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Hassrede
Der Begriff Hassrede (Lehnübersetzung des englischen hate speech) bezeichnet sprachliche Ausdrucksweisen von Hass mit dem Ziel der Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Personengruppen.[1]
Begriffsverwendung
Vor allem in den Vereinigten Staaten wird der Begriff Hate Speech in juristischen, politischen und soziologischen Diskursen verwandt. Im deutschsprachigen Raum fallen Ausdrucksweisen, die zum Hass aufstacheln, unter die Gesetzgebung zur Volksverhetzung (Deutschland) bzw. Verhetzung (Österreich) oder die Rassismus-Strafnorm (Schweiz). Der deutsche Begriff Hassrede stellt eine Übersetzung von Hate Speech dar. Zur Hate Speech zählt auch die Benutzung von Ethnophaulismen.
Hassrede im Internet
Nach Forsa-Studien im Auftrag der Landesanstalt für Medien hat die Wahrnehmung von Hassrede und Hasskommentaren im Internet seit 2016 zugenommen. 2018 gaben 78 Prozent der Befragten an, schon einmal Hassrede oder Hasskommentare im Internet gesehen zu haben, zum Beispiel auf Webseiten, in Blogs, in sozialen Netzwerken oder in Internetforen. Die Zahl derer, die angaben, selbst Hasskommentare zu verfassen, liegt seit Jahren unverändert bei etwa einem Prozent.[2] Laut einer Studie der Universität Potsdam berichteten im Jahr 2018 rund 54 Prozent der befragten Jugendlichen, Hate Speech online gesehen zu haben, 11 Prozent gaben an, selbst Hasskommentare verfasst zu haben und 17 Prozent berichteten, Opfer von Hate Speech gewesen zu sein.[3]
Laut Zeit Online zeigte eine Untersuchung des Institute for Strategic Dialogue von Diskussionen unter Facebook-Beiträgen der Online-Ausgaben von Bild, Focus, Kronen-Zeitung, Spiegel, Welt sowie tagesschau.de und den ZDF-Heute-Nachrichten, dass 25 Prozent der Likes bei Hasskommentaren auf Facebook auf nur ein Prozent der Profile zurückzuführen waren.[2]
In Deutschland trat Anfang 2018 das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“, kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft. Mitte Juni 2018 untersuchte die Polizei Wohnungen von 29 Verdächtigen im gesamten Bundesgebiet. Ihnen wurden strafbare Hasskommentare wie antisemitische Beschimpfungen, fremdenfeindliche Volksverhetzungen oder öffentliche Aufforderungen zu Straftaten vorgeworfen.[2] Nach Angaben des BKA ließen sich von den 2018 gezählten rund 1500 strafbaren Hasskommentaren 77 Prozent dem rechtsextremen Spektrum zuordnen.[4]
Rechtliche Aspekte
In der juristischen Bewertung gibt es zwischen den Staaten wesentliche Unterschiede. In den Vereinigten Staaten werden freie Meinungsäußerungen geschützt, die nicht tatsächlich einen Aufruf zu Gewalt darstellen. Die Kriterien sind dabei streng ausgelegt: Selbst eine Rede, die Gewalt rechtfertigt oder rassistische Beleidigungen enthält, wird weitgehend geschützt, wenn nicht beweisbar ist, dass es zu „unmittelbarer Gewaltausübung“ kommen wird. Allerdings haben viele private US-amerikanische Institutionen, insbesondere Universitäten, eigene, strengere Richtlinien gegen Hate Speech in ihrem Bereich erlassen. Vorschriften öffentlicher Universitäten, welche entsprechende Verhaltensweisen verbieten sollten, wurden jedoch durch US-amerikanische Gerichte immer wieder eingeschränkt.[5]
Eine konsequente Einschränkung dagegen ist die Entwicklung einer spezifischen Regelung für die Leugnung des Holocaust oder anderer Genozide. Unterschiede gibt es insbesondere innerhalb der Europäischen Union: Während Frankreich, Österreich und Deutschland hohe Hindernisse gegen Hate Speech errichtet haben, sind in Großbritannien und Ungarn viele Formen des Hate Speech geschützt.[6][7]
Die römisch-katholische Kirche sanktioniert Hassreden und -predigten von Kirchenmitgliedern unter bestimmten, im kanonischen Recht festgelegten Umständen mit Kirchenstrafen.[8]
Siehe auch
Literatur
- Judith Butler: Hass spricht. Zur Politik des Performativen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-518-12414-7.
- Claudia Haupt: Hate Speech in den USA: Eine Betrachtung des Juristischen Diskurses und Darüber Hinaus (PDF; 195 kb). In: sozial.geschichte extra, Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, 19. April 2006.
