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Idiotikon

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Dieser Artikel befasst sich mit dem allgemeinen Begriff Idiotikon. Für detaillierte Angaben zum Schweizerischen Idiotikon siehe Schweizerisches Idiotikon.

Ein Idiotikon ist ein Wörterbuch, das mundartliche, dialektale, ferner auch soziolektale oder fachsprachliche Ausdrücke erläutert, mithin in der Regel ein Mundart- oder Regionalismenwörterbuch.

Begriffs- und Wissenschaftsgeschichte

Der Begriff Idiotikon stammt aus dem 18. Jahrhundert. Etymologisch geht das Wort auf griechisch idios ‘abgesondert, eigen, privat’ zurück; ein Idiotikon ist also ein ‘Verzeichnis der einer gewissen Landschaft eigenen [und deshalb erklärungsbedürftigen] Ausdrücke’.[1] Die Meinung, das Wort gehe auf griech. idiotes ‘privat, ungelehrt, laienhaft’, Idiom ‘Sprache, Dialekt’, Idiot in seiner früheren Bedeutung ‘Ungebildeter, Mann aus dem Volke’ oder auf griech. idiotikos ‘kunstlos, gemein’ zurück und bedeute somit ‘Wörterbuch der Volkssprache’,[2] ist unzutreffend.

Der Begriff Idiotikon wurde 1743 vom Griechischdozenten Michael Richey für sein Hamburger Wörterbuch (siehe unten) geschaffen.[1] Das Wort Idiotismus findet sich erstmals in Johann Bödikers Grundsätzen der Teutschen Sprache, Berlin 1746, wo es in der Bedeutung ‘örtlich, zeitlich, personell oder situativ variierter syntaktischer Stil’ verwendet wird. Carl Friedrich Aichinger (1753/4) und Johann Christoph Gottsched (1762) verstanden unter Idiotismen ‘Redensarten, Phraseologismen’. In der später allgemein gültigen Bedeutung ‘Ausdruck, der einer gewissen Landschaft eigen ist’ wird der Begriff Idiotismus womöglich zum ersten Mal in der 1755 gedruckten zweiten Auflage von Richeys Wörterbuch verwendet.[1]

Wissenschaftsgeschichtlich stehen Idiotika am Anfang der Dialektologie und gründen in der zunehmenden Reisetätigkeit im aufgeklärten 18. Jahrhundert.

Bekanntere und weniger bekannte Idiotika

Das erste gedruckte Wörterbuch, das sich Idiotikon nannte, war das 1743 erstmals herausgekommene Idioticon Hamburgense oder Wörter-Buch zur Erklärung der eigenen, in und um Hamburg gebräuchlichen Nieder-Sächsischen Mund-Art von Michael Richey (1678–1761). 1759 erschien das Idioticon Prussicum von Johann Georg Bock in Königsberg. Fast gleichzeitig, nämlich um 1760 herum, wurde das Idioticon Rauracum oder Baselische Wörterbuch des Basler Professors Johann Jacob Spreng (1699–1768) verfasst, das damals jedoch nicht veröffentlicht wurde (vollständige Edition 2014).[3] Aus derselben Zeit stammt das damals ebenfalls unpublizierte Idioticon bernense und Glossarium helveticum des 1768 verstorbenen Berners Samuel Schmidt.[4]

Weitere bekannte Idiotika sind das Nürnberger Idiotikon[5] von Georg Andreas Will, das Ende des 18. Jahrhunderts entstanden ist, und das 1800–1806 von dem Juristen Johann Friedrich Schütze veröffentlichte vierbändige Holsteinische Idiotikon (Nachdruck 1976). 1811 erschien ein Idioticon Austriacum, das ist: Mundart der Oesterreicher, oder Kern ächt österreichischer Phrasen und Redensarten, von A bis Z. Zusammengestellt von Ignaz von Sonnleithner, das 1824 „mit besonderer Rücksicht auf Wien“ in 2. Auflage erschien.[6]

Ein erstes Schweizerisches Idiotikon wurde 1806 und 1812 vom Pfarrer Franz Joseph Stalder als „Versuch“ veröffentlicht. Die Drucklegung seines fertigen Manuskripts von 1832 gelang ihm nicht mehr, und er vermachte es der Luzerner Zentralbibliothek (Edition 1994).[7]

Auf der Grundlage von Stalders Manuskript begann Friedrich (Fritz) Staub, unterstützt von der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 1862 mit der Arbeit an einem neuen Schweizerischen Idiotikon. Der Name referiert explizit auf Stalders Vorgängerwerk und war, weil der Terminus „Idiotikon“ zunehmend veraltet erschien, vor dem Erscheinen der ersten Lieferung 1881 heftig umstritten. Inzwischen umfasst dieses „neue“ Idiotikon 16 Bände mit über 150.000 Stichwörtern, womit es das umfangreichste und detaillierteste Regionalwörterbuch im deutschen Sprachraum ist. Das gesamte Werk, welches schließlich 17 Bände umfassen wird, soll gemäß Planung Mitte der 2020er-Jahre fertiggestellt sein.

