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Goehle-Werk

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Goehle-Werk, Gebäude an der Heidestraße

Das Goehle-Werk (auch Goehlewerk[1]) in Dresden-Pieschen war 1940/41 als Munitionsfabrik erbaut worden. Es wurden Zeitzünder, Brandschrapnelle für die 12,8- und 8,8-cm-Flakgeschosse und Bombenzünder hergestellt.[1] 1941 wurden insgesamt 1.046.200 Zünder hergestellt.[2] Auftraggeber für das Werk war das Oberkommando der Marine, benannt wurde es nach dem Konteradmiral der deutschen Kriegsmarine Herbert Goehle (1878–1947). Der reichseigene Betrieb wurde der Firma Zeiss Ikon zur Nutzung übergeben.

Architektur

Das ehemalige Goehle-Werk besteht aus vier Stahlbetonskelettbauten auf einem Grundstück von etwa 7000 Quadratmetern: Haus A und B in der Heidestraße 2 – 10, Haus C und D in der Riesaer Straße 32. Die Auftragsvergabe erfolgte am 14. November 1938.[3] Die Konzeption erfolgte durch den Stahlbetonfachmann und Professor der TH Dresden Georg Rüth und den Architekten und Professor für Raumkunst Emil Högg statt. Die als Hochbunker konzipierten Bauten aus Stahlbeton zeigen die typische Industriearchitektur der 1930er und 1940er Jahre mit kleinteiligen Fenstern und verstärkten Treppenhäusern. Zum Schutz gegen Sprengbomben bis 500 Kilogramm und Brandbomben wurden in den Luftschutz-Treppenhäusern Luftschleusen, Belüftungsanlagen und auskragende Schutzdächer verbaut.[3]

In der Heidestraße 2 befand sich das Gemeinschaftshaus mit dem Karl-Hermann-Saal. Hier fanden nach dem Krieg einige der ersten Kulturveranstaltungen in Dresden statt.

Geschichte

Rüstungsbetrieb

Ab dem 9 Oktober 1944 war das Goehle-Werk ein Außenlager des KZ Flossenbürg. An der Einrichtung war der SS-Obersturmführer und als Kriminal-Kommissar Henry Schmidt maßgeblich beteiligt.[4] Am 18. Oktober wurden dem Werk 200 KZ-Arbeiterinnen zugewiesen, fast ausschließlich russische und polnische Häftlinge. Zehn Tage später trafen erneut 300 Frauen ein.[1] Daneben arbeiteten dort hauptsächlich ungelernte Zwangsarbeiterinnen, die zu einem großen Teil aus Polen und der Sowjetunion stammten.[5] Unter anderem wurde die Jüdin Henny Brenner gezwungen, dort zu arbeiten. Zeugen sagten aus, dass die Lebensumstände der Arbeiterinnen äußerst widrig waren: So sei deren Verpflegung völlig unzureichend und folglich deren Gesundheitszustand mangelhaft gewesen. Im Dezember 1944 wurde zum Beispiel pro Frau etwa 500 Gramm Brot von der Werksküche abgerechnet.[1] Die Arbeiterinnen schliefen in den oberen Geschossen der Goehle-Werke, die Fertigung fand darunter statt.

Die Aufseherinnen gehörten zum SS-Gefolge und brachten Gummiknüppel zum Einsatz.[1] Oberaufseherin im Oktober 1944 war Gertrud Schäfer, welche im Februar 1945 von Margarete de Hueber abgelöst wurde.[4][5] Diese wurde von Häftlingen als hart und grausam beschrieben. In einer undatierten Liste waren 22 Aufseherinnen verzeichnet, alle stammten aus Dresden oder der Umgebung. Zahlreiche Fluchtversuche sprechen vom großen Leidensdruck der Frauen. Noch im Monat der Einrichtung des Außenlagers, am 24. Oktober 1944, ist der Fluchtversuch von zwei Russinnen im Nummernbuch des Werkes vermerkt. Während der Luftangriffe auf Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar wurden die Frauen im Goehle-Werk eingesperrt.[1] Einige flüchteten erfolgreich in den nachfolgenden Wirren. Im Dezember 1944 wurden noch 679 Tagessätze für die Arbeiterinnen abgerechnet, nach den Luftangriffen zwischen dem 14. und 20 Februar 1945 fast gar keine. Die letzte Arbeitseinteilung vom 13. April 1945 wies 684 Häftlinge auf.

Häftlingstötungen konnten nicht nachgewiesen werden. Für den November 1944 sind zwei Todesfälle vermerkt.[1] Eine Russin, welche zuvor im Goehle-Werk gearbeitet hatte, starb im Januar 1945 nach einer „Sonderbehandlung“ im KZ Flossenbürg.