- Mathias Hong: Hassrede und extremistische Meinungsäußerungen in der Rechtsprechung des EGMR und nach dem Wunsiedel–Beschluss des BVerfG (PDF; 555 kB). In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 70, 2010, S. 73–126.
- Fabian Klinker, Joachim Scharloth, Joanna Szczęk (Hrsg.): Sprachliche Gewalt. Formen und Effekte von Pejorisierung, verbaler Aggression und Hassrede. Metzler, Stuttgart 2018. ISBN 978-3-476-04542-3.
- Christian Mensching: Hassrede im Internet. Grundrechtsvergleich und regulatorische Konsequenzen. Duncker&Humblot, Berlin 2014. ISBN 978-3-428-13326-0. (Dissertation, Universität Bonn, 2009)
- Ursula Owen: The speech that kills. In: Index on Censorship, 27. Jg., Nr. 1, Januar–Februar 1998, S. 30–39 (englisch).
- Benedikt Rohrßen: Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-89949-750-2.
- Paul Sailer-Wlasits: Verbalradikalismus: Kritische Geistesgeschichte eines soziopolitisch-sprachphilosophischen Phänomens. Wien 2012, Edition Va Bene, ISBN 978-3-85167-268-8
- Rositza Stoykova: Die Hassrede – europäischer Rechtsrahmen und gesetzliche Regelung in Bulgarien. 1. Dezember 2004 (PDF; 161 kb)
- Anna Katharina Struth: Hassrede und Freiheit der Meinungsäußerung. Der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit in Fällen demokratiefeindlicher Äußerungen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Grundgesetz und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Springer, Berlin 2019. ISBN 978-3-662-58152-0. (Dissertation, Wirtschaftsuniversität Wien, 2017)
- Anja Zimmer: Hate Speech im Völkerrecht. Rassendiskriminierende Äußerungen im Spannungsfeld zwischen Rassendiskriminierungsverbot und Meinungsfreiheit. P. Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-631-38437-4. (Dissertation, Universität Heidelberg, 2001)
Weblinks
- Jörg Meibauer (Hrsg.): Hassrede/Hate Speech: Interdisziplinäre Beiträge zu einer aktuellen Diskussion (PDF, 1,3 MB). Gießener Elektronische Bibliothek 2013
- Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.): „Geh sterben!“ Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet (PDF, 1,46 MB). Broschüre (40 Seiten), Berlin 2015.
- Paul Sailer-Wlasits: Hass-Rede. Zur Geschichte von Sprache als Mittel der Gewalt, ORF, Ö1, Betrifft: Geschichte, 29. Aug. – 2. Sept. 2016
- Paul Sailer-Wlasits: Hass-Rede: zur Kulturgeschichte eines sprachlichen Phänomens, Carta, 19. Sept. 2016
- Website von Hate Speech International, einer international tätigen Nichtregierungsorganisation, die sich der Erforschung und Offenlegung von Hate Speech im Zusammenhang mit politischem Extremismus widmet (englisch)
- No Hate Speech Movement, an Jugendliche gerichtete Initiative des Europarats gegen Hate Speech (englisch/französisch)
- No Hate Speech Movement Deutschland, Website des No Hate Speech Movement Deutschland
Einzelbelege
- ↑ Jörg Meibauer: Hassrede – von der Sprache zur Politik. In Meibauer (2013).
- ↑ 2,0 2,1 2,2 User nehmen mehr Hass im Internet wahr, Zeit Online/dpa, 5. Juli 2018
- ↑ Sebastian Wachs, Michelle Wright: Associations between Bystanders and Perpetrators of Online Hate: The Moderating Role of Toxic Online Disinhibition. In: International Journal of Environmental Research and Public Health. 15, Nr. 9, 2018-09-17 ISSN 1660-4601, S. 2030, doi:10.3390/ijerph15092030, PMID 30227666 (http://www.mdpi.com/1660-4601/15/9/2030).
- ↑ Max Muth: Bundesweite Razzien gegen Hetze im Netz, Süddeutsche Zeitung, 6. Juni 2019
- ↑ College republicans at San Francisco State University v. Charles B. Reed, Opinion and Order Granting in Part And Denying in Part Plaintiffs' Motion For Preliminary Injunction, S. 17 (PDF).
- ↑ Agnès Callamard: Dem freien Wort Raum geben. In: Le Monde diplomatique, 13. April 2007, abgerufen am 17. Oktober 2016.
- ↑ Agnès Callamard: A-t-on le droit de tout dire? In: Le Monde diplomatique, April 2007.
- ↑ Canon 1369 (Memento vom 20. Juli 2011 im Internet Archive) des Codex Iuris Canonici
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