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Gustaaf Adolf van den Bergh van Eysinga

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Gustaaf Adolf van den Bergh van Eysinga (geb. 27. Juni 1874 in 's-Gravenhage; gest. 26. Mai 1957 in Haarlem) war ein niederländischer reformierter Theologe, Bibelkritiker, Philosoph, Historiker, gilt als bedeutendster Vertreter der holländischen Radikalkritik.

Leben

Gustaaf Adolf van den Bergh van Eysinga war Sohn von Marie Henri Philip van den Bergh und Ida Catharina Wilhelmina Roorda van Eysinga und Bruder des philosophischen Schriftstellers und religiösen Sozialisten Henri Wilhelm Philippus Elize. Seit 1906 war er verheiratet mit der niederländischen Frauenrechtlerin Jeannette Elias.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Sneek studierte G.A. van den Bergh van Eysinga 1893 an der Universität Leiden Theologie. Er war u.a. Schüler des Philosophen und Hegel-Spezialisten G.J.P.J. Bolland sowie des neutestamentlichen Exegeten und Theologen Willem Christiaan van Manen, bei dem er am 25. Januar 1901 promovierte; Thema der Dissertation: Indische invloeden op oude christelijke verhalen (die deutsche Ausgabe erschien 1904 unter dem Titel: Indische Einflüsse auf evangelische Erzählungen). Durch seine Lehrer lernte G.A. van den Bergh van Eysinga die sogenannte holländische Radikalkritik kennen, deren Vertreter die Historizität Jesu und/oder die Echtheit sämtlicher Paulusbriefe bestritten. Zu ihnen gehörten außer G.J.P.J. Bolland und W.C. van Manen vor allem Allard Pierson, S.A. Naber, A.D. Loman und J. van Loon. Van den Bergh van Eysinga setzte das Werk seiner Lehrer fort und entwickelte sich zum bedeutendsten Repräsentanten der holländischen radikalen Schule.

Nach seinem Studium trat G.A. van den Bergh van Eysinga in den Dienst der Nederlandse Hervormde Kerk, für die er von 1901-1911 in der Gemeinde in Oss als Gemeindepfarrer tätig war. Darauf arbeitete er bis 1915 an der Gemeinde in Helmond und schließlich von 1915-1936 in Santpoort. Er war zeitweise Leiter der Vrije Gemeente in Amsterdam (in der Weteringschans, heute „Paradiso“). Die Leugung der Existenz Jesu stand für ihn nicht im Widerspruch zu seiner Tätigkeit als Kanzelredner. Die entscheidenden Inhalte der christlichen Verkündigung könnten nach seiner Auffassung auch ohne die vorausgesetzte Annahme eines historischen Jesus verständlich gemacht und mit Hilfe einer rein symbolischen Auslegungsmethode erschlossen werden.

Seit 1904 war van den Bergh van Eysinga als Privatdozent an der Rijksuniversiteit Utrecht tätig. Von 1936-1944 war er als Nachfolger von D. Plooy Inhaber des Lehrstuhls für Neues Testament an der Universiteit Amsterdam. Seine Tätigkeit in Utrecht setzte er auch nach seiner Pensionierung noch bis zu seinem Tode fort. G.A. van den Bergh van Eysingas hinterließ eine reichhaltige Bibliographie. Neben den Hauptwerken, Die holländische radikale Kritik des Neuen Testaments, 1912, Voorchristeliik Christendom, 1918, De wereld van het Nieuwe Testament, 1929, dem Matthäuskommentar, 1947, und anderen Büchern stehen die Artikel in seinen Godsdienstwetenschappelijken Studiën (= Religionswissenschaftliche Studien) sowie Artikel und Rezensionen in der Nieuw Theologisch Tijdschrift und in einigen niederländischen Zeitungen.

Werk

Kritik der Evangelien

In seinen exegetischen Schriften kritisiert van den Bergh van Eysinga die Position der liberalen Jesusforscher, deren Methode er als "Abzugsmethode" bezeichnet. Um die Historizität des Menschen Jesus von Nazaret zu retten, würden diejenigen Züge der Person Jesu, die sich nicht „natürlich“ erklären ließen (wie z.B. Jungfrauengeburt, Naturwunder, Wunderheilungen usw.), willkürlich eliminiert. Das Problem dieser Methode bestehe darin, dass sie unreflektiert eine geschichtlichtliche Grundlage der Evangelien voraussetze und deren rein dogmatischen Charakter verkenne. Der Jesus der Evangelien sei keine mythisierte Historie, sondern historisierter Mythos. Die "Geschichtlichkeit" diene als Staffage und sei kirchliches Dogma, aber kein historisches Faktum. Nicht der Zimmermannssohn Jesus von Nazaret habe am Anfang der christlichen Geschichte gestanden, sondern der Mythos einer vom höchsten Gott auf die Erde gesandten, sterbenden und wiederauferstehende Heilandsgestalt. Dieser Erlösungsmythos soll in Alexandrien entstanden sein und die Grundlage für den Inhalt des ältesten Evangeliums gebildet haben, das noch keine historischen Angaben enthielt. Der Historisierungsprozess habe erst Mitte des 2. Jahrhunderts in Rom begonnen. Dort wurde der gnostische Heiland in einen jüdischen Messias verwandelt und mit pseudohistorischen Attributen versehen. Dafür soll vor allem das stadtrömische Judenchristentum verantwortlich gewesen sein, das zumal durch Einbringung des Alten Testaments die Grundlinien der Lebensgeschichte Jesu, von Bethlehem bis Golgata, festsetzte. Altes Testament und stoische Philosophie hätten am Ende jenes Bild des Menschen Jesus geschaffen, dessen die Kirche bedurfte, um sich gegen die doketische Verflüchtigung der Christusgestalt durch die Gnosis zu wehren. Zugleich blieb sie damit für die Masse der Gläubigen attraktiv, die mit einer menschlichen Heilandsgestalt mehr anzufangen wusste als mit einem rein metaphysischen Wesen.[1]

