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Geschichte der Juden in Mattersdorf (Burgenland)

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Karte von 1798, welche die Judenstadt (links) Mattersdorf zeigt

Im Dorf Mattersdorf (1924 offiziell in Mattersburg umbenannt), welches im österreichischen Burgenland gelegen ist, lebten vom Anfang des 16. Jahrhundert bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung durch die Nazis im Jahr 1938 viele Menschen jüdischen Glaubens. Um das Jahr 1845 betrug der Anteil der Juden mit circa 1.400 Personen rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung des Ortes. Mattersburg zählte zu den am stärksten vom orthodoxen Judentum geprägten Gemeinden des Burgenlandes.

Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhundert

Ob bereits im Spätmittelalter Juden in Mattersdorf gelebt haben, ist nicht eindeutig abklärbar. Die auf einer Tafel an der Front der Synagoge von Matterdorf angegebene Zahl 5144 verweist nach Max Grunwald auf das Jahr 1353 oder 1354 als Jahr der Errichtung des Gebäudes. [1] Die Zahl kann aber auch als 5310 gelesen werden, was dem Jahr 1550 entsprechen würde. [2] Für 1438 wird zwar ein in Mattersburg wohnhafter Jude namens Kysaan mit seiner Frau Mendel urkundlich als Gläubiger der Grafen von Forchtenstein genannt, doch kann aus dieser vereinzelten Nennung nicht auf den Bestand einer jüdischen Gemeinde bereits zu dieser Zeit geschlossen werden. [3]

Der Legende nach seien für die Gründung der jüdischen Gemeinde Matterdorf zum Ende des 15. Jahrhunderts sechs sephardische, aus Spanien geflohene Brüder verantwortlich gewesen. Ab 1526 entstand auf dem zum herrschaftlichen Meierhof gehörigen herrschaftlichen Gelände die Siedlung der Juden. [4]

Um 1570 wurden die jüdischen Familien kurzzeitig aus Mattersdorf vertrieben. Sie gingen überwiegend in südmährische Gemeinden, durften aber bald wieder zurückkehren. Für das Jahr 1588 werden sie bereits wieder urkundlich erwähnt. [5] Fortan waren ihnen aber hohe Steuerabgaben auferlegt. 1589 lebten in Mattersdorf 67 Juden in neun Häusern. [6]

Die Jahre 1600 bis 1900

Im Jahr 1619 sollten auch die Juden von Mattersdorf eine "freiwillige" Kriegsbeisteuer leisten. Daraufhin wendeten sie sich an Erzherzog Leopold V., den damaligen Bischof von Straßburg und Passau, und erklärten ihm, dass es ihnen nicht möglich sei, diesen Beitrag zu leisten. Dabei verwiesen sie darauf, dass es den Juden Wiens wirtschaftlich viel bessr gehe und diese im Gegensatz zu den Juden von Mattersdorf vom Kriegsdienst befreit seien. [7] 1622 fiel Mattersdorf an das Fürstenhaus Esterházy und die Lebensbedingungen der lebenden Juden verbesserten sich erheblich: Ein Privileg von 1648 gegen hohe Abgaben und Schutzgelder dauerhaftes Wohnrecht, Schutz und Handelsfreiheit zu. Hierin heißt erklärt der Fürst u.a.:

"Versprechen und geloben Wir obbesagter Mattersdorfer Judengemeinde hiemit auf das feierlichste, dass Wir dieselbe, und alle derselben einverleibte Partheien auch weiterhin in Usnerm Schutz und Protektion gnädigst erhalten wollen, und verleihen zugleich denenselben hiemit die Freiheit, womit sie nicht nur auf besagt Unsern Mattersdorfer Grund, sondern auch in allen Unsern übrigen Herrschaften und Ortschaften mit allerlei Handl, es möge derselben Namen haben wie er wolle, als mit Ellen, Gewicht, Masse und Scheer, insoweit nämlich ihnen die Ausübung sothanes Handels bishero zugelassen worden, auch künftig ihr Rortkommen und Unterhalt, jedoch ohne Nachtheil der Herrschaft ungestört mögen suchen können." [8]

