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Jüdischer Name

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Jüdische Namen weisen etymologische Gemeinsamkeiten auf. Dieser Artikel beschränkt sich vorerst auf das aschkenasische Judentum. Die sephardischen, orientalischen, slawischen und neu-hebräischen Namen bleiben hier unberücksichtigt.

Geschichte und Prinzipien

Aschkenasische Juden, also die ursprünglich im nördlichen Mittel- und Westeuropa angesiedelten und die von dort beispielsweise nach Osteuropa ausgewanderten Juden, hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts meist noch keine festen Familiennamen, im Gegensatz zu den sephardischen Juden (Sephardim), bei denen dies bereits seit der Frühzeit üblich war. In der Regel waren die sephardischen Namen patronym; seit dem 14. Jahrhundert wurden sie gräzisiert: Nachmanides, Maimonides, Avramides, d. h. Nachkomme des Maimon, Nachman, Abraham. In aller Regel wurde der Name des Vaters als zweiter Name (Patronym) benutzt, also beispielsweise Jakob ben Nathan = Jakob, Sohn des Nathan. Grund dafür ist u. A. die Verordnung von Rabbenu Tam (Jacob ben Meir) aus dem 12. Jahrhundert, dass in einer Scheidungsurkunde nur von Juden unter Juden verwendete Namen (d. h. Eigen- und Vatersnamen) verwendet werden durften, aber nicht die von Juden ausschließlich im Verkehr mit Nichtjuden verwendete Beinamen. Diese Anweisung wurde danach bei vergleichbaren Verträgen, z. B. Ehe- und Geschäftsverträgen, analog angewendet. Jüdische Namen bestehen aus dem Vornamen und dem Vornamen des Vaters, wobei ein ben („Sohn von“) oder bat („Tochter von“) dazwischengeschoben wird. Im religiösen Bereich wird der Name besonders zu rituellen Zwecken benutzt, so bei Jungen erstmals bei der Beschneidung sowie bei der Bar Mitzwa anlässlich des Aufrufs zur Toralesung. In der Regel steht dieser Name auch auf dem Grabstein eines Juden.

Es gab aber viele Ausnahmen von dieser Regel. Am wichtigsten war wohl der Brauch, eine rabbinische Dynastie mit einem – meist vom Herkunftsort des Gründers abgeleiteten – Familiennamen zu bezeichnen, z. B. von Katzenelnbogen (damals in Hessen) oder Emden. Diese Nachnamen dienten teils als Familiennamen, teils sozusagen als Markennamen. Schwiegersöhne, die Rabbiner wurden, erbten oft den Namen, und Söhne, die nicht Rabbiner wurden, trugen ihn meistens nicht.

Die Sippen- oder Stammnamen Kohen und Levi (mit vielen Varianten) wurden von Vater auf Sohn weitergetragen und erschienen in fast allen jüdischen Urkunden, Grabsteinen, wenn ein dort erwähnter Mann (oder der Vater oder Ehemann einer Frau) dem Stamm zugehörte.

In manchen Orten, besonders wo es eine größere jüdische Gemeinde gab, wurden Nachnamen zwar nicht offiziell, aber doch einigermaßen regelmäßig verwendet. In Prag war dies besonders der Fall.[1] Die älteste nicht mehr erhaltene Synagoge Prags, die Altschul, war über mehrere Jahrhunderte der Hauptsitz der Altschul oder Altschuler Familien. Ein Nachkomme von Flüchtlingen aus der Provence hatte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Prag niedergelassen.[2]

In den absolutistisch regierten Staaten Mitteleuropas wurde Ende des 18. Jahrhunderts damit begonnen, jüdische Bewohner als Bedingung für erweiterte Bürgerrechte zur Annahme eines unveränderbaren Familiennamens zu zwingen. Zuerst geschah dies 1787 in den Habsburgischen Erbländern, es folgten weitere Staaten und Städte. In Preußen: 1790 Stadt Breslau, 1791 Regierungsbezirk Breslau, 1794 Regierungsbezirk Liegnitz bzw. Glogau, 1812 (als Teil der Emanzipation) Altmark, Neumark, Pommern, Westpreußen, Ostpreußen; 1833 Posen; 1845 Kulmerland; 1846–1848 restliche Provinzen.

Im restlichen Deutschland: 1813 Bayern, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, 1828 Hannover und Württemberg, 1834 Sachsen.

