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Jörg Lanz von Liebenfels

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Jörg Lanz von Liebenfels (vor 1907)

Jörg Lanz von Liebenfels, eigentlich Adolf Joseph Lanz (geb. 19. Juli 1874 in Penzing, heute Wien; gest. 22. April 1954 in Wien), war ein österreichischer Geistlicher, Antifeminist, Hochstapler, Antisemit, Rassentheoretiker und Okkultist. Er wird der Völkischen Bewegung zugeordnet. Einige Jahre galt er als „der Mann, der Hitler die Ideen gab“. Diese Einschätzung, die auf einer Selbststilisierung beruht und in einer Biografie aus den 1950er Jahren verbreitet wurde, wird in neueren wissenschaftlichen Untersuchungen als unzutreffend angesehen. Während der nationalsozialistischen Herrschaft selbst wurde Lanz als Sektierer behandelt, seine Thesen und Veröffentlichungen beeinflussen jedoch bis heute Strömungen rechter Esoterik.

Leben

Jugend und Herkunft

Lanz war Kind einer unauffälligen Wiener Kleinbürgerfamilie römisch-katholischen Glaubens. Seine Eltern waren der Lehrer Johann Lanz und Katharina Lanz, geborene Hoffenreich.[1] Er verbrachte eine wenig ereignisreiche, für damalige Verhältnisse sorgenfreie Jugend, zeigte jedoch bereits früh ein intensives, romantisch gefärbtes Interesse an religiösen Ordensgemeinschaften und verschiedenen Formen von Esoterik. Unmittelbar nach seiner Matura 1893 schloss er sich dem Zisterzienserorden an, dem er bis 1899 angehörte.

Nach dem Ausscheiden aus dem Zisterzienserorden änderte Lanz seine Identität. Er gab sich ab 1903 als Baron aus altem schwäbischen Adel aus und führte den Namen „Adolf Georg (Jörg) Lanz von Liebenfels“, der 1872 in Messina auf Sizilien geboren worden sei. Anstelle des Lehrers Johann Lanz und seiner Frau Katharina gab er nun in allen greifbaren Dokumenten einen „Baron Johann Lancz de Liebenfels“ und eine „Katharina Skala“ als seine Eltern an.

Wappen der Familie Lantz von Liebenfels. Ein tatsächlicher Bezug Lanz' zu dieser Familie ist nicht nachweisbar.

In Schwaben und im Thurgau existierte eine Adelsfamilie mit dem Namen Lantz von Liebenfels. Es ist allerdings nicht nachweisbar, dass zwischen ihr und Lanz eine verwandtschaftliche Beziehung bestand. Einige Quellen halten es nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass Lanz kurzzeitig mit einem Mitglied dieser Familie verheiratet war, aber auch dieser Ansatz kommt nicht ohne Spekulationen aus. Überwiegend wird daher davon ausgegangen, dass Lanz seine Zugehörigkeit zu dieser Adelsfamilie erfunden hat.

Unterstützt durch Guido von List überzeugte er nicht nur die breite Öffentlichkeit, sondern sogar das für ihn zuständige Wiener Meldeamt von seiner geänderten Identität. Vertrauten gegenüber rechtfertigte Lanz seine Manipulation mit der angeblichen Notwendigkeit, sich einer „astrologischen Überprüfung seiner Person“ zu entziehen. Wahrer Grund ist nach überwiegender Auffassung hingegen die (sehr wahrscheinliche, aber nicht zweifelsfrei belegte) jüdische Abstammung seiner Mutter.[2]

Neben seinem Adelsprädikat beanspruchte Lanz zeitweise einen Doktortitel. Für eine Promotion gibt es allerdings keinerlei Hinweise.[3] Heute gilt es als erwiesen, dass Lanz sich den Titel selbst verliehen hat.[4]

Leben als Zisterzienser

Eintritt und Austritt aus dem Zisterzienserorden

1893 trat Lanz in das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz im Wienerwald ein. Sein Novizenmeister war Nivard Schlögl, Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen, der in seinen Arbeiten eine antisemitische Haltung einnahm.[5]

In seiner Zeit als Novize erarbeitete sich Lanz rasch Ansehen als profunder Kenner der Geschichte seines Landes und seines Ordens im Allgemeinen sowie seines Stifts im Besonderen. Ab 1894 verfasste er mehr als dreißig historische und kunsthistorische Abhandlungen, unter anderen in wissenschaftlich anerkannten Zeitschriften wie die Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien und die Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens. Er beschäftigte sich bereits zu dieser Zeit mit Astrologie, Neopaganismus, Okkultismus und dem Gralsmythos. Unter dem Einfluss dieser Studien, der Schriften des Okkultisten Guido von List und der Polemiken des Alldeutschenführers Georg von Schönerer entwickelte sich Lanz bis zur Jahrhundertwende zum radikalen Deutschnationalen und Eugeniker.

1898 wurde Lanz zum Priester geweiht. Kaum ein Jahr später wurde er aufgefordert, den Orden zu verlassen. Lanz selbst gab später an, seine ständig „steigende Nervosität“ und seine angegriffene Gesundheit seien der Grund für seinen im April 1899 vollzogenen Austritt gewesen. Quellen im Heiligenkreuzer Stiftsarchiv hingegen vermerken als Austrittsgrund, Lanz sei „der Lüge der Welt ergeben und von fleischlicher Liebe erfasst.“[6] Einige Kommentatoren vermuten hinter diesem Vermerk eine Frauenbeziehung – möglicherweise mit einer Angehörigen der Familie Lantz von Liebenfels – und sehen in deren mutmaßlichem Scheitern einen Grund oder Mitgrund für Lanz’ spätere Misogynie.[7] Andere Kommentatoren verweisen auf das Gerücht, Lanz sei homosexuell gewesen, und auf den Umstand, dass Lanz nach seiner Priesterweihe an der Ausbildung der Wiener Sängerknaben beteiligt war.

