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Herzfehler

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Unter einem Herzfehler (auch Herzfehlbildung, Herzvitium) versteht man eine angeborene oder erworbene Strukturbesonderheit des Herzens oder angrenzender Gefäße, die zu Funktionseinschränkungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Herz-Lungen-Systems führt.

Häufigkeit und Ursachen

In Deutschland kommen im Jahr durchschnittlich 6.000 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Das entspricht 0,7 bis 0,8 % aller Neugeborenen. Ursache eines Herzfehlers können sowohl Chromosomenbesonderheiten sein, wie z. B. eine Trisomie 21 (Down-Syndrom), eine Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), eine Trisomie 18 (Edwards-Syndrom), das Marfan-Syndrom, das Noonan-Syndrom oder das Williams-Beuren-Syndrom, das DiGeorge-Syndrom (Deletion 22q11) als auch Giftstoffe (Noxen) und Alkohol (siehe: Fetales Alkoholsyndrom).

Auch einige Arzneimittel (Phenytoin, 4-Hydroxycumarine, Lithium, Neuroleptika) oder Infektionen (Röteln) können Herzfehlbildungen verursachen. Die Ursache der meisten Herzfehler ist aber derzeit noch ungeklärt.

Herzfehler treten auch im Zusammenhang mit anderen Fehlbildungen (z. B. im Bereich des Urogenital- oder Darmtrakts) auf.

Überlebenschancen der Betroffenen

Aufgrund vielfältiger medizinisch-technischer Neuerungen und guten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten (s. u.) erreichen mittlerweile in Ländern mit entsprechenden Interventionsmöglichkeiten etwa 90 % aller Menschen mit einem angeborenen Herzfehler das Erwachsenenalter. Jedoch ist immer noch die Kinderkardiologie, ein Teilgebiet der Pädiatrie, vorwiegend die Fachrichtung der Medizin, die sich mit angeborenen Herzfehlbildungen beschäftigt, während die Kardiologie als Teilgebiet der Inneren Medizin sich vor allem mit den im Erwachsenenalter auftretenden Erkrankungen des Herzens beschäftigt. Das Zuständigkeitsproblem, das sich dadurch für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH) ergibt, wird durch interdisziplinäre Angebote angegangen. Mittlerweile existieren für diese Patientengruppe auch eigene Selbsthilfeorganisationen.

Die Möglichkeiten der Fehlbildungen sind recht vielfältig. 85 % aller Herzfehler sind jedoch auf acht verschiedene Variationen zurückzuführen. Man unterteilt die Herzfehler nach hämodynamischen, d. h. den Blutstrom im Herzen betreffende, Kriterien: Fehlbildungen ohne Shunt (d. h. Kurzschluss im seriell geschalteten Blutstrom), Fehlbildungen mit Rechts-links-Shunt bzw. mit Links-rechts-Shunt. Die Ausprägung von Herzfehlern lässt sich anhand der Embryologie des Herzens (s. Weblinks) einfacher nachvollziehen.

Einteilung

Angeborene/congenitale Fehlbildungen des Herzens bzw. herznaher Gefäße

  • Herz allgemein:
    • Atrio-ventrikulärer Septumdefekt (= AVSD – AV-Kanal) – Fehlbildung der Herzscheidewand auf Vorhof- und Kammerebene + Fehlbildung von Trikuspidalklappe und Mitralklappe
    • Atriumseptumdefekt (= ASD) – Vorhofscheidewanddefekt mit den Ausprägungen Persistierendes Foramen ovale (= PFO), ASD II, ASD I und Sinus-venosus-Defekt (Loch in der Herzscheidewand zwischen den Vorkammern)
    • Ebstein-Anomalie – Fehlbildung der Trikuspidalklappe zwischen rechten Vorhof und rechter Kammer mit Verlagerung der Klappenebene nach unten
    • Fallotsche Tetralogie – komplexe Herzfehlbildung, bestehend aus einer Verengung der Pulmonalklappe (Pulmonalstenose), einem Ventrikelseptumdefekt, der „reitenden Aorta“ und einer Vermehrung der Herzmuskelmasse des rechten Herzens
    • Persistierendes Foramen ovale (= PFO) (siehe auch ASD II) – verbliebene fetale Verbindung in der Vorkammerscheidewand
    • Lungenvenenfehlmündung
    • Shone-Komplex – komplexe Fehlbildung des linken Herzens
    • Single Ventricle:
      • mit funktionell wirksamem linkem Ventrikel. Die rechte Herzkammer (Lungenkreislauf) ist nicht ausreichend ausgebildet.
      • mit funktionell wirksamem rechtem Ventrikel. Die linke Herzkammer (Körperkreislauf) ist nicht ausreichend ausgebildet.
    • Transposition der großen Arterien (= TGA) – Lungenschlagader (Pulmonalis) und Aorta sind vertauscht an der jeweils falschen Herzkammer angeschlossen. Damit sind die normalerweise in Reihe geschalteten Kreisläufe parallel geschaltet und der Körper erhält ungesättigtes Blut. Ohne zusätzliche Fehlbildungen (Shunts) oder rasche Intervention nicht überlebensfähig.
    • korrigierte Transposition der großen Arterien (= CTGA oder ccTGA) – die Ventrikel (Herzkammern) sind vertauscht, aber es ist im Gegensatz zur TGA ein funktionierender Kreislauf vorhanden.
    • Truncus arteriosus communis (= TAC) – Aorta und Lungenarterie sind nicht vollständig getrennt, Aortenklappe fehlgebildet als „Truncusklappe“, Ventrikelseptumdefekt
    • Ventrikelseptumdefekt (= VSD) – Loch in der Hauptkammerscheidewand