Noch bevor im Kaiserreich Frankreich durch Napoléons Erlass vom 20. Juli 1808 alle dortigen Juden zur Annahme von festen Nachnamen verpflichtet wurden, war dies durch Dekret vom 31. März 1808 bereits in dem von Napoléons Bruder Jérôme regierten Königreich Westphalen angeordnet worden.

Nach und nach führten dann alle Staaten Europas ähnliche Regelungen ein.

Die Juden konnten ihre neuen Namen in der Regel frei wählen. Gelegentlich angeführte Berichte über eine zwangsweise Annahme von diskriminierenden Namen entsprechen wohl nicht der damals üblichen Praxis.[3] Allerdings gab es örtliche Einschränkungen: die österreichischen und französischen Gesetze ließen beispielsweise keine neuen Namen zu, die den jüdischen Hintergrund des Trägers deutlich herausstellten (z. B. Namen aus dem Alten Testament oder alttestamentliche Städtenamen). Die jüdischen sollten sich von deutschen Familiennamen möglichst nicht unterscheiden, um die Integration der Juden zu fördern, die in dieser Zeit zunächst meist beschränkte und später dann auch volle Bürgerrechte erhielten.

Je nach Region konnte die Namensgebung unterschiedlich verlaufen, so dass bei der Deutung der Namen auch die Herkunftsregion eine große Rolle spielen kann. Nicht zu verkennen ist aber auch die durch die Namensanalyse vermutete Freude der Juden an Synonymen, am Denken um die Ecke, an Verballhornungen, an Wortspielereien und an (Selbst-)Ironie. Gerade ihre Mehrsprachigkeit und die Eigenart der hebräischen Schrift, nur Konsonanten abzubilden, trugen dazu wesentlich bei.

Beispiele für die Namensbildung

Biblische Vornamen

oder Anspielungen auf Episoden in der Bibel

und Übernamen oder Koseformen solcher biblischer Namen wie

Zwölf Stämme Israels

Die zwölf Stämme genießen in der jüdischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert und wurden daher gerne für die Namenswahl in direkter oder umschriebener Form herangezogen. Der Name Israel selbst ist ursprünglich selten und hat erst durch die deutschen Judenverfolgungen des 20. Jahrhunderts (Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen) Verbreitung gewonnen.

Dabei wurde nicht selten auf die in 1. Mose 49,3–27 EU angesprochenen Symbole ausgewichen wie

  • Löwe (Synonym für den Stamm Juda), dito Leon und Loeb, diminutive Koseform Leibel, Leibl.[4]
  • Drache (für Dan), dito Trachmann
  • Wolf (für Benjamin)
  • Hirsch (für Naftali, eigentlich Gazelle), daraus auch Hirschmann, Hirschfeld, Hirschl, Hirschberg
  • Bär (für Issachar, eigentlich Esel, aber das wurde in Bär umgewidmet)

oder auf den sie symbolisierenden Schmuck auf den Priestergewändern laut 2. Buch Mose 28,17–21 EU

Ersatzweise die ihnen zugeordneten Fahnenfarben wie

  • Roth (für Stamm Ruben)
  • Schwarz (für Joseph und Benjamin)
  • Grün (für Simeon)
  • Weiß (für Zebulon)
  • Blau (für Issachar und Juda/Jehuda)
  • Gelb (für Dan)
  • Rosa (für Naftali)

häufig erweitert um Zusätze, etwa Grünspan, Bleiweiß, Weisrock, Rosenblatt, Rosenzweig, Rosenthal.

Vergleichbar sind Silber und Gold beinhaltende Namen, die mit den Erzengeln Michael und Gabriel in Verbindung gebracht werden; denn Gabriel brachte nach der Überlieferung das Gold zur Erde, daher

Früchte des Heiligen Landes

nach 5. Buch Mose 8,8

Tierkreiszeichen

Hausnamen

Hausnamen oder Wohnstättennamen traten vor allem in Judengassen wie in Frankfurt am Main auf, da es keine Hausnummern gab und die Häuser durch Symbole kenntlich gemacht wurden.

Auch diese Namen werden gerne um Komposita ergänzt.

Eindeutschungen

  • Baruch (= der Gesegnete) wurde eingedeutscht in
  • Karmi (= Mein Weingarten) wurde eingedeutscht in
    • Baumgarten, Baumgart, Baumgartel, Baumgartner, er war der vierte Sohn von Ruben (Numeri 26.6))
  • Abel (= Ebel, Evel, Ebelman)

Berufsnamen

Namen wie Goldschmied, Brauer, Melzer müssen nicht unbedingt auf den ausgeübten Beruf bezogen sein, sondern können auch Synonym sein. Goldschmied zu Elija, Kupferschmied und Kaufmann (von Kupper, Kosename für Jakob) oder Jäger für den Stamm Naftali.

