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Gerhard Baader

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Prof. Gerhard Baader

Gerhard Oskar Baader[1] (geb. 3. Juli 1928 in Wien; gest. 14. Juni 2020 in Berlin[2]) war ein österreichischer Philologe und Medizinhistoriker.

Leben

Baader stammte aus einer österreichischen Familie und wuchs in Wien auf. Gerhard Baader war der Sohn von Oskar Baader († 1945) und Cecilia Adler (* 1887[3] ).[4] Sein Vater war katholisch, seine Mutter Jüdin. Er wuchs zunächst in katholischer Tradition auf. Erst beim Begräbnis seiner jüdischen Großmutter 1942 fand er zum Judentum, als er zum erforderlichen Minjan beim Kaddisch-Gebet gezählt wurde. Als sogenannter „Halbjude“ gehörte er in Österreich zu den „privilegierten“ Juden und musste während der Zeit des Nationalsozialismus „nur“ Zwangsarbeit leisten.[3] Anschließend war er 1944/45 ein knappes Jahr im Arbeitslager der Waffen-SS. Befreit wurde er in Wien durch die Rote Armee. Nach der Befreiung konnte er in einem Kurs, der eigens für politisch und „rassisch“ Verfolgte eingerichtet worden war, das Abitur machen. Ebenso löste er sich nunmehr endgültig von der katholischen Kirche. Er begann sich in sozialdemokratischen Jugend- und Studentenorganisationen zu engagieren. In seinem späteren Leben verband er sich wieder mit seinen jüdischen Wurzeln.

Von 1948 bis 1952 studierte er Klassische Philologie, Germanistik, Linguistik und Geschichtswissenschaft an der Universität Wien. Nach seiner Promotion 1952 war Baader von 1954 bis 1966 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mittellateinischen Wörterbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1967 wechselte er ans Institut für Medizingeschichte der Freien Universität Berlin. Hier war er wissenschaftlicher Assistent, ab 1968 Akademischer Rat bzw. Oberrat. 1979 habilitierte er sich, 1983 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1993 trat er in den Ruhestand und lebte zehn Jahre in Israel. Er war dort Visiting Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem.[5]

Baader war an der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin als Gabbai tätig.[6] Weiterhin war er stellvertretender Vorsitzender des Vereins Child Survivors Deutschland (Überlebende Kinder der Shoah).[7]

Die Lewaja (Begräbnisprozession) findet am Freitag, den 19. Juni 2020 um 11 Uhr auf dem Berliner Jüdischen Friedhof Heerstraße/Scholzplatz statt.

Forschungsschwerpunkte

Baader forschte im Bereich der Geschichte der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit. Ab 1980 behandelte er die Sozialgeschichte der Medizin. Er zählt zu den Pionieren der historischen Forschung zur Medizin im Nationalsozialismus. 1982 gegründete er den „Arbeitskreis für die Erforschung der Geschichte der NS-Euthanasie und Zwangssterilisation“.

Baader verfasste zahlreiche Artikel für die Neue Deutsche Biographie.

Ehrungen

Für sein Engagement bei der Aufarbeitung der Rolle der Medizin im Nationalsozialismus erhielt Baader im September 2018 das Bundesverdienstkreuz.[8]

Schriften (Auswahl)

  • Der Berliner Codex Phillipp. 1790, ein frühmittelalterliches medizinisches Kompendium. In: Medizinhistorisches Jahrbuch. Band 1, 1960, S. 150–155.
  • Zur Terminologie des Constantinus Africanus. In: Medizinhistorisches Journal. Band 2, 1967, S. 36–53.
  • Die Anfänge der medizinischen Ausbildung im Abendland bis 1100. In: La scuola nell’occidente latino dell’alto medioevo. Spoleto 1972 (= Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo, Band 19,2), S. 669–718 und 725–742.
  • Die Entwicklung der medizinischen Fachsprache in der Antike und im frühen Mittelalter. In: Gerhard Baader, Gundolf Keil (Hrsg.): Medizin im mittelalterlichen Abendland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982 (= Wege der Forschung. Band 363), S. 417–442.
  • Die Entwicklung der medizinischen Fachsprache im hohen und späten Mittelalter. In: Gundolf Keil, Peter Assion (Hrsg.): Fachprosaforschung. Acht Vorträge zur mittelalterlichen Artesliteratur. Berlin 1974, S. 88–123.
  • mit Gundolf Keil: Mittelalterliche Diagnostik. In: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. Hrsg. von Christa Habrich, Frank Marguth und Jörn Henning Wolf unter Mitarbeit von Renate Wittern. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe, Band 7/8), S. 121–144.
  • Die Schule von Salerno. In: Medizinhistorisches Journal. Band 13, 1978, S. 124–145.
  • Medizinisches Reformdenken und Arabismus im Deutschland des 16. Jahrhunderts. In: Sudhoffs Archiv. Band 63, 1979, S. 261–296.
  • Theorie und Praxis vorsalernitanischer Uroskopie. Ref. 65. In: Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik e. V. Trier 1982.
  • Stadtentwicklung und psychiatrische Anstalten. In: Gundolf Keil (Hrsg.): „gelêrter der arzeniê, ouch apotêker“. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Willem F. Daems. Horst Wellm, Pattensen 1982 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 24), ISBN 3-921456-35-5, S. 239–253.
  • Lehrbrief und Kurztraktat in der medizinischen Wissensvermittlung des Früh- und Hochmittelalters. In: Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter. Perspektiven ihrer Erforschung. Hrsg. von Norbert Richard Wolf, Wiesbaden 1987 (= Wissensliteratur im Mittelalter, Band 1), S. 246–254.
  • als Hrsg. mit Gundolf Keil: Medizin im mittelalterlichen Abendland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982 (= Wege der Forschung. Band 363).
  • Menschenversuche im Nationalsozialismus. In: Hanfried Helmchen, Rolf Winau (Hrsg.): Versuche mit Menschen in Medizin, Humanwissenschaft und Politik. Berlin und New York 1986, S. 41–82.

Literatur

  • Michael Hubenstorf, Ragnhild Münch, Heinz-Peter Schmiedebach, Sigrid Stöckel (Hrsg.): Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader (= Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Band 81). Matthiesen Verlag, Husum 1997, ISBN 978-3-7868-4081-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Bekanntgabe der Verleihungen / Bekanntgabe der Verleihungen vom 1. Oktober 2018. Abgerufen am 16. Oktober 2018.
  2. Christine Schmitt: Zeitzeuge, Wissenschaftler, Gabbai: Der Medizinhistoriker Gerhard Baader starb im Alter von 91 Jahren in Berlin. In: Jüdische Allgemeine, 16. Juni 2020.
  3. 3,0 3,1 M. Raggam-Blesch: „Privileged“ under Nazi-Rule: The Fate of Three Intermarried Families in Vienna. In: Journal of genocide research. Band 21, Nummer 3, 2019, S. 378–397, doi:10.1080/14623528.2019.1634908, PMID 31708684, PMC 6817312 (freier Volltext).
  4. science.apa.at.
  5. »Ruhestand? Nur formal«, Jüdische Allgemeine, 22. Oktober 2009. Abgerufen am 15. Juni 2020.
  6. Das Team der Synagoge Oranienburger Straße: Prof. Dr. Gerhard Baader. In: www.or-synagoge.de. Abgerufen am 1. Juni 2018.
  7. Child Survivors Deutschland. Abgerufen am 17. Jun i 2020.
  8. Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Gerhard Baader. Pressemitteilung vom 14. September 2018.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gerhard Baader aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.