienJordanien Jordanien:[1]
80 Panzer
Vorlage:IRQ-1963:[1][2]
18.000 Soldaten
100*** bis 230* Panzer
15 Flugzeuge
MarokkoMarokko Marokko:[1][2]
1500* bis 3000*** Soldaten
Vorlage:LBY-1972:
40 Flugzeuge
SudanSudan Sudan:
einige Hundert Soldaten
KubaKuba Kuba:[3]
1500 Soldaten
Sowjetunion 1955Sowjetunion Sowjetunion:[1]
3,5 Mrd. US-Dollar

Verluste
2656 Tote
7250 Verwundete
Über 340 Kriegsgefangene
400 zerstörte Panzer
600 beschädigte Panzer
Unbekannte Anzahl eroberter Panzer
102 Kampfflugzeuge
7000–8000*** bzw. 8528*–15.000** Tote
19.540*–35.000** Verwundete
1000–2000*** bzw. 2250 zerstörte oder beschädigte Panzer
432 Kampfflugzeuge
* Westliche Schätzung
** Israelische Schätzung
*** Östliche Schätzung[2]

Der Jom-Kippur-Krieg (hebräisch מלחמת יום הכיפורים Milchemet Jom HaKippurim oder מלחמת יום כיפור Milchemet Jom Kippur) war ein Krieg vom 6. bis zum 25. Oktober 1973, der von Ägypten, Syrien und weiteren arabischen Staaten gegen Israel geführt wurde. Nach dem Palästinakrieg (1948/49), der Sueskrise (1956) und dem Sechstagekrieg von 1967 war er der vierte arabisch-israelische Krieg im Rahmen des Nahostkonflikts.

Auf arabischer Seite wird der Krieg Ramadan-Krieg oder Oktoberkrieg (arabisch حرب أكتوبر, DMG Ḥarb Uktūbar oder حرب تشرين / Ḥarb Tišrīn) genannt, da er während des islamischen Fastenmonats Ramadan stattfand, der in jenem Jahr in den Oktober fiel. Oktoberkrieg wurde er auch in der DDR genannt, wobei in der DDR-Fachliteratur jedoch öfter die neutrale Bezeichnung vierter arabisch-israelischer Krieg verwendet wurde.

Überblick

Der Krieg begann mit einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens am 6. Oktober 1973, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, auf dem Sinai und den Golanhöhen, die sechs Jahre zuvor von Israel im Zuge des Sechstagekrieges erobert worden waren. Während der ersten zwei Tage rückten die Streitkräfte Ägyptens und Syriens vor, danach aber wendete sich der Kriegsverlauf zugunsten der Israelis, die zunächst ihre Truppen hatten mobilisieren müssen. Nach der zweiten Kriegswoche waren die Syrer vollständig aus den Golanhöhen abgedrängt worden. Im Sinai waren die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte derweil zwischen zwei ägyptischen Armeen durchgebrochen, hatten den Sueskanal (die alte Waffenstillstandslinie) überschritten und eine ganze ägyptische Armee abgeschnitten, bevor der UN-Waffenstillstand am 24. Oktober 1973 in Kraft trat.

Der Krieg hatte weitreichende Folgen für viele Staaten. In Israel wurde heftige Kritik an der Regierung geübt, die Ägypten und Syrien unterschätzt und so die Anfangserfolge der Feinde ermöglicht habe. Die arabische Welt, die sich durch die vollständige Niederlage der ägyptisch-syrisch-jordanischen Allianz im Sechstagekrieg zutiefst gedemütigt gefühlt hatte, konnte aus den anfänglichen Erfolgen des Krieges psychologische Vorteile ziehen; ihre Truppen sahen ihre Ehre zumindest teilweise wiederhergestellt. Diese psychologische Bestätigung war die Voraussetzung für die Friedensverhandlungen, die folgen sollten. Sie machte auch wirtschaftliche Liberalisierungen wie die ägyptische Infitah-Politik möglich. Der israelisch-ägyptische Friedensvertrag, der fünfeinhalb Jahre nach dem Krieg folgte, normalisierte die Beziehungen zwischen Ägypten und Israel – zum ersten Mal erkannte ein arabischer Staat Israel an.