Diese den Juden gewährten Rechte führten wiederum zum Unmut vieler christlicher Einwohner, welcher zusammen mit dem katholischen Klerus eine antijüdische Stimmung erzeugte. 1661 traf eine Pestepidemie auch die jüdischen Einwohner von Mattersdorf. [9] 1669 gab es in Mattersdorf dann 30 jüdische Haushalte. [10] 1671 erlässt Kaiser Leopold I. einen Ausweisungsbefehl: Alle Juden verlassen den Ort und Christen bemächtigen sich ihrer Häuser. Nach wenigen Jahren dürfen die Juden allerdings wieder zurückkehren und können ihre Häuser zurückkaufen. Paul Esterházy stellt den Juden 1694 erneut einen Schutzbrief aus, der von den nachfolgenden Fürsten bestätigt wird.

Für das Jahr 1735 wird die Zahl der Juden in Mattersdorf mit 376, [11] und für 1785 mit 767 Personen angegeben. [12] Im Jahr 1744 gehörten 44% der Juden von Mattersdorf Handelsberufen (Handel mit Pferden, Fellen, Bändern, Tüchern und anderen Waren) an, 22% arbeiteten in der gewerblichen Produktion bzw. dem Handwerk (belegt sind u.a. Schneider, Branntweinbrenner, Fleischhacker und Bierbrauer), 21% übten Dienstleistungsberufe (belegt sind u.a. Brief- und Dienstboten, Bierschenker und Spielmänner) aus und 13% waren in Bildungsberufen, also als Schreiber oder Schulmeister beschäftigt. [13]

Von 1900 bis zur Gegenwart

Wissenschaftliche Erforschung

Bekannte mit Mattersdorf vebundene jüdische Personen

Literatur

  • Max Grunwald: Mattersdorf; in Jahrbuch für jüdische Volkskunde, Verlag Benjamin Harz, 1925, Seite 438 bis 485
  • Kurt Schubert: Die Geschichte des österreichischen Judentums, Böhlau Verlag, Wien, 2008, Seite 101 und 102
  • Fritz Peter Hodik: Beiträge zur Geschichte der Mattersdorfer Judengemeinde im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Amt der Burgenländischen Landesregierung, Landesarchiv, 1976
  • Philip V. Bohlman: Jüdische Volksmusik - eine Mitteleuropäische Geistesgeschichte, Böhlau Verlag, Wien, 2005, Seite 129 bis 142

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Max Grunwald: Mattersdorf; in Max Grunwald (Hrsg.) Jahrbuch für Jüdische Volkskunde 1924/1925, Verlag Benjamin Harz, Berlin/Wien, S. 405
  2. Mittelalterliche jüdische Gemeinde in Mattersdorf?; auf Koschere Melange - Das Blog des Österreichischen Jüdischen Museums
  3. Rudolf Kropf: Juden im Grenzraum - Geschichte, Kultur und Lebenswelt der Juden im Burgenländisch-Westungarischen Raum und in den angrenzenden Regionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Burgenländisches Landesmuseum, 1993, S. 72
  4. Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum - Mattersdorf - Mattersburg (Burgenland/Österreich) auf www.jüdische-gemeinden.de
  5. Michael Martischnig: Vereine als Träger von Volkskultur in der Gegenwart am Beispiel Mattersburg, Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1982, S. 62
  6. Anna Mayer-Benedek: Jüdisches Mattersburg - Leben und Vertreibung jüdischer Mitbürger, 2013
  7. Gerson Wolf: Geschichte der Juden in Wien (1156 - 1876), Verlag Alfred Hölder, Wien, 1876, S. 43
  8. zitiert nach Max Grunwald: Mattersdorf; in Max Grunwald (Hrsg.) Jahrbuch für Jüdische Volkskunde 1924/1925, Verlag Benjamin Harz, Berlin/Wien, S. 559
  9. Fritz Peter Hodik: Beiträge zur Geschichte der Mattersdorfer Judengemeinde im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Amt der Burgenländischen Landesregierung, 1976, S. 15
  10. Anna Mayer-Benedek: Jüdisches Mattersburg - Leben und Vertreibung jüdischer Mitbürger, 2013
  11. Michael Martischnig: Vereine als Träger von Volkskultur in der Gegenwart am Beispiel Mattersburg, Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1982, S. 62
  12. Hugo Gold (Hrg.): Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes, S. 134
  13. Seite des Österreichischen Jüdischen Museums auf www.ojm.at
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