Weitere Wörterbücher, die sich Idiotikon nennen, sind:

  • August Wilhelm Hupel: Idiotikon der deutschen Sprache in Lief- und Ehstland. Nebst eingestreueten Winken für Liebhaber. Riga 1795.
  • Joseph Müller und Wilhelm Weitz: Die Aachener Mundart. Idiotikon nebst einem poetischen Anhange. Mayer, Aachen/Leipzig 1836 (Digitalisat).
  • Carl Jakob Durheim: Schweizerisches Pflanzen-Idiotikon. Hubert & Comp. (Körber), Bern 1856 (ein Wörterbuch der Pflanzennamen in den verschiedenen Mundarten der deutschen, französischen und italienischen Schweiz).
  • Carl von Scheuchenstuel: Idioticon der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren Verständnisse des österr. Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montanisten. Braumüller, Wien 1856 (vollständige Ansicht in der Google Buchsuche).
  • Simon Martin Mayer (Hrsg.): Anton Ueberfelder’s Kärntnerisches Idiotikon. Johann Leon, Klagenfurt 1862 (vollständige Ansicht in der Google Buchsuche).
  • Johann Baptist Schöpf, Anton J. Hofer: Tirolisches Idiotikon. Wagner, Innsbruck 1866 (vollständige Ansicht in der Google Buchsuche).
  • Martin Schultze: Idioticon der Nord-Thüringischen Mundart. Nordhausen 1874. (Digitalisat)
  • Martin Tschumpert: Versuch eines bündnerischen Idiotikon, zugleich ein Beitrag zur Darstellung der mittelhochdeutschen Sprache und der Culturgeschichte von Graubünden. Unvollendet; fünf Lieferungen erschienen: Senti, Chur 1880. 1882. 1888; Manantschal, Erner & Cie., Chur 1892. 1896.
  • Selmar Kleemann: Beiträge zu einem nordthüringischen Idiotikon. Programm Quedlinburg 1882. (Digitalisat.)
  • Georg Autenrieth: Pfälzisches Idiotikon. Zweibrücken 1899 (Digitalisat).
  • Georg Kloß: Das Idiotikon der Burschensprache. Herausgegeben mit einer Einführung von Carl Manfred Frommel. Frankfurt a. M. 1931.
  • Harry Karl: Das Heinersdorfer Idiotikon. Kronach 1988 (oberfränkischer Dialektraum).

Nicht alle Wörterbücher aus dem 18. und dem frühen 19. Jahrhundert nannten sich Idiotikon. Hierzu gehören das 1767–1771 von der Bremischen Deutschen Gesellschaft herausgegebene Bremisch-niedersächsische Wörterbuch und das von Johann Andreas Schmeller 1827–1836 geschaffene Bayerische Wörterbuch.

Literatur

  • Provinzialwörter. Deutsche Idiotismensammlungen des 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Walter Haas […], Berlin / New York 1994 [hier auch zur Terminologie].
  • Hans Trümpy: Schweizerdeutsche Sprache und Literatur im 17. und 18. Jahrhundert (auf Grund der gedruckten Quellen). Krebs, Basel 1955 (Schriften der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde 36), S. 120–156 (Kapitel Idiotika und Stalders Idiotikon).

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Idiotikon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Vgl. Haas (1984) XXV ff.
  2. So z. B. Hans Schulz: Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. I, S. 281, ähnlich Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, s. v.
  3. Manuskript in der Universitätsbibliothek Basel. Auszugsweise veröffentlicht von Adolf Socin in Alemannia 15, 1888, 185–229. Vollständige Publikation von Heinrich Löffler unter dem Titel Idioticon Rauracum oder Baseldeutsches Wörterbuch von 1768. Edition der Handschrift AA I 3 der Universitätsbibliothek Basel. Schwabe, Basel 2014.
  4. Manuskript in der Burgerbibliothek Bern, abgedruckt von Titus Tobler in Deutsche Mundarten II 357–372, 482–493, III 80–88, 289–297, 433–449, IV 13–25, 145–154.
  5. Herbert Maas: Das Willsche Idiotikon. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bd. 49, 1959, S. 361–436.
  6. Ignaz von Sonnleithner: Idioticon Austriacum, das ist: Mundart der Oesterreicher, oder Kern ächt österreichischer Phrasen und Redensarten, von A bis Z. 2. Auflage. Verlag F. Wimmer, Wien 1824 (Google Buchsuche, vollständige Ansicht).
  7. Hrsg. von Niklaus Bigler unter dem Titel: Schweizerisches Idiotikon mit etymologischen Bemerkungen untermischt. Samt einem Anhange der verkürzten Taufnamen. Sauerländer, Aarau/Frankfurt a. M. / Salzburg 1994 (Sprachlandschaft 14).
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