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Hypochondrie

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Honoré Daumier:
Der eingebildete Kranke

Hypochondrie (gr. ὑποχόνδρια: Gegend unter den Rippen) ist zum einen nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 eine psychische Störung (somatoforme Störung), bei der die Betroffenen unter ausgeprägten Ängsten leiden, eine ernsthafte Erkrankung zu haben, ohne dass sich dafür ein angemessener, objektiver Befund finden lässt. Zum anderen ist Hypochondrie ein Symptom, das im Rahmen zahlreicher psychischer Störungen auftreten kann.

Wortherkunft

Die ursprüngliche Wortschöpfung erfolgte durch Galenos: Der Begriff hängt mit dem griechischen χόνδρος („chondros“ für Knorpel) zusammen. Gemeint sind die Rippenknorpel, unter (ὑπό „hypo“) welchen man damals den Ursprung der Gemütskrankheiten vermutete. Man ging davon aus, dass die Milz für diese Art von Beschwerden verantwortlich sei. („Milzsucht“).[1]

Alltagsgebrauch des Begriffs

Im Alltagssprachgebrauch wird der Begriff Hypochondrie unklar definiert gebraucht und beschreibt generell eine von Angst dominierte Beziehung zum eigenen Körper und zu dessen Funktionen sowie eine Angst vor Krankheiten. Als Hypochonder werden - in der Umgangssprache häufig abschätzig - um ihre Gesundheit besorgte Menschen bezeichnet, die vermehrt auf Veränderungen von Körperfunktionen achten und auch geringfügige Körpersignale als möglichen Ausdruck schwerer Erkrankungen interpretieren.

Eine übertriebene Selbstbeobachtung kann auch bei psychisch gesunden Menschen zu Fehlwahrnehmungen und häufigen Arztbesuchen führen, wobei auch ausführliche und wiederholte Untersuchungen keine körperliche Ursache der Beschwerden ergeben. Die leicht zugänglichen Möglichkeiten, sich über Internetportale zu Krankheitsymptomen zu erkundigen, führt zu neuen Formen der Krankheitsangst, wie zum Beispiel zur Cyberchondrie.

Der Begriff Hypochondrie ist im allgemeinen Sprachgebrauch negativ besetzt und Hypochonder wird auch als abfällige Bezeichnung eines wehleidigen Menschen gebraucht. Man spricht laienhaft auch von einer eingebildeten Krankheit (siehe Molière, Der eingebildete Kranke), als ob Menschen mit Krankheitsangst generell „nichts“ hätten. Dies ist vor allem in Hinblick auf von echter, klinischer Hypochondrie Betroffenen problematisch, da diese Menschen nicht wehleidig, sondern schwer psychiatrisch erkrankt sind.[2]

Medizinische Definition

Klassifikation nach ICD-10
F45.2 hypochondrische Störung
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Anders als in der Alltagssprache, ist die Hypochondrie im medizinischen Sinne klar definiert. Das entsprechende Krankheitsbild wurde früher als Hypochondrie bezeichnet, wird aber heutzutage entsprechend der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten“ (ICD-10) unter „F45.2“ als Hypochondrische Störung definiert. Im amerikanischen Klassifikationssystem DSM-5, das seit Mai 2013 Gültigkeit besitzt, wurde die hypochondrische Störung durch die Diagnosen Somatic Symptom Disorder (dt.: Körpersymptomstörung) and Illness Anxiety Disorder (dt.: Krankheitsangststörung) ersetzt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es zwei bisweilen unabhängig voneinander auftretende Seiten hypochondrischer Symptomatik gibt, namentlich medizinisch unerklärliche Symptome (somatoforme Kompenente) und Krankheitsangst (Angstkomponente).[3]

Da Betroffene oft durch intensives Recherchieren im Internet eine Symptomverstärkung erleben, haben sich im ärztlichen Fachjargon auch die Begriffe Morbus Google und Cyberchondrie eingebürgert.[4]

Es gibt Schätzungen, wonach jeder 20. Patient unter Symptomen leidet, die sich aus medizinischer Sicht in ihrer Schwere der Beeinträchtigung nicht erklären lassen. Die Prävalenz der Hypochondrie im Sinne einer echten klinischen Störung liegt jedoch deutlich niedriger, wobei es auch zu schweren Verläufen mit überwertigen Ideen und hypochondrischem Wahn kommen kann.[5] Typischerweise haben die Betroffenen bereits viele medizinische Untersuchungen hinter sich und wechseln häufig den Arzt („Doctor Hopping“ oder „Doctor Shopping“ genannt).

Kennzeichnend für die hypochondrische Störung nach ICD-10 ist die Tatsache, dass der Patient fürchtet, an einer bestimmten Krankheit (z. B. Krebs) zu leiden. Das Klagen über körperliche Symptome steht nicht im Vordergrund. Je nach Ausprägungsgrad der Symptomatik ist der Betroffene mehr oder weniger durch den Arzt überzeugbar, dass seine Befürchtungen unbegründet sind. Je schwerer die Symptomatik, desto weniger ist dies möglich.[6] Zur Behandlung sind Psychotherapie und der Einsatz von bestimmten Psychopharmaka erfolgversprechend.[7]

Bei nachhaltiger Ausprägung ist Hypochondrie eine ernst zu nehmende Störung, die quälend sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Umgebung sein kann. Nach den Ergebnissen einer großen WHO-Studie (Gureje et al., siehe Literatur) zählt Deutschland international zu den Spitzenreitern für hohe Krankheitsangst. Die Krankheit tritt bei Frauen und Männern etwa gleich häufig auf.

