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Geschichte der Juden in der Steiermark

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Seit 1147 ist jüdisches Dasein auf dem Boden der heutigen Steiermark überliefert. Diese Juden spielten vor allem als Händler eine wichtige Rolle für das Wachstum und die Entwicklung der steirischen Städte. Abgesehen von der jüdischen Gemeinde in Graz, welche heutzutage die größte Ansammlung von Juden in der Steiermark ausmacht, gab es noch Zahlreiche, wenn auch kleinere, Gemeinden, wie etwa in Judenburg, Marburg, Pettau, Bruck an der Mur, Cilli und Friedau. Zudem gab es Juden in Fürstenfeld, Hartberg, Murau, Neunkirchen, Bad Radkersburg, Bad Schwanberg und Voitsberg.[1]

Mittelalter, von der Ansiedlung bis zur Vertreibung

Erste Erwähnungen der Juden

Erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1147, man spricht von einer "villa ad judeos", ein Judendorf bei Straßengel, im Norden von Graz. Es entstand, als jüdische Kaufleute und Händler sich wegen der günstigen Lage zu Handelsrouten dort niederließen und somit ein Dorf bildeten.

Gemeinden und ihre Geschichte

Anfänge der Gemeinde in Graz

1261 wird die Grazer Judengasse genannt. Die erste Erwähnung eines Juden in Graz stammt aus einer Urkunde des Jahres 1302. Ein Dekan bestätigte die Schuld des Bischofs von Seckau bei einem Grazer Juden, für die der Bischof gebürgt hatte.

Graz blieb meist die bedeutendste jüdische Gemeinde in der Steiermark. So kam es zu einem Zuzug von Juden aus einem Judendorf nach Graz im Jahre 1160. Anschließend entstand südlich des heutigen Hauptplatzes ein jüdisches Wohnviertel. Auch eine Synagoge wurde zwischen den heutigen Häusern Herrengasse 26 (Thonethof) und Frauengasse 3 (Gasthof "Zur schiefen Laterne") gebaut und stand bis zum 15. Jahrhundert dort, heute liegt die Stadtpfarrkirche auf der ehemaligen Synagoge. Der älteste jüdische Grabstein aus dem Jahr 1304 bezeugt, dass Graz eine funktionierende Gemeinde mit einem eigenen Friedhof besaß. Der Friedhof wurde auch von Juden aus den umliegenden Städten benützt und lag nach jüdischem Brauch außerhalb der Wohngegend und der Stadtmauer, entweder im Gebiet des Jakominiplatzes oder des Joanneumrings.

Im 14. Jahrhundert war das Geldgeschäft für die Juden wie auch für die Grazer eine wichtige Einnahmequelle, denn es wurden Kreditgeschäfte der Grazer Adligen (unter anderem der Familie Stubenberg) mit der Unterstützung und der Hilfe der Juden in Graz und den umliegenden Gegenden durchgeführt. Es wird zum Beispiel von einer Verpfändung der Villacher Maut für 1040 Mark Silber zwischen dem Bischof von Bamberg Wulfing von Stubenberg und Grazer und Judenburger Juden berichtet. Trotzdem blieb das Geschäft auf regionaler Ebene konzentriert, nur wenige schafften es ins überregionale Geschäft zu kommen. Einer von ihnen war der Geschäftsmann Eisak, welcher auch in Wiener Neustadt ein Haus besaß und einen Sohn namens Herschl hatte.[2]

