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Jelgava

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Jelgava (dt.: Mitau)
Wappen von Jelgava
Jelgava (Lettland)
Red pog.svg
Basisdaten
Staat: Lettland
Landschaft: Semgallen (lettisch: Zemgale)
Verwaltungsbezirk: Republik-Stadt Jelgava
Koordinaten: 56° 39′ N, 23° 43′ O56.64833333333323.71388888888913Koordinaten: 56° 38′ 54″ N, 23° 42′ 50″ O
Einwohner: 64.748 (1. Jul. 2014)
Fläche: 60,1 km²
Bevölkerungsdichte: 1.077,34 Einwohner je km²
Höhe: 13 m
Stadtrecht: seit 1573
Webseite: www.jelgava.lv
Postleitzahl:
ISO-Code:
Jelgava aerial view.jpg
Vorn die Academia Petrina, dahinter links die orthodoxe Kirche der

Heiligen Simeon und Anna, rechts die Marienkathedrale.

Jelgava (deutsch: Mitau) ist eine Stadt in Lettland im Gebiet Semgallen 44 km südwestlich von Riga. Bis 1919 war Mitau die Hauptstadt von Kurland und im Gegensatz zum hanseatischen Riga adelig geprägt. Heute ist Jelgava eine der neun „Republik-Städte“ des Landes (siehe die Verwaltungsgliederung Lettlands).

Jelgava liegt in einer fruchtbaren Ebene am rechten Ufer der Lielupe (deutsch: Kurländische Aa), deren Hochwasser die niedrig gelegene Stadt gefährden. Jelgava wird von dem nach Jakob Kettler benannten Jakobskanal umflossen, ist Eisenbahnknotenpunkt und ein wichtiger Markt für Getreide und Holz.

Wortbedeutung

Man nimmt an, dass der lettische Name Jelgava vom livischen Wort jelgab stammt, das „niedriggelegener Ort“ bedeutet. Der Ursprung des deutschen Namens Mitau ist unklar; einige vermuten eine Herkunft vom (lettischen) mīt oder mainīt, „wechseln“. Andere Erklärungen sind „mitten in der Aue“ oder „die Mitte der Aa“.

Stadtbild

An Jelgavas regelmäßigen, breiten Straßen reihten sich bis zum Zweiten Weltkrieg die Herrschaftshäuser des in der kurländischen Hauptstadt residierenden deutschbaltischen Adels auf. Nach schweren Kriegsverlusten dominieren heute Bauten aus sowjetischer Zeit das Stadtbild.

Das alte Schloss (1266) der Herzöge von Kurland auf einer Insel im Fluss wurde von Herzog Ernst Johann von Biron niedergerissen, der sich stattdessen 1738–1772 von Bartolomeo Francesco Rastrelli ein geräumiges Schloss an der Brücke über die Kurländische Aa errichten ließ. Das Schloss ist Grablege aller kurländischen Herzöge und von einem Park umgeben. Zu den Wahrzeichen der Stadt zählen auch die Barockkirche der Heiligen Anna, der Turm der zerstörten Dreifaltigkeitskirche, die orthodoxe Annenkathedrale, und zwei ansehnliche neoklassizistische Bauwerke, die Villa Medem und die Academia Petrina.

Die Kathedrale der unschuldigen Jungfrau Maria (Bezvainīgās jaunavas Marijas katedrāle) ist die römisch-katholische Bischofskirche des Bistums Jelgava. Die Kirche wurde 1904-1906 im neogotischen Stil unter Karlis Strandmanis erbaut, aber erst 1925 geweiht. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Kirche schwer beschädigt; die Restaurierungen dauerten bis 1992. Mit der Errichtung des Bistums Jelgava 1996 wurde die Kirche in den Rang einer Kathedrale erhoben.

Geschichte

Die Liven begannen im 10. Jahrhundert das Gebiet zwischen den Flüssen Lielupe und Driksa zu besiedeln. Angeführt von ihrem Landmeister Konrad von Mandern errichteten die Kreuzritter des Livländischen Ordens 1265/66 das Schloss Mitau auf einer vorhandenen Inselbefestigung (Pilssala). Mit Mitau als südlicher Festung unterwarfen die deutschen Ritter bis 1290 die Liven und Semgaller der Umgebung. Die Stadt gewann als Verteidigungsanlage gegen die Litauer, denen 1345 die Plünderung Mitaus gelungen war, an Bedeutung.