Bedeutung der Ordenszeit für Lanz

Eigenen Aussagen zufolge hat sich Lanz der Kern seiner späteren Weltanschauung bereits 1894 durch folgende Begebenheit erschlossen: Bei der Betrachtung eines Grabsteins,[8] auf dem ein Ritter abgebildet ist, der einen Hundsaffen niederringt, sei ihm schlagartig aufgegangen, dass die Rasse der „Arier“ oder „Herrenmenschen“ einen ständigen Abwehrkampf gegen die Rasse der „Nichtarier“ oder „Affenmenschen“ zu führen habe. Da die arische Rasse durch Vermischung mit „Minderrassigen“ geschwächt sei, seien umfassende „rassenhygienische“ Maßnahmen zu ihrer „Reinzucht“ und „Veredlung“ erforderlich. Diese wiederum bedürften unter anderem einer bedingungslosen Unterordnung der arischen Frau unter den arischen Mann.

Tatsächlich aber dürfte weniger „Vision“ als vielmehr Lesen die Basis von Lanz’ „arischem“ Denken gebildet haben: Als einflussreich gilt vor allem die vierbändige Abhandlung des französischen Diplomaten Arthur de Gobineau über die Ungleichheit der Menschenrassen (Essai sur l’inégalité des races humaines, 1853–1855), in dem Gobineau eine Überlegenheit der „arischen Rasse“ zu begründen versuchte. Er ging dazu von einer vollkommenen „Urrasse“, nämlich der „nordischen“, „arischen“ oder „germanischen Rasse“ aus.

Frühe politische Tätigkeit

Datei:Ostara Zeitschrift Nr 13.jpg
Titelblatt der von Lanz von Liebenfels verfassten Ostara Nr. 13/14 (Dritte Auflage, sogenannte Wiener Serie)

Unmittelbar nach seinem Auszug aus dem Stift schloss sich Lanz der Bewegung Georg von Schönerers an. Seinen Lebensunterhalt bestritt er in den folgenden Jahren hauptsächlich durch Verfassen zahlreicher und großzügig honorierter Beiträge für alldeutsche Periodika. Er begann, Schönerer als eine Art Messias des deutschen Volks zu huldigen, ähnlich wie Schönerer selbst dies zuvor mit dem von Lanz ebenfalls verehrten Otto von Bismarck getan hatte. Obwohl Lanz, anders als Schönerer, nie zum Protestantismus übertrat, fing er an, sich wie sein Idol als Kämpfer gegen den Katholizismus zu gerieren. Seine besondere Ablehnung galt dem Jesuitenorden.[9]

Ab 1905 verfasste Lanz zusätzlich zu seinen Arbeiten für die alldeutsche Presse eine Serie von Schriften, die er unter dem Sammeltitel Ostara selbst herausgab. Die nach einer fiktiven germanischen Göttin benannte Reihe war laut Eigendefinition „die erste und einzige Zeitschrift zur Erforschung und Pflege des heroischen Rassentums und Mannesrechts“; als „die Briefbücherei der Blonden und Mannesrechtler“ hatte sie das erklärte Ziel, „die Ergebnisse der Rassenkunde tatsächlich in Anwendung [zu] bringen, um die heroische Edelrasse auf dem Wege der planmäßigen Reinzucht und des Herrenrechtes vor der Vernichtung durch sozialistische und feministische Umstürzler zu bewahren“.

Entwicklung der Theozoologie

Guido von List, hier um 1909, beeinflusste Lanz’ Denken maßgeblich.

Lanz’ frühe Artikel waren zwar radikal, aber noch nicht exzentrisch. Die ihnen zugrunde liegende Kombination von Rassismus, Antisemitismus, Antikatholizismus, Antifeminismus und Antisozialismus hatte zu ihrer Zeit durchaus viele Anhänger.

Eine Weiterentwicklung der eigenen Gedanken leistete Lanz mit seinem Buch Die Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron, das 1906[10] erschien und Lanz’ Rassentheorie um ein esoterisches Geschichtsmodell auf Basis einer neognostischen Bibelauslegung erweiterte. Lanz war im Unterschied zu List weniger an germanischer Religion und deren Zeugnissen, sondern mehr an der biblischen Überlieferung interessiert.[11] Aus diesem Grund berief er sich vor allem auf christliche Traditionen.[11] In seiner „Theozoologie“ erklärt Lanz die heutigen Arier im Wesentlichen zu Nachkommen der biblischen Engel, die heutigen Nichtarier zu Abkömmlingen einer geschlechtlichen Verbindung zwischen der biblischen Eva und einem der domestizierten Primaten, welche mit den Engeln geschlechtlich verkehrt hätten. In der Forderung nach Eugenik sieht er den wahren Kern der Lehre Jesu Christi und in Christus selbst einen historischen arischen Heerführer. Lanz hatte damit die ursprünglich von Guido von List umrissene Ariosophie fast fertig ausgeformt und gründete noch im selben Jahr die „Guido-von-List-Gesellschaft“ zu ihrer weiteren Verfeinerung und Verbreitung.

