Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Hermann Lenz

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hermann Karl Lenz (geb. 26. Februar 1913 in Stuttgart; gest. 12. Mai 1998 in München) war ein deutscher Schriftsteller.

Leben

Die Eingangstür von Lenz’ Elternhaus in Künzelsau

Hermann Lenz, Sohn des Zeichenlehrers Hermann Friedrich Lenz und seiner Ehefrau Elise, wuchs bis zu seinem elften Lebensjahr in Künzelsau und danach in Stuttgart auf. Nach dem Abitur und einem abgebrochenen Theologiestudium in Tübingen begann er 1933 Kunstgeschichte, Philosophie, Archäologie und Germanistik in Heidelberg und ab 1937 in München zu studieren. Nach frühen einschneidenden Leseeindrücken (Eduard Mörike, Adalbert Stifter, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal u. a.) schrieb Lenz erste Gedichte und Prosastücke. 1936 erschien, vermittelt durch Georg von der Vring, mit der Sammlung Gedichte seine erste Publikation, der noch vor dem Krieg die mehrfach überarbeitete Erzählung Das stille Haus folgte.

Von 1940 an war Lenz Soldat. Er nahm am Westfeldzug und am Krieg gegen die Sowjetunion teil und war bis 1946 Kriegsgefangener in den USA. Die Erfahrungen, die der Student und Soldat machte, prägten sein ganzes schriftstellerisches Werk. Sich von Anfang an als Gegner des Nationalsozialismus verstehend, zog sich Lenz in Innenwelten – das Biedermeier oder das Wiener Fin de siècle – zurück, die zum Schauplatz vieler Erzähltexte und zum Reflexionsobjekt ungezählter Figurenmonologe wurden. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft widmete sich Lenz, abgesehen von Sekretärstätigkeiten in kulturellen Institutionen, ganz dem Schreiben. 1946 heiratete er die Kunsthistorikerin Johanna Trautwein, die Tochter Kurt Trautweins, die er bereits 1937 kennengelernt hatte. Bis 1975 wohnten beide in Lenz’ Stuttgarter Elternhaus; erst Erbstreitigkeiten zwangen zum Umzug ins Münchner Haus seiner Frau.

Lenz wurde lange Jahre wenig beachtet, bis sich dann doch Anerkennung und Ruhm einstellten. Peter Handke verhalf ihm 1973 zum Durchbruch. Lenz hat zwischen 1936 und 1997 mehr als 30 Bücher veröffentlicht. „Ich bin eben ein schwäbischer Dickschädel“, sagte Hermann Lenz zu seinem 85. Geburtstag am 26. Februar 1998 – kurz vor seinem Tode im Mai desselben Jahres.

Hermann Lenz las im Oktober 1951 vor der Gruppe 47 in der Laufenmühle im Welzheimer Wald aus einer früheren Fassung des Romans Nachmittag einer Dame, dem ersten Teil von Der innere Bezirk. Seine distanzierte Haltung zur Gruppe deckt sich mit der Paul Celans, der ein Jahr später in Niendorf gelesen hat. Die Erfahrungen gingen in den Roman Ein Fremdling ein.[1]

Wohnhaus Hermann Lenz in Stuttgart

Werk

Faksimile eines Manuskripts von Hermann Lenz

Im Mittelpunkt des Werks steht ein – je nach Zählung – zehnbändiger autobiografischer Romanzyklus um die Alter-ego-Figur Eugen Rapp, der mit Verlassene Zimmer (1966) einsetzte und mit Freunde (1997) schloss. Fast ohne Parallele in der deutschsprachigen Literatur nach 1945, erkundet diese Romanfolge essentielle autobiographische Einschnitte und fängt zugleich die politische Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert ein. Als herausragend gelten die Romane Andere Tage (1968) und Neue Zeit (1975), die die alltägliche Konfrontation mit dem Dritten Reich wiedergeben. Lenz geht von einem autobiographischen Konzept („Schreiben, wie man ist“, lautet eine der zentralen Maximen) aus. Es strebt danach, in den genau dargestellten Lebensdetails einen metaphysischen Hintergrund anzudeuten, in dem „Vergangenes und Gegenwärtiges ineinanderfließen“.