Die Gemeinde in Judenburg

Wappen der Stadt Judenburg. Zu Sehen ist ein Jude mit einem Judenhut

Obgleich sie kleiner war, besaß die judenburger Judengemeinde auch eine Synagoge, unweit der Liechtenstein-/Kirchgasse und einen eigenen Friedhof, der südlich der Stadt nahe dem Schlosse Weyer lag[3]. Auch Judenburg wurde wahrscheinlich von jüdischen Kaufleuten gegründet, da sie dort einen Handelsposten gründeten. Der früheste Beleg für Juden in Judenburg ist ein Eintrag aus einem Formularbuch aus dem Jahr 1290. Der erste namentlich bekannte Jude, Süßman, erscheint in einer Urkunde von 1305, indem er die Schulden vom Stift Seckau nichtig machte. Interessanterweise wird in der Urkunde von einem Richter namens „Ortlein Cholb“ berichtet, ob er Stadtrichter oder doch ein Judenrichter (ausgewählte Person aus der Gemeinde, die sich um juristische Angelegenheiten kümmerte) war, ist ungewiss. 1306 treten als Gläubiger von Wulfing von Stubenberg , den Bischof von Bamberg, ein Jude namens Süßlein (vielleicht derselbe Süßman) und sein Bruder Avigdor auf.
Aus Judenburg kamen bedeutende Geschäftsleute, sie vergaben wichtige Summen von Darlehen und wurde häufig von Adligen aufgesucht. Zu den wichtigsten gehörten Häslein von Friesach, der von 1351 bis 1359 in Judenburg tätig war. Mit seiner wichtigen Geschäftstätigkeit bekam er, nachdem er in das von den Liechtensteiner im Besitz stehende Murau zog, von den Liechtensteinern ein Privileg für sich und seine Familie. Er durfte sich niederlassen, seine Religion ausüben und stand unter dem Schutz des Adelgeschlechts. Doch Häslein kam zurück nach Judenburg und erhielt 1357 ein Sonderprivileg vom steirischen Landeshauptmann. Er durfte sich in jeder beliebigen landesfürstlichen Stadt niederlassen und sonst deckte sich das Privilegium inhaltlich mit dem der Liechtensteiner. Solche Privilegien zeugen von der Wichtigkeit dieser Juden für die Herrscher. Doch seine Lage änderte sich, als Herzog Rudolf IV. 1359 die meisten Schulden töten ließ und Häselein wirtschaftlich schwächte. Der Herzog tat dies, da das Privileg nicht mehr gültig war, Häselein aber trotzdem ohne Erlaubnis nach Friesach umsiedelte.

Ein weiterer wichtiger Geschäftsmann war, ein gewisser Höschel, der in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aktiv war. Er besaß eine Liegenschaft in Wien und hatte einen Sohn, Nachman, der später noch weiter an wirtschaftlicher Wichtigkeit gewann[4].

Juden in Voitsberg

Im westlich von Graz gelegenen Voitsberg lebten nachweislich ab 1358 jüdische Familien, deren Zahl etwa 20 in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts erreichte. Die einzig bekannten Einnahmequellen dieser Familien waren zumeist der Geldhandel mit den Bewohnern und Bauern der umliegenden Region. 1497 waren auch sie vom Vertreibungsbefehl für alle Juden der Steiermark betroffen[5].

Juden in Wolfsberg

In Wolfsberg sollen bis zum 19 August 1338 Juden gelebt haben, jedoch wurden sie unter dem Vorwurf einer angeblichen Hostienschändung vertrieben oder getötet. Eine alte Sage behauptet, dass 70 Juden als Folge der Ausschreitungen den Tod fanden. Ob in den folgenden Jahrhunderten erneut jüdische Familien in der Stadt ansässig waren, ist unbekannt.[6]

Die Gemeinde in Neunkirchen

Obwohl sie im heutigen Niederösterreich liegt, war sie im Mittelalter ein Teil der Steiermark. Wann genau die ersten jüdischen Familien nach Neunkirchen kamen, ist unbekannt, wahrscheinlich waren es wieder Händler, die sich durch den Fernverkehrsweg über den Simmering in Neunkrichen niederließen. Der erste Nachweis von Juden in Neunkirchen ist im Dienstbuch des Klosters Formbach enthalten. Die Nennung datiert von 1343 und erwähnt vier jüdische Familien, sie hießen Azrahel, Efferlin, Judlin und Merchel.

In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde dann in Neunkirchen eine Synagoge errichtet. Die Gemeinde schien andauernd von 1380 bis 1482 zu existieren, da während dieser Zeit Überlieferungen von Judenrichter belegt sind. Aus einer Schenkung Maximilian I. an die Hieronymusbruderschaft im Jahre 1504, lässt sich die Synagoge und das Judenviertel lokalisieren. Denn der Landesfürst erlaubte der Bruderschaft, eine Kirche anstelle der Synagoge, zu errichten, dort entstand die Simoni-Kirche[7].

In diesem Bereich, um der Synagoge, werden auch verschiedene jüdische Gemeindehäuser genannt. Zur genaueren Eingrenzung des Judenviertels wird eine Urkunde aus dem Jahre 1493 verwendet. Demnach befand sich die Judengasse bei der Marktmühle, also die heutigen Mühlgasse. 1481 kam es zu einem Zuzug jüdischer Familien aus Marburg und Radkersburg.

