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Hermine Speier

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Hermine „Erminia“ Speier (geb. 28. Mai 1898 in Frankfurt am Main; gest. 12. Januar 1989 in Montreux) war eine deutsche Klassische Archäologin. Sie gehört zu den bedeutendsten weiblichen Archäologen ihrer Zeit, ebenso zu den wichtigsten Museumsarchäologen und den bedeutendsten Mitarbeitern der Vatikanischen Museen. Ihre Arbeit an archäologischen Fototheken war grundlegend.

Leben

Hermine Speier wurde in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Sie besuchte die Viktoriaschule und legte das Abitur nach privater Vorbereitung ab. Zum Wintersemester 1918/19 begann sie an der Universität Frankfurt ein Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie. Zum Sommersemester 1919 wechselte sie an die Universität Gießen, zum Wintersemester 1919/20 an die Universität Heidelberg. In Gießen kam sie am Seminar und im Kolleg von Gerhart Rodenwaldt erstmals mit Archäologie in Kontakt. In Heidelberg waren zunächst Friedrich Gundolf, Karl Ludwig Hampe, Hermann Oncken, Eberhard Gothein und Karl Jaspers wichtige Lehrer. Nachdem 1920 Ludwig Curtius an die Universität berufen worden war, wurde er ihr wichtigster Lehrer und Förderer. Sie wechselte ganz zur Archäologie. Neben Curtius waren Franz Boll, Alfred von Domaszewski, Karl Meister und vor allem Bernhard Schweitzer wichtige Lehrer.

Hermine Speier wurde 1925 bei Curtius mit einer Dissertation zum Thema Die Gruppen angelehnter Figuren im V. und IV. Jahrhundert promoviert. Sie erhielt nur deshalb nicht die Höchstnote, weil Curtius meinte, diese sei einzig Männern vorbehalten. Veröffentlicht wurde die Arbeit erst sieben Jahre später unter dem Titel Zweifiguren-Gruppen im fünften und vierten Jahrhundert vor Christus in den Römischen Mitteilungen. Die Arbeit stand in der Tradition der Arbeiten von Johann Joachim Winckelmann, den sie zeitlebens verehrte. Während des Studiums kam sie auch in Kontakt mit dem George-Kreis. Als Schweitzer 1925 an die Universität Königsberg berufen wurde, folgte Speier ihm als Assistentin. Sie blieb bis 1928 in Königsberg, als Curtius, der als Direktor an die Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts berufen wurde, sie nach Rom holte.

Curtius betraute seine Schülerin in Rom mit der Leitung des Aufbaus eines Fotoarchivs, wobei ihr Adolf Greifenhagen assistierte. Die Sammlung basierte auf einem Geschenk von Walther Amelung, das sukzessive erweitert wurde. Speier gilt als erste archäologische Fotothekarin. Ihre Form der Ordnung der Fotografien wurde grundlegend, und nachdem die Fotothek in Form von Mikrofichen publiziert worden war, fand Speiers System weltweite Verbreitung. 1934 wurde Speier aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dieser Stellung entlassen. Sie war zu diesem Zeitpunkt gerade auf dem Gebiet der modernen Fototheken fachlich besonders ausgewiesen. Somit nutzte der Generaldirektor der Vatikanischen Museen, Bartolomeo Nogara, die Gelegenheit und gab Speier in seinem Museum eben jene neu geschaffene Stelle. Speier war damit die erste Frau, die eine Anstellung im Vatikan bekam. Nicht nur Papst Pius XI. gehörte zu ihren Förderern. Ihre Berufung galt nicht nur der kompetenten Archäologin, sondern war auch ein Zeichen für die Anstellung von Frauen und gegen die Entwicklung in Deutschland. Ihre Kollegen in der Sammlung, die seit der Berufung Nogaras erstmals von Wissenschaftlern und nicht mehr von Künstlern verwaltet wurde, waren zunächst der Archäologe Filippo Magi und der Kunsthistoriker Deoclecio Redig de Campos. Sie ordnete 20.000 Fotonegative aus dem Altbestand und musste auch die laufend eintreffenden neuen Bilder einordnen. Nahezu alle Bilder in Publikationen bis 1966 stammten aus der von Speier verwalteten Fotothek. Im Laufe der Zeit kamen auch Aufgaben bei der Betreuung der Antikensammlung an der Seite von Magi hinzu. Hierzu gehörte etwa die Mitarbeit bei der Aufstellung der 1935 von Benedetto Guglielmo dem Museum geschenkten etruskischen Sammlung. Von besonderer Bedeutung war die Einrichtung zweier Säle mit 17 originalen griechischen Bildwerken, die Speier aus der Sammlung zusammentrug. Daneben arbeitete sie an der Neueinrichtung der griechischen Vasensammlung und des Antiquarium Romanum. Nachdem 1960 Magi Direktor aller Ausgrabungsarbeiten auf päpstlichem Territorium geworden war, wurde Speier ab 1961 alleinverantwortlich für die Antikensammlung. Während der deutschen Besetzung Roms wurde Speier als Jüdin bei einer Razzia verhaftet. Die Mitarbeiter des Vatikans um Pankratius Pfeiffer, Carlo Pacelli und Anton Weber, denen hunderte römische Juden ihr Leben verdankten, retteten auch Speier. Zeitweise wurde sie in Frauenklöstern versteckt und in falschen Papieren als Religion der Katholizismus angegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg konvertierte sie wirklich zum katholischen Glauben, was zu einem Bruch mit ihrer Familie führte, die aus Deutschland rechtzeitig nach Großbritannien und in die USA hatte fliehen können. Erst zu ihrer Beerdigung kam einer ihrer Brüder. 1967 wurden Francesco Roncalli und Georg Daltrop ihre Nachfolger, Gianfranco Nolli wurde erster eigenständiger Leiter der ägyptischen Sammlung.