Hintergrund

Dieser Krieg war Teil des Nahostkonfliktes, der zu mehreren Zusammenstößen und Kriegen geführt hatte. Während des Sechstagekrieges 1967 hatten die Israelis den Sinai bis zum Sueskanal erobert, welcher die Waffenstillstandslinie wurde. Israel hatte auch etwa die Hälfte der Golanhöhen von Syrien erobert. In den Jahren nach dem Sechstagekrieg errichtete Israel sowohl im Sinai als auch in den Golanhöhen militärische Befestigungsanlagen: Im Jahre 1971 gab Israel 500 Millionen US-Dollar für die Befestigungsanlagen am Sueskanal aus – eine Befestigungskette mit riesigen Erdwällen, die als die Bar-Lev-Linie bekannt wurde (benannt nach dem israelischen General Chaim Bar-Lev). Der überwältigende Sieg im Sechstagekrieg und der zumindest nicht verlorene Abnutzungskrieg führten bei der israelischen Regierung zu einem fast grenzenlosen Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten.

Ägypten und Syrien strebten eine Rückgewinnung der 1967 verlorenen Gebiete an. Verhandlungen hierüber hatten sie jedoch bereits im selben Jahr mit den „Drei Neins von Khartoum“ zurückgewiesen. Im September 1970 starb der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser. Sein Nachfolger wurde Anwar as-Sadat, der sich entschloss, Israel zu bekämpfen, um die Gebiete zurückzubekommen. Nach dem Scheitern der Jarring-Mission hoffte Sadat, selbst durch eine minimale Niederlage Israels den Status quo verändern zu können und damit Verhandlungen zu erreichen. Der syrische Präsident Hafiz al-Assad hatte hingegen andere Motive und war einzig an der militärischen Zurückgewinnung der Golanhöhen interessiert. Seit dem Sechstagekrieg hatte Assad enorme Anstrengungen unternommen, Syrien zu einer dominanten militärischen Macht in der arabischen Welt zu machen. Assad war überzeugt davon, zusammen mit Ägypten die israelischen Streitkräfte besiegen zu können und damit die syrische Rolle in der Region zu sichern. Unter der Annahme, dass der Golan bereits erobert sei, erwog Assad allenfalls Verhandlungen über eine Aufgabe des Westjordanlandes und des Gazastreifens durch die Israelis zu führen.

Sadat hatte auch wichtige innenpolitische Gründe für einen Krieg. Die ägyptische Wirtschaft war zerstört, Sadat wusste aber um die immensen Widerstände in Teilen der ägyptischen Gesellschaft gegenüber den notwendigen Reformen. Nach einem militärischen Sieg erhoffte er, die notwendige Beliebtheit für die Durchführung nötiger Reformen zu erhalten. Zahlreiche ägyptische Studenten waren mit Sadats Zurückhaltung in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit äußerst unzufrieden und forderten in Massenprotesten, den Sinai zurückzugewinnen. Der US-amerikanische Historiker Abraham Rabinovich beschreibt die drei ersten Jahre der Regierungszeit Sadats allgemein als von einer starken Demoralisierung der ägyptischen Bevölkerung geprägt. In der darniederliegenden wirtschaftlichen Situation und der landesweiten Hoffnungslosigkeit schien Krieg der einzige Ausweg. In seiner Biographie über Sadat schreibt Raphael Israeli, dass Sadat die Wurzeln des Problems in der großen Schande des Sechstagekrieges sah und meinte, bevor irgendeine Reform durchgeführt werden könne, müsse zuerst die Schande überwunden werden.

Die anderen arabischen Staaten zeigten eine zurückhaltendere Position in Bezug auf einen erneuten Krieg gegen Israel. Der jordanische König Hussein befürchtete einen weiteren großen Verlust jordanischen Territoriums, nach dem Verlust des Westjordanlands und Ostjerusalems infolge des Sechstagekriegs. Sadat unterstützte den Machtanspruch der PLO auf diese Gebiete und versprach Jassir Arafat die Kontrolle über das Westjordanland und den Gazastreifen. Hingegen sah Hussein das Westjordanland immer noch als Teil Jordaniens und strebte mit den verlorenen Gebieten eine Vereinigung zum Vereinigten Arabischen Königreich an, was die PLO und die meisten arabischen Staaten ablehnten. Jigal Allon befürwortete jedoch den Vorschlag und sah darin eine Lösung des Konfliktes.[4] Außerdem hatten die Ereignisse des Schwarzen September, eines Beinahe-Bürgerkriegs zwischen der PLO und der jordanischen Regierung, zu einer starken Ablehnung Husseins gegenüber der syrischen Führung geführt, die militärisch auf Seiten der PLO interveniert hatte.

