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Heinrich Bullinger

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Heinrich Bullinger

Heinrich Bullinger (* 18. Juli 1504 in Bremgarten, Aargau; † 17. September 1575 in Zürich) war ein Schweizer Reformator und während 44 Jahren Antistes der Zürcher reformierten Kirche. Er war einer der führenden Theologen des Protestantismus im 16. Jahrhundert.

Kirchengeschichtliche Zeitumstände

Bullingers Studienjahre fielen in die Anfangszeit der Reformation und während seiner langen Amtszeit in Zürich kam es zu bedeutenden Ereignissen wie der Reformation in England, der Reformation in Genf durch Johannes Calvin, dem Schmalkaldischen Krieg, dem Augsburger Religionsfrieden und der Bartholomäusnacht in Frankreich.

Leben

Heinrich Bullinger wurde 1504 in der Kleinstadt Bremgarten als Sohn des im Konkubinat lebenden katholischen Pfarrers Heinrich Bullinger geboren (1529 bekehrte sich auch der Vater zur Reformation und legalisierte seine Ehe). Bereits mit fünf Jahren besuchte er die Lateinschule. 1516 ging Bullinger als Lateinschüler nach Emmerich in die humanistisch reformierte Stiftsschule.[1] Er studierte bei Matthias Aquensis an der Universität Köln, einer ausgeprägt katholischen Hochschule die Kirchenväter und alte Sprachen und schloss sich in dieser Zeit der Reformation an.

1523 wurde er mit 19 Jahren Lehrer im Zisterzienserkloster Kappel am Albis und unterrichtete nicht nur Klassiker, sondern auch Melanchthons Abhandlungen. Sein Unterricht war so interessant, dass nicht nur der Abt und alle Mönche, sondern auch Leute aus der Umgebung daran teilnahmen. Bullinger hatte die Stelle unter der Bedingung angetreten, dass er selbst nicht an der Messe und dem Chorgebet teilnehmen müsse. In seiner Kappeler Zeit verfasste er u. a. 30 lateinische und 22 deutsche Schriften.[2]

1528 ging er mit Ulrich Zwingli zur Berner Disputation, auf die hin sich die Stadt Bern zur Reformation bekannte. Auch das Kloster Kappel schloss sich der Reformation an und Bullinger wurde neben seinem Lehramt auch Prediger im benachbarten Hausen am Albis.

1529 wurde Bullingers Vater in Bremgarten wegen seines evangelischen Bekenntnisses abgesetzt. Kurz darauf hielt jedoch sein Sohn eine Probepredigt in seiner Heimatstadt, in deren Folge die Bürger ihre Heiligenbilder verbrannten und den jungen Pfarrer zu ihrem Seelsorger wählten.

Im selben Jahr heiratete er Anna Adlischwyler, die Tochter von Hans Waldmanns Leibkoch und eine der letzten Nonnen aus dem Kloster Oetenbach in Zürich.[3] Seit der Reformation war das Kloster schon geschlossen. Anna lebte aber noch im Klostergebäude.[4] Bullinger führte mit ihr eine glückliche Ehe, die überall als Vorbild galt. Er war den gemeinsamen elf Kindern ein liebevoller Vater, der gerne mit ihnen spielte und ihnen zu Weihnachten Verse schrieb. Sein Haus war ständig angefüllt mit Flüchtlingen, Pfarrerkollegen und Rat- und Hilfesuchenden. Alle seine Söhne wurden Pfarrer.

Skulptur von Bullinger an der südlichen Aussenmauer des Grossmünsters

Nach der Niederlage im Zweiten Kappelerkrieg 1531, wo Zwingli den Tod fand, musste Bremgarten mit dem übrigen Freiamt zum katholischen Glauben zurückkehren. Bullinger und zwei Amtsbrüder mussten die Stadt verlassen, auch wenn die Bevölkerung sie ungern gehen sah. Bullinger kam mit seiner Frau Anna und zwei kleinen Kindern als Flüchtling nach Zürich, wo er schon am Sonntag nach seiner Ankunft auf Zwinglis Kanzel im Grossmünster «eine Predigt herunterdonnerte, dass es vielen vorkam, Zwingli sei nicht tot, sondern gleich dem Phoenix wieder auferstanden» (Oswald Myconius).[5] Im Dezember desselben Jahres wurde er mit 27 Jahren zum Nachfolger Zwinglis als Antistes der Zürcher Kirche gewählt. Er nahm die Wahl erst an, als ihm der Rat ausdrücklich zugesichert hatte, er könne seine Verkündigung «frei, ungebunden und ohne Einschränkung» halten, auch wenn dabei Kritik an der Obrigkeit nötig sei. Er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod 1575.

1536 verfasste er zusammen mit Oswald Myconius und Leo Jud das erste Helvetische Bekenntnis, das von Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Mülhausen und Biel gemeinsam herausgegeben wurde.

Bullingers Gastfreundschaft gab in Zürich ein Beispiel und die Stadt nahm viele protestantische Flüchtlinge auf, auch aus dem Tessin, dann auch nach dem Tod von Heinrich VIII. aus England. Als diese Flüchtlinge nach dem Tod der Blutigen Maria wieder nach England zurückkehrten, nahmen sie Bullingers Schriften mit, die dort starke Verbreitung fanden. Von 1550 bis 1560 gab es in England 77 Auflagen von Bullingers Dekaden und 137 Auflagen seines Hausbuchs (zum Vergleich: die Institutiones von Calvin erlebten in der gleichen Zeit zwei englische Auflagen).