Speier sind mehrere bedeutende Funde zu verdanken. Im Magazin der Antikensammlung fand sie 1947/48 einen von Phidias geschaffenen Pferdekopf vom Westgiebel des Parthenon. Weitere Studien führten anhand der Verwitterungsspuren zur Erkenntnis, dass es sich um das zweite Pferd des Athena-Gespanns handelte. Sie entdeckte die beiden sogenannten antiken Aurai-Statuen, die seit der Erbauungszeit im 18. Jahrhundert als Außenbekrönung die Sala Rotonda verzierten. Ihre immense Denkmälerkenntnis führte dazu, dass das Deutsche Archäologische Institut sie Mitte der 1950er Jahre mit der Herausgabe der vierten Auflage von Wolfgang Helbigs Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom betraute, wobei sie von Helga von Heintze unterstützt wurde. Sie erweiterte das Spektrum des Kunstführers zu den antiken Werken in Rom um verschiedene Kunstgruppen und bezog viele junge Wissenschaftler bei der Arbeit ein. Sie übersetzte auch aus dem Italienischen ins Deutsche.

Grab von Hermine Speier auf dem Campo Santo Teutonico

Speier war trotz mehrerer Affären nie verheiratet. Sie lebte unweit des Vatikans, wo sie auch Zentrum eines kulturellen Salons war, zu dem beispielsweise Paul Augustin Mayer und Engelbert Kirschbaum gehörten. Ihren Grabstein auf dem Campo Santo Teutonico ziert ein Abguss eines tarentinischen Tonreliefs, das sie schon 1937 in der Festschrift Corolla Ludwig Curtius veröffentlichen wollte, was ihr aber verwehrt blieb. Erst 1955 konnte sie das Stück aus ihrem Privatbesitz publizieren. Ihren Grabstein ziert zudem die Inschrift „Leben ist Liebe“.

Speier war ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und der Pontificia Accademia Romana di Archeologia. 1973 wurde ihr das Große Bundesverdienstkreuz verliehen, vom Vatikan erhielt sie die Auszeichnung Pro Ecclesia et Pontifice.

Literatur

  • Bernard Andreae: Carlo Pietrangeli: In memoriam Hermine Speier, 28.5.1898-11.1.1989. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung 96 (1989) S. 1-6 (S. 2 Schriftenverzeichnis)
  • Carlo Pietrangeli: Ricordo di Deoclecio Redig de Campos, Hermine Speier e Filippo Magi. In: Bollettino dei monumenti, musei e gallerie pontificie 9 (1989) S. 443-449
  • Hans von Steuben: Hermine Speier. In: Gnomon 62 (1990) S. 379-381
  • Georg Daltrop: „Leben ist Liebe“. Hermine Speier (1898–1989) – Eine Archäologin erobert die Vatikanischen Museen, In: Antike Welt 29 (1998) S. 473–475

Weblinks

 Commons: Hermine Speier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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