Im angelsächsischen Wissenschaftsbetrieb wird Hypochondrie bzw. bestimmte Formen dieser Erkrankung, entgegen der sonst üblichen Einordnung als somatoforme Störung, dem so genannten „Zwangsspektrum“ zugeordnet (engl.: „OCD Spectrum Disorders“). Dies insbesondere, wenn nicht die Beobachtung von Körpersignalen im Vordergrund steht, sondern die obsessive Angst zu erkranken.[8] Häufig kommen bei dieser Ausprägung auch die für Zwangsstörungen so typischen Zweifel zur Geltung, z.B. an der Kompetenz des Arztes oder diesen richtig verstanden zu haben. Die Einordnung bestimmter hypochondrischer Symptombilder in das Spektrum der Zwangskrankheiten ist jedoch mehr von akademischem Interesse, da beide Erkrankungen mit derselben Form der Verhaltenstherapie und denselben Medikamenten (vor allem SSRI) behandelt werden können.[9]

Subgruppen

Spezifische, monosymptomatische Formen der Hypochondrie sind:[10]

  • Bromosis (von lateinisch bromus „Gestank“): Vorstellung, man würde einen üblen Geruch verströmen
  • Parasitosis: Vorstellung, man wäre von Parasiten (speziell Würmern oder Spinnen) befallen, die im Körper wachsen, speziell bei unter der Haut wachsenden Parasiten der sogenannte Dermatozoenwahn
  • Dysmorphophobia: Vorstellung, man sei missgebildet, entstellt oder allgemein abstoßend hässlich

Differenzialdiagnosen

Da auch andere psychische Krankheiten Symptome aufweisen können, die der klassischen Hypochondrie sehr ähnlich sind, sollte die Diagnose einer eigenständigen hypochondrischen Störung erst nach ausführlicher Differenzialdiagnostik gestellt werden. Auch die Abgrenzung zu den anderen somatoformen Störungen ist von Bedeutung. Vor der Diagnose einer Hypochondrie muss daher ausgeschlossen werden, ob nicht andere Störungen vorliegen, welche die Symptome besser erklären bzw. ob Begleiterkrankungen vorliegen. Hypochondrie als Symptom kann unter anderem im Rahmen folgender psychischer Erkrankungen auftreten:[11]

Geschichte

Sigmund Freud rechnete die Hypochondrie zusammen mit der Neurasthenie und der Angstneurose zu den Aktualneurosen.[12]

Literatur

  • Susan Baur: Die Welt der Hypochonder. Über die älteste Krankheit der Menschheit. dtv, München 1994, ISBN 3-423-30429-4
  • Esther Fischer-Homberger: Hypochondrie. Melancholie bis Neurose: Krankheiten und Zustandsbilder. Huber, Bern 1970.
  • O. Gureje, T. B. Üstün, G. E. Simon: The syndrome of hypochondriasis: A cross-national study in primary care. In: Psychological Medicine, 27, 1997, 1001–1010
  • John Naish: Hypochondrie kann tödlich sein. Handbuch für eingebildete Kranke. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005, ISBN 3-499-61994-6 (satirische Betrachtung, kein Sachbuch)
  • Gaby Bleichhardt, Florian Weck: Kognitive Verhaltenstherapie bei Hypochondrie und Krankheitsangst. Springer, 2007, ISBN 978-3-540-46854-7
  • Ben Reichel: Autark Magazin // Ausgabe Eins: Hypochondrie. 2004 (zu beziehen über: www.hypochondrie.de)
  • Ernst L. Kaufs: Ich habe Angst vor Krankheiten - Erfahrungen eines Hypochonders. Tribut Verlag, 2006, ISBN 3-9809863-1-4

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Hypochondrie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 213. auf zeno.org
  2. Catherine Belling: A Condition of doubt. The meanings of Hypochondria. New York 2012
  3. DSM-5 redefines hypochondriasis, [1]
  4. Lajos Schöne: "Morbus Google"Zahnärztliche Mitteilungen, vom 05.02.2014; geladen am 18.06.2014
  5. Don R. Lipsitt: Hypochondriasis: Modern Perspectives on an Ancient Malady. Oxford University Press, Cambridge 2001.
  6. Robert Ernest Hales et.al.: The American Psychiatric Publishing textbook of psychiatry. Arlington 2008.
  7. Fornaro, Michele; Gabrielli, Filippo; Albano, Claudio et.al.: „Obsessive-compulsive disorder and related disorders: a comprehensive survey“. In: Annals of General Psychiatry 2009, 8:13.
  8. José A. Yaryura-Tobias,Fugen A. Neziroglu: Obsessive-compulsive disorder spectrum: pathogenesis, diagnosis, and treatment
  9. José A. Yaryura-Tobias,Fugen A. Neziroglu: Obsessive-compulsive disorder spectrum: pathogenesis, diagnosis, and treatment
  10. Henry E. Adams, Patricia B. Sutker (Hg.): Comprehensive Handbook of Psychopathology. 3. Aufl. Kluwer, NY 2001, ISBN 0-306-46490-X, S. 237
  11. Body Dysmorphic Disorder, Hypochondriasis, Hoarding, and other OCD Spectrum Disorders; Comparing and Contrasting Treatments with OCD Fugen Neziroglu Ph.D., ABBP, ABPP Bio-Behavioral Institute Great Neck, NY
  12. Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München 31984; Stw. „Aktualneurosen“: Seite 16
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