In Büchern wie Dame und Scharfrichter (1973) oder Der Wanderer (1986) gelang es Lenz immer wieder, die autobiographische und die transzendierende Komponente seines Schreibens zusammenzuführen. Als markantestes Stilmittel setzt er dabei die Form des „inneren Dialogs“ ein, der die Figurenperspektive transparent macht und die Spiegelungen der Außenwelt unmittelbar in Empfindungen überführt. Neben seinen Rapp-Romanen und der gelegentlich publizierten Lyrik legte Lenz eine Vielzahl von Romanen und Erzählungen vor. Diese tauchen, wie Die Begegnung (1979) und Erinnerung an Eduard (1981), in der Welt des 19. Jahrhundert ein, oder sie entwerfen, wie die 1980 abgeschlossene Trilogie Der innere Bezirk, bewusste Gegenentwürfe zur eigenen Biographie. Gelegentlich folgte Lenz, vor allem mit Das doppelte Gesicht (1949) oder Spiegelhütte (1962), Erzähltraditionen, die an Formen des Magischen Realismus anknüpfen.

  • Hauptfigur seines Romanwerks ist Eugen Rapp, den er selbst als die „Volksausgabe des Schriftstellers Hermann Lenz“ bezeichnete; seine neunteilige Schwäbische Chronik stellt ihn in den Mittelpunkt. Wie Eugen Rapp sind auch die anderen Figuren seiner Romane keine „Helden“, sondern oft Alltagsmenschen, die sich durch ihre besondere Humanität auszeichnen. So faszinieren seine Bücher auch weniger durch dramatische Handlungen, als durch Inhalt und Wirkung der bildhaften Sprache.

Nachleben

  • 1993 gründete Hermann Lenz eine Stiftung zur Förderung junger Autoren und Literaturwissenschaftler.
  • Nach seinem Tod wurde 1999 aus dem traditionsreichen Petrarca-Preis der Hermann-Lenz-Preis, ein jährliches Treffen von Freunden der Literatur und Poesie, gestiftet von Hubert Burda. Er wurde 2009 letztmals vergeben und firmiert ab 2010, nach dem Tod der Witwe Johanna Lenz, wieder unter dem alten Namen.

Werke

Erzählungen

  • Das stille Haus – Erzählung. Stuttgart: Dt. Verlags-Anst. 1947. (Erzähler von morgen; Bd. 1)
  • Das doppelte Gesicht – drei Erzählungen. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst., 1949.
  • Die Abenteurerin – Erzählung. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst., 1952. (Die Stern-Ausgaben)
  • Nachmittag einer Dame. Neuwied [u. a.]: Luchterhand, 1961.
  • Dame und Scharfrichter – Erzählung. Köln: Hegner, 1973.
  • Der Tintenfisch in der Garage – Erzählung. Frankfurt am Main: Insel 1977.
  • Erinnerung an Eduard – Erzählung. Frankfurt/M.: Insel-Verl., 1981.
  • Der Letzte – Erzählung. Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1984. (Bibliothek Suhrkamp; 851)
  • Der Käfer und andere Geschichten. Passau: Refugium Verlag 1989 (Reihe Refugium; 3)
  • Jung und alt – Erzählung. Frankfurt am Main: Insel 1989.
  • Hotel Memoria – Erzählungen. Frankfurt am Main, Insel 1990. (Insel-Bücherei; 1115)
  • Schwarze Kutschen – Erzählung. Frankfurt am Main: Insel 1990.
  • Jugendtage – Erzählung. Passau, Reche, 1993. (Reihe Refugium; 14)
  • Zwei Frauen – Erzählung. Frankfurt am Main: Insel 1994.
  • Feriengäste – Erzählungen. Mit einem Nachw. von Peter Hamm. Regensburg – Mittelbayerische Dr.- & Verl.-Ges., 1997.
  • Die Schlangen haben samstags frei – Erzählungen. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Rainer Moritz. Frankfurt am Main: Insel 2002.