Der Neutempler-Orden

Vom prominenten Zuspruch ermutigt, gründete Lanz 1907 den Neutempler-Orden oder Ordo Novi Templi, einen nach dem historischen Templerorden benannten okkulten Männerbund, der unter anderem für „Rassenreinheit“ und Rückbesinnung auf tradiertes germanisches „Männerrecht“ eintrat. Die Neutempler beabsichtigten, „das Rassebewusstsein durch Stammbaum- und Rassekundeforschung, Schönheitswettbewerbe und die Gründung rassistischer Zukunftsstätten in unterentwickelten Teilen der Erde zu fördern“. Die finanzielle und gesellschaftliche Stellung ihrer Unterstützer ermöglichte es der Gesellschaft, bereits wenige Monate nach ihrer Gründung die Burgruine Werfenstein im oberösterreichischen Strudengau als ihre symbolische Ordensburg zu erwerben.

Im Lauf der folgenden Jahre baute Lanz den Neutemplerorden und die Ostara-Reihe zu einer ertragreichen und zuverlässigen Einnahmequelle aus. Zusätzlich zu den Zuwendungen seiner Gönner sowie Publikationserlösen bezog Lanz etwa Mittel aus dem in den Ostara-Heften beworbenen Verkauf von „Rassenzertifikaten“ sowie der Verleihung von „Rassen-Schönheitspreisen“. Der Orden dürfte auf dem Höhepunkt seines Einflusses etwa dreihundert Mitglieder gezählt haben, unter ihnen etwa der Grafiker Alfred Kubin und der Dichter und Dramatiker Fritz von Herzmanovsky-Orlando.

Spätere Jahre

Nachdem Lanz sein gesamtes früheres Leben in Wien und dessen Umland verbracht hatte, emigrierte er nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 nach Ungarn, wo er sich eigenen späteren Aussagen zufolge am Widerstand gegen die kurzlebige kommunistische Räterepublik Béla Kuns beteiligte und dafür fast hingerichtet worden wäre. Seine Erlebnisse unter dem Regime des jüdischstämmigen Bolschewiken Kun ließen Lanz’ Hass auf Juden und Sozialisten, der sich – wie dargestellt – schon für die Jahre zuvor nachweisen lässt, Züge von Verfolgungswahn annehmen. Lanz hatte das Judentum zwar schon in früheren Jahren als natürlichen Feind des deutschen Volks gesehen, es aber für vergleichsweise ungefährlich gehalten, weil es Mischehen seiner Angehörigen mit denen anderer Religionen konsequent ablehne. Bis 1914 waren sein wichtigstes Feindbild „die deutschen Weiber“, denn nur als „Zuchtmutter“ waren Frauen für Lanz wertvoll.[12] Mit seinem 1923 erschienenen Buch Weltende und Weltwende machte Lanz, mittlerweile wieder in Wien, die von ihm postulierte Weltverschwörung von Juden, Sozialisten und Freimaurern nun zum Mittelpunkt seiner weiteren Publikationen und den Antisemitismus zum Kernpunkt seines Programms.

Lanz’ Publikationstätigkeit dauerte bis Ende der 1920er fort. Ab Mitte dieses Jahrzehnts beanspruchte Lanz für sich, ein wesentlicher Vordenker Adolf Hitlers und „Bahnbrecher des Nationalsozialismus“ gewesen zu sein. Die gewünschte Anerkennung blieb aus: Hitler ging auf die Ansprüche Lanz’ nicht ein, verspottete stattdessen die Esoteriker und Geheimgesellschaftler lanzschen Typs in seinem ab 1925 veröffentlichten Werk Mein Kampf. Auch verschiedene Parteipublikationen der NSDAP äußerten sich wiederholt ablehnend bis verächtlich über Lanz und seinesgleichen. Im „Dritten Reich“ wurde Lanz an weiteren Publikationen gehindert. Gelegentlich wird behauptet, Lanz sei ab 1936 mit einem Schreibverbot belegt worden. Belege dafür gibt es nicht.[13] In den 1930er Jahren wurde der Neutempler-Orden aufgelöst.

Der durch diese Missachtung tief gekränkte Lanz fuhr bis zu seinem Tod fort, sich als denjenigen Mann darzustellen, „der Hitler die Ideen gab“. Weder der Zusammenbruch des Reiches noch die Einflussnahme seiner Verwandtschaft brachten ihn davon ab. In seinen letzten Lebensjahren wollte der Ariosoph daneben auch noch Vordenker und Wegbereiter Lenins gewesen sein.[14]

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof Penzing.[15]

Schriftstellerische Tätigkeit

Lanz war in schriftstellerischer Hinsicht außerordentlich produktiv. Seine Tätigkeit umfasst eine Zeitspanne von nahezu 60 Jahren. Die erste auf Lanz zurückgehende Veröffentlichung datiert aus dem Jahr 1894, die letzte – soweit ersichtlich – wurde 1952 aufgesetzt. Jedenfalls im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts dürfte Lanz seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch schriftstellerische Tätigkeit bestritten haben. Finanzielle Unterstützung erhielt er dabei durch einige wohlhabende Anhänger, die die Veröffentlichung seiner Werke förderten. Zu ihnen gehörten Industrielle wie der Wiener Unternehmer Johann Walthari Wölfl.[16]

Zeitschriftenbeiträge

Lanz publizierte zwischen 1894 und 1899 mehr als 30 Beiträge zur Kirchengeschichte, namentlich zur Geschichte des Zisterzienserstifts Heiligenkreuz; sie wurden in der Cistercienserchronik oder in dem Monatsblatt des Alterthums-Vereins zu Wien veröffentlicht. Ab 1902 erschien in Zeitschriften wie Die Umschau oder Das Freie Wort eine Reihe von Aufsätzen, die bereits erkennbar ariosophische Inhalte hatten.