Kritik der Paulusbriefe

Mit seiner Kritik der Paulusbriefe setzt van den Bergh van Eysinga die Arbeit seines Lehrers W.C. van Manen und die des Amsterdamer Theologen A.D. Loman fort. Wie diese beiden holländischen Professoren so weist auch van den Bergh van Eysinga auf das Fehlen äußerer Zeugnisse (argumenta externa) für die Existenz von Paulusbriefen im 1. Jahrhundert hin. Außerdem fänden diese - abgesehen von anderen Quellen, die ebenfalls schwiegen - weder in der Apostelgeschichte noch beim Vertreter der römischen Kirche Justin (Mitte des 2. Jahrhunderts) Erwähnung. Die biographischen Angaben der Apostelgeschichte über Paulus stünden mit denen der Briefe in Widerspruch und seien fiktiv. Der 1. Clemensbrief und die Ignatiusbriefe werden (mit den Wissenschaftlern der Tübinger Schule) als unecht verworfen. Bei den Paulusbriefen soll es sich um pseudepigraphische Schriften aus dem Umfeld des aus der Kirche ausgeschlossenen Häretikers Marcion handeln. Das zeige vor allem der marcionitische Text der Briefe, der aus den Kirchenväterzeugnissen rekonstruiert werden könne. Er enthalte in der Regel ältere und ursprünglichere Lesarten als die kanonische Version bzw. der Textus receptus. „Paulus“ ist für van den Bergh van Eysinga eine Symbolgestalt des Marcionitismus, der mit Hilfe pseudepigraphischer Schriften seine Theologie und Lehre in die apostolische Vergangenheit des ersten Jahrhunderts projizierte, um sich in den theologischen Kämpfen des 2. Jahrhunderts zu behaupten. Später habe sich die protoorthodoxe Kirche das literarische Erbe des Marcionitismus angeeignet und in ihrem Sinne überarbeitet.[2]

Vorläufer

Zu den Ahnherren G.A. van den Bergh van Eysingas und der holländischen Radikalkritik gehören neben dem Deutschen Bruno Bauer der englische Unitarist Edward Evanson (1731-1805). Schon Bauer hatte die Kritik F.C. Baurs und seiner Schule radikalisiert und sowohl die Annahme eines historischen Jesus wie die der Echtheit von vier paulinischen „Hauptbriefen“ fallengelassen, die von den Tübingern als authentisch angesehen wurden. Van den Bergh van Eysinga widmete sich dem Leben und Werk des deutschen Kritikers in zahlreichen Schriften.[3]

Kritik und Rezeption

Van den Bergh van Eysingas Thesen stießen bei den meisten liberalen und orthodoxen Theologen auf Ablehnung. U.a. setzten sich die Theologen Hans Windisch, Carl Clemen, Gilles Quispel und van den Bergh van Eysingas Schüler L.G. Hartdorff [4] kritisch mit seinen Thesen auseinander. Trotz seiner umfangreichen literarischen Tätigkeit ist der niederländische Radikalkritiker mit seinen Anschauungen weder in den Niederlanden noch im Ausland durchgedrungen. Einen Vertreter der radikalen Schule im akademischen Bereich hat es nach seinem Tode in Holland nicht mehr gegeben. Seit den 90er Jahren wurden Thesen des holländischen Radikalkritikers von den amerikanischen Theologen Darrell Doughty (Drew University) und Robert M. Price rezipiert. In Deutschland werden radikalkritische Thesen vom protestantischen Theologen Hermann Detering vertreten.

Publikationen

Literatur

  • Hermann Detering: Paulusbriefe ohne Paulus? Die Paulusbriefe in der holländischen Radikalkritik, Peter Lang, Berlin 1991 (Diss.) ISBN 3-631-44787-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Inhalt dieses Abschnitts beruht im im Wesentlichen auf den Thesen des Buches Lebt Jesus - oder hat er nur gelebt? (s. Literaturliste).
  2. Zusammenfassung im Wesentlichen auf der Grundlage von: Marcion als getuige voor een voorkatholiek christendom, in: G.A. van den Bergh van Eysinga (Hrsg.), Godsdienstwetenschappelijke Studiën XVIII, Haarlem 1955,5-39 (Teil I.), XIV, Haarlem 1956, 3-28 (Teil II.)
  3. Aus einer unveröffentlichten Biographie von Bruno Bauer: Bruno Bauer in Bonn 1839–1842, Mailand 1963; Bruno Bauers afscheid van de Theologie, in: G.A. van den Bergh van Eysinga (Hrsg.), Godsdienstwetenschappelijke Studiën II, Haarlem 1947, S. 3-45; Hoe Bruno Bauer van Rechts-Hegeliaan tot Radicaal is geworden, in: Godsdienstwetenschappelijke Studiën XVII, Haarlem 1955, S. 3-28
  4. L: G. Hartdorff, Historie of historisering? Een onderzoek naar de visie van G.A. van den Bergh van Eysinga op de wordingsgeschiedenis van het Christendom, voorzien van bibliografie, Amsterdam 1950.
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