Romane

  • Der russische Regenbogen – Roman. Darmstadt [u. a.]: Luchterhand 1959.
  • Spiegelhütte. Köln [u. a.] – Hegner 1962.
  • Die Augen eines Dieners – Roman. Köln, Olten: Hegner 1964.
  • Im inneren Bezirk – Roman. Köln [u. a.]: Hegner 1970.
  • Der Kutscher und der Wappenmaler – Roman. Köln: Hegner, 1972.
  • Die Begegnung – Roman. Frankfurt am Main – Insel 1979.
  • Der innere Bezirk – Roman in drei Büchern [Nachmittag einer DameIm inneren BezirkConstantinsallee]. Frankfurt am Main, Insel 1980

Die Eugen-Rapp-Romane

Die unter dem Sammeltitel Vergangene Gegenwart zusammengefasste autobiographische Romanfolge:

  1. Verlassene Zimmer – Roman. Köln und Olten: Hegner 1966.
  2. Andere Tage – Roman. Köln und Olten, Hegner 1968.
  3. Neue Zeit – Roman. Frankfurt a. M., Insel 1975.
  4. Tagebuch vom Überleben und Leben – Roman. Frankfurt a. Main, Insel 1978.
  5. Ein Fremdling – Roman. Frankfurt a. M., Insel 1983.
  6. Der Wanderer – Roman. Frankfurt a. Main, Insel 1986.
  7. Seltsamer Abschied – Roman. Frankfurt a. Main, Insel 1988.
  8. Herbstlicht – Roman. Frankfurt a. Main und Leipzig, Insel 1992.
  9. Freunde – Roman. Frankfurt a. Main und Leipzig, Insel 1997.

Gedichte

  • Gedichte. Hamburg: Blätter für die Dichtung 1936. (Die Jungen; 9)
  • Wie die Zeit vergeht. Colloquium poeticum Bd. 6, herausgegeben von Levke Sörensen. Corvus Verlag, Frankfurt 1977.
  • Zeitlebens: Gedichte 1934–1980. München, Schneekluth 1981. (Münchner Edition)
  • Zu Fuss: Gedichte. Warmbronn: Keicher 1987. (Roter Faden; 9)
  • Rosen und Spatzen. Mit einer Laudatio auf Hermann Lenz von Peter Hamm. Verlag Klaus G. Renner, München 1991, ISBN 3-927480-12-6.
  • Vielleicht lebst du weiter im Stein. Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Michael Krüger. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003 (Bibliothek Suhrkamp. 1371).

Briefwechsel

  • Paul Celan, Hanne und Hermann Lenz: Briefwechsel. Mit drei Briefen von Gisèle Celan-Lestrange. Hrsg. von Barbara Wiedemann (u. a.). Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001.
  • Peter Handke, Hermann Lenz: Berichterstatter des Tages. Briefwechsel, Frankfurt am Main: Insel Verlag 2006.
  • Hermann Lenz – Rainer Malkowski: Als gingen wir ein Stück zusammen. Briefwechsel 1991–1998. Herausgegeben von Renate von Doemming. Warmbronn: Verlag Ulrich Keicher 2007.

Sonstiges

  • Leben und Schreiben. Frankfurter Vorlesungen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986.
  • Hermann Lenz. Bilder aus meinem Album. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1987.
  • Im Hohenloher Land. Mit 38 Fotos von Karlheinz Jardner. In Zusammenarbeit mit dem ZDF. Eulen-Verlag, Freiburg i. Brsg.1989. (Reihe „Ganz persönlich“).
  • Stuttgart. Porträt einer Stadt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003 (zuerst Belser Verlag, Stuttgart und Zürich, 1983).
  • Hermann Lenz zum 80. Geburtstag. Festschrift, herausgegeben von Thomas Reche und Hans Dieter Schäfer. Verlag Thomas Reche, Passau 1993.