Die Ostara

Ab 1905 gab Lanz die Ostara heraus, ein von ihm redigiertes Publikationsorgan mit ariosophischen Inhalten. Anfänglich veröffentlichte Lanz in der Ostara neben seinen eigenen Aufsätzen auch Beiträge anderer Autoren; ab 1908 aber war er als alleiniger Autor tätig. Bis 1931 entstanden in zwei oder – je nach bibliographischem Verständnis – drei Serien insgesamt 128 Ausgaben der Ostara, wobei einige der späteren Hefte kaum oder gar nicht veränderte Neuauflagen früherer Hefte waren. Die Ostara war das Organ einer vom rassischen Denken her bestimmten Weltanschauungsgruppe.[17]

Die Ostara-Hefte, die Lanz ursprünglich in Zusammenarbeit mit anderen Alldeutschen, ab 1908 aber praktisch alleine verfasste,[18] erreichten zeitweilig eine Auflage von mehreren Zehntausend Exemplaren. Lanz selbst bezifferte die Auflage der Ostara-Reihe mit bis zu 100.000 Exemplaren.[19] Diese Behauptung gilt heute allerdings allgemein als unhaltbar. Die Ostara war im Wien der Vorkriegszeit weit verbreitet. Sie war in den Tabaktrafiken allgemein erhältlich und wurde auch in rechtsgerichteten Studentenverbindungen regelmäßig gelesen.[20] Es gilt als gesichert, dass Adolf Hitler in seiner Wiener Zeit (1907–1913) von der Existenz der Ostara wusste und jedenfalls einige Ausgaben gelesen hat.[21] Auch sein späterer Freund und Förderer Dietrich Eckart war Leser der Ostara.

Bücher

Ab 1903 veröffentlichte Lanz mehr als 20 Bücher, die sich mit Ariosophie beschäftigten. Die bedeutsamsten waren die Theozoologie (1906) und das Bibliomystikon (1929 ff.).

  • Von zentraler Bedeutung war die 1906 erschienene Theozoologie, in der Lanz die zentralen Punkte seiner Weltanschauung darlegte. Das Werk ging 1909 in eine zweite Auflage. Für eine gelegentlich behauptete dritte Auflage, die nach dem Ersten Weltkrieg erschienen sein soll, gibt es keine Belege. Zu wissenschaftlichen Zwecken wurde etwa 1980 ein Faksimile-Nachdruck erstellt, nachdem bereits 1978 ein „Aramanen-Orden“ für seine Mitglieder einige Nachdrucke hergestellt haben soll.
  • Ab 1929 erschien das Bibliomystikon oder die Geheimbibel der Eingeweihten. Es handelte sich um eine Bibelkommentierung aus ariosophischer Sicht, die Lanz im Wesentlichen selbst verfasst hatte. Das Werk umfasste 10 Bände, die teilweise als Handschrift gedruckt wurden und nur in begrenztem Kreis veröffentlicht wurden. Ob es zu einer Zweitauflage nach 1945 gekommen ist, wie gelegentlich behauptet wird, ist zweifelhaft. Belege hierfür gibt es nicht.

Briefe

Nach 1931 publizierte Lanz noch zahlreiche Briefe, Rundschreiben und Hefte, die vielfach als Handschriften gedruckt waren – nicht selten als Hektographie – und nur für seinen Freundeskreis bestimmt waren. Die Briefe erreichten nur noch eine geringe Verbreitung. Die letzte Publikation erfolgte 1952.[22]

Weltanschauung

Geschichtsmodell

Die Weltanschauung Lanz’ wurde primär von der Ariosophie Guido von Lists und damit indirekt von der Theosophie Helena Petrovna Blavatskys sowie der Rassenlehre Arthur de Gobineaus inspiriert. Daneben finden sich auch Einflüsse der Anthroposophie Rudolf Steiners, der Welteislehre Hanns Hörbigers, des Magnetismus Franz Anton Mesmers, der „Odlehre“ Karl von Reichenbachs sowie der Philosophie von Otto Weininger. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht auch zu den Ansichten Arthur Trebitschs, obwohl Lanz von ihm nicht direkt beeinflusst wurde. Lanz empfand im Übrigen Sympathie für den jüdischen Publizisten Karl Kraus, dem er wiederholt bewundernde Briefe schrieb. Kraus erwiderte diese Sympathien nicht.[23]

Zwischen 1900 und 1905 vertrat Lanz eine besonders radikale, aber noch nicht direkt esoterische Variante damals gängiger Rassentheorien. Dem frühen Lanz zufolge verlief die Hominisation im arktischen und subarktischen Raum so viel schneller als im Rest der Welt, dass sich in Nordeuropa bereits eine Art Übermensch herausgebildet hatte, während andere Erdteile noch ausschließlich von sogenannten „Halbmenschen“ bewohnt wurden.

Die von Lanz als „Urgermanen“ identifizierten Übermenschen breiteten sich über die ganze Erde aus, wobei sie ihre halbmenschlichen Zeitgenossen nicht nur unterwarfen, sondern sich auch mit ihnen vermischten und auf diese Weise die moderne Menschheit schufen; die Urgermanen „brachten den Halbmenschen nicht nur Gesittung, sondern züchteten sie durch Vermischung mit sich erst zum Menschentum empor, so dass daraus die heutigen niedrigeren Rassen der Mittelländer (um das mittelländische Meer), der Neger und Mongolen entstanden“. Die im späten 19. Jahrhundert weit verbreitete Vorstellung, die Menschheit sei in vorgeschichtlicher Zeit von einer nordischen Herrenrasse kolonisiert und zivilisiert worden, findet bei Lanz damit ihre radikalste bezeugte Ausformung.