Das Goehle-Werk wurde Mitte April zu Fuß die Elbe entlang und per Bahn nach Leitmeritz „evakuiert“ und währenddessen befreit. Viele konnten schon vorher flüchten.

Im „Goehlewerk-Prozess“ wurden im Januar 1949 zehn Personen angeklagt – unter anderem der stellvertretende Betriebsleiter, mehrere Meister und SS-Aufseherinnen – und zu Strafen zwischen einem und acht Jahren Haft verurteilt.[1]

Informationstafel II mit Ansicht von 1949

2012 wurden drei Informationstafeln zur Geschichte des Goehle-Werks als KZ-Außenstelle auf der Heidestraße angebracht.[6]

Sachsenverlag

Nach dem Krieg wurden die Gebäude enteignet und die Fabrikausrüstungen durch die sowjetischen Besatzer demontiert. Es zog die Druckerei der Sächsischen Zeitung ein, später ein Unternehmen des VEB Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft. Die Druckerei wurde nach der Wende unter dem Namen Grafischer Großbetrieb Sachsenverlag bis 1996 weiter betrieben.

Gewerbe- und Atelierräume

Anfang der 2000er Jahre wurden die Häuser A und B zu einem Gewerbehof für Existenzgründer, kleine und mittelständische Unternehmen umgebaut. In vier Geschossen und Türmen stehen etwa 9000 Quadratmeter Gewerbefläche und im Keller etwa 1000 Quadratmeter Lagerfläche zur Verfügung.[7]

Die Häuser C und D und das Gemeinschaftshaus wurden 2014 von der gemeinnützigen Stiftung trias für 900.000 Euro gekauft und der Genossenschaft „Zentralwerk“ als Erbpacht für 99 Jahre überlassen.[8][9] Die Genossenschaft will die Häuser als Künstler- und Atelierräume nutzen. Seit 2015 werden die Gebäude saniert und zu einem Kultur- und Wohnkomplex umgebaut. Es sind Investitionen von 5,72 Millionen Euro geplant. Daran beteiligen sich die die städtischen Ämter für Kultur, Wirtschaftsförderung und Stadtplanung in Dresden mit 450.000 Euro und das Land Sachsen und der Bund mit 900.000 Euro.[8] Ziel ist eine Aufteilung in etwa 50 Prozent Atelierfläche, 20 Prozent für Kulturveranstaltungen und 30 Prozent für Wohnungen. Zur Erinnerung an die Geschichte des Gebäudes soll es einen Ausstellungs- und Veranstaltungsraum geben.[10] Im Gemeinschaftshaus soll unter anderem die sogenannte Sektterrasse auf der Hofseite wieder freigelegt werden.[11]

Literatur

Weblinks

 Commons: Goehle-Werk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Benz & Distel (2006), S. 88–91
  2. Gerhard Bauer (Hrsg.): Sachsen im Bombenkrieg. Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden 2005, S. 25 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  3. 3,0 3,1 Jens Herbach: Zünderfabrik Dresden-Pieschen, Goehle-Werk. 7. Mai 2014, abgerufen am 22. April 2016.
  4. 4,0 4,1 Dresden (Riesaer Straße). www.tenhumbergreinhard.de, 2010, abgerufen am 22. April 2016.
  5. 5,0 5,1 Pascal Cziborra: Frauen im KZ. Lorbeer Verlag, Bielefeld 2010, S. 46–49 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  6. Iris Hellmann: Als Juden in Pieschen Waffen herstellen mussten. In: Sächsische Zeitung. 27. Januar 2012 (online, kostenfrei für Nutzer der Stadtbibliothek Dresden, abgerufen am 22. April 2016).
  7. Gründer- und Gewerbehof Großenhainer Straße 101. www.dresdner-gewerbehof.de, abgerufen am 22. April 2016.
  8. 8,0 8,1 Heiko Weckbrodt: Einstige Rüstungsschmiede in Dresden wird Zentrum für Kreative. www.oiger.de, 22. April 2015, abgerufen am 22. April 2016.
  9. Juliane Hanka: Bunker sind keine Wellness-Oasen. In: Sächsische Zeitung. 6. September 2013 (online, kostenfrei für Nutzer der Stadtbibliothek Dresden, abgerufen am 22. April 2016).
  10. Zentralwerk. Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG i.G. www.stiftung-trias.de, abgerufen am 22. April 2016.
  11. Frank Walther: CDU Pieschen unterstützt Zentralwerk. CDU Dresden Pieschen, 8. März 2014, abgerufen am 22. April 2016.
51.08151613.728434
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Goehle-Werk aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.