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Gerichtshof der Europäischen Union

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Dieser Artikel behandelt das gesamte Gerichtssystem der Europäischen Union, dessen amtliche Bezeichnung Gerichtshof der Europäischen Union lautet. Es darf nicht mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH oder amtlich auch nur Gerichtshof) verwechselt werden, der die oberste Instanz dieses Gerichtssystems ist.
Emblem des Gerichtshofs der Europäischen Union
Sitz des Gerichtshofs der Europäischen Union

Der Gerichtshof der Europäischen Union (CVRIA) ist eines der sieben Organe der Europäischen Union (Art. 19 EU-Vertrag). Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird das gesamte Gerichtssystem der EU als Gerichtshof der Europäischen Union bezeichnet.

Das Gerichtssystem der Europäischen Union besteht aus folgenden eigenständigen Gerichten:

Bisher einziges Fachgericht war bis September 2016 das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union.

Entwicklung und Struktur

Der Europäische Gerichtshof wurde in der Montanunion 1952 mit zunächst sehr beschränkten Kompetenzen eingeführt und nahm 1953 den Betrieb auf. Er ist mit je einem Richter aus jedem Mitgliedsstaat besetzt, in der EU28 hat er also 28 Richter. Ihnen arbeiten neun Generalanwälte zu, die Entscheidungen vorbereiten. 1989 wurde das Gericht erster Instanz eingerichtet, das heute Gericht der Europäischen Union heißt. Es hat ebenfalls einen Richter pro Mitgliedsstaat, jedoch keine Generalanwälte.

2005 wurde zudem als erstes Fachgericht das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union aufgebaut, das sich nur mit dienstrechtlichen Verfahren zwischen Mitarbeitern der Europäischen Union und der Union befasst. Es hat sieben Mitglieder und erfordert somit ein Rotationsprinzip zwischen den Mitgliedsstaaten, das gelegentlich zu Problemen führt. Ab Oktober 2014 blieben zwei Stellen unbesetzt, weil sich die Staaten nicht einigen konnten (Stand Juni 2015).

Alle Instanzen und Gerichte zusammen entschieden seit der Gründung rund 28.000 Verfahren (Stand: Ende 2014).[1]

Aufgaben

Die Hauptaufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union (also des gesamten Gerichtssystems) ist nach Art. 19 EU-Vertrag die „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“. An dieser Aufgabe wirken auch die EU-Mitgliedstaaten mit, da sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die notwendigen Rechtsbehelfe schaffen müssen, sodass die Bürger ihre Rechte, die sich aus dem EU-Recht ergeben, vor den nationalen Gerichten durchsetzen können.

Vertragsverletzungsverfahren

Das Vertragsverletzungsverfahren ist in den Art. 258 bis 260 AEUV geregelt. Nach diesem Verfahren können sowohl die EU-Kommission (sog. Aufsichtsklage, Art. 258) als auch die Mitgliedstaaten (sog. Staatenklage, Art. 259) Verstöße eines Mitgliedstaates gegen das EU-Recht geltend machen.

Die von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren spielen eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung der Union (bzw. früher der Gemeinschaftsrechtsordnung). Die Kommission ist als Hüterin der Verträge grundsätzlich verpflichtet, gegen objektive Verletzungen des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten einzuschreiten. Bei drohender oder bereits eingetretener Vertragsverletzung muss die Kommission nicht sofort das Verfahren einleiten, sondern kann zunächst versuchen, auf dem Verhandlungsweg eine gütliche Einigung zu erzielen. Das Verfahren selbst ist in ein Vorverfahren und ein gerichtliches Verfahren unterteilt:

  • Im Vorverfahren kann die Kommission im Rahmen der Aufsichtsklage ein Mahnschreiben und eine sich anschließende begründete Stellungnahme an den jeweiligen Mitgliedstaat richten. Gegen diese kann sich der Mitgliedstaat wiederum verteidigen oder die Vertragsverletzung beseitigen. Bei der Staatenklage muss der klagende Mitgliedstaat nach Art. 259 AEUV die Kommission befassen. Diese gibt dann vor Erlass ihrer begründeten Stellungnahme den beteiligten Mitgliedstaaten Gelegenheit zur Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.
  • Das gerichtliche Verfahren wird durch Klage eingeleitet. Diese kann eingebracht werden, wenn der Mitgliedstaat der begründeten Stellungnahme der Kommission nicht nachkommt. Anschließend entscheidet der EuGH über die Frage, ob der Mitgliedstaat gegen die EU-Verträge verstößt und welche Maßnahmen er ergreifen muss, um die Vertragsverletzung zu beseitigen (Art. 260 Abs. 1 AEUV).

