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Interkulturelle Kompetenz

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Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren, im engeren Sinne die Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Orientierung. Diese Fähigkeit kann schon in jungen Jahren vorhanden sein oder im Rahmen der Enkulturation (direkte und indirekte Erziehung) auch entwickelt und gefördert werden. Dieser Prozess wird als interkulturelles Lernen bezeichnet. Die Basis für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation ist emotionale Kompetenz und interkulturelle Sensibilität.

Interkulturell kompetent ist eine Person, die bei der Zusammenarbeit mit Menschen aus ihr fremden Kulturen deren spezifische Konzepte der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und Handelns erfasst und begreift. Frühere Erfahrungen werden so weit wie möglich frei von Vorurteilen miteinbezogen und erweitert, während gleichzeitig eine Haltung der Offenheit und des Lernens während des interkulturellen Kontakts notwendig ist.

Interkulturelle Kompetenzen werden nicht von feststehenden Kulturen aus definiert, sondern beziehen sich gerade auf kulturelle Differenzen, die in unterschiedlicher Weise in jeder Gruppe von Menschen vorkommen. In der Regel ist immer von Mischformen auszugehen.

Gesetzliche Definitionen

Das Land Berlin hat mit dem Partizipations- und Integrationsgesetz vom 15. Dezember 2010[1] eine gesetzliche Definition der interkulturellen Kompetenz getroffen, die auf die Bezeichnung von Kulturen als "fremd" oder "anders" verzichtet und Raum für Interpretationen bietet. Paragraph 4, Absatz 3 des Gesetzes legt fest: "Interkulturelle Kompetenz ist eine auf Kenntnissen über kulturell geprägte Regeln, Normen, Wertehaltungen und Symbole beruhende Form der fachlichen und sozialen Kompetenz. Der Erwerb von und die Weiterbildung in interkultureller Kompetenz sind für alle Beschäftigten durch Fortbildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen. Die interkulturelle Kompetenz soll bei der Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Rahmen von Einstellungen und Aufstiegen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst grundsätzlich berücksichtigt werden."[2]

In Nordrhein-Westfalen wird die interkulturelle Kompetenz in Paragraf 4 des "Gesetzes zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen" vom 24. Februar 2012[3] wie folgt definiert: "Interkulturelle Kompetenz im Sinne dieses Gesetzes umfasst 1. die Fähigkeit, insbesondere in beruflichen Situationen mit Menschen mit und ohne Migrationshintergrund erfolgreich und zur gegenseitigen Zufriedenheit agieren zu können, 2. die Fähigkeit bei Vorhaben, Maßnahmen, Programmen etc. die verschiedenen Auswirkungen auf Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beurteilen und entsprechend handeln zu können sowie 3. die Fähigkeit, die durch Diskriminierung und Ausgrenzung entstehenden integrationshemmenden Auswirkungen zu erkennen und zu überwinden."

Hintergrund

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Leben, und daher auch – in größerem oder kleinerem Maße – seine eigene Kultur (einschließlich geographischer, ethnischer, moralischer, ethischer, religiöser, politischer, historischer) resp. kultureller Zugehörigkeit oder der kulturellen Identität.

Im zwischenmenschlichen Umgang betrifft dies einerseits Unterschiede zwischen (klassischen) Kulturen, Regionen, Kontinenten oder Ländern, aber ebenso zwischen Unternehmen oder ihren jeweiligen Abteilungen, zwischen sozialen oder biologischen Geschlechtern, zwischen Minderheitsgruppen (inkl. Subkulturen), zwischen unterschiedlichen Klassen oder Schichten, oder unter Mitgliedern derselben Familie, sofern hier verschiedene kulturelle Werte gelten.

Diese kulturbedingten und kulturbezogenen Unterschiede sind nicht nur in der Interaktion relevant, sondern auch in der Entwicklung der eigenen Kompetenz. Eine allgemeine Definition interkultureller Kompetenz ist in Bezug auf konkrete Anwendungssituationen wenig aussagefähig.[4] Bereichs- oder berufsspezifische Definitionen sind z. B. für die Entwicklung interkultureller Kompetenz in Schulen besser in der Lage, die konkreten Anforderungen an bestimmte Gruppen (z. B. Lehrer) zu spezifizieren.