Ab 1905 sah Lanz in den Urgermanen nicht mehr einfach Übermenschen, sondern „Gottmenschen“. Diese Gottmenschen seien zum Beispiel überall dort gemeint, wo die Bibel von Engeln berichtet. Zum Zeitvertreib habe sich das Volk der Gottmenschen aus verschiedenen Gruppen niedrigerer Primaten „Buhläfflinge“ herangezüchtet, eine Art Halbmenschen, die sie dann zum Betreiben von Sodomie herangezogen hätten. Mit den Buhläfflingen, die er auch als „Buhlzwerge“, „Schrättlinge“ und „Buhlwichte“ beschreibt, setzt Lanz unter anderem die in der Bibel beschriebenen Dämonen gleich. Aus der Verbindung eines Buhläfflings mit einem weiblichen Gottmenschen, als den Lanz die biblische Eva identifiziert, seien die heutigen niederen Rassen hervorgegangen; die Vermischung von Gottmenschen und Niederrassigen habe schließlich die heutigen höheren Rassen hervorgebracht. Durch gezielte Rassenentmischung könne „der wieder reingezüchtete und verklärte weiße Mensch der Zukunft“ auch die übernatürlichen Fähigkeiten des ursprünglichen Gottmenschen zurückerhalten. Die Aufforderung zu einer solchen Rassenentmischung sei im Übrigen auch die eigentliche, später aber von der Kirche unterdrückte Lehre Jesu Christi gewesen.

Die weitere Geschichte der Menschheit ist laut Lanz im Wesentlichen die Geschichte der Auflehnung der „Nichtarier“ gegen die „Arier“, wobei er unter Nichtariern diejenigen Völker versteht, in denen das Erbgut der Halbmenschen und Buhläfflinge überwiegt, unter Ariern entsprechend diejenigen, die mehr oder weniger „reinrassige“ Abkömmlinge der Urgermanen beziehungsweise Gottmenschen sind. Der postulierte intellektuelle und charakterliche Unterschied zwischen Ariern und Nichtariern ist bei Lanz geringer als bei anderen Rassentheoretikern seiner Zeit, dafür sieht er eine größere Bandbreite innerhalb dieser beiden Gruppen. Für Rassenideologen wie Arthur de Gobineau, Arthur Trebitsch oder Houston Stewart Chamberlain sind alle der von ihnen als Arier klassifizierten Indogermanen mehr oder weniger gleich wertvoll, alle der von ihnen als Nichtarier eingeordneten Angehörigen anderer Sprachfamilien mehr oder weniger gleich unbrauchbar. Für Lanz hingegen stehen etwa „Mittelländer“ fast genau so weit unter den Germanen, wie sie über den als „Mongolen“ bezeichneten Sprechern ostasiatischer, südostasiatischer und amerikanischer Sprachen oder über den als „Neger“ bezeichneten Schwarzafrikanern stehen.[24]

Forderungen

Wie praktisch alle Rassenideologen war Lanz Kollektivist; „sittlich und gut“ ist laut Lanz „alles, was der höheren Rasse frommt, unsittlich, was ihr schadet“. Rassenkampf ist für Lanz nicht nur ein Faktum, sondern ein Auftrag. „Die Möglichkeit, durch bewusste Reinzucht die Rasse zu veredeln und zu heben“, sei „die einzige wahre und wirksame Reue für die Sünde der Vermischung“: „Nur wenn sich höhere Menschen untereinander vermischen, bleibt das Göttliche in ihnen und sie werden Gott immer ähnlicher durch fortschreitende Entwicklung zum Besseren. Tun sie das aber nicht, vermischen sie sich mit niederen Rassen, dann schwindet auch das Göttliche in ihnen“.

Als konkrete rassenhygienische Maßnahmen propagiert Lanz unter anderem die Einrichtung von „Zuchtkolonien“ ausgewählter arischer „Zuchtmütter“, deren einzige Lebensaufgabe darin bestehen sollte, von ausgewählten arischen „Ehehelfern“ begattet zu werden und diesen einwandfrei arischen Nachwuchs zu gebären. Politisch oder militärisch bewährten Männern sollte dabei Polygynie zustehen, „Verbrecher, Geisteskranke und erblich Belastete“ hingegen seien von der Fortpflanzung auszuschließen. „Kranke und Rassenminderwertige“ sowie Verbrecher seien zu sterilisieren und am besten überhaupt in Arbeitslagern festzusetzen. „Unser Vieh haben wir durch Viehzuchtzölle vor Rassenentartung und Verseuchung geschützt“, so Lanz zu diesen Forderungen, „die Menschen aber geben wir noch schutzlos der Verseuchung und Blutverpanschung der geilen [Mischlinge] des Ostens und des Südens preis.“

Wesentlich für Lanz war, dass die Zuchtmütter „in strenger Abgeschiedenheit“ gehalten werden müssten. Evas Sündenfall habe dazu geführt, dass Frauen sich unterbewusst zu den „Halbaffen“ hingezogen fühlen würden, da diese eine der des germanischen Mannes überlegene „Manneskraft“ hätten:

„Das ist eben die Tragik der Erotik des heroischen Mannes: Dass er sowohl dem Weibe der eigenen Rasse und noch viel mehr dem Weibe der niederen Rasse zu wenig derbsinnlich ist … die derbsinnlichen dunklen Männer der Niederrassen, die unter uns wohnen, haben den erotischen Geschmack unserer Weiber psychisch und physisch von Grund aus verdorben.“