Allgemeine Berufsbezeichnungen

Jüdische Gemeindeämter

  • Klemperer, ursprünglich der „Klopfer“, in der ostjüdischen Gemeinde der Gemeindediener, der morgens an die Türen der Frommen klopft, um sie an ihr Frühgebet zu erinnern.
  • Schaechter (von Schächten, schachat „töten, schlachten“, also der rituelle Metzger)
  • Saenger/Singer/Senger oder latinisiert: Cantor, vgl. Cantorowitz, Kantorowicz sowie Kentridge

Orts- und Ländernamen

Das Toponym kann jedoch nur dann auf den Ort hinweisen, wenn zur Zeit der Namensentstehung Juden dort wohnten. So ist der Name Berlin oder Berliner in den seltensten Fällen auf die Stadt Berlin zurückzuführen, sondern das Diminutiv von Bär.[6]

Landesübliche Namen

Die charakteristischen Namen der jeweiligen Umgebung wurden nicht selten ebenfalls übernommen, um das Stigma der damaligen Zeit, Jude zu sein, zu verbergen. Vor allem beim Wechsel des Glaubens wurden stigmatisierende Namen abgelegt und landesübliche Namen angenommen. Darunter verstehen sich Herkunftsnamen, Eigenschaftsnamen (Kurz, Krause, Klein, Lang) ebenso wie Berufsnamen (Schmidt, Müller)

Verschleifungen / Verballhornungen

Einige eindeutig erscheinende Namen sind Verfälschungen von Kosenamen oder Kurznamen in ähnlich klingende deutsche Wörter, die aber mit dem Ursprungswort nichts gemein haben. (Belege siehe Quellenverzeichnis unten)

  • Apfel-, Epl- von Ephraim
  • Bern-, Birn-, Baren- weist auf den Vornamen Ber hin
  • Ehren- und Ohren-/Oren- ist gelegentlich identisch mit Aaron, dito Ahorn
  • Eisen- von Isaak
  • Frank, Fränkel, Frenkel gelegentlich Kosename von Ephraim
  • Hack, Hock oder Sack rührt von Isaak her.
  • Kahn, Kohn, Kanal- von Cohen, levitischer Priester
  • Katz ist gebildet aus Cohen-Zedek (= Priester der Gerechtigkeit oder gerechter Priester)
  • Konz, Kunz(e), Kunst oder Kutz aus Cohen tzädäq (wie Katz)
  • mit -burg oder -berg endende Namen stellen teilweise eine Verballhornung von Baruch dar.
  • Baum, siehe Baumann
  • Baumann, Variante von Baum = Synonym für Abraham, Stammvater der Juden
  • Bein- kann von Benjamin, aber auch von Ben = Sohn hergeleitet sein
  • Benda, ben David = Sohn Davids
  • Biermann, Variante von Bärmann
  • Gafner vom Hebräischen Wort Gaf'ner für Brot abgeleitet
  • Herrman oder Heim von Chaim
  • Hirsch- kann von Hersch abgleitet sein
  • Kaufmann kann auch abgeleitet werden von Jaak(a)uf = Jakob, dito Kopp
  • Kersch-, Kirsch- s. Hirsch
  • Leib-, Loeb, Loew-, Löw- weist auf Levi hin
  • Lieb, Liebmann/Lippmann, Lipp als Synonym für Eliakim, Jehuda, Moshe u. a.
  • Mandel, Mandelbaum, Mandelbrot, Mendelssohn, abgeleitet vom Kurznamen für Menachem
  • Maus, Abwandlung von Moses
  • Meier vom Vornamen Meir Meyer (im Talmud der Erleuchter), also nicht identisch mit dem deutschen Meier = Gutsverwalter
  • Morgen-/Morgenstern/Morgenthau vom Kosenamen für Mordechai
  • Müller von der Koseform des Namens Shamuel/Samuel/Shemuel
  • Oppermann von Opfermann, gemeint ist Levi oder Cohen
  • Scherbaum, Schermann teils von Sara, aber auch von Ephraim herleitbar
  • Schick, Übername von Jehoshua/Josua
  • Schiff/Schiffmann von Shifra (=die Schöne, siehe Ex. 1,15), ggf. auch Synonym von Kahn
  • Schul von Saul, hebräisch ausgesprochen Scha'ul
  • Sonne von Sohn
  • Za(h)l weist auf Salomo
  • Zu(c)ker- von Sacharja/Zacharias
  • Zweig von Zvi (=Hirsch)

Das Studium jüdischer Namen ist mit sehr vielen Überraschungen verbunden. Ihre Deutung ist häufig auf Mutmaßungen angewiesen oder auf die Kenntnis der einstmaligen Gegend zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Die vorgenannten Beispiele erheben daher keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit, sondern sollen einen Eindruck geben über die Vielfalt von Namensentstehungen.