Voraussetzungen

Als Grundvoraussetzungen interkultureller Kompetenz gelten Feinfühligkeit und Selbstvertrauen, das Verständnis anderer Verhaltensweisen und Denkmuster und ebenso die Fähigkeit, den eigenen Standpunkt transparent zu vermitteln, verstanden und respektiert zu werden, Flexibilität zu zeigen, wo es möglich ist, sowie klar oder deutlich zu sein, wo es notwendig ist.

Es handelt sich also um eine situativ angepasste Ausgewogenheit zwischen:

  1. Kenntnissen und Erfahrungen betreffend andere Kulturen, Personen, Nationen, Verhaltensweisen etc.
  2. Neugierde, Offenheit und Interesse, sich auf andere Kulturen, Personen und Nationen einzulassen
  3. Einfühlungsvermögen (Empathie), die Fähigkeit, sich ins Gegenüber hineinzuversetzen, und das Erkennen und richtige Deuten der Gefühle und Bedürfnisse anderer
  4. Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Kenntnis der eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse, emotionale Stabilität und
  5. kritischer Umgang mit und Reflexion von eigenen Vorurteilen / Stereotypen gegenüber anderen Kulturen, Personen, Nationen, Verhaltensweisen etc.

Kulturunterschiede

Es gibt unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen, Kultur(en) zu erfassen und so Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Konsequenterweise bietet sich für solche Ansätze und Modelle der Terminus Kulturerfassungsansatz[5] an. In erster Linie ist es hierbei wichtig zwischen etischen und emischen Ansätzen zu unterscheiden.

Ethische Ansätze

Ethische Ansätze[6] (wie z. B. die Kulturdimensionen nach Geert Hofstede) versuchen allgemeine, d. h. universelle Kriterien zu identifizieren, die es in jeder Kultur gibt, und diese dann miteinander in Beziehung zu setzen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der resultierenden Vergleichbarkeit von an sich unterschiedlichen Kulturen. Ein Nachteil bzw. der Preis für die Vergleichbarkeit liegt in der - notwendigen - Verallgemeinerung bzw. "Überstülpung" von Indikatoren auf Kulturen, ohne dass diese dort eine besondere Rolle spielen.

Emische Ansätze

Emische Ansätze (wie z. B. die kulturellen Orientierungen von Prof. Karl-Heinz Flechsig) hingegen versuchen, Kulturen aus sich heraus zu beschreiben und zu verstehen. Da jede "Kultur" ein hochkomplexes und einzigartiges System darstellt, bedarf es auch einer einzigartigen Beschreibung dergleichen und somit der Verwendung von Indikatoren, die es i. d. R. in anderen Kulturen nicht gibt (so gibt es bspw. in der englischen Sprache kein Synonym für Gemütlichkeit). Der Vorteil dieser Ansätze besteht darin, Kulturen exakter und angemessener beschreiben und Termini verwenden zu können, die die tatsächlichen Gegebenheiten angemessen beschreiben. Der Nachteil besteht darin, dass eine Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlich verwendeten Begriffe kaum bzw. nicht herzustellen ist. Wollte man z. B. messen, wie hoch das Bedürfnis nach Gemütlichkeit in mehreren Kulturen ist, hätte man die Schwierigkeit zu bestimmen, ob es dieses Konzept in anderen Kulturen überhaupt gibt und, wenn ja, ob es tatsächlich eins zu eins vergleichbar ist.

Analyse kultureller Unterschiedlichkeit

In der Analyse kultureller Merkmale kann zwischen verschiedenen Aspekten unterschieden werden. Nach dem Ansatz der Kulturdimensionen von Geert Hofstede (siehe Hauptartikel: Interkulturelle Zusammenarbeit) sind dies 6 unterschiedliche Dimensionen:

  • Individualismus (individuelle Anreize) und Kollektivismus (Gruppenanreize)
  • Femininität (Konfliktlösung durch Gleichheitsprinzip, Orientierung zu Gesamtheitlichkeit und Lebensqualität) und Maskulinität (Konfliktlösung durch fairen Kampf, Wettbewerbsorientierung)
  • Unsicherheitsvermeidung (Bedürfnis nach oder Widerstand gegen Formalismus)
  • Machtdistanz (tatsächlicher oder empfundener Unterschied zwischen hierarchischen Stufen)
  • Langzeit- und Kurzzeitorientierung
  • Restraint (Beherrschung) und Indulgence (Hingabe) - Siehe hier auch Michael Minkovs Konzept "Freizügigkeit gegenüber Restriktion"

