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Halbwertszeit

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Exponentielle Abnahme einer zerfallenden Stoffmenge eines radioaktiven Nuklids mit Halbwertszeit

Die Halbwertszeit oder Halbwertzeit[1] (abgekürzt HWZ, Formelzeichen meist ) ist die Zeitspanne, nach der eine mit der Zeit abnehmende Größe die Hälfte des anfänglichen Werts (oder, in Medizin und Pharmakologie, die Hälfte des Höchstwertes) erreicht. Bei Wachstum spricht man analog von Verdoppelungszeit oder (in der Biologie) von Generationszeit.

Im Spezialfall exponentiell abnehmender Werte ist die Halbwertszeit eine Konstante, die weder von der Anfangsmenge noch von der bereits verstrichenen Zeit abhängt und daher den jeweiligen Vorgang selbst charakterisiert. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaft wird die Halbwertszeit vor allem bei exponentiellen Prozessen betrachtet. Ein eng verwandter Begriff ist die Lebensdauer, die beim exponentiellen Zerfall der Zeit entspricht, nach der die Größe 1/e ≈ 0,368 des anfänglichen Wertes erreicht.

Halbwertszeiten in verschiedenen Vorgängen

Exponentielle Abnahme

Bei exponentieller Abnahme einer Größe hängt die Halbwertszeit weder von der Wahl des Anfangszeitpunkts noch von dem dann vorliegenden Startwert ab. In diesem Fall ist also immer

  • nach Verstreichen von der Wert auf ,
  • nach auf ,
  • nach auf ,
  • allgemein nach auf

gefallen.

Radioaktive Zerfälle

Nuklidkarte mit farblich gekennzeichneter Größenordnung der Halbwertszeit
Periodensystem der Elemente gefärbt nach der Halbwertszeit ihres stabilsten Isotops.

Der radioaktive Zerfall verläuft exponentiell. Die Halbwertszeit ist die Zeitspanne, in der die Menge und damit auch die Aktivität eines gegebenen Radionuklids durch den Zerfall auf die Hälfte gesunken ist.[2] 50 % der Atomkerne haben sich – i. A. unter Aussendung ionisierender Strahlung – in ein anderes Nuklid umgewandelt; dieses kann seinerseits ebenfalls radioaktiv sein oder nicht. Für jedes Nuklid ist die Halbwertszeit eine feste Größe, die sich nicht (nur in Ausnahmen ganz geringfügig) beeinflussen lässt.

Die Halbierung gilt allerdings nur als statistischer Mittelwert. Man findet sie umso genauer bestätigt, je mehr nicht zerfallene Atome die betrachtete Probe noch enthält. Der Zeitpunkt der Umwandlung eines einzelnen Atomkerns kann nicht vorhergesagt werden, nur die Wahrscheinlichkeit der Umwandlung pro Zeiteinheit kann angegeben werden (Zerfallskonstante , siehe unten). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein betrachteter einzelner Kern sich innerhalb der ersten Halbwertszeit umwandelt, beträgt 50 %, dass er sich innerhalb von zwei Halbwertszeiten umwandelt, 50 % + 25 % = 75 %, bei drei Halbwertszeiten 50 % + 25 % + 12,5 % = 87,5 % usw.

Es gibt radioaktive Halbwertszeiten im Bereich von weniger als einer Mikrosekunde bis zu einigen Quadrillionen Jahren. Polonium-212 beispielsweise hat 0,3 µs Halbwertszeit, Tellur-128 dagegen etwa 7·1024 (7 Quadrillionen) Jahre.

Eng verknüpft mit der Halbwertszeit eines Radionuklids ist seine spezifische Aktivität, also die Aktivität pro Masseneinheit, ausgedrückt z. B. in Becquerel pro Milligramm, Bq/mg. Der Zusammenhang zwischen spezifischer Aktivität und der Halbwertszeit ist umgekehrt proportional: je kürzer die Halbwertszeit, desto größer ist bei gegebener Substanzmenge die Aktivität und umgekehrt.

Die folgende Tabelle enthält einige Beispiele. In den Zahlenwerten ist hier nur die Masse des Radionuklids selbst berücksichtigt; in der Praxis werden spezifische Aktivitäten eher auf das jeweilige natürliche Isotopengemisch oder das Gesamtmaterial der Probe bezogen.

Zusammenhang zwischen Halbwertszeit und spezifischer Aktivität
Isotop Halbwertszeit spezifische Aktivität
131I 8 Tage 4.600.000.000.000 Bq/mg
137Cs 30 Jahre 3.300.000.000 Bq/mg
239Pu 24.110 Jahre 2.307.900 Bq/mg
235U 703.800.000 Jahre 80 Bq/mg
238U 4.468.000.000 Jahre 12 Bq/mg
232Th 14.050.000.000 Jahre 4 Bq/mg

Erst Ende des 20. Jahrhunderts sind einige früher als stabil geltende Nuklide als extrem langlebige Radionuklide „entlarvt“ worden, zum Beispiel 149Sm, 152Gd (beides Lanthanoide), 174Hf, 180W und 209Bi mit Halbwertszeiten von bis zu einigen Trillionen Jahren. Die Aktivität ist bei so langen Halbwertszeiten entsprechend gering und nur mit großem Aufwand nachweisbar.