Auch der Irak und Syrien hatten belastete Beziehungen, Irak hatte Syrien und Ägypten aber im Kriegsfalle seine Waffenbrüderschaft zugesagt. Vom Libanon wurde nicht erwartet, dass er sich an den arabischen Kriegsbemühungen beteiligte, da er wegen innerer Instabilität und einer kleinen Armee zur Kriegsführung nicht in der Lage war.

Vor dem Krieg versuchte Sadat auf diplomatischem Wege Unterstützung für den Krieg zu gewinnen. Im Laufe des Jahres 1973 behauptete Sadat, mehr als hundert Staaten unterstützten ihn. Zu den Unterstützerstaaten gehörten die meisten Staaten der Arabischen Liga, der Bewegung der blockfreien Staaten und der Organisation für Afrikanische Einheit.

Vorgeschehen

Die Sowjetunion wurde für das ägyptische Scheitern im Abnutzungskrieg verantwortlich gemacht, so konnte Nasser seine Luftabwehr erst aufbauen, nachdem er eine sowjetische Unterstützungszusage erhalten hatte. Nasser drohte damit, sich in Zukunft den US-Amerikanern anzuschließen.

Die Sowjetunion hatte, im Gegensatz zu Ägypten, starke Interessen an einer Abkühlung des Konflikts, um gefährliche Reibungen mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden. Deshalb beschlossen die Supermächte nach einem Treffen in Oslo, den Status quo beizubehalten – ein Beschluss, der für die ägyptische Führung unannehmbar war. Nachdem ägyptische Angriffspläne durchgesickert waren, wurden die Sowjets im Juli 1972 aus Ägypten hinausgedrängt; beinahe alle 20.000 sowjetischen Militärberater mussten das Land verlassen. Ägypten begann damit eine schrittweise Annäherung an die Vereinigten Staaten.

Anwar Sadat meinte im Jahre 1972 öffentlich, dass sich Ägypten dem Krieg gegen Israel verpflichtet habe und bereit sei, „eine Million ägyptischer Soldaten zu opfern“. Seit dem Ende desselben Jahres begann das Land mit konzentrierten Bemühungen, seine Truppen aufzubauen. Die Sowjetunion lieferte MiG-21, 2K12 Kub, RPG-7 und besonders die Panzerabwehrlenkraketen 9K11 Maljutka. Auch die militärische Taktik wurde verbessert: Politische Generäle, die für die Niederlage im Sechstagekrieg verantwortlich waren, wurden durch andere Offiziere ersetzt.

Die Sowjetunion sah Sadats Erfolgschancen als gering an. Sie warnte, dass jeder Versuch den stark befestigten Sueskanal zu überschreiten, zu schweren Verlusten führen würde. Sie verfolgte eine Politik der Entspannung und hatte deshalb keinerlei Interessen an einer Destabilisierung des Nahen Ostens. Nach einem Treffen mit Richard Nixon im Juni 1973 forderte Leonid Breschnew Israel dazu auf, sich auf die Grenzen von vor dem Sechstagekrieg zurückzuziehen, andernfalls könne die Sowjetunion eine Eskalation nicht verhindern. Dies wurde als Hinweis auf den Verlust des sowjetischen Einflusses auf Sadat interpretiert.

In einem in Newsweek veröffentlichten Interview vom 9. April 1973 drohte Sadat erneut mit Krieg. Im Laufe des Jahres 1973 führte die ägyptische Armee verschiedene Übungen durch, die Israel jedes Mal auf die höchste Alarmstufe brachten, es gleichzeitig aber davon überzeugten, jeden Angriff mit den israelischen Luftstreitkräften zurückschlagen zu können.