Nach Michael Minkov:

  • Exklusionismus gegenüber Universalismus (ethnozentrisch/ausschließend gegenüber universal/tolerant)
  • Monumentalismus gegenüber Flexibilität und Bescheidenheit/Ergebenheit (wird Standfestigkeit/Unveränderbarkeit belohnt oder Mitläufertum/Opportunismus)
  • Freizügigkeit gegenüber Restriktion. Diese Kategorie stellt Gesellschaften mit freierer Gratifikation von Trieben welchen mit stärkerer Selbstbeschränkung gegenüber. Extreme sind West-Afrika gegenüber Ost-Europa und Süd-Asien.

Nach Edward T. Hall:

  • monochrone (zeitfixiert, „eins nach dem andern“) und polychrone (vieles gleichzeitig) Aspekte
  • Strukturmerkmale (z. B. Wertorientierung, Zeit- und Raumerleben, selektive Wahrnehmung, nonverbale Kommunikation und Verhaltensmuster)


Nach Karl-Heinz Flechsig - Kulturelle Orientierungen[7] Folgende Kategorien sind Beispiele für Indikatoren, mit denen kulturelle Orientierungen erfasst werden können:

  • Einstellung zur Umwelt
  • Umgang mit Zeit
  • (In-)Akzeptanz von Hierarchie und Ungleichheit
  • (Nicht-)Trennung von Privatsphäre und öffentlichem Raum
  • (In)direkte Kommunikation
  • (Nicht)äußerung eigener Emotionen
  • Blick- und Körperkontakt
  • Umgang mit Regeln

Nach diesen und weiteren Kriterien können Länder, Regionen, Unternehmen, soziale Gruppen, aber auch einzelne Personen erfasst, analysiert und in vielen, kompatiblen oder weniger kompatiblen, Kombinationen beurteilt und teilweise (etische Modell) verglichen werden.

Die Erfolgsaussichten in der Zusammenarbeit, insbesondere bei Verhandlungen, Kooperationen, Fusionen etc., können so realistisch eingeschätzt, die verantwortlichen Personen nach den erforderlichen Kriterien ausgewählt und zielgerichtet weitergebildet sowie vorbereitet werden.

Typische Beispiele kultureller Unterschiede

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Wahrnehmung ist unterschiedlich und häufig selektiv

  • In arabischen Ländern werden Gerüche häufig differenzierter wahrgenommen als zum Beispiel in Nordamerika.
  • In Brasilien gibt es mehr unterschiedliche Wörter für unterschiedliche Farbtöne im blau-grünen Bereich, als in vielen anderen Sprachen.
  • In asiatischen Ländern ist das Zeitgefühl eher an der Vergangenheit orientiert (Vorfahren, Werte). In lateinamerikanischen, afrikanischen sowie südeuropäischen Ländern ist das Zeitgefühl eher an der Gegenwart, und in Westeuropa sowie Nordamerika eher an der Zukunft orientiert (Ziele erreichen).

