Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Gudrun Ensslin

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gudrun Ensslin (* 15. August 1940 in Bartholomä; † 18. Oktober 1977 in Stuttgart-Stammheim) war eine deutsche Terroristin. Sie war Mitbegründerin und als eines der führenden Mitglieder der Rote Armee Fraktion an fünf Bombenanschlägen mit vier Todesopfern beteiligt. Sie wurde 1972 verhaftet und wegen vierfachen Mordes 1977 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Sie beging am 18. Oktober 1977 in der Todesnacht von Stammheim Suizid.

Leben

Gudrun Ensslin war das vierte von sieben Kindern des evangelischen Pastors Helmut Ensslin und seiner Frau Ilse und wuchs in Tuttlingen (Baden-Württemberg) auf. Während ihrer Schulzeit verbrachte sie ein Jahr als Austauschschülerin in den Vereinigten Staaten. Nach dem Abitur an einer Mädchenschule 1960 studierte sie von 1960 bis 1963 an der Universität Tübingen Anglistik, Germanistik und Pädagogik, anschließend wechselte sie an die Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, wo sie 1964 ihr Staatsexamen zur Volksschullehrerin machte. Danach studierte Ensslin in Berlin an der Freien Universität Germanistik. Sie erhielt für ihre Doktorarbeit über Hans Henny Jahnn ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes.[1]

Ensslin gründete 1963 zusammen mit ihrem Kommilitonen und Freund Bernward Vesper einen Kleinverlag, das Studio Neue Literatur. Es erschienen eine Anthologie deutscher Gedichte gegen die Atombombe Gegen den Tod und ein Gedichtband von Gerardo Diego. Beide arbeiteten während des Bundestagswahlkampfs 1965 im Wahlkontor Deutsche Schriftsteller in Berlin für die Kandidatur Willy Brandts.[2]

Am 13. Mai 1967 gebar sie Felix Ensslin, dessen Patenonkel Rudi Dutschke wurde.[3] Im Sommer 1967 lernte Gudrun Ensslin Andreas Baader kennen, im Februar 1968 trennte sie sich von Bernward Vesper, der gemeinsame Sohn kam nach Gudrun Ensslins Verhaftung Anfang April 1968 zum Vater. Auf Gudrun Ensslins Initiative wurden die Rechte des Vaters im September 1969 eingeschränkt, und Felix Ensslin kam zu Pflegeeltern. Bernward Vesper starb im Mai 1971 durch Suizid.

Involviert in die Studentenunruhen der ausgehenden 1960er, engagierte sich Ensslin seit dem Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 in der Außerparlamentarischen Opposition. Nach politisch motivierten Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968 in Frankfurt am Main wurde Ensslin verhaftet und ebenso wie Andreas Baader, Thorwald Proll und Horst Söhnlein zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach der vorläufigen Verurteilung kamen die Beschuldigten wegen des Einlegens der Revision zunächst auf freien Fuß. Nachdem der Bundesgerichtshof die Revision der Angeklagten verworfen hatte und das Urteil aus dem Kaufhausbrandprozess damit rechtskräftig geworden war, tauchte Ensslin im September 1969 unter und flüchtete mit Baader und Astrid Proll nach Italien. Im Januar 1970 kehrte sie mit Andreas Baader nach Berlin zurück, wo Baader am 4. April 1970 festgenommen wurde.

Ensslin und Ulrike Meinhof planten die Befreiung Baaders, die am 14. Mai 1970 stattfand. Ein fingierter Recherchetermin wurde zur Flucht genutzt. Meinhof, Ingrid Schubert, Irene Goergens sowie ein bisher nicht identifizierter Mann nahmen an der Befreiung teil.