Lanz zufolge hat „das buhlaffenlüsterne Weib“ durch seine Triebhaftigkeit „die alten Kulturen umgebracht“ und „wird auch unsere Kultur zertrümmern, wenn wir Männer uns nicht bald besinnen.“ Insbesondere junge Mädchen müssten streng bewacht werden, da der erste Sexualpartner einer Frau sie mit seinem Samen „imprägnieren“ und so das Erbgut aller ihrer späteren Nachkommen beeinflussen würde, unabhängig davon, wer deren eigentlicher Vater sei. Jungfräulichkeit habe aus diesem Grund „nicht bloß Lieberhaberwert, sondern einen hochbedeutsamen rassenwirtschaftlichen Wert“.[25]

Die vollkommene Entrechtung der Frau war für Lanz nicht nur im Sinne der Rasse, sondern auch im Sinne ihrer selbst. Erstens habe „die Natur selbst“ die Frauen den Männern „als Sklavinnen bestimmt“; die Frau sei „Besitztum“ des Mannes „wie ein Baum, der Frucht trägt, der Besitz des Gärtners ist“. Zweitens hänge ihr Seelenheil von ihrer Unterordnung ab:

„Diesen Schmerzensweg muss das Weib zurückgehen, nachdem es den jahrtausendealten Weg der bacchantischen Wollust getaumelt ist. Es muss für seine Leidenschaft büßen.“

Drittens schließlich würde „das Weib“ für seine Selbstaufgabe schon auf Erden reich belohnt werden:

„Es wird der Liebe der schönsten, jugendkräftigsten Männer teilhaftig werden, es wird sich der schönsten und edelsten Kinder erfreuen, ihm werden künftige Geschlechter als der neuen verehrungswürdigsten und allerseligsten Gottesmutter Tempel und Denkmäler errichten und ihm königliche Ehren erweisen.“

Lanz rechnet mit einer unmittelbar bevorstehenden Zuspitzung des Rassenkonflikts. Die von Neid und Minderwertigkeitsgefühlen auf die unbewusst als überlegen erkannten Arier und insbesondere deren germanische Elite aufgestachelten „Minderrassigen“ rüsten seiner Ansicht nach „zu einem gemeinsamen Kampf gegen die germanische Rasse“. Eines ihrer wichtigsten Werkzeuge und gleichzeitig ihre Anführerin sei dabei die katholische Kirche. Damit die germanische Rasse den Kampf „um die Vorherrschaft über den Erdball“ gewinnen könne, müsse die von der katholischen Kirche verratene Rassenreinheitslehre Christi umgehend wiedererweckt werden; zu diesem Zweck sei eine „romfreie germanische Volkskirche“ zu bilden.

Bedeutung: „Der Mann, der Hitler die Ideen gab“?

Porträt August Strindbergs, Ölbild von Richard Bergh, 1905

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewann die Ariosophie allgemein zahlreiche Anhänger. Auch Lanz erfuhr Zustimmung. Vor allem in der Zeit vor und kurz nach dem Ersten Weltkrieg zählten einige wohlhabende Angehörige des Wiener Großbürgertums und mehrere national und international bekannte Intellektuelle zu seinen Anhängern und Unterstützern. Neben Guido von List nahm etwa der angesehene schwedische Schriftsteller August Strindberg die Thesen Lanz’ begeistert auf. Er war mit Lanz in Briefkontakt und las die Ostara-Hefte regelmäßig.[26] Strindberg teilte mit Lanz grundlegende Gedanken, so etwa die tiefe Abneigung gegenüber dem weiblichen Geschlecht.[27] Er nannte Lanz eine „prophetische Stimme“.[28]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Wissenschaft die Frage diskutiert, ob Lanz über den unmittelbaren – und immer kleiner werdenden – Kreis seiner Anhänger hinaus eine tragende Bedeutung zukam. Die Diskussion kumulierte in der Frage, ob Lanz maßgeblichen Einfluss auf Adolf Hitler hatte und dessen Gedankenwelt prägte.

Es gilt als gesichert, dass Adolf Hitler in seiner Wiener Zeit (1907–1913) von der Existenz der Ostara wusste und jedenfalls einige Ausgaben gelesen hat;[29] andere meinen, er habe die Ostara sogar regelmäßig gelesen.[30] Lanz behauptete später, er habe Hitler 1909 auch persönlich kennengelernt. Belege dafür gibt es nicht, auch wenn dies in der wissenschaftlichen Literatur teilweise für naheliegend angesehen wird.[31]

Bereits seit den 1920er Jahren bemühte sich Lanz, als angeblicher Wegbereiter Hitlers angesehen zu werden. 1932 schrieb Lanz in einem Brief an einen Ordensbruder, dass „Hitler einer unserer Schüler ist“.[32] Seine Unterstützer gingen dabei sogar so weit, zu erklären, „die Hakenkreuz- und Faschistenbewegungen“ seien „im Grunde genommen nur Seitenentwicklungen der ‘‘Ostara’’-Ideen“.[33]

Lanz’ Behauptung, einer der wesentlichsten Vordenker Adolf Hitlers gewesen zu sein, wurde bis in die 1950er im Grunde nur von seinen engsten Anhängern ernstgenommen. Kurz vor seinem Tod gelang es Lanz jedoch, den Psychologen und Schriftsteller Wilfried Daim von seiner Bedeutung zu überzeugen. Daim erarbeitete eine Lanz-Biografie und führte im Rahmen seiner Recherchen mehrere ausführliche Gespräche mit ihm. Daims unmittelbar nach dem Ableben Lanz’ veröffentlichte Biographie erschien unter dem plakativen Titel Der Mann, der Hitler die Ideen gab und machte den inzwischen fast vergessenen Lanz nicht nur erneut bekannt, sondern verankerte ihn auch erstmals tatsächlich als Wegbereiter Hitlers im Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit.