Erkrankungen des Erregungsleitungssystems

Erworbene Herz- und Herz-Lungen-Erkrankungen

  • Pulmonale Hypertonie – Lungenhochdruck als Folge eines angeborenen Herzfehlers mit Links-rechts-Shunt
  • Eisenmenger-Reaktion – Shunt-Umkehr als Folge fixierter pulmonaler Hypertonie bei einem angeborenen Herzfehler

Therapien

  • interventionelle Herzkatheter: aufgeführt sind hier Verfahren, die unabhängig vom Krankheitsbild eingesetzt werden können:
    • Coils – in der Regel Drahtgebilde, mit denen Gefäße mittels Herzkatheter verschlossen werden können.
    • Ballondilatation einer Herzklappe/ eines Gefäßes: die stenotische (verengte) Herzklappe/das Gefäß wird mit Hilfe eines Ballonkatheters aufgedehnt
    • Rashkind-Manöver = Ballonatrioseptostomie – Aufreißen des Vorhofseptums mittels Ballonkatheter
    • Stent-Implantation – Stents sind kleine Röhrchen aus Kunststoff oder Metall, die in ein verengtes Gefäß mittels Herzkatheter eingeführt werden. Sie halten das Gefäß offen und können z. T. mit dem Wachstum des Kindes „aufdilatiert“ (aufgedehnt) werden.
  • Operationen: Chirurgisches Vorgehen unabhängig vom Herzfehler. Die Operationsverfahren sind in der Regel bei den einzelnen Herzfehlerbeschreibungen angeführt:
    • Blalock-Taussig-Anastomose – Verbindung zwischen großer Arterie (Halsschlagader) und Lungenschlagader zur Verbesserung der Lungendurchblutung bei Rechtsherzproblemen
    • Glenn-Anastomose – Verbindung der oberen Körpervene mit den Lungenschlagadern, erster Schritt zum Fontankreislauf
    • Fontan-Operation – OP-Technik zur Kreislauftrennung, meistens in 2 Schritten: Glenn + TCPC
    • Pulmonales Banding – Verengung der Lungenarterie durch ein Bändchen bei Links-rechts-Shunt-Herzfehlern
    • TCPCTotale Cavo-Pulmonale Connection; vollständige Venen-Lungenarterienverbindung, nach Anschluss der unteren Körpervenen mit den Lungenschlagadern. Vervollständigung des Fontankreislaufs.
    • Operation nach Ross – Ersatz einer Aortenklappe durch die patienteneigene gesunde Pulmonalklappe

Blutgerinnungshemmung (Antikoagulation)

Bei manchen Herzfehlern und insbesondere nach der Korrektur mancher Herzfehler erhalten die Patienten eine dauerhafte Gabe von blutgerinnungshemmenden Medikamenten, um das Risiko von Thrombosen zu verringern. Neben der schwach wirkenden Acetylsalicylsäure (ASS) gibt es die stark wirkenden Cumarine (Marcumar, Warfarin). Diese Medikamente müssen vor Operationen rechtzeitig abgesetzt werden, da sie die Gerinnung bis zu zwei Wochen beeinflussen können. Als dritten Wirkstoff gibt es Heparin, das vor allem in der Klinik und intravenös gegeben wird. Es wirkt sofort mit kurzer Halbwertzeit.

Die Dauereinnahme von Cumarinen (Marcumar oder Warfarin) bedarf einer regelmäßigen Blut-Kontrolle, die der Patient oder beim Kind die Eltern in der Regel selber durchführen können. Der Blutgerinnungsstatus, der nach dem vermehrten Verzehr von Vitamin-K-haltigen Nahrungsmitteln oder möglicherweise infolge von Infekten schwanken kann, muss dann durch eine Anpassung der Medikamentendosis ausgeglichen werden. Diese Einschränkung besteht bei der Gabe von ASS und Heparin nicht.

Prognose

Die Fortschritte der Medizin haben zu einer deutlichen Zunahme der Lebenserwartung betroffener Patienten geführt. So entstand in der jüngeren Vergangenheit eine zahlenmäßig für 2004 auf über 250.000 geschätzte Gruppe von jugendlichen und erwachsenen Patienten mit korrigierten, teilkorrigierten oder palliativ behandelten Herzfehlern (Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern, EMAH). Ihre gezielte Betreuung führte zu neuen Fragestellungen und Anforderungen, so dass die ärztlichen Fachgesellschaften im deutschsprachigen Raum 2008 eine entsprechende Leitlinie veröffentlichten.[1]

Literatur

  • Borth-Bruhns, Thomas / Eichler, Andrea: Pädiatrische Kardiologie (2004).
  • Barankay, Andreas (Hrsg.): Interdisziplinäre Versorgung angeborener Herzfehler (2002).
  • Schumacher, G. u. a.: Klinische Kinderkardiologie/mit CD-ROM (2001).
  • Hausdorf, G.: Intensivtherapie angeborener Herzfehler (2000).
  • Neill, Clark: Unser Kind hat einen Herzfehler – Informationen und Rat für Eltern - Bezugsadresse.
  • Carrel, Vereb, Hug: Ein kleines Herz wird stark – Die Herzoperation der vierjährigen Celina (Erfahrungsbericht).
  • Clemens Bollinger: Ein Herz für Nicole – Die Geschichte einer Transplantation (Erfahrungsbericht).
  • BVHK e.V.: Pränatale Diagnostik angeborener Herzfehler - Bezugsadresse.
  • HERZKIND e. V.: „Gezeiten“ – Herzkinder und ihre Eltern erzählen über ihr Leben mit dem angeborenen Herzfehler - Bezugsadresse.

Weblinks

Wiktionary: Herzfehler – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. "Medizinische Leitlinie zur Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH)"; in: Clinical Research in Cardiology, Band 97 (Nr. 3), 2008, S.194-214, pdf
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