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Grut (Bier)

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Ein nach einem Rezept aus dem 13. Jahrhundert gebrautes Grutbier
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Grut (auch Gruit) ist eine in ihrer Zusammensetzung variable Kräutermischung, die zum Würzen von Bier eingesetzt wird. Klassisch mit Grut gebraute Biere werden auch als Grutbiere bezeichnet und waren über Jahrhunderte vor allem entlang der Nordseeküste weit verbreitet, zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert wurden sie zunehmend von Hopfenbier verdrängt.[1]

Name

Die Bezeichnungen „Grut“, „Gagel“ und „Porst“ wurden früher in Nordeuropa oft synonym verwendet, weshalb ihre Unterscheidung in alten Quellen Schwierigkeiten bereitet.[1] Sowohl der Sumpfporst (Rhododendron tomentosum, Wilder Rosmarin) als auch der Gagelstrauch wurden in Nordeuropa schon früh zum Bierbrauen verwendet. Solche Biere heißen seit dem Mittelalter Grutbier.[2]

Viele Wörter des mittelalterlichen Brauwesens gehen auf die Bezeichnung „Grut“ zurück, wie Grutrecht oder Gruthaus und mehrere Familiennamen lassen sich davon ableiten, wie zum Beispiel Grüter, Gruiter oder de Gruyter.[1]

Zusammensetzung

Grutzutat Gagel (Myrica gale)

Die jeweilige Zusammensetzung des Grut variiert. Die häufigsten Zutaten sind Porst (insbesondere Schweden und Baltikum) und Gagel (insbesondere Norddeutschland, Dänemark, Niederlande, Belgien, England). Aber auch Schafgarbe, Heidekraut, Beifuß, Rosmarin, Thymian, Salbei, Lorbeer, Mädesüß, Anis, Kümmel, Wacholder, Koriander, Fichtensprossen, Wermut und bisweilen Hopfen werden verwendet. Diese Zutaten verleihen den mit Grut gebrauten Bieren ein fruchtig-würziges Aroma. Wichtigstes Braugetreide im Mittelalter war der Hafer. Laut dem Biochemiker Franz Meußdoerffer verträgt sich Hafer als Braugetreide geschmacklich nicht mit Hopfen. Es falle auf, dass sich die Gerste zum dominierenden Braugetreide entwickelte, als sich der Hopfen als Bierwürze durchsetzte. Ähnlich der auch heute noch bekannten Berliner Weiße waren die Grutbiere im Mittelalter aufgrund einer Milchsäuregärung säuerlich. Auch dieses Brauverfahren vertrage sich laut Meußdoerffer schlecht mit einer Hopfung, da Hopfen wegen seiner antimikrobiellen Eigenschaften die Milchsäurebakterien abtötet. Die Milchsäure sorgte für eine gewisse Stabilität und Haltbarkeit der Biere. Zum Teil wurden auch Kräuter wie Eschenblätter, die Bitterstoffe mit antibakterieller Wirkung enthalten, in Grutbieren verwendet, um die Haltbarkeit zu verbessern.[3][4]

Der Sumpfporst enthält ein ätherisches Öl (Ledumöl; Hauptwirkstoff Ledol), das stark berauschend wirkt, in höheren Dosierungen zu Krämpfen, Wut und Raserei führt. Gelegentlich wurden auch Zusätze wie Fliegenpilz, Schwarzes Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel beigefügt, die halluzinogene Eigenschaften besitzen. Der Ethnopharmakologe Christian Rätsch sieht im Reinheitsgebot daher ein frühes Drogengesetz. Es bestehe der Verdacht, dass der Gebrauch heidnischer Ritualpflanzen unterdrückt werden sollte.[5]

Geschichte

Das mit Gagel gebraute Biobier Gageleer

Aufgrund von archäologischen Funden im Gebiet der Rheinmündung kann angenommen werden, dass Gagel dort bereits zur Zeit Christi Geburt zum Bierbrauen verwendet wurde. Die erste Erwähnung des Gruts als Bierzutat, damals noch unter seiner lateinischen Bezeichnung materia cervisiae, geht auf das Jahr 974 zurück, als der römisch-deutsche Kaiser Otto II. per Erlass die Grutrechte, das heißt das Recht des Handels mit Grut, an die Kirche von Lüttich übertrug.[6] Die Bezeichnung „Grut“ wurde erstmals im Jahr 999 erwähnt, als der römisch-deutsche Kaiser Otto III. der Martinuskirche in Utrecht das Grutrecht schenkte.

