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Gerd Bucerius

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Gerd Bucerius [buˈtseʁius] (geb. 19. Mai 1906 in Hamm, Westfalen; gest. 29. September 1995 in Hamburg) war ein deutscher Verleger und Politiker (CDU).

Ausbildung und Beruf

Bucerius, der evangelischen Glaubens war, besuchte Schulen in Essen, Hannover und - ab 1922 - Hamburg. Er kam nach Hamburg, weil sein Vater Walter Bucerius, bis 1922 Bürgermeister in Hannover, in die Direktion der Hugo Stinnes AG für Seeschiffahrt und Überseehandel wechselte.[1]

Nach dem Abitur 1924 in Hamburg studierte er Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau, Hamburg und Berlin. 1928 bestand er das erste und 1932 das zweite juristische Staatsexamen.

Er war danach als unbesoldeter Richter im damals noch preußischen Altona, in Kiel und Preetz und als besoldeter Richter in Flensburg tätig. Von 1933 bis Anfang 1946 arbeitete Bucerius als Rechtsanwalt in der väterlichen Kanzlei in Altona. 1934 erfolgte seine Promotion zum Dr. iur. an der Universität Hamburg zu dem Thema: „Der Zeitpunkt des Eigentumsverlustes an beschlagnahmten und liquidierten Gütern, rechtsvergleichend dargestellt am englischen, amerikanischen und deutschen Beschlagnahmerecht des Weltkrieges.“[2] Unerschrocken trat er z. B. 1937 dem Ersten Staatsanwalt Heinrich Jauch bei seiner Verteidigung des jüdischen Hamburger Reeders Arnold Bernstein entgegen, der eines der ersten Arisierungsopfer war. Ab 1932 war er mit einer Jüdin – Detta (Gretel) Goldschmidt – verheiratet.

Die Wehrmacht zog ihn 1940 nur für zwei Monate ein.[1]

Von 1943 bis 1945 war er stellvertretender Geschäftsführer und Syndikus der „Diago-Werke Moeller & Co.“ in Hamburg. Dieses Unternehmen war in den letzten Kriegsjahren für Baracken- und Notunterkünftebau zuständig und setzte auch jüdische KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter ein.[3]

Am 14. Juni 1945 wurde Bucerius als Treuhänder von der britischen Militärverwaltung in Hamburg mit der Abwicklung der Hamburger Zeitung beauftragt.[4]

Am 14. Februar 1946 erhielt er gemeinsam mit Lovis H. Lorenz, Richard Tüngel und Ewald Schmidt di Simoni von der britischen Besatzungsbehörde die Lizenz zur Herausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1949 bis 1951 erwarb er nach und nach die Mehrheit am Nannen-Verlag und wurde damit auch Verleger des Stern.

In den Jahren 1951 bis 1957 fanden unter den Gesellschaftern der ZEIT Auseinandersetzungen statt, an deren Ende Bucerius schließlich alleiniger Gesellschafter der ZEIT wurde. Bucerius' große Leidenschaft galt bis zu seinem Tode der lange Zeit defizitären ZEIT, die er mit Gewinnen aus dem Stern finanzierte. Gegen den Widerstand der Redaktion setzte er das ZEIT magazin als erste farbige Beilage in Deutschland mit Erfolg durch. Seine berufliche Beziehung zur langjährigen leitenden Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff war gelegentlich gespannt, wie der Briefwechsel belegt.[5]

Am 1. Juli 1965 gründete er gemeinsam mit Richard Gruner und John Jahr senior die „Gruner + Jahr GmbH“, den damals zweitgrößten deutschen Pressekonzern. Am 1. Januar 1973 übertrug er seine Anteile an „Gruner + Jahr“ der neu gegründeten Bertelsmann AG und wurde zeitweilig deren Aufsichtsratsvorsitzender.

Am 15. Dezember 1971 gründete Bucerius die Zeit-Stiftung, die spätere Alleinerbin seines Vermögens. Die Stiftung betreibt unter anderem seit 2000 die Bucerius Law School, die erste deutsche private Hochschule für Rechtswissenschaften in Hamburg, und seit 2002 das Bucerius Kunst Forum. 2001 wurde das Bucerius Institute for Research of Contemporary German History and Society an der Universität Haifa durch die Zeit-Stiftung eröffnet.[6] Die Zeit-Stiftung vergibt die mit insgesamt 70.000 Euro (Stand 2013) dotierten Gerd Bucerius-Förderpreise Freie Presse Osteuropas.[7]

1972 wurde DIE ZEIT aus der Bertelsmann AG herausgelöst und anschließend der neue Zeitverlag gegründet. Von 1977 bis 1982 leitete Diether Stolze den Verlag. Ab 1985 führte Bucerius' Lebensgefährtin Hilde von Lang[8] (bis 1990 gemeinsam mit Helmut Schmidt, der seitdem Herausgeber ist) die Geschäfte des Verlags. 1988 gründete er mit einem 55-%-Anteil die ZEIT-TV-GmbH. Seit dem 1. Juli 1996 gehört DIE ZEIT zur Holtzbrinck-Verlagsgruppe.

Ehrungen

Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Gerd Bucerius

Am 15. Mai 1986 ernannte die Hamburgische Bürgerschaft Gerd Bucerius zum Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg. Zu seinem 100. Geburtstag am 18. Mai 2006 wurde die westlich des Verlagsgebäudes gelegene Querstraße zum Speersort in Buceriusstraße benannt.