Die Neunkirchner Synagoge war wie eine typische Synagoge des Mittelalters gebaut. Man musste ein paar Stufen hinabsteigen um in das Gotteshaus zu gelangen, welches aus Stein gebaut war. Sie orientierte sich nach Südosten, dies entspricht einer Ausrichtung nach Jerusalem. Sie verfügte wohl eine Bima und einen Toraschrein. Es gab auch eine Mikwe, ein Ritualbad, in dem rituell unreine Personen oder Gegenstände durch Untertauchen einen reinen Zustand erlangen können. Wahrscheinlich wurde der in weniger als fünf Metern Entfernung an der Synagoge vorbeifließende Südarm der Schwarza für das Ritualbad verwendet [8].

1496 mussten die Neunkirchner Juden die Stadt verlassen. Alle Neunkirchner Juden dürften spätestens um 1500 die Stadt verlassen haben, denn im Jahre 1504 beklagt sich Abt Rumpler von Formbach, dass seine Einnahmen, als die Juden noch in Neunkirchen waren, höher waren.

Die Gemeinde in Marburg

Diese in der Südsteiermark (heute Teil von Slowenien) gelegene Gemeinde, bezeugt durch Zahlreiche Persönlichkeiten und Gebäude, von einer wichtigen jüdischen Gemeinde in der Region. Die erste Erwähnung ist aus dem Jahr 1270, es handelte sich um eine Urkunde, die den Kauf von Weingärten durch Juden bestätigte. 1333 ist ein Judenrichter in Marburg nachzuweisen und es werden 1367 ein Friedhof und 1429 erstmals eine Synagoge erwähnt, welche das religiöse und kulturelle Zentrum der Gemeinde bildete, sie wurde nach der Vertreibung der Juden, im Jahre 1501 in eine Allerheiligenkapelle umgebaut. Der erste bekannte Rabbi Marburgs, Abraham, war bereits Jahre vor seinem Tode (1379) hier tätig, so gab es wahrscheinlich schon davor ein Gotteshaus. Bei der Synagoge handelte sich um ein schlichtes Gebäude und es war auch kurz der Sitz des hohen Rabbinats für Steiermark, Kärnten und Krain. Neben der Synagoge stand das Haus des Rabbiners und eine Talmudschule. An der östlichen Seite befand sich ein Garten mit dem Friedhof und am Brunnen unterhalb der Synagoge, neben der Drau, fanden die rituellen Waschungen statt. Auch in Marburg verdienten die meisten Juden ihren Lebensunterhalt durch das Geldgeschäft, zu denen Weingärten zu häufig verwendeten Pfand galten. Manche waren auch im Weinhandel tätig. Isserl war ein Geschäftsmann der bis zu seinem Tod, Anfang der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in Marburg lebte. Was ihn von den anderen jüdischen Geldverleihern unterschied, waren seine Schuldner und die Summe seiner Darlehen, denn er lieh an eine Reihe wichtiger Adeliger wie zum Beispiel die Schenken von Osterwitz, die Adeligen von Wallsee und Auffenstein und die Grafen von Görz. Als er verstarb, übernahm sein Enkel Musch die Geschäfte und brachte es zu noch wichtigeren Adeligen wie die Grafen von Cilli. Er war von solcher Wichtigkeit für die Adeligen, dass er ein Privileg von Graf Meinhard VII. von Görz erhielt und er von Marburg nach Görz wegen eben diesem Privileg siedelte und, obwohl sein ganzes Vermögen wegen dem unerlaubten Wegreisen konfisziert wurde, für seine Rückkehr ein Versprechen von den Herzögen Albrecht III. und Leopold III. erhielt, dass er sein Vermögen zurück bekäme, falls er sich wieder nach Marburg begäbe.

Die relativ große jüdische Gemeinde trug auch dazu bei, dass Marburg sich zu einem Handels- und Finanzzentrum der Region entwickelte, denn es war den jüdischen Kaufleuten zu verdanken, dass die Stadt über wichtige Wirtschafts- und Handelsbeziehungen verfügte. In der Regierungszeit Maximilians I. wurde der Druck auf die Juden immer größer und nach ihrer gesetzlich befohlenen Vertreibung aus Kärnten mussten 1497 auch die jüdischen Familien aus der Steiermark ihre Wohngebiete verlassen, was ein schwerer Schlag für die Wirtschaft Marburgs war.[9][10][11]

Heute wird die ehemalige Synagoge von Maribor für kulturelle Zwecke benützt, es werden Veranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen, Literaturabende und Rundtischgespräche abgehalten.