Daim stützte seine Auffassung – neben dem Zeugnis von Lanz – vor allem auf die Auswertungen seiner Werke, in denen er Ähnlichkeiten zu den Gedankengängen Hitlers erkannte. Ergänzend zog er Aussagen von Zeitzeugen hinzu. Er befragte hierzu insbesondere Josef Greiner, einen Weggefährten aus Hitlers Wiener Jahren, der bestätigte, dass Hitler im Männerwohnheim Meldemannstraße Ostara-Hefte bei sich geführt habe.[34] Eine Bestätigung seiner Auffassung fand Daim schließlich in dem Buch Mein Kampf, in dem Hitler ausführte, er habe „in den Wiener Lehr- und Leidensjahren […] um wenige Heller die ersten antisemitischen Broschüren meines Lebens“ gekauft. Damit seien nach Daims Ansicht zweifelsfrei die günstig über Trafiken verbreitete Ostara gemeint.[35]

Bereits in den 1970er Jahren entstanden allerdings erste Zweifel am Bestehen eines maßgeblichen Einflusses auf Adolf Hitler. Joachim C. Fest bewertet die Rolle Lanz’ in seiner Hitler-Biografie zurückhaltend: Die Analyse des vorhandenen Materials erlaube „nicht den Schluss, Lanz habe einen nennenswerten Einfluss auf Hitler gehabt oder ihm gar ‚die Ideen gegeben‘“.[36]

1985 untersuchte der britische Historiker Nicholas Goodrick-Clarke in seinem Buch Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus[37] erstmals systematisch die Beziehungen der Esoterik und der Ariosophie zum Gedankengut des Nationalsozialismus. Er wies darauf hin, dass Hitler generell wenig Interesse an völkisch-kulturellen Fragen hatte und die „völkischen Wanderprediger“ als „nutzlose Kämpfer“ verspottete.[38]

Hitler in theatralischen Rednerposen, Fotos von Heinrich Hoffmann, 1930

In ihrer 1996 erschienenen Darstellung über „Hitlers Wien“ stellte sich schließlich die Wiener Historikerin Brigitte Hamann auf den Standpunkt, dass zwar Hitlers Diktion bis zu einem gewissen Grad von Lanz beeinflusst gewesen sein könnte, seine Weltanschauung aber eher nicht. Mittlerweile wird allgemein angenommen, dass Hitler einerseits sowohl die Ostara-Reihe als auch Lanz’ Artikel in der alldeutschen Presse aufmerksam verfolgte, andererseits mit dem Okkultismus und Frauenhass von Lanz nichts anzufangen wusste. Nach Beginn seines politischen Aufstiegs schien Hitler ganz im Gegenteil ernsthaft befürchtet zu haben, dass er durch eine Assoziation mit völkischen Esoterikern im Allgemeinen und Lanz von Liebenfels im Besonderen politischen Schaden nehmen könnte; seine laut Hamann „erstaunlich aggressiv“ formulierten Angriffe auf völkische „Sektierer“ und „Rauschebärte“ dürften neben wirklicher Ablehnung also auch politischem Kalkül entsprungen sein.[39]

Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass von Lanz kaum konkrete Impulse auf Adolf Hitler oder das Gedankengerüst des Nationalsozialismus ausgingen.[40] Die Thesen von Rassenzucht und Reinhaltung des Blutes, von „edlen Ariern und minderwertigen Mischlingsrassen“ seien zu Beginn des 20. Jahrhunderts so weit verbreitet gewesen, dass kein Autor als alleinige Quelle für Hitlers Gedankengut auszumachen sei.[41] Lanz habe vielmehr – ebenso wie Guido von List – eine vorhandene allgemeine Strömung seiner Zeit aufgenommen und verbreitet. Lanz und die sonstigen Ariosophen werden danach als „Symbol einer weit verbreiteten Unsicherheit“ unter den Deutschen in den letzten Jahren der Donaumonarchie angesehen.[42]

Lanz hob sich allein durch eine besonders aggressive Wortwahl hervor: Er war „der auffälligste Wortführer einer neurotischen Zeitstimmung und hat der brütenden, eigentümlich phantastisch durchwucherten ideologischen Atmosphäre des Wien jener Zeit eine charakteristische Farbe beigesteuert“.[43] Ähnlich beurteilte ihn der Theologe Ekkehard Hieronimus, der Lanz’ Einfluss jedoch insgesamt skeptischer bewertete und ihn für eine „Einzelfigur ohne Breitenwirkung“ hielt.[44]

