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Gewaltkriminalität

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Der Begriff Gewaltkriminalität wird unterschiedlich definiert:[1][2][3][4] In Deutschland wird nach einer Vereinbarung des Bundes und der Länder aus dem Jahr 1983[5] hierunter eine Reihe von Delikten zusammengefasst, die der schweren oder zumindest mittelschweren Kriminalität zuzurechnen sind.[6] Im deutschsprachigen Strafrecht existiert der Begriff dagegen formal nicht.

Definition

In Deutschland werden folgende Gewaltdelikte in der Polizeilichen Kriminalstatistik unter dem Begriff Gewaltkriminalität zusammengefasst:

Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), gefährliche und schwere Körperverletzung (§ 224, § 226 StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB), Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung (§ 177, § 178 StGB), Raubdelikte (§ 249 bis § 252, § 255, § 316a StGB), erpresserischer Menschenraub (§ 239a StGB), Angriff auf den See- und Luftverkehr sowie Geiselnahme (§ 239b StGB).[7][8]

Diese Definition berücksichtigt nur gravierende Gewaltstraftaten, nicht jedoch „einfache“ Körperverletzung (§ 223 StGB) und ähnliche Delikte, obwohl keinesfalls bestritten werden kann, dass diese Delikte mit Gewalt bzw. Aggression zu tun haben.

In Österreich und der Schweiz[9] gibt es keine statistische Erfassung der Gewaltkriminalität unter diesem Begriff.[10]

Phänomenologie

Für die Entstehung- und Erscheinungsformen von Gewaltkriminalität gibt es verschiedene Erklärungen bzw. Theorien. Gewaltfördernde Faktoren fand man in der Kriminologie in dem sozialen Umfeld (Gewalterfahrungen in der Familie, ungünstiges Wohnumfeld, schlechte Peer Group-Einflüsse), in der Gesellschaft (Leistungsdruck, schlechte Zukunftsperspektiven, Medieneinflüsse) und bei dem Betroffenen (fehlenden Frustrationstoleranz, Empathiedefizite) selbst. Das nicht nur kurzfristige Zusammentreffen von vielen sich gegenseitig beeinflussenden problematischen Faktoren ist nach vorherrschender Meinung besonders ungünstig.

Ausmaß der Gewaltkriminalität

Nachdem über Jahre die Zahl der registrierten Gewaltdelikte in Deutschland zunahm und im Jahr 2007 mit rund 218.000 Fällen einen Höhepunkt erreichte, ging sie seitdem stetig zurück. Im Jahr 2014 wurden rund 181.000 Fälle registriert.[11]

Die Polizeiliche Kriminalstatistik oder die Verurteiltenstatistik geben dabei nur das Hellfeld wieder. Die Gewaltforschung nutzt zusätzliche Methoden (z. B. empirische Täter- und Opferbefragungen), um weitere Aussagen zum Ausmaß der Gewaltkriminalität zu machen.

Weltweit sind die meisten Gewalttäter statistisch gesehen junge Männer, so das Forschungsergebnis Henry Urdals von der Harvard Kennedy School (für den untersuchten Zeitraum von 1950 bis 2000). Sobald 15-24-Jährige in einer Gesellschaft mehr als 35 Prozent der Erwachsenenbevölkerung ausmachen - wie es den Verhältnissen in den meisten Entwicklungsländern entspricht - steigt das Konfliktrisiko um 150 Prozent gegenüber einer Gesellschaft mit westeuropäischer Bevölkerungsverteilung.[12]

Dunkelfeldforschung zur Gewaltkriminalität

Laut Aussage des ersten Periodischen Sicherheitsberichts der Bundesregierung zum Dunkelfeld der Gewaltkriminalität (2001)[13]

  • werden nach Opferbefragungen etwa 1 bis 2 % der Bevölkerung im Laufe eines Jahres Opfer eines Raubdeliktes bzw. einer Körperverletzung.
  • weisen Großstädte im Vergleich zu ländlichen Regionen eine höhere Quote von Gewaltopfern auf. Die Unterschiede sind allerdings bei weitem nicht so ausgeprägt wie die, die sich aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ergeben, was auf eine geringere Anzeigebereitschaft der Opfer in ländlichen Gebieten zurückzuführen ist.
  • fällt die Anzeigebereitschaft der Opfer gegenüber fremden Tätern höher aus als gegenüber Bekannten oder gar Tätern aus dem Kreis der Familienangehörigen. Sie ist bei Raubtaten ausgeprägter als bei Körperverletzungen.
  • fehlen für eine exakte Analyse der Entwicklung des Anzeigeverhaltens in der Bundesrepublik derzeit die erforderlichen repräsentativen, landesweiten Längsschnittdaten. Die verfügbaren Informationen aus regional begrenzten Untersuchungen und Jugendstudien deuten jedoch darauf hin, dass die Anzeigebereitschaft wahrscheinlich zugenommen hat.