Anschwellen der Judenfeindlichkeit und Vertreibung

Der Präsenz der Juden wurde durch die Bevölkerung meist als unerwünscht gesehen. Bevor es zu Ausschreitungen gegen Juden oder Ausweisungen kam, wurden Juden meist des Hostienfrevels oder dem begehen von Ritualmorden beschuldigt. Es kam also im Jahre 1312 zu einer angeblichen Hostienschändung durch Fürstenfelder Juden, worauf Juden in der Steiermark und in Kärnten Verfolgungen zum Opfer fielen. Johann von Diessenhofen erwähnt in seiner Chronik neben den Verfolgungen in ganz Österreich auch welche in der Steiermark, die Wiener Annalen erwähnen Ausschreitungen aus dem Jahr 1397. Als Folge der Pogrome kam es in den Städten Graz, Radkersburg und Pettau zu Bränden.

Die Stände der Grazer Stadt brachten Herzog Friedrich V. zur Vertreibung der Grazer Juden im Jahr 1437/38 , worauf der Herzog Eigentümer konfiszierte und verkaufte und das jüdische Wohnviertel auflöste.[12] Zudem wurde eine Judensperre auf Graz verlegt die bis 1447 anhielt. Danach kam es zu einem zweiten Zuzug von Juden und ihr Dasein in Graz bestand, bis alle Juden aus der Steiermark durch Maximilian I. 1497 auf immerwährende Zeit Ausgewiesen wurden.[13] Maximilian I. begründete dies so: „die Jüdischheit dem heiligen Sakrament zu vielen Malen schwere Unehre gezeigt, und dass sie auch junge christliche Kinder gemartert, getötet, vertilgt, ihr Blut genommen und zu ihrem verstockten verderblichen Wesen gebraucht (...) Damit fortan solch Übel nicht mehr geschehe, (haben Wir) unsere Jüdischkeit aus unserem Lande Steyr in ewige Zeit beurlaubt[14]. Es wird angenommen, dass der Landesfürst für die Abwehr der einfallenden Türken Geld von den steirischen Ständen brauchte und diese als eine Art Gegenleistung die Ausweisung der Juden aus der Steiermark forderten. Ab 1509 waren nur noch die landesfürstlichen Städte Güns,Eisenstadt und Marchegg für Juden erlaubte Aufenthaltsorte.

Einzelnachweise

  1. Eveline Brugger: Geschichte der Juden in Österreich. Überreuter, Österreich, ISBN 978-3-8000-7159-3, S. 180.
  2. Zeittafel zur Geschichte der Juden in der Steiermark. Abgerufen am 7. April 2020.
  3. Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Abgerufen am 7. April 2020.
  4. Eveline Brugger: Geschichte der Juden in Österreich. Überreuters, Österreich, ISBN 978-3-8000-7159-3, S. 181-182.
  5. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Abgerufen am 7. April 2020.
  6. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Abgerufen am 7. April 2020.
  7. Maimon, Arye / Breuer, Mordechai / Guggenheim, Yacov: Germania Judaica: Band III: 1350-1519.. 3, ISBN 3161478592, S. 952.
  8. Wolfgang HAIDER-BERKY: DIE MITTELALTERLICHE JUDENGEMEINDE VON NEUNKIRCHEN UND IHRE SYNAGOGE. Abgerufen am 8. April 2020.
  9. Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Abgerufen am 7. April 2020.
  10. Die Synagoge in Maribor. Abgerufen am 7. April 2020.
  11. Eveline Brugger: Geschichte der Juden in Österreich. Überreuter, Österreich, ISBN 978-3-8000-7159-3, S. 182-183.
  12. Eveline Brugger: Geschichte der Juden in Österreich. Überreuter, Österreich, ISBN 978-3-8000-7159-3, S. 180-181.
  13. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Graz bis 1938. Abgerufen am 7. April 2020.
  14. Gerald Lamprecht: Jüdisches Leben in der Steiermark. Studien Verlag, 2004, ISBN 370-65-1794-9, S. 127.
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