Nach der endgültigen Auflösung des Livländischen Ordens während des Livländischen Kriegs wurde Mitau 1561 Teil des Herzogtums Kurland, das ein Vasallenstaat der polnisch-litauischen Union war. 1573 erhielt Mitau Stadtrechte und wurde 1578 Hauptstadt des vereinigten Herzogtums Kurland und Semgallen. Als dieses 1596 geteilt wurde, machte Herzog Friedrich Kettler von Semgallen Mitau zu seiner Residenz. 1617 wurde die Stadt erneut Hauptstadt eines vereinigten Herzogtums. Bei den wiederholten Kriegen Polen-Litauens mit Schweden wurde Mitau mehrfach belagert. Trotzdem wuchs die Stadt zu einem Zentrum für Handel und Gewerbe heran. In dem Maße, wie Kurlands Nachbarn stärker wurden, gerieten Herzogtum und Stadt jedoch mehr und mehr in den Einflussbereich Russlands.

Gebäude der Academia Petrina
Schloss Jelgava, Blick über die Lielupe

Der vorletzte Herzog von Kurland, Ernst Johann von Biron, baute Mitau kulturell aus. Er ließ das herzogliche Schloss errichten und eröffnete die erste öffentliche Bücherei der Stadt. Im Jahr 1775 gründete er die Universität Academia Petrina, die zum geistigen Mittelpunkt des Landes wurde.[1] Auch förderte der Herzog Theateraufführungen an seinem Hof.

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 forderten auch die Bürger Mitaus mehr Rechte. 1795 wurde ihre Stadt zusammen mit Kurland im Zuge der polnischen Teilungen durch das Russische Reich annektiert und hieß nunmehr Mitawa (russisch Митава).

Dem Grafen der Provence und späteren König von Frankreich, Ludwig XVIII., diente der Mitauer Palast von 1798 bis 1801 und von 1804 bis 1807 als Herrschaftssitz.[2] 1799 heiratete hier Marie Therese Charlotte, genannt „Madame Royale“ (die Tochter von Ludwig XVI. und Marie Antoinette), ihren Vetter Louis-Antoine de Bourbon, den Herzog von Angoulême. Während Napoleons Russlandfeldzugs 1812 war Mitau von Juli bis Dezember Sitz des Befehlshabers der mit Napoleon verbündeten preußischen Truppen, des Generals Ludwig Yorck von Wartenburg.

Einen weiteren Ausbau erfuhr Mitau nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1868. Lettische Landbewohner wurden durch die infrastrukturelle Entwicklung angezogen und ließen sich als Händler, Handwerker, Lehrer und Beamte in der Stadt nieder. 1914 hatte Mitau, von den Letten Jelgava genannt, über 45.000 Einwohner.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs litt die Stadt merklich. Deutsche Truppen besetzten sie während des Krieges, die daraufhin Schlachtgebiet zwischen der Roten Armee, deutschbaltischen Freikorps-Verbänden und lettischen Freiheitskämpfern wurde. Nach dem Sieg der letzteren wurde Jelgava zu einer wichtigen Stadt im unabhängigen Lettland.

Sowjetische Soldaten während eines Angriffs in Jelgava, im Hintergrund ist der Turm der katholischen Kirche zu erkennen (August 1944)
Die 1941 von Deutschen zerstörte Synagoge

Ein Großteil der verbliebenen deutschen Bevölkerung folgte 1939 der Aufforderung zur „Heimkehr“ ins deutsche Reich. Gemäß den Vereinbarungen im geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes annektierte die Sowjetunion Jelgava 1940 zusammen mit dem restlichen Lettland. Zwischen 1941 und 1944 besetzten deutsche Truppen der Heeresgruppe Nord Jelgava; eine deutsche Einsatzgruppe brachte daraufhin mit Unterstützung lokaler lettischer Hilfspolizisten den Großteil der jüdischen Bevölkerung Mitte 1941 um.[3] Vom 28. Juli bis zum 10. Oktober 1944 verlief die Kriegsfront direkt durch Jelgava, als die Rote Armee wiederum auf dem Vormarsch nach Westen war. Fast 90 Prozent der Gebäude der Stadt einschließlich des historischen Zentrums wurden während der Kämpfe zerstört. Einen Eindruck des „alten“ Jelgava vor der Zerstörung 1944 vermittelt die vom Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung digitalisierte Fotosammlung des Kurländischen Provinzialmuseums in Mitau (KPM).[4] Nach der endgültigen Eroberung durch die Rote Armee wurde hier das Kriegsgefangenenlager 266, Elgava (Mitau) für deutsche Kriegsgefangene eingerichtet.[5]