Am 12. September 1973 fand in Kairo ein Gipfeltreffen zwischen Sadat, Assad und dem jordanischen König Hussein statt. Zwischen Sadat und Assad wurde bei diesem Treffen der 6. Oktober 1973 als Angriffstermin festgelegt. Hussein wurde nicht eingeweiht, spürte jedoch, „dass etwas in der Luft liegt“.[5] Er flog daraufhin am 25. September 1973 nach Tel-Aviv, um die israelische Regierung zu warnen, da er nicht in einen erneuten Krieg hineingezogen werden wollte. Nach Angaben von Aviezer Yaari, dem Chef des Syrien/Libanon/Irak-Büros des Aman teilte er mit, dass die syrische Armee kriegsbereit sei. Weiterhin sagte er auf Nachfrage Meirs, dass Syrien nicht ohne Ägypten angreifen werde. Golda Meir maß der Warnung Husseins nach Angaben des Leiters des Aman, Generalmajor Eli Zeira, keine größere Bedeutung zu und fragte nicht einmal nach dem konkreten Datum des geplanten Angriffs.[5]

Beinahe genau ein Jahr vor dem Krieg, am 24. Oktober 1972, meinte Sadat bei einem Treffen des höchsten Militärrates, er wolle selbst bei fehlender sowjetischer Unterstützung in den Krieg ziehen. Die Planungen hierfür wurden selbst höchsten Befehlsebenen nicht früher als eine Woche vor Kriegsbeginn bekannt gemacht. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR informierte Erich Honecker am 5. Oktober 1973 über den Beginn des Krieges. Die Sowjetunion wusste offenbar noch früher von den Angriffsplänen, denn in diesem Informationsschreiben wurde Folgendes erwähnt: „Die sowjetischen Militärspezialisten wurden von ihren Organen angewiesen, sofort ihre Tätigkeit abzubrechen und mit ihren Familien abzureisen“.[6]

Untere Ränge wussten noch wenige Stunden vor dem Angriff nichts. Der konzertierte Angriffsplan wurde schließlich Operation Badr genannt (arabisch für Vollmond).

Kriegsausbruch und -verlauf

Am 6. Oktober 1973, dem jüdischen Versöhnungsfest Jom Kippur, begann Syriens und Ägyptens Angriff auf die von Israel besetzten syrischen und ägyptischen Gebiete (4. Israelisch-arabischer Krieg, Oktoberkrieg). Nach Jüdischem Kalender war es der 10. Tischri 5734.

Jom-Kippur-Krieg – Ägyptischer Angriff: 6. bis 14. Oktober 1973
Jom-Kippur-Krieg – Israelischer Gegenangriff „Operation Gazelle“: 15. bis 23. Oktober 1973
Jom-Kippur-Krieg – Israelisch-syrische Kämpfe um die Golanhöhen: 6. bis 12. Oktober 1973

Die ägyptische Artillerie eröffnete aus 1650 Geschützen das Feuer an der Suez-Front zur Vorbereitung einer Kanalüberquerung. Über 50 Hubschrauber vom Typ Mi-8 brachten ägyptische Soldaten zum Ostufer am Südende des Sueskanals, während Pioniereinheiten bei Gabasat mit Flammenwerfern und Sprengladungen die Verteidigungsstellungen der Israelis durchbrachen. An fünf Stellen überquerten die Soldaten den Sueskanal: bei al-Qantara, al-Firdan, Ismailia, bei den Bitterseen und nördlich von Sues. Amphibische Panzer vom Typ PT-76 überquerten den Kanal, zerstörten israelische Bunkerstellungen und bildeten Brückenköpfe am Ostufer. Es folgte der schnelle Aufbau von Pontonbrücken, so dass die Ägypter Kampfpanzer vom Typ T-54 und T-55 an das Ostufer nachrücken lassen konnten. Die ägyptische Luftwaffe griff mit 220 Flugzeugen die Flughäfen al-Mulaiz Bir Thanada und as-Sur an. Weitere Luftangriffe richteten sich gegen Hawk-Stützpunkte, Artilleriestellungen im Hinterland, Radarstellungen und Kommunikationszentren. Mit 9K52 Luna-M-Raketen erfolgte der Angriff auf die israelischen Stützpunkte von Bir Gifgafa und Tasa. Danach erfolgte ein Angriff der ägyptischen Luftwaffe auf Umm Kuschaiba sowie auf Kommunikationszentren zwischen al-Qantara und Abu Aghaila. Weiter östlich gelegene Ziele wurden mit KSR-2-Raketen angegriffen, die von Tupolew Tu-16 abgefeuert wurden. Die israelische Luftwaffe mit ihren Mirage- und Phantom-Kampfflugzeugen wurde von den Ägyptern erfolgreich durch die mobilen Flugabwehrraketensysteme S-75, 2K12 Kub und S-125 Newa bekämpft, welche bis zum 5. Kriegstag rund 85 Abschüsse, darunter 50 Phantoms, verzeichneten.