Literatur

  • Wilhelm Heitmeyer, John Hagan (Hrsg.): Internationales Handbuch der Gewaltforschung.Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002.
  • Programm polizeiliche Kriminalprävention (Hrsg.): Wege aus der Gewalt. 2002.
  • Michael Walter: Gewaltkriminalität. Erscheinungsformen - Entstehungsbedingungen - Antworten. Boorberg, Stuttgart 2006.
  • Günter Albrecht, Otto Backes, Wolfgang Kühnel (Hrsg.): Gewaltkriminalität zwischen Mythos und Realität. Suhrkamp, Frankfurt 2001, ISBN 978-3-518-12222-8.
  • A. Böttger, J. Liang: Was ist Gewalt? Vorschlag zur Begriffsdefinition und Unterscheidung verschiedener Formen. In: C. Pfeiffer, W. Greve (Hrsg.): Forschungsthema „Kriminalität“ – Festschrift für Heinz Barth (= Interdisziplinäre Beiträge zur kriminologischen Forschung. Bd. 6). Nomos, Baden-Baden 1996, S. 309-323.
  • W. Heinz: Kriminalität in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Jugend- und Gewaltkriminalität. 2005 (online).
  • W. Heinz: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882–2006. Berichtsjahr 2006, Version 1/2008 (online).
  • Thomas Naplava, Michael Walter: Entwicklung der Gewaltkriminalität: Reale Zunahme oder Aufhellung des Dunkelfeldes? In: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform. 86. Jg., Nr. 5, Köln 2006, 338-351.
  • G. Albrecht: Gewaltkriminalität zwischen Mythos und Realität. Frankfurt am Main 2001, S. 9-67.
  • G. Nunner-Winkler: Überlegungen zum Gewaltbegriff. In: W. Heitmeyer u. a. (Hrsg.): Gewalt. Entwicklung, Strukturen, Analyseprobleme. Frankfurt 2004, S. 21-61.

Weblinks

  • Klaus-Stephan von Danwitz, Kriminologisches Seminar der Universität Bonn: Gewaltkriminalität (2003)

Einzelnachweise

  1. Christoph Birkel, Helmut Thome: Die Entwicklung der Gewaltkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, England/Wales und Schweden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, S. 8, Der Hallesche Graureiher 2004-1, Institut für Soziologie, 2004, Online-Version
  2. Sandra Göke: Jugendgewalt in Deutschland, S. 3, Diplomica, Hamburg, 2010, ISBN 978-3-8366-9251-9
  3. Krimlex.de: Gewaltkriminalität abgerufen am 31. März 2015
  4. Duden.de: Gewaltkriminalität abgerufen am 31. März 2015
  5. Erster Periodischer Sicherheitsbericht, Bundesministerium des Innern, S. 41 Berlin, Juli 2001, (Online-Version, Teil 2)
  6. Gewalt und Kriminalität, Band 4, Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes Wiesbaden vom 17. bis 20. September 1985, Wiesbaden 1985, Online-Version (PDF), ISSN 0174-5441
  7. Polizeiliche Kriminalstatistik, Bundesrepublik Deutschland, 2004, S. 16.
  8. Krimlex.de Gewaltkriminalität (Gewaltbegriff) abgerufen am 1. April 2015
  9. Polizeilichen Kriminalstatistik Schweiz, Jahresbericht 2013, ISBN 321199467X.
  10. Martin Grassberger, Elisabeth E. Türk, Kathrin Yen: Klinisch-forensische Medizin: Interdisziplinärer Praxisleitfaden für Ärzte, Pflegekräfte, Juristen und Betreuer von Gewaltopfern, Definition. Springer, 2013, ISBN 978-3211994672, S. 17.
  11. Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik 2014, Seite 23 (pdf-Datei, 5,4 MB)
  12. Violence: Of men and mayhem, in: Special Report - The Young, January 23rd 2016, The Economist, January 23rd-29th 2016, 10-11.
  13. Deutsche Bundesregierung, Erster Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung, Deutschland, 2001, S. 69
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