Siehe auch

Literatur

  • Karl Emil Franzos: Namensstudien, zweispr. dt.-Franz., Hrsg. von Oskar Ansull, übers. von Ariane Lüthi, Verlag hohesufer.com, Hannover 2012 ISBN 978-3-941513-23-5 (über die Zwangsvergabe von Familiennamen an galizische Juden)
  • Eva. H. und Heinrich W. Guggenheimer: Etymologisches Lexikon der jüdischen Familiennamen. Saur, München 1996, ISBN 3-598-11260-2.
  • Alexander Beider: A Dictionary of Jewish Surnames from Galicia. Avotaynu, Bergenfield, NJ 2004, ISBN 1-886223-19-X.
  • A. Heppner: Die Stamm-Numeranten. In: Breslauer Juedisches Gemeindeblatt, Amtliches Blatt der Synagogengemeinde zu Breslau. Breslau 1928.
  • Franz D. Lucas und Margret Heitmann: Stadt des Glaubens. Olms, 1992, ISBN 978-3-487-09495-3.
  • Alexander Beider: A Dictionary of Jewish Surnames from the Russian Empire. Avotaynu, Bergenfield, NJ 1993, ISBN 0-9626373-3-5.
  • Alexander Beider: Jewish Surnames in Prague (15th–18th Centuries). Avotaynu, Bergenfield, NJ 1994, ISBN 978-0-9626373-5-3.
  • Alexander Beider: A Dictionary of Jewish Surnames from the Kingdom of Poland. Avotaynu, Bergenfield, NJ 1996, ISBN 0-9626373-9-4.
  • Lars Menk: A Dictionary of German-Jewish Surnames. Avotaynu, Bergenfield, NJ 2005.
  • Leopold Zunz: Namen der Juden: Eine geschichtliche Untersuchung. Leipzig 1837.
  • Johannes Czakai: Die Annahme fester Familiennamen durch die Hamburger Juden. In: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte. Leipzig 28.03.2017, doi:10.23691/jgo:article-194.de.v1.

Einzelnachweise

  1. (Beider 1994)
  2. 1906 Jewish Encyclopedia 1906 (eng.): Altschul, Altschuler, Altschüler, oder Alschuler
  3. Dietz Bering: Der „jüdische“ Name. Antisemitische Namenpolemik. In: Julius H. Schoeps, Joachim Schlör: Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen. Piper, München/Zürich 1995. ISBN 978-3-492-03796-9.
  4. Der jiddische Vorname Leibel, Leibl oder Leible ist nicht identisch mit dem deutschen Nachnamen Leib, Leibl, Leible, Leibel oder Leibelt. Manche altdeutschen Namen treten infolge mundartlicher und anderer Einflüsse in außerordentlich vielen verschiedenen Formen auf. Aufgrund der orthographischen Abweichungen tritt der Name Liutbald in mehr als zwanzig Formen auf: Liebaldt, Liebold, Liebhold, Leupold, Leybold, Leibel, Liebel, Leibelt, Leibhold, Leipold, Leipel (Quelle: Die deutschen Familiennamen geschichtlich, geografisch, sprachlich von Albert Heintze, 1914). Leib: 1) durch Entrundung aus dem alten deutschen Rufnamen Liubo (Liob) hervorgegangener Familienname. 2) Übername zu mittelhochdeutsch līp »Leben, Leib, Körper«. 3) Berufsübername zu mittelhochdeutsch Leip »das geformte und ganze Brot, Brotlaib« für einen Bäcker. Im süddeutschen Sprachraum: Leibel, Leibl, Leible oder Laible. Bekannter Namensträger: Wilhelm Leibl, deutscher Maler, Quelle: Duden Familiennamen).
  5. verballhornt von Trevus = einem aus Trier, auch geschrieben. lt. „Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Familiennamen“ von Josef Karlmann Brechenmacher
  6. Olaus Faber: Das babylonische Handbuch der Sprache. Von Zungenbrechern, Schwiegermuttersprachen und Freud’schen Versprechern. Eichborn, 2008, ISBN 978-3-8218-5832-6, S. 134.

Weblinks

Siehe auch

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