Es folgten zahlreiche Banküberfälle, um die folgenden Aktionen finanzieren zu können. Die Gruppe reiste verdeckt in ein palästinensisches Camp in Jordanien, um sich militärisch ausbilden zu lassen. Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland wurden zahlreiche Banküberfälle und fünf Sprengstoffanschläge verübt. Gudrun Ensslin war an der Mai-Offensive der RAF beteiligt, bei der insgesamt vier Menschen ums Leben kamen.[4]

Am 7. Juni 1972 wurde sie in einer Hamburger Modeboutique verhaftet. Die Geschäftsführerin hatte in der abgelegten Jacke Ensslins eine Waffe ertastet und die Polizei gerufen. Es folgten langjährige Prozesse gegen Ensslin und die anderen Mitglieder der RAF. Inhaftiert wurde Gudrun Ensslin im eigens errichteten Hochsicherheitstrakt der JVA Stuttgart in Stuttgart-Stammheim. Sie beging ebenso wie Andreas Baader und Jan-Carl Raspe am 18. Oktober 1977 Selbstmord, indem sie sich mit Hilfe eines Lautsprecherkabels erhängte. Irmgard Möller, die einzige Überlebende der „Todesnacht von Stammheim“, und die Anwälte der Gefangenen behaupteten, es habe sich nicht um kollektiven Selbstmord gehandelt, sondern um staatlich angeordnete Morde. Nach Ansicht der Stuttgarter Staatsanwaltschaft sind diese Vorwürfe als Verschwörungstheorien widerlegt.[5]

Grabstätte von Baader, Raspe und Ensslin

Gudrun Ensslin wurde am 27. Oktober 1977 in einem Gemeinschaftsgrab mit Andreas Baader und Jan-Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof in Stuttgart beigesetzt.

Christiane Ensslin (* 1939), eine ältere Schwester Gudruns, bemühte sich um Kontakte zu Angehörigen von Opfern der RAF (Ehefrau und Brüder des Gerold von Braunmühl) und gab 2005 – gemeinsam mit dem jüngeren Bruder Gottfried (1946–2013) – ein Buch mit Briefen ihrer Schwester Gudrun aus den Jahren 1972 und 1973 heraus.[6]

Rezeption

Der deutsche Komponist Helmut Lachenmann vertonte in seiner Oper Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1990–1996) u. a. auch einen Text Gudrun Ensslins. Die Oper wurde 1997 in Hamburg, 2000 in Tokyo und 2002 auf den Salzburger Festspielen aufgeführt.[7]

Die österreichische Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek verwendete Tagebuchaufzeichnungen Ensslins in ihrem Montage-Text Wolken.Heim.

Die deutsche Schriftstellerin Christine Brückner ließ Ensslin in ihrem Buch Wenn du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen in einem fiktiven Monolog zu Wort kommen (Kein Denkmal für Gudrun Ensslin. Rede gegen die Wände von Stammheim).

Tondokument des Stammheim-Prozesses

Im Landesarchiv Baden-Württemberg befinden sich Tonbänder, die zwischen August 1975 und Februar 1977 während des Prozesses in Stuttgart-Stammheim aufgenommen worden waren und den Gerichtsschreibern bei ihrer Arbeit helfen sollten. Die zum Teil veröffentlichten Tondokumente umfassen u. a. eine Erklärung von Gudrun Ensslin zu Anschlägen der RAF.[8][9]

Film

Jahr Film[10] Regie Ensslin-Darstellerin Anmerkungen
1967 Das Abonnement Ali Limonadi Gudrun Ensslin (als Fotomodell) unter dem Namen „Rosa Enslin Kurzfilm. Ein Fotograf und sein Model reagieren auf die täglich eingeworfene Die Welt aus dem Haus Springer.[11]
1981 Die bleierne Zeit Margarethe von Trotta Barbara Sukowa (als Marianne) an die Biografie der Ensslin-Geschwister angelehnt; Goldener Löwe der Filmfestspiele von Venedig
1986 Stammheim Reinhard Hauff Sabine Wegner Goldener Bär der Filmfestspiele von Berlin
1986 Die Reise Markus Imhoof Corinna Kirchhoff (als Dagmar) nach dem gleichnamigen Romanfragment von Ensslins Lebensgefährten Bernward Vesper
1997 Todesspiel Heinrich Breloer Anya Hoffmann
2002 Baader Christopher Roth Laura Tonke in Anlehnung an die Biografie von Andreas Baader
2008 Der Baader Meinhof Komplex Uli Edel Johanna Wokalek Oscar-nominierte Verfilmung, die weitgehend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Stefan Aust basiert.
2011 Wer wenn nicht wir Andres Veiel Lena Lauzemis stützt sich auf Gerd Koenens Biografie Vesper, Ensslin, Baader

Literatur

  • Gudrun Ensslin (Hrsg.): Gegen den Tod: Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe. Studio Neue Literatur, Stuttgart 1964, DNB 455081069.