Auszeichnungen, Ehrungen, Preise (Auswahl)

Literatur

  • Peter Handke: Tage wie ausgeblasene Eier. Einladung, Hermann Lenz zu lesen. In: Süddeutsche Zeitung, 22./23. Dezember 1973.
  • Rainer Moritz: Schreiben, wie man ist. Hermann Lenz: Grundlinien seines Werkes. Tübingen: Niemeyer 1989.
  • Werner Jung: Sein, Dasein, Anderssein. Das Werk von Hermann Lenz. In: Juni. Magazin für Kultur und Politik. Nr. 1/92. Juni-Verlag. Mönchengladbach 1992. ISSN 0931-2854.
  • Helmut Hornbogen: Erinnerung an Anfänge. Tübingen. Vom Gedenken: Gespräche mit Albrecht Goes und Hermann Lenz. Narr Francke, Attempto, Tübingen 1996. ISBN 978-3823351740.
  • Herlinde Koelbl: Hermann Lenz. In: Im Schreiben zu Haus  −  Wie Schriftsteller zu Werke gehen  −  Fotografien und Gespräche, Knesebeck Verlag, München 1998, ISBN 3-89660-041-9; S.48-53; Fotodokumentation Lenz', die den Autor an seinem Arbeitsplatz und im persönlichen Umfeld porträtiert und im Interview sowohl Grundlage seiner Berufung als auch Rahmenbedingungen und individuelle Vorgehensweise bei der Entstehung seiner Werke darstellt. .
  • Daniel Hoffmann: Stille Lebensmeister. Dienende Menschen bei Hermann Lenz. Stauffenburg Colloquium 46, Stauffenburg Verlag, Tübingen 1998. ISBN 386057-146-X.
  • Themenheft Hermann Lenz, Text und Kritik Heft 141, Januar 1999, ISBN 3-88377-602-5; mit ausgiebigen bibliografischen Angaben zur Primär- und Sekundärliteratur.
  • Rainer Moritz: Schöne erste Sätze. Hermann Lenz und die Kunst des Anfangs. Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2003.
  • Rainer Moritz: Lieber an Cleversulzbach denken. Hermann Lenz und Eduard Mörike. Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2004.
  • Helmut Böttiger. Im Eulenkräut. Hermann Lenz und Hohenlohe. Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2006.
  • Hans Dieter Haller: Hermann Lenz (1913 bis 1998). In: Ders. : Pegasus auf dem Land - Schriftsteller in Hohenlohe. Baier-Verlag, Crailsheim 2006, ISBN 978-3-929233-62-9, S. 172-179.
  • Peter Hamm: Dort wäre ich gerne geblieben. Hermann Lenz und sein Stuttgart. Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2007
  • Lothar Quinkenstein: Holocaust im Abendlicht. Zur Problematik von Erinnerung und Verdrängung in Hermann Lenz' erzählerischem Triptychon ‘Das doppelte Gesicht’. In: Convivium. Germanistisches Jahrbuch Polen. 2008. S. 221–239.
  • Norbert Hummelt: Im stillen Haus. Wo Hermann Lenz in München schrieb. Mit Fotografien von Isolde Ohlbaum und einer Bibliographie von Rainer Moritz. Allitera Verlag, edition monacensia, München 2009, ISBN 978-3-86906-024-8.
  • Daniel Hoffmann: Unsichtbare Nabelschnüre. Jüdische Lebenswelten in Hermann Lenz’ Erzählwerk. In: Integration und Ausgrenzung. Studien zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Festschrift für Hans Otto Horch zum 65. Geburtstag, hrsg. von Mark H. Gelber, Jakob Hessing und Robert Jütte, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2009, S. 367-378. ISBN 978-3-484-62006-3.
  • Rainer Moritz: Hermann Lenz und Künzelsau. Spuren 87. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach am Neckar 2011. ISBN 978-3-937384-51-1.

Vertonungen

  • Rudi Spring: Abend der Kindheit (op. 20a, zum 70. Geburtstag des Autors 1983) für Sopran und Quintett (Klarinette, Horn, Harfe, Violine und Violoncello). UA 1983 München (Musikhochschule)
  • Wolfgang Rihm: Nebendraußen (1998) für Singstimme und Klavier. UA 1998 Köln (Philharmonie)
1. Die Handbewegung – 2. Spätjahr – 3. November – 4. Nebendraußen – 5. Dein Handwerk I – 6. Notiz – 7. Dein Handwerk II – 8. Versteinerung – 9. Mitgefühl – 10. Liebe Zeit

Weblinks

Einzelnachweise, Fußnoten

  1. Nachweise im Briefwechsel Paul Celan und Hanne und Hermann Lenz, a.a.O., S. 8, S. 169 (Anmerkung 10); Ein Fremdling, S. 77-85.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Hermann Lenz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.