1956 erhielt Bucerius das Große Verdienstkreuz mit Stern und 1986 das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband. 1974 war er Preisträger der Alexander-Rüstow-Plakette. Er wurde im November 1990 mit der Ludwig-Erhard-Medaille für Verdienste um die Soziale Marktwirtschaft ausgezeichnet. Anlässlich seines 100. Geburtstags gab die Deutsche Post AG 2006 eine Sonderbriefmarke heraus.

Familie

Am 11. Oktober 1932 heiratete Bucerius Detta („Gretel“) Goldschmidt (1910–1970), eine Jüdin. Diese emigrierte im Dezember 1938 nach England. Am 19. Dezember 1945 wurde die Ehe geschieden. Am 12. April 1947 heiratete er Gertrud Ebel (1911–1997), genannt Ebelin, geb. Müller.

Partei

Bucerius trat am 26. Juni 1946 mit einer Gruppe um Bürgermeister Rudolf Petersen der CDU bei. Am 8. Februar 1962 verließ er die Partei nach der so genannten Höllenfeuer-Affäre. Anlass war der Artikel „Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?“ im Stern, der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 7. Februar als eine „Verletzung christlicher Empfindungen schärfstens mißbilligt“ wurde[9]

Mit seinem Vorbild Konrad Adenauer überwarf er sich wegen dessen Ostpolitik, insbesondere seines politischen Verhaltens nach dem Bau der Berliner Mauer im August 1961.

Abgeordneter

Bucerius gehörte 1946 der von der Besatzungsmacht ernannten Hamburgischen Bürgerschaft an. 1946/47 war er Mitglied des Zonenbeirates der britischen Zone, 1948/49 Mitglied des Wirtschaftsrates für die Bizone in Frankfurt am Main. Im Wirtschaftsrat übernahm er den Vorsitz des Ausschusses für den Lastenausgleich.

Er wurde im Wahlkreis Hamburg I 1949 erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt und gehörte diesem bis 1962 an. In der ersten Wahlperiode war er Vorsitzender des Berlin-Ausschusses, vom 10. November 1954 bis 3. Juli 1957 Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Fall John. Er plädierte während einer Schwächephase des Ostblocks im Herbst 1956 dafür, diese zu nutzen und die deutsche Hauptstadt nach Berlin zu verlegen. Kurz danach wurde beschlossen, dass der Bundespräsident einen zweiten Amtssitz in Berlin hatte und der Bundestag im wiederhergerichteten Reichstag regelmäßig tagen sollte.[10]

1953 errang er im Wahlkreis Hamburg I erneut das Direktmandat, danach zog er über die Landesliste der CDU ins Parlament ein. Im März 1962 legte er sein Mandat nieder.

Öffentliche Ämter

Vom 26. Februar bis 15. November 1946 war Bucerius als Parteiloser Bausenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Nach der Bürgerschaftswahl 1946 war er für den Fall einer Regierungsbeteiligung der CDU für den Posten des Kultursenators vorgesehen, dazu kam es jedoch nicht.

Von 1952 bis 1957 war er Bundesbeauftragter für die Förderung der Berliner Wirtschaft.

Werke

  • Der angeklagte Verleger. Notizen zur Freiheit der Presse. München 1974.
  • Der Adenauer. Betrachtungen eines unbequemen Zeitgenossen. Hamburg 1976.
  • Ratschläge für Einsteiger. In: Schmid-Burgk, Sonja (Hrsg.): Ein Leben für die Politik? Briefe an jüngere Mitbürger. Freiburg im Breisgau 1988, Seiten 9-13.
  • Zwischenrufe und Ordnungsrufe. Zu Fragen der Zeit. München 1987.

Literatur

Weblinks

 Commons: Gerd Bucerius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 [1]
  2. Die Arbeit verdankt ihre Entstehung der Initiative des Staatsrechtlers Albrecht Mendelssohn Bartholdy. [2]
  3. KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Hamburg-Tiefstack
  4. Ralf Dahrendorf: Liberal und unabhängig. Gerd Bucerius und seine Zeit. C.H. Beck Verlag, München 2000, ISBN 3-596-15942-3, S. 58f.
  5. Marion Gräfin Dönhoff - Gerd Bucerius: Ein wenig betrübt, Ihre Marion. Ein Briefwechsel aus fünf Jahrzehnten, München 2003
  6. Newsletter der Universität Haifa, 03/2001, S. 3. (PDF-Datei; 835 kB)
  7. Träger der Gerd Bucerius-Förderpreise Freie Presse Osteuropas 2013 stehen fest beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de); abgerufen am 7. März 2013
  8. Langjährige „Zeit“-Verlegerin Hilde von Lang gestorben In: Spiegel-online, 5. April 2011
  9. Gerd Bucerius: Warum ich aus der CDU austrat. Gründe und Hintergründe einer politischen Entscheidung. In: Die Zeit, 16. Februar 1962. Abgerufen am 10. Juni 2013. Gerd Bucerius, Henri Nannen, Erik Blumenfeld: Ihr nennt das eine Sünde In: Der Spiegel, № 9, 28. Februar 1962. Abgerufen am 10. Juni 2013.
  10. [3] So trug Bucerius' Initiative wohl dazu bei, die 'Hauptstadt-Frage' offen zu halten.

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