Obwohl Bullinger selbst die Schweiz nie mehr verlassen hat, seitdem er Antistes von Zürich wurde, hatte er Briefwechsel mit ganz Europa und war so ausgezeichnet informiert, dass er sogar eine Art Zeitung über politische Ereignisse herausgab.

Zusammen mit Johannes Calvin erarbeitete er den Consensus Tigurinus von 1549, der eine Einigung in der Abendmahlfrage zwischen Zwinglianern und Calvinisten bedeutete, wodurch in der Schweiz eine Separatentwicklung der verschiedenen reformierten Richtungen verhindert wurde.

Selbst schwer erkrankt und von Conrad Gesner, Stadtphysicus von Zürich gepflegt, verlor Bullinger im Jahr 1565 durch eine Pest-Epidemie seine Frau und drei Töchter.

Ethelbert William Bullinger (1837-1913), ein führender Theologe des amerikanischen Protestantismus und Herausgeber der Companion Bible, ist ein direkter Nachfahr.

Ansichten

„Mein Vater wünschte, daß ich während der ganzen Dauer meines Emmericher Aufenthaltes an den Türen betteln sollte; nicht weil er mich nicht hätte verpflegen können, sondern weil er wollte, daß ich auf diese Weise das unglückliche Los der Bettelnden aus Erfahrung kennen lernte, damit ich fortan mein Leben lang desto freundlicher zu ihnen sei.“

Heinrich Bullinger: Fritz Blanke: Heinrich Bullinger[6]

„Keinen einzigen rechtschaffenen Christgläubigen soll es irre machen, dass etliche Klügler spitzfindige Gedankenspiele treiben und sagen, Gott sei unbegreifbarer und unzerstörbarer Geist, die Schrift hingegen sei Fleisch, begreifbar und zerstörbar, darum könne sie nicht das wahrhafte Gotteswort sein usw. Um solchen Fantasien zu begegnen, bezeichnet Gott selber das, was die Profeten und die heiligen Apostel mündlich predigten, als sein, also Gottes Wort.“

Heinrich Bullinger: Summa Christenlicher Religion 1556[7]

Wahrnehmungen

„Wie Zwingli sieht er [Bullinger/Anm.] Kirche und Staat ganz nahe beieinander. Die Kirche soll sich um das Wohl und die Erbauung der Menschen kümmern, der Staat sorgt für Ruhe und Ordnung. Für Bullinger ist die Zwei-Reiche-Lehre Luthers undenkbar.“

Patrik Müller: Heinrich Bullinger[8]

„Es gibt niemanden, dem ich lieber schreiben würde, als Meister Bullinger, den ich immer für seine grosse Freundlichkeit geliebt habe, für seine einmalige Gelehrsamkeit und seltene Frömmigkeit verehrt, neben anderen ausgezeichneten Errungenschaften...“

Englischer Flüchtling in Zürich im Rückblick 1573: Patrik Müller: Heinrich Bullinger[9]

Werke

1560

Bullingers theologische Werke umfassen 124 Titel, darunter

  • Dekaden, auch als Hausbuch bezeichnet. – Bullingers theologisches Hauptwerk. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von fünfzig lateinischen Lehrpredigten (fünf Bücher zu je zehn Predigten, daher «Dekaden»), die zwischen 1549 und 1552 in Zürich erschienen sind. Sie behandeln alle wichtigen Punkte des reformierten Glaubens. Die Dekaden wurden auf deutsch, englisch, französisch und holländisch übersetzt und hatten einen grossen Einfluss auf Calvin, auf den Heidelberger Katechismus und insbesondere auch die englische und später amerikanische reformierte Frömmigkeit. Die Dekaden waren Pflichtlektüre der anglikanischen Pfarrer und Massstab für die reformierte Predigt.[10]
  • Geschichtswerke: eine Reformationsgeschichte (1564) (eine der wichtigsten historischen Quellen für die Reformation), eine Geschichte der Eidgenossen (1568) und eine Zürcher Geschichte (1574)
  • Studiorum ratio. - eine Studienanleitung für Studenten
  • Summa Christenlicher Religion. Froschower, Zürich 1558, (neu: Limache, ISBN 3-9520867-0-3).
  • Apokalypse. Eine Sammlung von 100 Predigten über die Offenbarung des Johannes von 1554 bis 1556 lösten in England einen gewaltigen Boom von Endzeit-Predigten und -Kommentaren aus.[11]

Gedenktag

17. September im Evangelischen Namenkalender.[12]

Literatur

Weblinks

 Commons: Heinrich Bullinger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fritz Blanke: Heinrich Bullinger: Vater der reformierten Kirche. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 1990, ISBN 3-290-10079-0, S. 23.
  2. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 21 und 23.
  3. Fred Rihner: Illustrierte Geschichte der Zürcher Altstadt; Bosch, Zürich 1975.
  4. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 28.
  5. Brief von Oswald Myconius an Simprecht Schenck vom 29. November 1531 (d. h. knapp eine Woche nach der Predigt), vgl. C[arl] Pestalozzi: Heinrich Bullinger. Elberfeld 1858, S. 72.
  6. Fritz Blanke: Heinrich Bullinger: Vater der reformierten Kirche. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 1990, ISBN 3-290-10079-0, S. 15.
  7. Heinrich Bullinger: Christliches Glaubensleben. [1556] Limache s.l. s.a., ISBN 3-9520867-0-3, S. 15.
  8. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 34.
  9. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 51.
  10. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 41.
  11. Patrik Müller: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-290-17288-0, S. 54.
  12. Heinrich Bullinger im Ökumenischen Heiligenlexikon
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Heinrich Bullinger aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.