Verhalten und Gesten werden verschieden interpretiert

  • Ein aufwärts gerichteter Daumen bedeutet in Europa, den USA und Lateinamerika, insbesondere in Brasilien, „alles in Ordnung“ oder bezeugt eine positive Bewertung des Wahrnehmungsinhalts, während es in einigen islamischen Ländern als ein unanständiges Zeichen verstanden wird.
  • Daumen und Zeigefinger, die ein O bilden, bedeuten in westeuropäischen Ländern, besonders zwischen Piloten und Tauchern, „Alles in Ordnung“. Dieses Zeichen bedeutet in Japan „wir können jetzt über Geld sprechen“; im südlichen Frankreich bedeutet es das Gegenteil: „es gibt nichts ohne irgendeinen Wert“. In einigen lateinamerikanischen Ländern, in Spanien, Osteuropa und Russland ist es eine unanständige Geste.
  • Ist man in einigen asiatischen Ländern und in Mittelamerika zum Mittagessen eingeladen, beweist man gute Manieren, wenn man direkt nach dem Essen aufbricht: Diejenigen, die nicht gleich gehen, weisen auf diese Art darauf hin, dass sie noch nicht genug gegessen haben. Wer dagegen in Indien, Nordamerika oder Mitteleuropa gleich geht, erscheint unhöflich, denn dort bedeutet dieses Verhalten, dass es dem Gast nur ums Essen ging, nicht aber um die Gesellschaft mit den Gastgebern.
  • Im Mittelmeerraum, in Lateinamerika und im südlichen Afrika ist es normal oder wird es zumindest weitgehend toleriert, wenn man etwa eine halbe Stunde zu spät bei einer Einladung zum Abendessen erscheint. In Deutschland und der Schweiz kann dies häufig eine Beleidigung des Gastgebers bedeuten.
  • Augenkontakt zu vermeiden oder auf den Boden zu starren, während man mit seinen Eltern oder einer hierarchisch höhergestellten Person spricht, ist in Afrika ein Zeichen von Respekt. Im Gegensatz dazu gilt dieselbe Handlung in Nordamerika und dem größten Teil Europas als Signal von unangemessener Scheu oder Unehrlichkeit.
  • Das Herausstrecken der eigenen Zunge gilt in Nordeuropa als Zeichen des Abscheus und stellt eine Beleidigung dar, wenn es einer Person gegenüber gezeigt wird. In Tibet ist es Ausdruck von Hochachtung und Respekt.
  • Die aufrecht gehaltene und geballte Faust bei gleichzeitigem Klopfen auf den Oberarm mit der flachen Hand des anderen Armes ist in Deutschland eine Demonstration von Kraft, in Spanien hingegen eine Geste der Missachtung/Beleidigung.

Aussagen und Sprechen

  • Wenn man in Afrika südlich der Sahara einer Freundin, die man eine Weile nicht gesehen hat, sagt, sie hätte zugenommen, ist dies ein Kompliment für ihre gute Gesundheit. In Europa, Nordamerika und Australien würde diese Aussage als Beleidigung aufgefasst.
  • Im Vereinigten Königreich, Irland und dem Commonwealth hat das Wort „Kompromiss“ eine positive Bedeutung. Der Kompromiss gilt als Abmachung bzw. Vereinbarung, die beiden Parteien zugutekommt. In Nordamerika hat der Kompromiss eher eine negative Bedeutung: Die Parteien verlieren einen Teil ihrer Macht.
  • Vielreden (USA, arabischer Sprachraum) steht der Wortkargheit bis hin zum Schweigen gegenüber in Japan, wo dem Schweigen zwischen den Wörtern entscheidende, sogar in den Worten entgegengesetztem Sinne, Bedeutung zukommt. Langes Schweigen wird dort durchaus als behaglich empfunden, während dies in Indien, Europa und Nordamerika bald zu Unsicherheit und Verlegenheit führt. Skandinavier fühlen sich, nach westlichen Standards, bei stillen Phasen während eines Gespräches weniger unbehaglich.

Ethnische „Kulturverträglichkeit“

„Der Zivilisierte und die Wilden“ – dieses Klischee aus früheren Zeiten sollte der Vergangenheit angehören, ist aber leider auch heute noch nicht selbstverständlich.

Unter dem Schlagwort „Kulturverträglichkeit“ (nicht zu verwechseln mit der Kulturverträglichkeitsprüfung in der EU, die sich vor allem auf „Kunst und Kultur“ bezieht) wird von einigen Ethnologen im Rahmen der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt ein kompetenter und respektvoller Umgang mit Angehörigen traditionell lebender Kulturen gefordert. Dies betrifft Tourismus, Journalismus, ethnologische Feldarbeit, Gesundheitswesen, Entwicklungspolitik oder andere interkulturelle Bereiche, bei denen Kontakte zu solchen Gemeinschaften bestehen. Die Forderung beruht auf der Annahme, dass die moderne westliche Kultur auf viele andere Kulturen dominant wirken kann. Scheinbar harmlose Verhaltensweisen können demnach bereits zu einem kaum noch korrigierbaren Kulturwandel mit negativen Folgen für die Betroffenen führen.[8]

Beispiele für negativ initiierten Kulturwandel

Foto-Safari auf Yanomami-Frauen

Westliche Kleidung und aufdringliches Fotografieren von barbusigen Mädchen durch Touristen oder die Verbreitung christlicher „Anstandsnormen“ durch Missionare kann eine Scham erzeugen, die vorher nicht vorhanden war. Dies fördert den Wunsch nach westlicher Kleidung. Dafür wird Geld benötigt. Geld verdienen erfordert ggf. eine Abkehr von der traditionellen Subsistenzwirtschaft und demnach eine verstärkte Nutzung der Natur. Die gleichen Konsequenzen hat die direkte Einführung von Geld durch Besucher, die ahnungslos Almosen verteilen.