Der Wiederaufbau erfolgte während der Zeit der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Heute, im unabhängigen Lettland, bemüht sich Jelgava um den Ausbau des Tourismus und der Forschung. Seit 1939 beherbergt die Stadt die Lettische Landwirtschaftliche Universität.

Einwohnerentwicklung Jelgavas

1450 1642 1757 1897 1914 1925 1935 1943 1945 1959 1979 1989 1997 2007 2010 2014[6]
Einwohner ca. 1000 ca. 3000 9948 35.131 45.700 28.321 34.099 30.809 15.800 36.270 67.333 74.105 70.962 66.051 65.106 62.447

Söhne und Töchter der Stadt

In alphabetischer Reihenfolge

Literatur

  • Johann Heinrich Liebeskind: Rükerinnerungen von einer Reise durch einen Theil von Teutschland, Preußen, Kurland und Liefland, während des Aufenthalts der Franzosen in Mainz und der Unruhen in Polen, Straßburg 1795. (Mit ausführlicher Abhandlung über Mitau; Digitalisat der UB Tartu bzw. Digitalisat von Google Bücher im Internet Archive oder als E-Book, PDF-Dokument)
  • Karl-Otto Schlau: Zur Gründungs- und Verfassungsgeschichte der Stadt Mitau (Jelgava) in Kurland (1265–1795), in: Zeitschrift für Ostforschung 42 (1993), S. 507–562.
  • Karl-Otto Schlau: Ratslinie der Stadt Mitau in Kurland, 1573–1918. Bürgermeister, Gerichtsvögte, Ratsverwandte, Ratsherren, Stadthäupter, Ratmänner, Stadträte, Stadtschreiber und Stadtsekretäre, Hamburg 2002 (Baltische Ahnen- und Stammtafeln, Sonderheft 27).

Industrie

In Jelgava betreibt EuroMaint eine Komponentenwerkstatt.[7]

Bezeichnungen

Weitere Bezeichnungen für den Namen der Stadt sind:

Siehe auch die Liste deutscher Bezeichnungen lettischer Orte.

Einzelnachweise

  1. Siehe William Meyer: Die Gründungsgeschichte der Academia Petrina in Mitau. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärungszeit in Kurland, in: Sitzungsberichte der Kurzemer (Kurländischen) Gesellschaft für Literatur und Kunst und Jahresberichte des Kurzemer (Kurländischen) Provinzial-Museums in Jelgava (Mitau), Bd. 1935/36 (1937), S. 35–168.
  2. Erwin Oberländer: Königliches Intermezzo in Kurland. Ludwig XVIII. in Mitau und Blankenfeld, in: Ostseeprovinzen, Baltische Staaten und das Nationale. Festschrift für Gert von Pistohlkors zum 70. Geburtstag, hg. von Norbert Angermann, Michael Garleff, Wilhelm Lenz, Münster 2005, S. 165–184.
  3. Siehe dazu den Artikel in der englischsprachigen Wikipedia und das Buch von Max Kaufmann: Die Vernichtung der Juden Lettlands, Selbstverlag, München 1947, das in der englischen Übersetzung auf der Website Jews of Latvia frei zugänglich ist.
  4. Fotosammlung des Kurländischen Provinzialmuseums in Mitau im Bildkatalog des Herder-Instituts.
  5. Erich Maschke (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges. Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 1962–1977.
  6. Einwohnerstatistik vom 1. Juli 2014 (pdf) auf www.pmlp.gov.lv/
  7. Komponentenwerkstatt von EuroMain

Weblinks

 Commons: Jelgava – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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