Gleichzeitig griff die syrische Luftwaffe mit etwa 30 Maschinen im Bereich des Berges Hermon an. Hubschrauber beförderten am 6. Oktober eine Kommandoeinheit des syrischen 82. Fallschirmjägerregiments auf den 2800 m hohen schneebedeckten Berg, auf dem sich ein Horchposten des israelischen Militärgeheimdienstes Aman mit 41 Militärtechnikern befand, der von nur 13 Infanteristen geschützt wurde. Der Sturm gelang, wobei 18 Israelis fielen und 31 verwundet wurden. Ein Rückeroberungsversuch Israels am 8. Oktober scheiterte mit Verlusten von 25 Toten und 51 Verwundeten. Erst am 22. Oktober gelang der Golani-Brigade die Rückeroberung, wobei 55 Soldaten der Brigade fielen und 79 verwundet wurden.

Der Angriff überraschte die unvorbereiteten Israelis und brachte den Angreifern zunächst militärische Anfangserfolge. Auf israelischer Seite wirkte sich der Überraschungsangriff auf die Einberufung, anders als die arabischen Strategen erwartet hatten, allerdings nicht negativ aus. Im Gegenteil verlief die Mobilisierung der Reservisten außergewöhnlich schnell, und das trotz der anfänglichen Überraschung und einiger Verwirrung in den Mobilmachungsdepots. Während des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur ruhte das öffentliche Leben fast vollständig, weshalb kein Straßenverkehr die Militärtransporte behinderte und die Reservisten in ihren Häusern und Synagogen schnell ausfindig gemacht werden konnten. Weniger als 24 Stunden nach Beginn der Kampfhandlungen erreichten die ersten Teile zweier Reservedivisionen unter Awraham Adan und Ariel Scharon die Orte Baluza und Tasa, jeweils 250 Kilometer von ihren Heimatbasen entfernt.

Syriens Präsident Assad und Verteidigungsminister Tlas an der Golanfront

Die Syrer drangen zunächst mit über 1400 Panzern in die Golanhöhen ein, die Ägypter durchbrachen die israelischen Verteidigungsstellungen und überquerten den Sueskanal. Mit Ausnahme eines kleinen Gebietes um Port Said an der Mittelmeerküste gelang den Ägyptern die Einnahme der Bar-Lev-Linie. Zwei ägyptische Armeen besetzten einen Streifen parallel zum Sueskanal.

Den israelischen Streitkräften gelangen Gegenangriffe erst nach einigen Tagen, wobei sie sich zuerst auf die syrische Front konzentrierten. Im Norden führte die Gegenoffensive zu einer Niederlage für die syrische Armee, die in wenigen Tagen – bis zum 10. Oktober – bereits besiegt war und 870 Panzer sowie tausende Fahrzeuge und Geschütze zurücklassen musste. Ein irakischer Panzerverband, der Assads Truppen unterstützen sollte, erlitt ebenfalls eine schwere Niederlage. Die Syrer wurden bis 32 Kilometer vor Damaskus zurückgedrängt, und die syrische Hauptstadt wurde massiv bombardiert, was viele zivile Opfer forderte. Ein Durchbruch durch die syrische Front gelang den israelischen Truppen jedoch nicht.

Auf der Sinai-Halbinsel drängten israelische Truppen die Ägypter derweil ebenfalls zurück und überquerten am 16. Oktober den Sueskanal. Südlich der Bitterseen gelang es den Israelis unter Führung von General Ariel Scharon, die auf dem Ostufer verbliebene ägyptische 3. Armee einzukesseln. Die israelische Armee stand nun jenseits des Sueskanals, 120 km vor Kairo.

