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Historische Rechtsschule

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Die historische Rechtsschule oder geschichtliche Schule der Rechtswissenschaft ist eine Richtung in der Rechtswissenschaft, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Romantik in Abkehr von der Epoche des Naturrechts oder Vernunftrechts die historische Bedingtheit des Rechts wieder in das Bewusstsein rief.

Diese Richtung wurde vornehmlich von Friedrich Carl von Savigny begründet, der die Rechtsentwicklung auf den sogenannten Volksgeist zurückführt[1] - ein Begriff, den auch schon Hegel in seiner Sicht der Weltgeschichte verwendet. Die Grundaussage der historischen Rechtsschule ist, dass das Recht nicht als ein willkürlich vom Gesetzgeber geschaffener Bestand an Vorschriften aufzufassen sei, sondern als im Bewußtsein des Volkes lebendige Überzeugungen, ähnlich wie die Sprache oder die Sitten und Gebräuche eines Volkes. Solche Rechtsüberzeugungen könnten zwar auch durch den Gesetzgeber veranlasst werden, entwickelten und veränderten sich aber vor allem ohne dessen Zutun organisch im Laufe der Zeit. Dabei spielen die praktischen sich verändernden Bedürfnisse des Volkes eine tragende Rolle. In einem entwickelten Rechtssystem komme dem Juristenstand – im Sinne der gesellschaftlichen Arbeitsteilung – die Aufgabe zu, das Volksbewusstsein dadurch zu repräsentieren, dass er das geltende Recht auf der Grundlage wissenschaftlicher Arbeit am Recht darlegt und anwendet.

Romanisten und Germanisten

Friedrich Carl von Savigny, Briefmarke der Deutschen Bundespost Berlin (1957)

Innerhalb der historischen Rechtsschule konkurrierten die Romanisten mit den Germanisten. Die Romanisten meinten, dass das rezipierte römische Recht dem Volksgeist entspreche, während die Germanisten (Karl Friedrich Eichhorn, Jacob Grimm, Georg Beseler, Otto von Gierke) das mittelalterliche deutsche Recht schon vor der Rezeption als dem deutschen Volksgeist gemäß ansahen.

Die historische Rechtsschule hat die deutsche Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts maßgeblich bestimmt. Unter Savignys Nachfolgern Puchta und Windscheid ging aus dem romanistischen Zweig die Pandektenwissenschaft hervor, die auch als Begriffsjurisprudenz gesehen wird. Jhering wandte sich schließlich von der Begriffsjurisprudenz ab hin zu einer an den realen sozialen Anforderungen orientierten Betrachtung des Rechts.

Während die auf der historischen Rechtsschule fußende, mithin geschichtliche Rechtswissenschaft für die Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches, die 1896 vollendet wurde, noch von großem Einfluss war, ist im 20. Jahrhundert der direkte Einfluss der Ideen und Methoden der historischen Rechtsschule zurückgegangen. Die Frage, auf welche Art sich das Recht aus dem Volksgeist entwickelt, wurde allerdings auch noch um 1910 unter Juristen intensiv diskutiert.[2]

Hans Kelsen leitete seine Allgemeine Staatslehre als rein juristische Theorie des positiven Staates von der Historischen Schule des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts ab.[3]

Kritik

Karl Marx hat Gustav von Hugo als den "Altvater" der Historischen Rechtsschule kritisiert. Dabei warf er ihm vor, die Vernunftkritik der bestehenden Verhältnisse zu ersetzen durch den Versuch, das Positive geradewegs durch dessen Unvernünftigkeit zu rechtfertigen.[4]

Max Weber[5] kritisiert Savigny, sofern dieser vom Nationalökonomen Wilhelm Roscher zum Vorbild genommen wurde, insbesondere die Begriffsbildung "Volksgeist" als Hypostasierung des notwendig individuellen Charakters jedes wahrhaft volkstümlichen Rechts zu einem einheitlichen metaphysischen Wesen und Realgrund aller einzelnen Kulturäußerungen eines Volkes.

Literatur

  • Paul Koschaker: Europa und das römische Recht. 4. Auflage, München 1966. S.254-290.
  • Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. 2. Auflage. Göttingen 1967. S.348-430.
  • Hans Schlosser: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte. Rechtsentwicklungen im europäischen Kontext. 10. Auflage. Heidelberg 2005. S. 143-169.
  • Gunter Wesener: Zu den Anfängen der Historischen Rechtsschule romanistischer Richtung in Österreich, vornehmlich zu Ludwig Arndts von Arnesberg (1803-1878), in: Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. Festschrift für Werner Ogris zum 75. Geburtstag (Wien-Köln-Weimar 2010) S. 577-599.

Einzelanchweise

  1. Friedrich Carl von Savigny: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg 1814
  2. H.Kantorowicz, Volksgeist und historische Rechtsschule
  3. Manfred Pascher: Einführung in den Neukantianismus. München 1997. UTB 1962. S. 155
  4. "Hugo mißdeutet den Meister Kant dahin, daß, weil wir das Wahre nicht wissen können, wir konsequenterweise das Unwahre, wenn es nur existiert, für vollgültig passieren lassen. Hugo ist ein Skeptiker gegen das notwendige Wesen der Dinge, um ein Hoffmann gegen ihre zufällige Erscheinung zu sein. Er sucht daher keineswegs zu beweisen, daß das Positive vernünftig sei; er sucht zu beweisen, daß das Positive nicht vernünftig sei. Aus allen Weltgegenden schleppt er mit selbstgefälliger Industrie Gründe herbei, um zur Evidenz zu steigern, daß keine vernünftige Notwendigkeit die positiven Institutionen, z.B. Eigentum, Staatsverfassung, Ehe etc. beseelt, daß sie sogar der Vernunft widersprechen, daß sich höchstens dafür und dagegen schwatzen lasse. Man darf diese Methode keineswegs seiner zufälligen Individualität vorwerfen; es ist vielmehr die Methode seines Prinzips, es ist die offenherzige, die naive, die rücksichtslose Methode der historischen Schule. Wenn das Positive gelten soll, weil es positiv ist, so muß ich beweisen, daß das Positive nicht gilt, weil es vernünftig ist, und wie könnte ich dies evidenter als durch den Nachweis, daß das Unvernünftige positiv und das Positive nicht vernünftig ist? daß das Positive nicht durch die Vernunft, sondern trotz der Vernunft existiert? Wäre die Vernunft der Maßstab des Positiven, so wäre das Positive nicht der Maßstab der Vernunft." [Marx: Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule. S. 4f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 10000 (vgl. MEW Bd. 1, S. 79f)]
  5. Max Weber: Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie 1903-06, In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen 7. Aufl. 1988, UTB1492
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