Touristen dringen mit Geländebussen in immer abgelegenere Gebiete vor, ohne Rücksicht auf das Jagdwild oder die Privatsphäre der Einheimischen. Der Wunsch nach exotischen Behausungen ist groß, innen sollen sie jedoch gewohnten westlichen Komfort bieten. Viele Touristen haben eine romantisch verklärte Vorstellung vom Leben der „Wilden“, die bestimmten Ritualen und Gegenständen den Vorzug geben, während andere geächtet oder verurteilt werden. Dies alles führt schnell zu veränderten Gewohnheiten, Bedürfnissen und Wertvorstellungen der Indigenen, die jedoch sehr häufig zu einer kulturellen Entwurzelung mit etlichen negativen Folgen führen.[8]

Umsetzung und Kritik

Derzeit ist Kulturverträglichkeit mangels konkreter Konzepte der praktischen Umsetzung allerdings kaum mehr als eine Vokabel. Ein Beispiel, das die Problematik verdeutlicht: Während es in manchen Ländern üblich ist, „Eingeborene“ festzunehmen, die in traditioneller Aufmachung in die Städte kommen, ist es kaum vorstellbar, den Touristen vorzuschreiben, sich an die Kleidungsgewohnheiten der Indigenen anzupassen.[8] Manche Wissenschaftler stehen den Bestrebungen zu kulturverträglichem Handeln skeptisch gegenüber. Sie befürchten eine eurozentrisch motivierte Bevormundung und künstlich herbeigeführte Lenkung oder Behinderung der Dynamik des „natürlichen“ Kulturwandels, dem jede Kultur ohnehin unterliegt. Es handelt sich bei der Thematik um ein klassisches Dilemma: Entweder überlässt man den Betroffenen das Reagieren auf westliche Kontakte – auf die Gefahr hin, dass die fremde Kultur der globalen Kultur immer ähnlicher wird und somit Vielfalt verloren geht. Oder man lenkt die Kontakte im Sinne der UNESCO-Konvention – beeinträchtigt dabei jedoch unter Umständen das Selbstbestimmungsrecht, das jede Ethnie hat oder haben sollte.[9]

Beurteilung

In der Beurteilung (Assessment) der interkulturellen Kompetenz als vorhandener Fähigkeit und/oder des Potentials dazu (Entwicklungsfähigkeit sowie Voraussetzungen und Zeithorizont zur Weiterentwicklung) werden u. a. folgende Bereiche (in Testverfahren sowie Beobachtungen) beurteilt: Ambiguitätstoleranz, Kontaktfreudigkeit, Verhaltensflexibilität, emotionale Stabilität, Leistungsmotivation, Einfühlungsvermögen, Polyzentrismus.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. GVBl Berlin 2010, Seite 560ff
  2. PartIntG: § 4 Gleichberechtigte Teilhabe und interkulturelle Öffnung. gesetze.berlin.de. Abgerufen am 18. September 2011.
  3. [1]
  4. Jürgen Straub (2007) Kompetenz. In J. Straub, A. Weidemann & D. Weidemann (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Interkulturelle Kompetenz. (S. 341–346). Stuttgart: Metzler. ISBN 3-476-02189-0
  5. Petra Koeppel (2003) Kulturerfassungsansätze und ihre Integration in interkulturelle Trainings; Reihe Fokus Kultur, Band 2.
  6. Petra Koeppel (2001) Etische und emische Ansätze in interkulturellen Trainings; in Entwicklungsethnologie, 10(1/2), S. 79–96.
  7. Karl-Heinz Flechsig Kulturelle Orientierungen
  8. 8,0 8,1 8,2 Arnold Groh: Kulturwandel durch Reisen: Faktoren, Interdependenzen, Dominanzeffekte. in „Begegnung und Verhandlung: Möglichkeiten eines Kulturwandels durch Reise“, herausgegeben von Christian Berkemeier, Katrin Callsen und Ingmar Probst, LIT Verlag, Münster 2004, S. 13–31.
  9. Theresa Frank: Begegnungen: Eine kritische Hommage an das Reisen. Lit Verlag, Berlin 2011.
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