Für manche praktischen Zwecke, etwa bei der Betrachtung des gesamten Radioaktivitätsinventars eines Labors oder einer kerntechnischen Anlage, sieht man als Faustregel die Aktivität einer bestimmten Strahlenquelle nach 10 Halbwertszeiten als vernachlässigbar an, denn sie hat dann auf das 2−10-fache (= 1/1024), also weniger als ein Tausendstel des Anfangswertes abgenommen.

Messung radioaktiver Halbwertszeiten

Zur Messung der Halbwertszeit sind wegen der verschiedenen Größenordnungen verschiedene Methoden nötig.

  • In einem mittleren Bereich, für Halbwertszeiten etwa von Sekunden bis zu Tagen, kann man direkt die Abnahme bis auf die halbe Aktivität verfolgen.
  • Sehr lange Halbwertszeiten misst man durch Zählen der Zerfälle pro Zeiteinheit an einer bekannten Menge der Substanz; man bestimmt also nicht , sondern die Zerfallskonstante (siehe unten). Die genaue Menge des Radionuklids kann beispielsweise mittels Massenspektroskopie bestimmt werden; mit einer solchen Methode ist kürzlich die Halbwertszeit des Eisenisotops Fe-60 von 2,5·106 Jahren auf 2 % genau gemessen worden.[3]
  • Für sehr kurze Halbwertszeiten gibt es Techniken, die z. B. den Ort des Zerfalls feststellen, wenn das Atom oder Molekül mit bekannter Geschwindigkeit an einer Reihe von Detektoren vorbeifliegt, und andere Methoden.[4]

Datensammlungen

Die Halbwertszeiten aller Radionuklide sind in der Liste der Isotope zu finden. Allgemein werden sie neben weiteren Daten in Nuklidkarten angegeben. Eine sehr viel verwendete gedruckte Sammlung ist die Karlsruher Nuklidkarte.[5] Als Online-Nuklidkarte ist beispielsweise eine Darstellung vom Korean Atomic Energy Research Institute verfügbar.[6]

Geschichte

Die erste Beobachtung, dass die Aktivität eines Radionuklids in gleichen Zeiträumen um den gleichen Faktor abnimmt – also durch eine feststehende Halbwertszeit beschrieben werden kann – wurde 1900 von Rutherford veröffentlicht.[7][8] Die von Rutherford untersuchte Substanz war in heutiger Bezeichnungsweise das Radon-Isotop .

Biologische Halbwertszeit

Die biologische Halbwertszeit oder Eliminationshalbwertszeit (siehe auch Plasmahalbwertszeit) ist die Zeitspanne, in der in einem Organismus (Mensch, Tier, Pflanze, Einzeller) der Gehalt einer inkorporierten Substanz durch die Wirkung aller beteiligten biologischen Prozesse (Stoffwechsel, Ausscheidung etc.) auf die Hälfte abgesunken ist.[9][2]

In der Pharmakokinetik ist Halbwertszeit die Zeit, in der die Hälfte des aufgenommenen Arzneimittels verstoffwechselt und/oder ausgeschieden ist. Pharmakokinetische Halbwertszeiten können sehr verschieden sein. Beim Erwachsenen werden beispielsweise für Penicillin-G 0,5 Stunden angegeben, für Phenobarbital 120 Stunden.[10] Da an der Mengenabnahme verschiedene Prozesse mit teilweise verschiedenen Konzentrationsabhängigkeiten beteiligt sind, hängt die Eliminationshalbwertszeit mancher Stoffe von der Ausgangskonzentration ab; für Phenytoin beträgt sie z. B. bei geringer Konzentration sieben Stunden, bei höherer bis zu 40 Stunden.[10]


Effektive Halbwertszeit

Die effektive Halbwertszeit eines Radionuklids ist die Zeitspanne, innerhalb derer die halbe Menge eines inkorporierten (in einen Organismus aufgenommenen) Radionuklids verschwindet. Hier sind zwei Prozesse beteiligt, der radioaktive Zerfall und unabhängig davon die Wiederausscheidung durch den Stoffwechsel.[2] Beide verlaufen exponentiell mit meist unterschiedlichen Halbwertszeiten. Die resultierende Funktion kann durch eine einzige Exponentialfunktion und damit ebenfalls durch eine Halbwertszeit beschrieben werden.

Die effektive Halbwertszeit ist immer kleiner als die kleinere der beiden einzelnen Halbwertszeiten. Sind die biologische und die physikalische Halbwertszeit sehr verschieden, so entspricht die effektive Halbwertszeit etwa der kürzeren. Bei gleich langen Halbwertszeiten ist effektive Halbwertszeit die Hälfte jeder der ursprünglichen Halbwertszeiten.

