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Gertrud Feiertag

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Gertrud Feiertag (geb. 4. Juli 1890 in Berlin; gest. Mai 1943 im KZ Auschwitz) war eine deutsche Reformpädagogin und Gründerin des Jüdischen Kinder- und Landschulheims Caputh.

Leben

Sie wuchs zusammen mit ihren drei Geschwistern in einer gutsituierten assimilierten jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Am renommierten Pestalozzi-Fröbel-Haus absolvierte sie die Kindergärtnerinnen- sowie Jugendleiterinnenausbildung. 1909 übernahm Gertrud Freitag die Leitung des Jüdischen Erholungsheimes der Magdeburger Zionsloge auf Norderney, die sie viele Jahre innehatte.

Mit finanzieller Unterstützung ihres Bruders kaufte sie in Caputh eine Villa, umgeben von einem großen Grundstück mit altem Baumbestand. Dort eröffnete die Pädagogin offiziell am 1. Mai 1931 ihr Jüdisches Landschulheim Caputh, das sie nach den Prinzipien der Reformpädagogik leitete. Schulischer Leiter war von 1932 bis 1936 Fridolin Friedmann und ab 1937 bis zur Schließung Ernst Ising[1] In der Presse wurde immer wieder positiv von der Einrichtung berichtet, die bewusst von einer jüdischen Haltung getragen wurde:

„Im Mittelpunkt der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit steht die E r z i e h u n g zum J ü d i s c h e n, das alle Fächer zu durchsetzen vermag. Naturgemäß wird besondere Aufmerksamkeit den eigentlich jüdischen Gegenständen gewidmet: der jüdischen Geschichte, die in Verbindung mit der allgemeinen Weltgeschichte gelehrt wird, dem Hebräischen, dem vier Wochenstunden gewidmet sind, der Palästinakunde, die die Verbindung mit allgemeiner Geographie steht, und der jüdischen Gegenwartskunde, der besonders der regelmäßige Oneg Schabbat gewidmet ist. Die allgemeinen Fächer enthalten als Fremdsprachen Englisch und Französisch“.[2]

Großer Wert wurde auf die schöngeistige Bildung gelegt: Zeichnen, Basteln, Gedichte deklamieren, Aufführungen von Musik- und Theaterstücken (in englischer und französischer Sprache) sowie viele Naturerfahrungen in und um Caputh. Eine ehemalige Schülerin erinnerte sich :

„Und dann das Interesse an der Kultur, die Musik! Den 'Freischütz' haben wir aufgeführt und den 'David Copperfield'. Unser Musiklehrer hat uns die 'Kleine Nachtmusik' von Mozart vorgespielt, und wenn ich heute im Theater 'Wie es euch gefällt' sehe, dann sehe ich Rosalind und Orlando im Wald von Caputh, denn dort habe ich als kleines Mädchen Gertrud Feiertag zugehört, wie sie Shakespeare vorgelesen hat“.[3]

Beim Pogrom von 9. auf den 10. November 1938 wurde das Landschulheim überfallen. Die Heimbewohner wurden aufgefordert, sofort die Villa zu verlassen. Mutig stellte sich Feiertag den Nazi-Schergen entgegen, erstattete Anzeige und verlangte mehr Zeit und Gelegenheit, da man sich um die erschrockenen und kranken Kinder besonders kümmern musste.

Nach der Vernichtung des Landerziehungsheimes arbeitete Feiertag in Berlin. Dort unterstützte sie jüdische Hilfsorganisationen und sorgte sich vor allem um die die Unterbringung elternloser jüdischer Kinder ins rettende Ausland. In diesem Zusammenhang begleitete sie persönlich Kindertransporte nach England. Dabei hätte sich für sie durchaus eine günstige Gelegenheit ergeben, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Aber Feiertag lehnte eine Flucht ab, da sie sich zutiefst ihrer humanitären Aufgabe verpflichtet fühlte[4].

Gertrud Feiertag wurde am 17. Mai 1943 mit dem 38. Osttransport des Reichssicherheitshauptamtes nach Auschwitz deportiert und dort kurz darauf in einer der Gaskammern ermordet.

Ehrungen

Heute ist im ehemaligen Jüdischen Kinder- und Landschulheim ein Kinderheim untergebracht, das 1986 nach Anne Frank benannt wurde. Im November 2008 erfolgte eine Umbenennung der sozialen Einrichtung, die nun den Namen Gertrud Feiertag trägt. Ferner wurde in Caputh eine Straße nach ihr benannt und 2009 in der Potsdamer Straße ein Stolperstein zur Erinnerung an die Reformpädagogin eingelassen.

Literatur

  • Manfred Berger: Gertrud Feiertag. Eine Wegbereiterin der modernen Erlebnispädagogik, Lüneburg 2003
  • Rosemarie Braun: Gertrud Feiertag und ihr "Jüdisches Kinder-Landschulheim in Caputh". Ein vergessenes Kapitel reformpädagogischer (jüdischer) Schulgeschichte von 1931-1938, Köln 2002 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
  • Hildegard Feidel-Mertz/Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies. Das Jüdische Kinder-Landschulheim Caputh (1931-1939), Frankfurt/Main 1994
  • Inge Hansen-Schaberg/Christian Ritzi: Wege von Pädagoginnen vor und nach 1933, Baltmannsweiler 2004, S. 21-31
  • Hugo Maier (Hrsg:) Who is who der Sozialen Arbeit, Freiburg im Breisgau : Lambertus 1998 ISBN 3-7841-1036-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hildegard Feidel-Mertz; Andreas Paetz: Ein verlorenes Paradies, 1994, S. 21
  2. Zit. n. Berger 2003, S. 47.
  3. Zit. n. Berger 2003, S. 22.
  4. vgl. Braun 2002, S. 167
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