Das außergerichtliche Vorverfahren ist also grundsätzlich Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung beim Europäischen Gerichtshof. Es dient der weiteren Aufklärung des Sachverhalts und der förmlichen Anhörung des Mitgliedstaates. Vorverfahren und gerichtliches Verfahren müssen denselben Streitgegenstand haben, so dass schon das Mahnschreiben den Gegenstand des eventuellen künftigen Verfahrens endgültig eingrenzt.

Nach Einbringung der Klage entscheidet der Europäische Gerichtshof durch Urteil, ob der Mitgliedstaat gegen das EU-Recht verstoßen hat. Bejaht der Gerichtshof diese Frage, hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben. Hat daraufhin nach Auffassung der Kommission der Mitgliedstaat die nach dem EuGH-Urteil erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen, fordert sie ihn zur Abgabe einer Stellungnahme auf. Folgt der Mitgliedstaat dem Urteil nach Meinung der Kommission auch weiterhin nicht, so gibt sie diesem gegenüber erneut eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie aufführt, in welchen Punkten der Mitgliedstaat dem Urteil des EuGH nicht nachkommt, und setzt eine Frist zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen. Kommt der Mitgliedstaat auch dieser Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, so kann die Kommission den Fall erneut dem EuGH vorlegen, der eine Strafe in Form eines Buß- und/ oder Zwangsgeldes verhängen kann, das ihm im Einzelfall angemessen erscheint (Art. 260 AEUV, sog. zweites Vertragsverletzungsverfahren).[2]

Vorabentscheidungsverfahren

Durch ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEU-Vertrag soll die Wahrung der einheitlichen Anwendung und Geltung des EU-Rechts sichergestellt werden. Nationale Gerichte können dabei Vorfragen über die Auslegung des EU-Rechts oder die Gültigkeit des Sekundärrechts dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Entscheidet das nationale Gericht in letzter Instanz, so ist es zur Vorlage verpflichtet. Die Frage muss von entscheidungserheblicher Bedeutung sein, also Auswirkungen auf den Tenor haben. Die Vorlageverpflichtung kann entfallen, wenn die Frage im Sinne der Acte-clair-Theorie bereits eine gesicherte Rechtsprechung durch den EuGH erfahren hat. Sofern ein nationales Gericht die Vorlagepflicht verletzt, kann dies eine Rechtsverweigerung darstellen. In der Bundesrepublik Deutschland kann eine Verletzung des Justizgewährungsanspruches (Justizgrundrecht) nach Art. 101 GG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden.

Nichtigkeitsklage

Die Nichtigkeitsklage nach den Art. 263 und Art. 264 AEUV dient der Rechtskontrolle der Tätigkeit der Organe sowie der sonstigen Einrichtungen (z. B. Agenturen) der Europäischen Union. Mitgliedstaaten, Organe der Europäischen Union sowie natürliche und juristische Personen können Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Handlungen erheben. Natürliche und juristische Personen, die nicht gleichzeitig Organe der Europäischen Union sind, müssen gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch die klagegegenständliche Handlung darlegen, um klagebefugt zu sein (sog. nicht-privilegierte Kläger). Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission trifft als sog. privilegierte Kläger das Erfordernis der Klagebefugnis nicht, Art. 263 Abs. 2 AEUV. Für sie gilt die unwiderlegliche Vermutung, dass sie im Interesse der Wahrung des Rechts auftreten. Die Klage ist gemäß Art. 263 Abs. 6 AEU-Vertrag innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erheben. Gemäß Art. 256 AEU-Vertrag entscheidet in der Regel das Europäische Gericht in erster und der Europäische Gerichtshof in zweiter Instanz.

Nach französischen Vorbild sind nur bestimmte abschließend aufgezählte Nichtigkeitsgründe („cas d’ouverture“) zugelassen (Art. 263 Abs. 2 AEU-Vertrag): Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Vertragsverletzung oder Verstoß gegen eine sonstige Rechtsquelle der Union und Ermessensmissbrauch. Der Kläger muss sich zwar nicht ausdrücklich auf einen dieser Klagegründe berufen, seine Klageschrift muss aber den behaupteten Mangel mit Tatsachen belegen und den Anfechtungsgrund zumindest „erkennen lassen“.

Für Nichtigkeitsklagen, die gegen eine nicht zu den Organen zählende Einrichtung der Europäischen Union gerichtet sind, kann in der Satzung der Einrichtung ein Vorverfahren vorgesehen werden (wie die Verpflichtung, vor einer Klage die Europäische Kommission mit der Angelegenheit zu befassen).