Ein Einsatz der israelischen Atomwaffen wurde während der Anfangsphase des Krieges in Erwägung gezogen: Nachdem sie in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober von Mosche Dajan informiert worden war, dass eine militärische Niederlage gegenüber Syrien und Ägypten drohe, befahl Golda Meir, 13 Atombomben mit der Sprengkraft von je 20 Kilotonnen TNT für die Jericho-Raketen (Kairo und Damaskus in Reichweite)[7] auf der Sdot Micha Raketenbasis und die F-4 auf der Tel Nof Airbase gefechtsbereit zu machen.[8][9][10][11][12] US-Präsident Richard Nixon und sein Außenminister Henry Kissinger erfuhren von dieser Maßnahme am Morgen des 9. Oktober und ordneten, um einen Atomschlag zu vermeiden, die Operation Nickel Grass an, eine massive Unterstützung mit militärischem Material für Israel.[13][12]

Ergebnis

Die Golanhöhen nach dem Jom-Kippur-Krieg

Am 22. Oktober rief der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 338 auf Druck der Vereinigten Staaten alle Parteien auf, das Feuer einzustellen. Bei Inkrafttreten des Waffenstillstands am 22. Oktober (Nordfront) bzw. 24. Oktober (Südfront) waren die Syrer besiegt; die eingeschlossene und unversorgte ägyptische 3. Armee stand vor der Vernichtung. Am 25. Oktober 1973 befürchteten die Vereinigten Staaten, dass die Sowjetunion Truppenverbände an die Südfront entsenden und damit die Entspannungspolitik untergraben könnte. In Militärkreisen wurde befürchtet, dass die Sowjetunion mit An-12-Transportflugzeugen bis zu vier Luftlandedivisionen nach Ägypten beordern würde. Bislang flogen die sowjetischen Transportflugzeuge nur Waffen, darunter auch Panzer vom Typ T-62, sowie weitere SA-6-Gainful-Flugabwehrraketensysteme und Munition nach Ägypten. US-Verteidigungsminister James R. Schlesinger und der Nationale Sicherheitsrat befahlen am 25. Oktober die Alarmstufe 3 (Defcon 3) und damit die Alarmierung zur Einsatzbereitschaft der Atomstreitkräfte. US-Truppen in der Bundesrepublik Deutschland wurden ebenfalls in Alarmbereitschaft versetzt und besetzten ihre Bereitstellungsräume an der Grenze zur DDR und ČSSR. US-Präsident Richard Nixon sah die Situation als „die schwerste Krise seit Kuba“. Nach Unterredung mit der sowjetischen Seite und der Erkenntnis, dass keine sowjetischen Truppen in Ägypten landeten, wurde die Alarmbereitschaft in den Vereinigten Staaten am darauffolgenden Tag wieder zurückgenommen.

Nach dem Beginn des Waffenstillstands begannen in einem Zelt am Meilenstein 101 der Straße zwischen Kairo und Sues Verhandlungen zur Truppenentflechtung zwischen den kriegführenden Parteien. Diese Verhandlungen zogen sich über Monate hin.

Die Verluste waren auf beiden Seiten hoch. Auf arabischer Seite gab es über 8500 Tote zu beklagen. Mehr als 2600 israelische Soldaten fielen, 7500 wurden verwundet und 300 gerieten in Gefangenschaft. Die israelische Luftwaffe erlitt große Verluste durch den Einsatz von Flugabwehr-Raketen aus sowjetischer Produktion.

Der Krieg führte zu einer Traumatisierung der israelischen Öffentlichkeit, die die außenpolitische Bedrohung kaum wahrgenommen hatte, weil die israelische Armee bis dahin als unbesiegbar gegolten hatte. Die Vorwürfe aufgrund der massiven Verluste zwangen die israelische Regierungschefin Golda Meir im April 1974 zum Rücktritt.

Für Anwar as-Sadat stellte der militärisch verlorene Krieg politisch dagegen einen Erfolg dar. Mit dem Krieg konnte er Israel zeigen, dass die arabische Welt ein militärisch nicht zu unterschätzender Gegner war. 1977 traf er mit Menachem Begin zusammen und schon 1979 unterzeichneten beide in Washington das Friedensabkommen von Camp David.

Durch die Demonstration der Stärke gewannen die arabischen Regierungen wieder mehr Selbstbewusstsein, was zunächst den Islamismus eindämmte.