Obwohl Hopfenbiere bereits in der nordischen Mythologie bekannt waren, blieben Kräuterbiere bis in das 13. Jahrhundert im norddeutschen und niederländischen Raum sowie in Flandern vorherrschend. Seit dem 13. Jahrhundert drang das Hopfenbier aus den deutschen Hansestädten, für die es ein wichtiges Exportprodukt war, in die Grutbiergebiete ein. Die Inhaber der Grutrechte versuchten über reglementierende Vorschriften, das Vordringen der Hopfenbiere abzuwehren, konnten dessen Ausbreitung jedoch nur verzögern.[1] Die Hopfenbiere konnten sich vor allem durchsetzen, weil sie wegen der konservierenden Wirkung des Hopfens haltbarer als Grutbier waren, das schnell verdarb und daher nicht exportiert werden konnte. Zudem war der Hopfen als Bierwürze billiger als die Grut, und auch geschmackliche Gründe mögen eine Rolle gespielt haben.[7] So beklagte 1548 der Stadtchronist von Dortmund Dietrich Westhoff eine regelrechte Verdrängung des Grutbiers durch andere Sorten, so dass schließlich „des edeln gruten beers wenig gebrouwert wert“.[8] Seit dem 16. Jahrhundert wird das Grutbier mit Vergiftungen in Verbindung gebracht, die immer häufiger zu Verboten führten. Inzwischen durchgeführte chemische Untersuchungen konnten jedoch keine schädlichen Inhaltsstoffe identifizieren.[1]

Gruitbiere heute

JOPEN KOYT BEER AT THE STAYOK HOSTEL HAARLEM NORTH HOLLAND JUNE 2014.jpg

Auch heute gibt es in einigen Ländern noch – oder wieder – Grutbiere, zum Beispiel Porse Guld von der Brauerei Thisted in Dänemark, Koyt Gruitbier der Brauerei Jopen aus den Niederlanden, Gruit Kopernikowski von der Brauerei Kormoran aus Polen, Grozet Gooseberry von der Brauerei Williams in Schottland, Myrica von der Brauerei O'Hanlons in England oder Gageleer von der Brauerei De Proefbrouwerij und Steenbrugge der gleichnamigen Brauerei in Belgien. In Deutschland gibt es die Porse von der Ricklinger Brauerei, die historischen Brauspezialitäten der Weißenoher Klosterbrauerei und einige Bierspezialitäten vom Gruthaus in Münster. In Berlin versucht das Spent Brewers Collective durch das Einbrauen saisonal wechselnder Grutbiere, etwa mit ihrem 1312 Herbst Gruit oder dem Vanilla Tripel Gruit, diesen Bierstil zu popularisieren.

Ausgehend von den USA hat sich seit Ende 2014 eine weltweite Initiative von Kleinbrauereien gebildet, die jeweils den 1. Februar des Jahres zum Internationalen Tag des Gruitbieres ausgerufen hat und auf diese Weise versucht diesen Bierstil wiederzubeleben.

Literatur

  • Peter Lietz: Die Roh- und Zusatzstoffe in der Geschichte der Bierbereitung. In: GGB-Jahrbuch. Berlin 2004, ISSN 0072-422X, S. 133–195.
  • Aloys Schulte: Vom Grutbiere. Eine Studie zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. 85, 1908 S. 118–146.
  • Christian Rätsch: Bier jenseits von Hopfen und Malz – von den Zaubertränken der Götter zu den psychedelischen Bieren der Zukunft. Orbis, München 2002, ISBN 3-572-01343-7.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Stichwort Porst. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 23, ISBN 3-11-017535-5, S. 287 ff.
  2. Christian Rätsch: Urbock oder echtes Bier.
  3. Franz Meußdoerffer & Martin Zarnkow: Das Bier. Eine Geschichte von Hopfen und Malz. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66667-4
  4. Moritz Gretzschel: Das Reinheitsgebot ist tot – lang lebe das Reinheitsgebot. In: Braumagazin. Frühjahr 2015.
  5. Stichwort Bier in Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen: Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendung. AT-Verlag, Aarau 1998, ISBN 3-85502-570-3, S. 733 f.
  6. V.T. van Vilsteren: Bier! Geschiedenis Van Een Volksdrank. Bataafsche Leeuw, 1994, ISBN 90-6707-342-3, In de beginne… De oorsprong en techniek van het brouwen tot de 14de eeuw.
  7. Kölner Brauereiverband: Bier in Köln vor 1800, abgerufen am 13. Juni 2014.
  8. Markus Hellemanns: Das Brauwesen im mittelalterlichen Dortmund.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Grut (Bier) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.