Untätigkeitsklage

Durch eine Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEU-Vertrag kann festgestellt werden, dass es Europäischer Rat, Rat, Kommission, Parlament, Europäische Zentralbank oder eine nicht zu den Organen gehörende Einrichtung der Europäischen Union (z. B. Agenturen) unterlassen haben, einen bestimmten Rechtsakt zu erlassen. Klageberechtigt sind die Mitgliedstaaten, die Organe der Europäischen Union und unter bestimmten Voraussetzungen auch Individualpersonen. Gemäß Art. 256 AEU-Vertrag entscheidet in der Regel das Europäische Gericht in erster und der Europäische Gerichtshof in zweiter Instanz.

Amtshaftungs- bzw. Schadenersatzklage

Mit einer Amtshaftungs- bzw. Schadenersatzklage nach Art. 268 AEU-Vertrag kann ein Schadenersatz eingeklagt werden, der durch rechtswidrige Handlungen der Europäischen Union oder ihrer Organe entsteht. Die zuständigen Gerichte der Europäischen Union entscheiden nach Art. 340 Abs. 2 und 3 AEU-Vertrag „nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“. Die Klage ist nur im Bereich der deliktischen Haftung zulässig.

Im Bereich der vertraglichen Haftung gelten nach Art. 340 Abs. 1 AEU-Vertrag die auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften. Die Gerichte der Europäischen Union entscheiden in diesen Angelegenheiten gemäß Art. 272 AEU-Vertrag nur, wenn dies in einer Schiedsklausel vorgesehen ist. Wurde eine solche Schiedsklausel nicht abgeschlossen, so entscheiden nach Art. 274 AEU-Vertrag die Gerichte der Mitgliedstaaten.

Gemäß Art. 256 AEU-Vertrag entscheidet in der Regel das Europäische Gericht in erster und der Europäische Gerichtshof in zweiter Instanz.

Verfahren betreffend den öffentlichen Dienst

Gemäß Art. 270 AEU-Vertrag entscheiden die Gerichte über Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Einrichtungen einerseits und deren Beamten und sonstigen Bediensteten andererseits. Die näheren Bestimmungen treffen das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen der Europäischen Union. Gemäß Art. 256 AEU-Vertrag entscheidet das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union in erster und das Europäische Gericht in zweiter Instanz. Aufgrund eines Antrags des ersten Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs kann der Europäische Gerichtshof das Urteil des Europäischen Gerichts überprüfen.

Besonderheiten

Bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehen oder bestanden einige Besonderheiten.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik haben die Gerichte der Europäischen Union kaum Kompetenzen, woran auch der Vertrag von Lissabon nichts änderte. Einzig gegen restriktive Maßnahmen, die vom Rat der Europäischen Union verhängt wurden, können betroffene Personen Klage erheben.

Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts

Auch im Bereich der 3. Säule (Justiz und Inneres bzw. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) waren die Kompetenzen der Gerichte der Europäischen Union eingeschränkt. Grundsätzlich sind seit dem Vertrag von Lissabon die allgemeinen Bestimmungen über die Zuständigkeiten der Gerichte anzuwenden. Es gibt aber weiterhin einzelne Besonderheiten:

  • Die Gerichte der Europäischen Union sind gemäß Art. 276 AEUV nicht berechtigt, über die Gültigkeit oder Verhältnismäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen (einschließlich Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Schutz der inneren Sicherheit) sowie anderer Maßnahmen der Strafverfolgung zu entscheiden.
  • Für die Rechtsakte, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Rahmen der 3. Säule angenommen wurden, sind in einer Übergangsfrist von fünf Jahren die vor dem Vertrag von Lissabon geltenden Bestimmungen über Zuständigkeit der Gerichte der Europäischen Union weiterhin anzuwenden.

Siehe auch

Nachweise

Literatur

  • Martin Borowski: Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV. In: Europarecht (EuR). 39. Jg. (2004), 2. Halbbd., H. 6, S. 879–910.
  • Matthias Pechstein: EU-/EG-Prozessrecht. Unter Mitarbeit von Matthias Köngeter und Philipp Kubicki. 3. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck 2007. ISBN 978-3-16-149269-3
  • Hans-Werner Rengeling / Andreas Middeke / Martin Gellermann (Hrsg.): Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union. 2. Aufl. München: C.H. Beck 2003. ISBN 3-406-47838-7

Weblinks

 Commons: Gerichtshof der Europäischen Union – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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