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Gewaltmonopol des Staates

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Das Gewaltmonopol des Staates bezeichnet in der Allgemeinen Staatslehre die ausschließlich staatlichen Organen vorbehaltene Legitimation, physische Gewalt auszuüben oder zu legitimieren (Unmittelbarer Zwang). Es ist ein Prinzip aller modernen Staaten und gilt als eine der Grundlagen für das Funktionieren des Rechtsstaates.

Grundlagen

Den Begriff selbst hat der Soziologe Max Weber im Jahr 1919 in seinem Vortrag Politik als Beruf geprägt. Er ist aber in seinem Wesensgehalt − als Folge staatlicher Souveränität − bereits bei Jean Bodin in seiner Schrift Sechs Bücher über den Staat (1576) und bei Thomas Hobbes, so im Leviathan (1651) angelegt.

Die Idee des Gewaltmonopols will, dass die Angehörigen eines Gemeinwesens darauf verzichten, Gewalt (z. B. im Wege der Selbstjustiz) auszuüben. Die Angehörigen verzichten, tatsächliche oder vermeintliche Rechte und Ansprüche durch eine individuelle Ausübung von Zwang durchzusetzen. Vielmehr übertragen sie deren Schutz und Durchsetzung ganz auf die staatlichen Justiz- und Exekutivorgane; also an Gerichte beziehungsweise Polizei und Verwaltung. Diese wiederum sind in einem demokratischen Staat an das von der Legislative sanktionierte Recht und Gesetz gebunden.

Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols begann mit der Staatsentstehung als solchem. Seit der Frühen Neuzeit hat sich in Europa der Staat allmählich als einziger Gewaltinhaber gegenüber anderen sozialen Kräften durchgesetzt.[1] Ziel war historisch die Machtausweitung des Monarchen. Diese wurde durch die Staatsidee beflügelt, die nicht mehr den Monarchen, sondern eine imaginierte eigene Substanz des Staates als Träger des Gewaltmonopols betrachtete.[2]

Das Gewaltmonopol hat vorherige Formen der Konfliktbeseitigung wie Fehde und Blutrache als Mittel der Rechtsdurchsetzung abgelöst. Wilhelm von Humboldt schrieb dazu 1792: „Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurückkommen, welche keine neue Rache erlaubt – und diese ist die Strafe des Staats.“[3] In seiner idealtypischen Ausprägung schützt das Gewaltmonopol den Bürger vor Übergriffen anderer, indem es gewaltsamen Rechtsmissbrauch oder Willkür einzelner Personen oder Gruppe verhindert. Es stellt eine entscheidende Rahmenbedingung für ein möglichst angstfreies Sozialleben dar und gilt als zivilisatorischer Fortschritt.[4]

Ausnahmen

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Die Rechtsordnung demokratischer Staaten kennt auch Ausnahmen vom Gewaltmonopol des Staates. Dazu zählt etwa das Recht, sich mit Gewalt gegen rechtswidrige Angriffe zu wehren (Notwehr) und sich vor sonstigen Gefahren zu schützen (Notstand).

Das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands definiert einzelne Ausnahmefälle, in denen Bürger im Wege der Selbsthilfe die Realisierung privater Ansprüche gewaltsam durchsetzen dürfen. Diese Ausnahmen stehen jedoch nicht in einem echten Widerspruch zum Gewaltmonopol. Denn einerseits gelten sie immer nur dann, wenn der Staat die zu schützenden Interessen nicht verteidigen könnte. Andererseits beziehen die Ausnahmen ihre Legitimation vom Staat, der sie als Inhaber des Gewaltmonopols für seine Bürger zuvor (ex ante) definiert hat.

Das in der Vergangenheit geltende, lange umstrittene (richterliche Gewohnheits-)Recht von Eltern, gegenüber ihren Kindern zu Erziehungszwecken Gewalt anzuwenden, wurde mit der gesetzlichen Festlegung des Anspruchs des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung abgeschafft (→ Kindesmisshandlung).

Ebenso kann die nunmehr mit dem Gewaltschutzgesetz gesetzlich eingehend geregelte Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols auf die Familie – und damit auf einen sehr privaten Bereich – als ein weiterer Fall der Nichtanerkennung einer „staatsfreien“ Zone betrachtet werden.

Weitgehend anerkannt ist ein privates Widerstandsrecht für den Fall, dass die staatliche Rechtsordnung versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird. Im deutschen Grundgesetz ist dies im Artikel 20 Absatz 4 festgehalten (Widerstandsrecht in Deutschland).

Kritik

Grundsätzliche Kritik am Konzept des Gewaltmonopols wird vor allem durch Anarchisten und Libertäre geübt. Sie weisen darauf hin, dass die durch Vertreter des Staates verübten Verbrechen jene „privater“ Verbrecher bei weitem übersteigen würden und die behauptete Notwendigkeit des Konzepts für ein friedliches Zusammenleben damit hinfällig sei. Insbesondere libertäre Theoretiker wie Hans-Hermann Hoppe argumentieren, gestützt auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse, dass ein Gewaltmonopol dieselben negativen Folgen mit sich bringen muss wie ein Monopol in jedem anderen Bereich.[5]

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.
  2. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.
  3. Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.
  4. Peter Leßmann-Faust, Polizei und Politische Bildung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage 2008, ISBN 978-3-531-15890-7, Seite 68
  5. Hans-Hermann Hoppe, Eigentum, Anarchie und Staat. Studien zur Theorie des Kapitalismus (PDF; 1,5 MB), Opladen: Westdeutscher Verlag, 1987.

Literatur

  • Mattias G. Fischer: Reichsreform und „Ewiger Landfrieden“. Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495. Zugleich ein Beitrag zu den historischen Grundlagen des staatlichen Gewaltmonopols. Scientia, Aalen 2007.
  • Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt: Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-45310-4.
  • Jan Philipp Reemtsma: Gewalt. Monopol, Delegation, Partizipation. In: Wilhelm Heitmeyer/Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004.
  • Birgit Sauer: Staat, Demokratie und Geschlecht – aktuelle Debatten. In: gender…politik…, 2003.

Siehe auch

Weblinks

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