Bibliometrische Halbwertszeiten

In der Bibliometrie ist für das Veralten naturwissenschaftlicher Publikationen – gemessen an der abnehmenden Häufigkeit der Zitate in anderen Publikationen – ein mehr oder weniger exponentielles Verhalten mit einer Halbwertszeit von rund fünf Jahren festgestellt worden.[11] Aus der Benutzungsstatistik der Universitätsbibliothek Ulm wurde die gleiche Halbwertszeit auch für die Häufigkeit der Bestellungen von Kopien der Zeitschriftenartikel gefunden.[12] Eine naturwissenschaftliche Veröffentlichung wird also durchschnittlich jedes Jahr um etwa 13 % weniger oft gelesen oder zitiert als im vorangegangenen (abgesehen von Klassikern und den neuesten Werken).

Mathematische Definition

Vorbemerkung:
Das Zerfallsgesetz setzt als „Menge“ eine kontinuierliche, als reelle Zahl darstellbare Größe voraus. Es ist aber auch auf ganzzahlige Größen wie z. B. die Anzahl der Atome in der radioaktiven Substanzprobe anwendbar, denn es beschreibt jeweils den messtechnischen Erwartungswert, also Mittelwert über viele (gedachte) Einzelmessungen.

Exponentieller Zerfall

Man nimmt an, dass ein Vorgang die Menge einer Substanz mit einer festen Zerfallskonstante verringert. Dies bedeutet, dass während einer kurzen Zeitspanne sich die Menge um ändert, also der -te Teil der aktuellen Substanzmenge zerfällt. Daraus ergibt sich eine einfache Differentialgleichung, die diesen Vorgang beschreibt:

Diese Gleichung hat als Lösung eine Exponentialfunktion

wobei die Anfangsmenge der Substanz ist. Die Halbwertszeit ist nun die Zeit , nach der nur noch die Hälfte der Substanz vorhanden ist, es gilt also . Daraus ergibt sich durch Einsetzen

und allgemeiner für die Zeit , nach der nur noch der -te Teil der Substanz vorhanden ist, für die also gilt,

Allgemeiner Zerfall

Für allgemeinere Zerfälle ist die Definition für die Halbwertszeit weiterhin

allerdings folgt dann die Größe keiner einfachen Exponentialfunktion mehr.

Ein Beispiel hierfür sind chemische Reaktionen zweiter Ordnung, wie etwa Dimerisierungen der Form

bei denen sich immer zwei Moleküle N zu einem Molekül P verbinden. Aus dem Massenwirkungsgesetz ergibt sich hierfür analog zum exponentiellen Zerfall eine Ratengleichung (gewöhnliche Differentialgleichung), die den Zerfall beschreibt:[13]

Hierbei ist die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und die Reaktionsrate. Die Lösung dieser Gleichung ist dann

und die Halbwertszeit ergibt sich zu

Im Gegensatz zum exponentiellen Fall hängt hier nicht nur von der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ab, sondern explizit auch von der Ausgangsmenge ; „Halbwertszeit“ bezeichnet hier also immer die Zeit, nach der die Ausgangsmenge sich halbiert hat. Die Zeit , nach der der -te Teil der Substanz zerfallen ist, ergibt sich zu

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Halbwertszeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Belege

  1. Duden
  2. 2,0 2,1 2,2 Otto-Albrecht Neumüller (Herausgeber): Römpps Chemie Lexikon. Frank’sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1983, 8. Auflage, S. 1612–1613, ISBN 3-440-04513-7.
  3. A. Wallner u. M.: Physical Review Letters. Bd. 114 (2015) 041101.
  4. E. B. Paul: Nuclear and Particle Physics. North-Holland 1969, S. 47–49.
  5. J. Magill, G. Pfennig, R. Dreher, Z. Sóti: Karlsruher Nuklidkarte. 8. Auflage 2012. Nucleonica GmbH 2012, ISBN 92-79-02431-0 (Wandkarte) bzw. ISBN 978-3-00-038392-2 (Faltkarte).
  6. KAERI-Nuklidkarte.
  7. E. Rutherford: A Radioactive Substance emitted from Thorium Compounds. In: Philosophical Magazine. Ser. 5, 49, Seite 1–14 (1900).
  8. Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Von den Atomen über das Standard-Modell bis zum Higgs-Boson. 2., überarbeitete Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-32578-6, ISSN 0937-7433, S. 157–159, doi:10.1007/978-3-642-32579-3.
  9. S. Ebel und H. J. Roth (Herausgeber): Lexikon der Pharmazie, Georg Thieme Verlag, 1987, S. 307, ISBN 3-13-672201-9.
  10. 10,0 10,1 Malcolm Rowland und Thomas N. Tozer: Clinical Pharmacokinetics. Philadelphia 1980, S. 91, ISBN 0-8121-0681-4.
  11. P. F. Cole: A new look at reference scattering. In: Journal of Documentation 18 (1962), S. 58–64.
  12. W. Umstätter, M. Rehm und Z. Dorogi: Die Halbwertszeit in der naturwissenschaftlichen Literatur. In: Nachr. f. Dok. 33 (1982), S. 50–52, abgerufen 5. Mai 2015.
  13. Atkins' Physical Chemistry, S. 793–795, Oxford University Press 2010, ISBN 978-0-19-954337-3
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