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Handlungstheorie (Philosophie)

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Die philosophische Handlungstheorie (engl. action theory) beschäftigt sich mit Problemen, die sich im Zusammenhang mit dem Handeln – insbesondere dem menschlichen Handeln – ergeben. Die philosophische Teildisziplin fragt, was Handlungen sind und wie diese sich adäquat beschreiben und erklären lassen. Im Fokus der zeitgenössischen Debatten stehen drei thematische Felder: die Natur von Handlungen, Handlungsbeschreibungen und Handlungserklärungen. Im Besonderen befassen sich Handlungstheorien mit Handlungsgründen und Ursachen, mit dem Verhältnis zwischen Ereignissen und Handlungen, mit Intentionen und intentionalen Handlungen, mit der logischen Form von Handlungssätzen, mit sogenannten Basishandlungen und mit der Suche nach einem Ordnungsprinzip menschlicher Handlungsarten. Die Beziehung zwischen dem handelnden Subjekt (engl. agent) und der Situation steht dabei häufig im Vordergrund.

Überblick über die Grundprobleme der Handlungstheorie

Vom Handelnden wird angenommen, dass er Wünsche (engl. desires) und Absichten (engl. intentions) hegt und Meinungen (engl. beliefs) darüber habe, wie er die gewünschten Veränderungen der Außenwelt in der gegebenen Situation herbeiführen kann.

Viele Handlungstheorien lehnen sich an die kausale Handlungstheorie an. Es wird angenommen, dass jede menschliche Handlung eine Ursache besitze und eine Wirkung auf die physische Welt. Ferner besteht die Möglichkeit, dass mentale Ereignisse – die keine physische Außenwirkung besitzen (zum Beispiel eine mathematische Aufgabe lösen) – auch als Handlung angesehen werden können, da sie erfolgreich versucht werden können. Reflexe und passive Bewegungen (Beispiele: niesen, stolpern, von jemand anderem bewegt werden) werden nicht als Handlungen angesehen. Es besteht eine Debatte darüber, wie bewusst wir uns unserer Handlungen und Handlungsabsichten sein müssen, damit diese noch als beabsichtigte Handlungen gelten können. So ist zum Beispiel ein Krankheitsbild Alien-Hand-Syndrom bekannt, bei dem eine Hand des Patienten zielgerichtete, aber von dem Patienten unbeabsichtigte Bewegungssequenzen durchführt, welche von einem außenstehenden Betrachter als Handlung interpretiert werden können.

Ein Schwachpunkt der kausalen Handlungstheorie ist zum Beispiel das „Problem der devianten Kausalketten“, in welchem der Handelnde das Resultat seiner Handlungsabsicht zufällig (auf anderem Wege als vorgesehen) herbeiruft. Deviante Kausalketten können umgangen werden, indem man Handlungen als „beabsichtigt unter einer Beschreibung“ ansieht, das heißt, es kann verschiedene Beschreibungen für ein und dieselbe Handlung geben, von denen eine Beschreibung die wahre Absicht des Handelnden enthält.

Geschichte der Handlungstheorie

Handlungstheoretische Fragestellungen sind – obwohl die Handlungstheorie als definierte philosophische Disziplin eine Schöpfung der Moderne ist – bereits seit der Antike Gegenstand philosophischer Untersuchung. Als wichtigster antiker Autor kann in diesem Zusammenhang Aristoteles gelten, der seine Nikomachische Ethik mit Untersuchungen von Begriffen wie „Handlung“ und „Ziel“ beginnt.

In dieser Tradition wurden handlungstheoretische Fragen auch im Mittelalter vielfach behandelt, unter anderem von Thomas von Aquin, Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham. Diesen Autoren ging es stets auch um theologische Fragen, sodass Fragen wie die Determiniertheit von Handlungen etwa in Zusammenhang mit dem Theodizee-Problem diskutiert wurden.

Immanuel Kant vertrat eine kausalistische Handlungstheorie im Bereich des Empirischen, die aber durch die Autonomie der praktischen Vernunft von einem Durchbrechen der naturkausalen Handlungsursachen ausgeht und dem Menschen zurechenbare Handlungen aufgrund seines Vermögens der Willkürfreiheit zuschreibt (Kausalität aus Freiheit). Der Mensch ist danach sogar in der Lage, durch Distanz zu allen seinen sinnlich bedingten Gefühlen der Lust und Unlust in der reinen praktischen Vernunft sich einen obersten moralischen Grundsatz der Sittlichkeit zu geben, den kategorischen Imperativ. Dieser zeigt auf, wie das empirisch bedingte Streben nach Glückseligkeit durch Einsicht in das Sittengesetz überwunden werden kann, so dass moralisch richtiges Handeln entgegen den empirischen Neigungen möglich wird.[1]

Seit etwa 1950 wurde die Handlungstheorie dann im Zuge der Entwicklung der Philosophie des Geistes immer wichtiger. Als Klassiker der zeitgenössischen Debatte können Elisabeth Anscombes Monographie Intention und Donald Davidsons Essays on Actions and Events bezeichnet werden. Während Anscombe auf dem sprachphilosophisch orientierten Ansatz Ludwig Wittgensteins aufbauend Handlungsgründe von Ursachen begrifflich zu trennen sucht, bestreitet Davidson eine solche Unterscheidung. Robert Brandom baute den sprachanalytisch-sprechakttheoretischen Ansatz John Searles in den 1990er Jahren zu einem eigenständigen Programm aus und Alvin I. Goldman entwickelte sozial-epistemologische Handlungstheorie. Darüber hinaus zählten im 20 Jh. und der ersten Dekade des 21 Jh. Georg Henrik von Wright, Hector-Neri Castaneda, Michael Bratman, J. David Velleman, Judith Jarvis Thomson, Jonathan Bennett, Jennifer Hornsby, John Hyman, María Álvarez und Michael Thompson mit je unterschiedlichen Schwerpunkten zu den zentralen Autoren in der Handlungstheorie.

Relevanz der Handlungstheorie

Die Subdisziplin der Handlungstheorie ist an der Schnittstelle zwischen der theoretischen und der praktischen Philosophie zu verorten. Sie ist sowohl für die Philosophie des Geistes und bestimmte Fragen der Metaphysik als auch für die Ethik relevant.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. L. W. Beck: Kants Kritik der praktischen Vernunft, München 1974; Marcus Willaschek: Praktische Vernunft. Handlungstheorie und Moralbegründung bei Kant. Stuttgart 1992; einen kurzen Überblick gibt Nico Scarano: Moralisches Handeln. In: Otfried Höffe (Hrsg.): Kritik der praktischen Vernunft. 2. Aufl., Akademie Verlag, Berlin 2011, S. 117–131
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