Werke

  • Katholizismus wider Jesuitismus. Frankfurt 1903
  • Die Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron. Wien/Leipzig/Budapest 1905
  • Der Taxilschwindel. Ein welthistorischer Ulk. Frankfurt 1905
  • Ostara. (89 Hefte.) Rodaun/Mödling 1905–1917 (38 Hefte als Neuauflage Wien 1926–1931)
  • Rasse und Weib und seine Vorliebe für den Mann der minderen Artung. In: Ostara 21. 1908
  • Die Gefahren des Frauenrechts und die Notwendigkeit der mannesrechtlichen Herrenmoral. In: Ostara. 1909
  • Die Rassenwirtschaftliche Lösung des sexuellen Problems. In: Ostara. 1910
  • Charakterbeurteilung nach der Schädelform. In: Ostara. 1910
  • Das Geschlechts- und Liebesleben der Blonden und Dunklen. In: Ostara. 1910
  • Die Komik der Frauenrechtlerei, eine heitere Chronik der Weiberwirtschaft. In: Ostara 44. 1911
  • Einführung in die Sexualphysik. In: Ostara. 1911
  • Die Blonden als Schöpfer der Sprachen. In: Ostara. 1911
  • Moses als Darwinist. In: Ostara. 1911
  • Kallipädie oder die Kunst der bewussten Kinderzeugung. In: Ostara. 1911
  • Nackt- und Rassenkultur im Kampfe gegen Mucker- und Tschandalakultur. In: Ostara 66. 1913
  • Weltende und Weltwende. Lorch 1923
  • Grundriss der ariosophischen Geheimlehre. Oestrich 1925
  • Jakob Lorber. Das grösste ariosophische Medium der Neuzeit, Düsseldorf 1926, 4 Bänden.
  • Das Buch der Psalmen teutsch. Das Gebetbuch der Ariosophen, Rassenmystiker und Antisemiten. 1926
  • Bibliomystikon oder die Geheimbibel der Eingeweihten. (10 Bände.) Pforzheim u. a. 1929–1934
  • Praktisch-empirisches Handbuch der ariosophischen Astrologie. (4 Bände.) Düsseldorf 1926–1934

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Goodrick-Clarke, S. 83.
  2. Hamann: Hitlers Wien, S. 309.
  3. In der wissenschaftlichen Literatur wurde es gleichwohl bis in die 1990er Jahre für möglich gehalten, dass Lanz tatsächlich promoviert wurde; vgl. Goodrick-Clarke, S. 85, dort Anmerkung 13.
  4. Elke Kimmel: Lanz, Josef Adolf. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 2: Personen. De Gruyter, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-598-44159-2 (formal falsche ISBN), S. 454f.
  5. Goodrick-Clarke, S. 84.
  6. Zitiert nach Daim, S. 62.
  7. Vgl. Darstellung bei Goodrick-Clarke, S. 85.
  8. Wolfgang Hilger: Das angebliche Grabmal Heinrichs des Grausamen in Heiligenkreuz. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 29, 1976, S. 21–28.
  9. Hierzu verfasste Lanz zahlreiche Schriften, darunter Katholizismus wider Jesuitismus. Frankfurt am Main 1903.
  10. Hamann: Hitlers Wien, S. 311.
  11. 11,0 11,1 Stefanie von Schnurbein: Göttertrost in Wendezeiten. München 1993, ISBN 3-532-64003-1, S. 69.
  12. Brigitte Hamann: Hitlers Wien. 7. Auflage, München 1997, S. 315.
  13. Hamann: Hitlers Wien, S. 318.
  14. Hamann: Hitlers Wien, S. 317.
  15. Daim: Der Mann, der Hitler die Ideen gab, S. 190 mit Abbildungen von Todesanzeigen.
  16. Goodrick-Clarke, S. 105.
  17. Ekkehard Hieronimus: Lanz von Liebenfels – Eine Bibliographie. 1991, S. 44.
  18. Hamann: Hitlers Wien, S. 312.
  19. Goodrick-Clarke, S. 102.
  20. Zitiert nach: Goodrick-Clarke, S. 102.
  21. Hamann: Hitlers Wien, S. 317.
  22. Vgl. Ekkehard Hieronimus: Lanz von Liebenfels – Eine Bibliographie.
  23. Hamann: Hitlers Wien, S. 313.
  24. Zum ganzen Abschnitt vgl. Goodrick-Clarke, S. 86 ff.
  25. Lanz von Liebenfels: Die rassenwirtschaftliche Lösung des sexuellen Problems. In: Ostara 1909, 1; zitiert nach Hamann: Hitlers Wien, S. 612.
  26. Im Strindberg-Museum in Stockholm ist ein Stapel Ostara-Hefte ausgestellt. Vgl. Grandt/Grandt, S. 99, Anmerkung 108.
  27. Grandt/Grandt, S. 99.
  28. Goodrick-Clarke, S. 102.
  29. Hamann: Hitlers Wien, S. 317.
  30. Goodrick-Clarke, S. 169.
  31. Vgl. die Argumentation bei Goodrick-Clarke, S. 169.
  32. Zitiert nach Daim: Der Mann, der Hitler die Ideen gab. S. 29 f.
  33. Zitiert nach Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich. Stuttgart 1988, S. 384.
  34. Daim: Der Mann, der Hitler die Ideen gab, S. 41.
  35. Daim: Der Mann, der Hitler die Ideen gab, S: 42 f.
  36. Fest: Hitler. Eine Biografie, S. 72.
  37. Englisches Original: The Occult Roots of Nazism, 1985.
  38. Goodrick-Clarke, S. 175.
  39. Hamann: Hitlers Wien, S. 316 ff.
  40. Fest: Hitler. Eine Biografie, S. 72.
  41. Hamann: Hitlers Wien, S. 318.
  42. Goodrick-Clarke, S. 175.
  43. Fest: Hitler. Eine Biografie, S. 72.
  44. Ekkehard Hieronimus: Lanz von Liebenfels. Eine Bibliographie. Toppenstedt, Berg 1991, ISBN 3-922119-11-5, S. 19. Vgl. Ekkehard Hieronimus: Lanz von Liebenfels. Lebensspuren. In: Albrecht Götz von Olenhusen (Hrsg.): Wege und Abwege. Beiträge zur europäischen Geistesgeschichte der Neuzeit. Festschrift für Ellic Howe zum 20. September 1990. Hochschulverlag, Freiburg 1993, ISBN 3-8107-5051-4, S. 157 ff.
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