Der Jom-Kippur-Krieg war zusammen mit Produktionssenkungen der arabischen Ölförderländer Auslöser der Ölkrise 1973. Die OAPEC verhängte gegen die Vereinigten Staaten ein totales Ölembargo, als der US-Kongress beschloss, Israel in diesem Krieg auch offiziell mit Kriegsmaterial zu unterstützen, das dann über eine Luftbrücke der US-amerikanischen Streitkräfte nach Israel geflogen wurde. Später wurde das Embargo auf die Niederlande ausgedehnt, weil deren Regierung die US-amerikanische Politik am deutlichsten unterstützte.[14]

Rezeption

In Syrien wurde der Krieg von den staatlichen Medien und der staatlich gesteuerten Geschichtsschreibung als Sieg und erfolgreiche Revanche für den Sechstagekrieg dargestellt. Dem Diktator Hafiz al-Assad wurde dabei eine bestimmende Führungsrolle zugeschrieben und er als Kriegsheld dargestellt.[15] Viele Orte in Ägypten tragen heute den Namen Sitta Oktubr (6. Oktober). An der Zubringerstraße zum Kairoer Flughafen gibt es ein Panorama, das die Abläufe des in Ägypten als siegreich empfundenen Krieges beschreibt.

Siehe auch

Literatur

  • Zeev Elron: Als Israel den Atem anhielt: Sinai, 6. bis 24. Oktober 1973. In: Stig Förster, Markus Pöhlmann, Dierk Walter (Hrsg.): Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai. C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48097-7, S. 374–393.
  • Gerhard Konzelmann: Die Schlacht um Israel. Der Krieg der Heiligen Tage. Verlag Kurt Desch, München 1974. ISBN 3-420-04700-2.
  • Mayer, Werner; Schmidt-Polex, Carl: Schwarzer Oktober. 17 Tage Krieg um Israel. Schulz, Kempfenhausen 1973. ISBN 3-7962-0033-8.
  • Abraham Rabinovich: Yom Kippur War: The Epic Encounter That Transformed the Middle East, New York, NY: Schocken Books 2017, ISBN 978-0-8052-1124-5.

Dokumentation und Film

  • 1973. Jom Kippur. Ein Krieg im Oktober, zweiteilige Dokumentation, Arte Frankreich, 2012
  • Der Jom-Kippur-Krieg ist Teil der Handlung des 2002 entstandenen Films Der Anschlag.

Weblinks

 Commons: Jom-Kippur-Krieg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Jom-Kippur-Krieg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Martin Gilbert (Hrsg.): The Arab-Israeli conflict. Its history in maps 3. Auflage. Weidenfeld & Nicolson, London 1979, ISBN 978-0-297-77592-8, S. 91–92.
  2. 2,0 2,1 2,2 Martin Robbe: Scheidewege in Nahost, Seiten 289, 291 und 295. Militärverlag der DDR, Berlin 1983.
  3. Louis Perez: Cuba – Between Reform and Revolution, Oxford University Press 1995, ISBN 978-0-19-509482-4, S. 377–379.
  4. Zustimmung aus Israel für Hussein-Plan (Memento vom 27. Juli 2014 im Internet Archive)
  5. 5,0 5,1 Filmreportage „1973. Jom Kippur. Ein Krieg im Oktober“ von Vincent de Cointet. Ausgestrahlt auf arte am 15. Oktober 2013.
  6. Wolfgang G. Schwanitz: Honecker war über Angriff auf Israel vorab informiert, in Berliner Zeitung, 6. Oktober 1997, Webversion 4-2009 (PDF; 590 kB)
  7. Jericho 1. In: Missile Threat. 15. Juni 2018, abgerufen am 6. Juli 2019.
  8. Erich Follath: Das Phantom von Dimona. In: Der Spiegel. Nr. 4, 2004, S. 110–114 (26. Januar 2004, online).
  9. Israel 'ready to drop 13 atom bombs'. In: The Age, 6. April 1976 (online)
  10. Violent Week: The Politics of Death. In: Time, 12. April 1976 (online)
  11. The Last Nuclear Moment. In: New York Times, 6. Oktober 2003 (online)
  12. 12,0 12,1 Warner D. Farr: The Third Temple’s Holy of Holies: Israel’s Nuclear Weapons. Counterproliferation Paper No. 2, USAF Counterproliferation Center, Air War College, September 1999 (online).
  13. October 9, 1973 conversation (6:10–6:35 pm) between Israeli Ambassador to the United States Simcha Dinitz, Henry Kissinger, Brent Scowcroft, and Peter Rodman. Transcript. George Washington University National Security Archive (online; PDF; 173 kB).
  14. Henry A. Kissinger: Memoiren 1973–1974, Band 2, München 1982, ISBN 3-570-00710-3, S. 1018–1033.
  15. Mordechai Kedar: Asad in Search of Legitmacy – Message and Rhetoric in the Syrian Press under Hafiz and Bashar, Portland, 2005, S. 145–148.
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