Quellen und Dokumente

  • Gudrun Ensslin: „Zieht den Trennungsstrich jede Minute“. Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried aus dem Gefängnis 1972–1973. Herausgegeben von Christiane Ensslin und Gottfried Ensslin. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-89458-239-1.
  • Caroline Harmsen, Ulrike Seyer, Johannes Ullmaier (Hrsg.): Gudrun Ensslin/Bernward Vesper. „Notstandsgesetze von Deiner Hand“. Briefe 1968/1969. Mit einer Nachbemerkung von Felix Ensslin. Suhrkamp, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-518-12586-1.
  • Ulrike Meinhof: Bambule. Fürsorge – Sorge für wen? Nachwort von Klaus Wagenbach. Wagenbach, Berlin 1971. (Neuauflage: Wagenbach, Berlin 2002, ISBN 3-8031-2428-X)
  • Astrid Proll (Hrsg.): Hans und Grete. Die RAF 67–77. Steidl, Göttingen 1998, ISBN 3-88243-562-3. (Aktualisierte Neuausgabe: Hans und Grete. Bilder der RAF 1967–1977. Aufbau-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-351-02597-1)
  • Ulf G. Stuberger (Hrsg.): In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a. – Dokumente aus dem Prozess. Syndikat Buchgesellschaft, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-8108-0021-X. (Neuauflage: Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2007, ISBN 978-3-434-50607-2)

Sachbücher

Belletristik

  • Christine Brückner: Kein Denkmal für Gudrun Ensslin. Rede gegen die Wände der Stammheimer Zelle. In: Dies.: Wenn du geredet hättest Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen. Hoffmann und Campe, Hamburg 1983, ISBN 3-455-00366-4.
  • Alban Lefranc: Des foules, des bouches, des armes. Melville, Scheer, Paris 2006, ISBN 2-915341-38-9 (Roman über Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Bernward Vesper und die Entstehung der RAF; Interview über den Roman mit RFI Deutschland; MP3; 5,9 MB).
  • Alban Lefranc: Angriffe. Drei Romane. Aus dem Französischen von Katja Roloff. Blumenbar Verlag, München 2008, ISBN 978-3-936738-43-8.

Weblinks

 Commons: Gudrun Ensslin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alexander Gallus: Ein Anfang, der das Ende nicht erwarten ließ. Die Studienstiftler Meinhof, Mahler, Ensslin, Vesper und die Eliteförderung der frühen Bundesrepublik - eine Aktenlektüre. In: Jahrbuch Extremismus & Demokratie. 24/2012, ISBN 978-3-8329-7999-7, S. 13–29.
  2. Spiegel.de: "Der Frau treu bleiben, die Partei wechseln", 7. Januar 2007, abgerufen 9. Februar 2017
  3. Heinrich Jaenecke: Ein Kind aus gutem Hause. Gudrun Ensslin – ihre Moral, ihre Leidenschaft, ihre Irrtümer. In: Stern. Nr.26/1972, S. 20.
  4. Andreas Gohr: Der Prozess - Infos zur Rote Armee Fraktion (RAF).
  5. Hamburger Abendblatt - Hamburg: Verschwörungstheorien widerlegt.
  6. Volker Albers: Wenn die Schwester Gudrun Ensslin heißt.
  7. Radikales Experiment und lustvolles Abenteuer (Memento vom 5. Januar 2002 im Internet Archive) Helmut Lachenmann über die Musik nach dem Ende der Musik bei Freunde der Salzburger Festspiele e.V. (2002)
  8. 04.05.1976: Erklärung von Gudrun Ensslin zu Anschlägen der RAF - Themen - Wissen - SWR2. In: swr.online.
  9. Landesarchiv Baden Württemberg - Dokumentation über Stammheimbänder.
  10. Gudrun Ensslin in der Internet Movie Database (englisch)Vorlage:IMDb/Wartung/Verschiedene Kenner in Wikipedia und WikidataVorlage:IMDb/Wartung/Wikidata-Bezeichnung vom Seitennamen verschiedenVorlage:IMDb/Wartung/Beschreibung ist zu lang
  11. Das Abonneman -.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gudrun Ensslin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.